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Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Kläger trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand:
2Streitig ist, ob die Beigeladene am 22.10.1999 einen Arbeitsunfall erlitten hat, insbesondere, ob sie an diesem Tag für den Kläger arbeitnehmerähnlich tätig geworden ist.
3Der Kläger ist selbstständiger Landwirt. Er betreibt eine Schweinemast und Ackerbau. Daneben hält er eine Zuchtstute.
4Die Beigeladene war an dem Erwerb eines Reitpferdes interessiert. Auf Empfehlung ihres Reitlehrers nahm sie mit dem Kläger Kontakt auf. Dieser war Eigentümer eines Pferdes und bereit, dieses zu veräußern. Der Erwerb scheiterte letztlich an erheblichen gesundheitlichen Schäden des Pferdes, die im Rahmen einer Röntgenkontrolle festgestellt worden waren.
5Da sich zwischen dem Kläger und der Beigeladenen ein enges freundschaftliches Verhältnis entwickelt hatte, bot der Kläger der Beigeladenen an, dass sie das Pferd trotz des gescheiterten Erwerbs reiten könne. Die Beigeladene machte jedoch die Unterstellung des Pferdes auf dem Hof Q in X zur Bedingung, da sie so die vereinseigene Reithalle nutzen könne. Das Pferd wurde am 01.10.1999 auf den Hof Q eingestallt. Der Kläger hatte den Transport übernommen. Er trug auch die Unterstellkosten.
6Das Pferd wurde von der Beigeladenen ca. 3 - 4 mal wöchentlich jeweils für 1 1/2 Stunden bewegt. Zu ihren Aufgaben gehörte die Pflege des Pferdes sowie das wöchentliche Ausmisten des Stalles. Der Unfall ereignete sich am 22.10.1999 beim Verbringen des Pferdes auf die Weide. Beim Führen des Pferdes durch das geöffnete Weidengatter wurde dieses plötzlich aus unerfindlichen Gründen nervös und schlug mit der linken Hinterhand an den Verschluss des Gattertores. Dieses prallte gegen den rechten Unterschenkel der Beigeladenen. Dabei erlitt sie nicht dislozierte distale Tibiaschaftfraktur rechts.
7Mit Bescheid vom 13.06.2000 hat die Beklagte gegenüber der Beigeladenen einen Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 22.10.1999 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Eine Tätigkeit stehe dann unter Versicherungsschutz, wenn es sich um eine arbeitnehmerähnliche dem Unternehmen ernsthaft dienende Tätigkeit handele. Nicht alles, was einem Unternehmen objektiv nützlich und der Art der Verrichtung nach üblicherweise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich sei, werde in arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit verrichtet. Vielmehr komme der mit dem "objektiv arbeitnehmerähnlichen" Tun verbundenen Handlungstendenz ausschlaggebende Bedeutung zu. Verfolge nämlich eine Person mit solchem Verhalten in Wirklichkeit wesentlich allein ihre eigenen Angelegenheiten, sei sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig. Von entscheidender Bedeutung sei, dass die Tätigkeit fremdbestimmt sein müsse. Diene die Tätigkeit sowohl eigenen Belangen wie auch fremden Zwecken, so seien objektiv erbrachte Leistungen und subjektive Handlungstendenz gegeneinander abzuwägen. Zwar habe das Reiten, Bewegen und Trainieren des Pferdes auch im Interesse des Klägers gelegen, jedoch hätten diese Tätigkeiten im Umgang mit dem Pferd ausschließlich der Freizeitbeschäftigung zur Ausübung des Hobbys der Beigeladenen gedient. Das Bewegen des Pferdes am Unfalltag habe daher keine versicherte Tätigkeit dargestellt, so dass die Leistungspflicht der Beklagten nicht gegeben sei.
8Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schriftsatz vom 07.07.2000 Widerspruch eingelegt und wie folgt vorgetragen: Entgegen der Auffassung der Beklagten hätten die Tätigkeiten der Beigeladenen im Umgang mit dem Pferd keineswegs ausschließlich der Freizeitbeschäftigung zur Ausübung eines Hobbys gedient, sondern diese Beschäftigung habe in erster Linie der Ausbildung und dem Verkauf des Pferdes gedient. Dass das überwiegende Interesse des Klägers hier im Vordergrund gestanden habe, werde schon dadurch deutlich, dass dieser die Unterstell- und Futterkosten sowie alle Nebenkosten für das Pferd getragen habe. Auch für die Beigeladene sei von vornherein klar gewesen, dass der Kläger ihr das Pferde zur Verfügung gestellt habe, damit es weiter ausgebildet werde. Die "Versorgung" des Pferdes sei damit für die Beigeladene fremdbestimmt gewesen.
9Am 23.08.2000 hat die Beklagte den Kläger angehört. Er hat u. a. folgendes erklärt: Die Beigeladene habe ihm nach dem Scheitern des Kaufes angeboten, sein Pferd auszubilden. Von wem letztlich die erste Initiative ausgegangen sei, wisse er nicht mehr. Er habe zu diesem Zeitpunkt keinen Bereiter für das Pferd gehabt. Wäre die Beigeladene nicht zur Ausbildung bereit gewesen, hätte er sich einen Bereiter im dortigen Reitverein suchen müssen.
10Eine Anhörung der Beigeladenen durch die Beklagte erfolgte am 29.08.2000. Diese erklärte u. a.: Zum Unfallzeitpunkt habe sie kein eigenes Pferd gehabt. Sie habe den Kläger gefragt, ob sie das Pferd bewegen dürfe, bis sie selber ein eigenes Pferd habe. In der Zeit vor dem Unfall habe sie Pferde anderer Halter geritten. Manchmal sei sie auch angesprochen worden, ob sie fremde Pferde reiten wolle.
11Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20.09.2000 hat der Kläger am 19.10.2000 vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben. Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Beigeladene bei dem Unfallereignis unter Versicherungsschutz gestanden habe. Zur Begründung hat er ausgeführt: Der Kläger habe der Beigeladenen das Pferd zunächst zur Verfügung gestellt, weil diese an einem Kauf interessiert gewesen sei. Die Versorgung des Pferdes sei sicherlich zu diesem Zeitpunkt noch überwiegend eigennützig gewesen. Nachdem der Ankauf gescheitert war, habe sich auch die Zweckrichtung des Klägers bei der Überlassung des Pferdes an die Beigeladene geändert. Der Kläger, der beruflich mit Pferden handele, habe das Pferd der Beigeladenen zur Verfügung gestellt, damit es weiter bewegt, ausgebildet und präsentiert werde. Die entsprechenden Unterbringungskosten für das Pferd habe der Kläger getragen. Unter Berücksichtigung dieser wirtschaftlichen Gesichtspunkte sei aus der Sicht des Klägers die Betreuung des Pferdes durch die Beigeladene eindeutig fremdbestimmt gewesen. Für den Kläger hätte kein Interesse daran bestanden, die Kosten für die Unterbringung eines Pferdes zu tragen, nur um einer dritten Person die Ausübung ihres Hobbys zu ermöglichen. Aus der Sicht der Beigeladenen selbst mag sich die Fremdbestimmung und die Eigenbestimmung (Hobby) die Waage gehalten haben.
12Der Kläger beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.06.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2000 zu verurteilen, das Unfallereignis vom 22.10.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und der Beigeladenen Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
14Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beigeladene beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Die Beigeladene hat vorgetragen, dass sie sich ausschließlich des Pferdes angenommen habe, um ihrem Hobby, dem Reitsport zu frönen. Nachdem der Erwerb des Tieres wegen gesundheitlicher Mängel gescheitert sei und der Kläger das Pferd nicht anderweitig habe veräußern können, habe die Beigeladene den Kläger gebeten, das Tier bis zu einem etwaigen Verkauf reiten zu dürfen.
19Das Gericht hat die Beigeladene persönlich angehört. Wegen ihrer Angaben im einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.02.2001 Bezug genommen.
20Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
21Entscheidungsgründe:
22Die Klage ist nicht begründet.
23Der Bescheid vom 13.06.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2000 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, das Ereignis vom 22.10.1999 als Arbeitsunfall zu entschädigen.
24Der Kläger ist gemäß § 109 SGB VII berechtigt, die Feststellungen nach § 108 SGB VII zu beantragen und das entsprechende Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu betreiben. Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften sind hier erfüllt. Der Kläger gehörte zum Unfallzeitpunkt als landwirtschaftlicher Unternehmer zu den haftungsprivilegierten Personen des § 104 Abs. 1 SGB VII, deren Haftung für Schadensersatzansprüche bei Personenschäden, die ein Arbeitsunfall verursacht hat, beschränkt ist. Der Kläger wird auch wegen eines Personenschadens von der verletzten Beigeladenen in Anspruch genommen.
25Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall in diesem Sinne lag aber nicht vor, denn die Beigeladene stand im Zeitpunkt des Unfalls nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil sie keine "Versicherte" im Sinne der vorstehenden Ausführungen war.
26Die Beigeladene war am Unfalltag nicht im Rahmen eines durch persönliche Abhängigkeit gekennzeichneten Beschäftigungsverhältnisses zu dem Kläger tätig, so dass sie dabei nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert gewesen ist. Beschäftigung ist nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 SGB IV, der für sämtliche Bereiche der Sozialversicherung gilt, die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Danach ist Arbeitnehmer, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist (BSG SozR 2100 § 7 Nr. 7). Dabei bedingt ein Beschäftigungsverhältnis nicht notwendig einen abgeschlossenen Arbeitsvertrag, maßgebend sind vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse. Wesentlich für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ist die persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, dessen Direktionsrecht der Beschäftigte unterliegt, sei es durch vertraglich vereinbarte Weisungsgebundenheit oder durch Eingliederung des Arbeitenden in dem Betrieb des Arbeitgebers (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 114 m. w. N.). Zu den typusbildenden Merkmalen einer abhängigen Beschäftigung, die nicht sämtlich gleichzeitig vorliegen müssen, gehört zunächst das Anordnungsrecht des Unternehmers bezüglich Zeit und Art der Arbeitsausführung sowie der Umstand, dass es sich um ein auf Dauer oder zumindest längerer Zeit angelegtes Verhältnis handelt (BSG SozR 3/2200 § 539 Nr. 40). Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens lässt sich nicht feststellen, dass die Beigeladene in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu dem Kläger gestanden hat. Neben der fehlenden wirtschaftlichen Abhängigkeit war insbesondere eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen nicht gegeben. Nach eigenen Angaben war sie, was die Versorgung des Pferdes anbelangte, völlig frei. Im übrigen erhielt sie auch keinen angemessenen Gegenwert. Diese Umstände sprechen entschieden gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Dies wird letztlich auch von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt.
27Die Beigeladene war im Unfallzeitpunkt auch nicht nach § 2 Abs. 2 SGB VII versichert. Danach sind gegen Arbeitsunfall auch Personen versichert, die wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherter - wenn auch nur vorübergehen - tätig werden. Dies erfordert eine ernstliche, dem in Betracht kommenden fremden Unternehmen dienende Tätigkeit, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen und unter solchen Umständen geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Für einen Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 SGB VII reicht es nicht aus, dass die einzelne Verrichtung losgelöst von dem sie tragenden Umständen dem Unternehmen nützlich und ihrer Art nach üblicher Weise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist. Nicht alles, was einem Unternehmen objektiv nützlich und der Art der Verrichtung nach üblicherweise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, wird in arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit verrichtet. Wesentlich für den Versicherungsschutz ist vielmehr die auf die Belange des Unternehmens gerichtete Handlungstendenz, die in dem von der Rechtsprechung verwendeten und bereits dargelegten Begriff der dem Unternehmen "dienenden" Tätigkeiten zum Ausdruck kommt (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 119 m. w. N.). Man spricht von einer fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung, der die Tätigkeit dienen müsse. So stellt das BSG in seinen Entscheidungen darauf ab, dass die Tätigkeit "geeignet" sei, den Interessen des Unternehmens zu dienen. Verfolgt dagegen eine Person mit ihrem Verhalten in Wirklichkeit wesentlich allein ihre eigenen Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig und steht auch daher nicht nach § 2 Abs. 2 SGB VII wie eine nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz. Dient die Tätigkeit sowohl eigenen Belangen als auch fremden Zwecken, so sind objektiv erbrachte Leistungen und subjektive Handlungstendenz ihrer Intensität nach jeweils gegeneinander abzuwägen.
28Nach diesen Maßstäben spricht das Gesamtbild der Tätigkeit der Beigeladenen dafür, dass sie nicht wie eine Beschäftigte tätig war. Ganz wesentlich für die Beigeladene stand im Vordergrund, ihrem Hobby dem Reitsport nachgehen zu können. Das wird insbesondere durch ihre Angaben im Termin am 28.02.2001 deutlich, als sie erklärte: "Wäre ein anderer Eigentümer eines Pferdes mit der Bitte auf mich zugekommen, sein Pferd zu bewegen, hätte ich zu diesem Zeitpunkt auch dieser Person zugesagt. Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt kein eigenes Pferd und wichtig war einfach für mich, reiten zu können". Des weiteren hatte sie hinsichtlich der Behandlung des Pferdes völlige Gestaltungsfreiheit. Der Kläger nahm auch tatsächlich keinerlei Einfluss. Die Situation gestaltete sich nach ihren eigenen Worten so, als wenn sie das Pferd zuvor als Eigentümerin erworben hätte. Diese mangelnde Fremdbestimmung bei dem Umgang mit dem Pferd spricht aber ganz entscheidend gegen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit der Beigeladenen.
29Der Vortrag des Klägers, er habe allein aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Beigeladenen das Pferd zur Verfügung gestellt, so dass aus seiner Sicht die Tätigkeit der Beigeladenen eindeutig fremdbestimmt gewesen sei, ist unbeachtlich.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.