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Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 02.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2004 verurteilt, bei dem Kläger einen GdB von 50 ab Antragstellung festzustellen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt die Anerkennung als Schwerbehinderter.
3Der am 06.09.1951 in Kosovska/Jugoslawien (Kosovo) geborene Kläger ist serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger und gehört dem Volke der Roma an. Er ist im Dezember 1998 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sein Asylerstantrag und weitere Folgeanträge blieben erfolglos. Der Oberbürgermeister der Stadt Oberhausen erteilt ihm seitdem fortlaufend aufeinander folgende, in der Regel auf zwei Monate befristete Duldungen. Zuletzt war der Kläger im Besitz einer bis zum 05.03.2007 ausgesprochenen Duldung. Ausweislich der Nebenbestimmungen erlischt diese jedoch unabhängig von ihrer Gültigkeit mit Feststellung der Reisefähigkeit und Bekanntgabe eines Rückführungstermins.
4Am 16.09.2003 beantragte der Kläger die Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche "erhebliche Gehbehinderung" (G), "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG) sowie "Notwendigkeit ständiger Begleitung" (B). Als festzustellende Gesundheitsstörungen gab der Kläger eine Herz- und eine Lungenerkrankung sowie Durchblutungsstörungen und Gelenkbeschwerden an. Dem Antrag beigefügt waren u.a. eine ärztliche Bescheinigung des Internisten Dr. F. vom 14.01.2003, wonach bei dem Kläger eine Kardiomyopathie und Bluthochdruck bestünden, sowie Befundberichte des Neurologen und Psychiaters Dr. M. und des Kardiologen Dr. O ... In seinem Bericht vom 12.09.2003 führte Dr. M. aus, beim Kläger zeige sich eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik in Form von Unruhe, Ängsten und Verlust der Kontrolle. Ferner bestünden multiple körperliche Beschwerden, die wahrscheinlich in der Angst vor der ungewissen Zukunft und der drohenden Abschiebung begründet seien. Dr. O. diagnostizierte in seinem Bericht vom 15.04.2003 u.a. eine geringgradige koronare Herzkrankheit mit noch normaler systolischer Funktion, eine arterielle Hypertonie sowie einen Diabetes mellitus Typ II.
5Der Beklagte holte zusätzlich Befundberichte des Allgemeinmediziners Dr. S. und des Internisten Dr. F. ein. Dr. S. teilte unter dem 25.09.2003 u.a. folgende Diagnosen mit: Retropatellararthrose, Kapselspreizung des Schultergelenks, Gonalgie, Diabetes mellitus Typ IIb sowie arterielle Hypertonie. Beigefügt war ein Befundbericht des Radiologen B., der über eine röntgenologische Untersuchung vom 15.09.2003 berichtete, wonach am Thorax und an den Thoraxorganen sowie am Schultergelenk kein krankhafter Befund und am Kniegelenk ein unauffälliger Befund festgestellt werden konnte. Dr. F. teilte unter dem 17.11.2003 u.a. mit, dass bei dem Kläger in Jugoslawien eine Kardiomyopathie festgestellt worden sei. Darüber hinaus bestünden eine geringgradige koronare Herzkrankheit, eine Hypertonie sowie eine diabetische Stoffwechsellage. Beigefügt war ein Befundbericht des Radiologen Dr. W., der über eine computertomographische Untersuchung des Thorax vom 06.08.2002 berichtete, wobei vermehrtes mediastinales Fettgewebe bei im Übrigen regelgerechten Thoraxorganen festgestellt wurde.
6Nach versorgungsärztlicher Auswertung sämtlicher Befundberichte durch den Sozialmediziner Dr. Sch. stellte der Beklagte mit Bescheid vom 02.02.2004 einen GdB von 40 fest. Dabei wurden folgende Funktionsbeeinträchtigungen als anerkannte Behinderungen benannt und ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Sch. vom 30.11.2003 im Einzelnen wie folgt bewertet:
71.Psychische Behinderung mit körperlichen Beschwerden Einzel-GdB 30 2.Herzmuskelerkrankung, Bluthochdruck, koronare Herzerkrankung Einzel-GdB 20 3.Kniegelenksverschleiß Einzel-GdB 10 4.Zuckerkrankheit Einzel-GdB 10.
8Mit dem hiergegen mit Schreiben vom 01.03.2004 erhobenen Widerspruch machte der Kläger eine zu niedrige Bewertung des GdB geltend. Er sei durch das Zusammenspiel aller Behinderungen sehr stark in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Daher beantrage er auch weiterhin die Merkzeichen "G", "aG" und "B". Dem Widerspruch beigefügt waren u.a. ärztliche Bescheinigungen von Dr. F. vom 24.02.2004, von Dr. M. vom 12.12.2003 sowie von Dr. S. vom 23.10.2003.
9Der Beklagte wies den Widerspruch nach versorgungsärztlicher Auswertung der ergänzend vorgelegten Bescheinigungen mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2004 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Funktionsstörungen des Herzens, die Zuckerkrankheit und das Kniegelenkverschleißleiden seien ausreichend bewertet worden. Die psychische Behinderung mit körperlichen Beschwerden überschreite einen Einzel-GdB von 30 nicht.
10Hiergegen hat der Kläger binnen Monatsfrist Klage erhoben, mit der er nunmehr ausschließlich die Anerkennung als Schwerbehinderter begehrt. Er ist weiterhin der Ansicht, aufgrund seines körperlichen Zustandes sei ein Gesamt-GdB von 40 nicht angemessen. Er habe ständig Schmerzen im Brustbereich und das Atmen falle ihm schwer. Auch beim Gehen bekomme er nur sehr schwer Luft.
11Der Kläger beantragt,
12den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 02.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2004 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von 50 festzustellen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er vertritt die Auffassung, dass nach der durch das Zuwanderungsgesetz zum 01.01.2005 maßgebenden Rechtslage eine Duldung nicht mehr zu einem rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX führen und daher eine Feststellung nicht getroffen werden könne. Zwar habe das BSG mit Urteil vom 01.09.1999 entschieden, dass jahrelang geduldete Ausländer, deren Abschiebung nicht abzusehen ist und bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 Ausländergesetz vorliegen, Ausländern mit nach Ausländerrecht "rechtmäßigem" Aufenthalt gleichzustellen sind, wobei sich die Notwendigkeit der Gleichstellung - nach Einschätzung des Gerichts - aus der restriktiven Praxis der Ausländerbehörde ergebe, die den ihnen in § 30 Abs. 3 Ausländergesetz eingeräumten Ermessensspielraum nicht ausschöpften.
16Insoweit habe sich jedoch die Rechtslage geändert. Ausländer, die nach den Maßstäben des BSG Ausländern mit nach Ausländerrecht rechtmäßigem Aufenthalt gleichzustellen seien, hätten nach dem nunmehr geltenden § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. § 25 Abs. 5 Satz 2 Aufenthaltsgesetz sei als Sollvorschrift ausgestaltet. Derartige Vorschriften seien grundsätzlich für die mit ihrer Durchführung betrauten Behörde rechtlich zwingend und verpflichteten sie daher in der Regel so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt sei. Bei Ausländern, die sich auf Dauer im Bundesgebiet aufhielten, die aber keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 2 Aufenthaltsgesetz erhielten, könne daher davon ausgegangen werden, dass sie nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert seien oder eine freiwillige Ausreise in das Herkunftsland möglich sei. In diesem Falle wäre aber auch nach der Rechtsprechung des BSG eine Gleichstellung nicht in Betracht gekommen, denn auch die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Ausländergesetz habe vorausgesetzt, dass der freiwilligen Ausreise und Abschiebung des Ausländers Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat.
17Der Versorgungsverwaltung sei eine Überprüfung der Entscheidung der Ausländerbehörde kaum möglich, so dass sie sich bei ihrer Entscheidung über die Feststellung nach dem SGB IX für einen Ausländer maßgeblich an der Entscheidung der Ausländerbehörde orientieren könne. Hilfsweise verweist der Beklagte zur Begründung auf seinen Widerspruchsbescheid.
18Das Gericht hat die der Klageschrift beigefügten Befundberichte des Kardiologen Dr. G. vom 29.04.2004 und des Dr. S. vom 12.05.2004 sowie einen unvollständigen Bericht des Internisten Dr. T. vom 28.04.2004 dem Beklagten zur Stellungnahme vorgelegt. Nachdem dieser unter Bezugnahme auf eine gutachterliche Stellungnahme des Sozialmediziners Dr. K. vom 19.07.2004 an seiner bisherigen Beurteilung festgehalten und eine weitere Sachaufklärung angeregt hat, hat der Kläger den vollständigen Befundbericht von Dr. T. sowie weitere Bescheinigungen von Dr. F. und Dr. S. vorgelegt. Gleichwohl hat der Beklagte daraufhin unter Bezugnahme auf eine gutachterliche Stellungnahme des Internisten Dr. G. vom 20.09.2004 erneut eine Erhöhung des GdB abgelehnt.
19Schließlich hat der Kläger einen weiteren Befundbericht von Dr. O. vom 15.10.2004 beigebracht, wonach eine arterielle Hypertonie mit hypertensiven Entgleisungen festzustellen sei und ein akutes Koronarsyndrom sowie eine relevante koronare Herzkrankheit ausgeschlossen werden können. Der Beklagte ist - unter Verweis auf eine weitere Stellungnahme von Dr. G. vom 13.12.2004 - bei seiner Einschätzung eines Gesamt-GdB von 40 geblieben.
20Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts ein psychiatrisches Gutachten von Herrn P., Arzt für Psychiatrie an den Rheinischen Kliniken in Langenfeld, eingeholt. Auf das Gutachten vom 01.06.2005 wird Bezug genommen.
21Der Beklagte ist dem Gutachten unter Bezugnahme auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Frau Dr. St., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 01.08.2006 entgegengetreten. Hierzu hat das Gericht eine ergänzende Stellungnahme von Herrn P. eingeholt. Auf diese Stellungnahme vom 01.11.2005 wird ebenfalls Bezug genommen.
22Den ergänzenden Ausführungen des Herrn P. ist der Beklagte erneut - unter Bezugnahme auf eine weitere versorgungsäztliche Stellungnahme von Frau Dr. St. vom 24.01.2006 - entgegengetreten.
23Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts aktuelle Befundberichte von Dr. S. und Dr. G. eingeholt und diese dem Beklagten zur Stellungnahme vorgelegt. Nachdem der Beklagte unter Bezugnahme auf eine gutachterliche Stellungnahme von Dr. G. vom 12.06.2006 erneut eine Erhöhung des GdB ablehnt, aber mit Blick auf die Herzmuskelerkrankung eine weitere Aufklärung angeregt hat, hat das Gericht ein kardiologisches Gutachten des Internisten Dr. M. aus Mülheim/Ruhr eingeholt. Auf das Gutachten vom 14.08.2006 wird Bezug genommen.
24Das Gericht hat darüber hinaus die den Kläger betreffende Ausländerakte der Stadt Oberhausen beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie der Ausländerakte der Stadt Oberhausen, die vorlagen und Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich diese im nicht öffentlichen Termin vom 09.02.2007 hiermit einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 SGG.
27Die zulässige Klage ist auch begründet.
28Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 02.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2004 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da sich dieser Bescheid als rechtswidrig erweist. Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, bei dem Kläger ab Antragstellung einen GdB von 50 festzustellen. Denn dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch zu.
29Nach § 2 Abs. 2 SGB IX setzt die Feststellung einer Schwerbehinderung voraus, dass der Betroffene - neben einem GdB von wenigstens 50 - seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches hat.
30Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
31Der Kläger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt zunächst im Geltungsbereich des SGB IX. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt gemäß § 37 Satz 1 SGB I für alle Leistungsbereiche des Sozialgesetzbuches, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Zwar enthält das SGB IX keine derartige Ausnahmeregelung, es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des BSG, dass der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" nur hinreichend unter Berücksichtigung des Zwecks des jeweiligen Gesetzes bestimmt werden kann, in dem der Begriff gebraucht wird. Dies gilt insbesondere für die Frage, wann ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (vgl. BSG SozR 3-3870, § 1 Nr. 1 m.w.N.).
32Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen eines Ausländers nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I setzt grundsätzlich eine ausländerrechtliche Aufenthaltsposition voraus, die so offen ist, dass sie einen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit ermöglicht. Daher hält sich ein Ausländer in der Regel dann nicht gewöhnlich in Deutschland auf, wenn sein Aufenthalt hier nur geduldet ist. Denn eine Duldung soll gerade keinen Aufenthalt auf Dauer ermöglichen; sie wird vielmehr lediglich in der Absicht erteilt, den Aufenthalt mit Wegfall des zeitweise bestehenden Abschiebehindernisses zu beenden (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 60 a RNr. 30). Gleichwohl liegt bei geduldeten Ausländern ausnahmsweise ein nicht nur vorübergehendes Verweilen vor, wenn andere Umstände ergeben, dass sie sich auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten werden (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN zu § 2 SGB IX, Bundestagsdrucksache 14/5074, S. 99). Ein solcher Umstand ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Ausländer - auch bei endgültiger Ablehnung seines Asylantrags - nicht mit seiner Abschiebung in sein Heimatland zu rechnen braucht, weil der Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat (vgl. BSG am a.a.O; Bayerisches LSG Urteil vom 18.02.1999, Az.: L 18 B 141/98 SB PKH; SG Bremen Urteil vom 02.05.2006, Az.: S 3 SB 138/04).
33Dies ist hier der Fall. Allerdings ist eine Abschiebung des Klägers nicht bereits aufgrund von Abschiebungsverboten ausgeschlossen. Angehörige der Volksgruppe der Roma sind in der ehemaligen Republik Jugoslawien weder der Gefahr einer politischen Gruppenverfolgung noch allgemein einer "erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit" im Sinne von § 60 Abs. 7 Aufenthaltsgesetz ausgesetzt (vgl. VG Düsseldorf, Az.: 15 K 5809/04 m.w.N.). Einer Rückführung in das Kosovo stehen daher insoweit Hindernisse nicht entgegen. Der Kläger ist jedoch ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens von Frau Dr. B., Ärztlicher Dienst der Stadt Oberhausen, vom 07.11.2006 aufgrund eines bedrohlich erhöhten Blutdrucks derzeit nicht flugtauglich. Damit kommt eine Abschiebung auf dem Luftwege aktuell nicht in Betracht. Denn bei krankheitsbedingter Reiseunfähigkeit handelt es sich um ein Abschiebungshindernis tatsächlicher Art (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 25 Aufenthaltsgesetz, RNr. 33). Anhaltspunkte für ein Vertretenmüssen des Klägers sind nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist angesichts der aktenkundigen Erkrankungen in absehbarer Zeit mit einer Änderung der Sachlage nicht zu rechnen.
34Der Kläger hält sich auch rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX auf.
35Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass sein Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland lediglich geduldet ist. Zwar gewährt die Duldung als vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (vgl. § 60a Aufenthaltsgesetz) dem Ausländer kein Aufenthaltsrecht und vermag die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes nicht zu bewirken (vgl. BVerwG Entscheidung vom 25.09.1997, BVerwGE 105, 232, 234; BSG Urteil vom 01.09.1999 SozR 3-3870, § 1 Nr. 1; anders aber SG Bremen Urteil vom 02.05.2006, Az.: S 3 SB 138/04). Ein rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt eines Ausländers im Sinne des Schwerbehindertenrechts ist jedoch - abweichend vom Ausländerrecht - nicht erst dann anzunehmen, wenn die Ausländerbehörde eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt hat. Nach der Grundsatzentscheidung des BSG vom 01.09.1999 schützt das Schwerbehindertenrecht behinderte Ausländer vielmehr auch dann, wenn sie sich nur geduldet seit Jahren in Deutschland aufhalten, ein Ende dieses Aufenthalts unabsehbar ist und die Ausländerbehörde gleichwohl keine Aufenthaltsbefugnis erteilt. Nicht nur dass das Schwerbehindertenrecht zu seinen eigenen Zielen in unlösbaren Widerspruch geraten würde, wenn es eine bestimmte Gruppe auf unabsehbare Zeit in Deutschland lebender ausländischer Behinderter wegen ihrer fremden Staatsangehörigkeit auf Dauer von Hilfen zur Eingliederung ausschlösse; dies wäre im Übrigen auch mit der Verfassung nicht vereinbar. Einer Aufenthaltsgenehmigung sei daher für das Schwerbehindertenrecht der jahrelang geduldete Aufenthalt eines Ausländers, dessen Abschiebung nicht abzusehen ist und bei dem die Rechtsvoraussetzungen des § 30 Abs. 3 Ausländergesetz vorliegen, gleichzustellen. Denn in einem solchen Fall sei die Duldung zu einem Aufenthaltsrecht "zweiter Klasse" entfremdet worden, mit dem anstelle der Aufenthaltsgenehmigung humanitär motivierte und/oder politisch erwünschte Daueraufenthalte von Ausländern möglich gemacht würden (BSG Urteil vom 01.09.1999, SozR 3-3870 § 1 Nr. 1). § 30 Abs. 3 Ausländergesetz sah vor, dass einem Ausländer, der unanfechtbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Ausländergesetz für eine Duldung vorliegen, weil seiner freiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat. Nach § 55 Abs. 2 Ausländergesetz wurde einem Ausländer eine Duldung u.a. dann erteilt, solange seine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist.
36Der Grundsatz, dass sich auch ein nur geduldeter Ausländer nach dem Schwerbehindertenrecht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten kann, beansprucht nach wie vor Geltung. Insbesondere steht ihm nicht entgegen, dass die der Entscheidung des BSG zugrundeliegenden Vorschriften des Ausländergesetzes mit Ablauf des Jahres 2004 außer Kraft getreten sind. Denn auch nach den Regelungen des nunmehr seit dem 01.01.2005 geltenden Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) (Art. 1 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004, BGBl., I S. 1950) ist ein rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt eines Ausländers im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX nicht erst dann anzunehmen, wenn die Ausländerbehörde eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt hat. Der Auffassung des Beklagten, im Gegensatz zum früheren Recht könne eine Duldung nicht mehr zu einem rechtmäßigen Aufenthalt führen, kann nicht gefolgt werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber - mit dem Ziel, die bislang vorherrschende Praxis der Kettenduldungen abzuschaffen (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur weitgehend inhaltsgleichen Regelung des § 25 Abs. 6 RegE-AufenthG, Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BT-Drs. 15/420 S. 80) -die den Ausländerbehörden bislang bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an geduldete Ausländer eingeräumten Spielräume verkürzt hat.
37Zwar ließe sich mit diesem Argument rechtsdogmatisch grundsätzlich vertreten, dass bei nur geduldeten Ausländern ein Feststellungsverfahren zukünftig nicht mehr durchzuführen ist. Denn eine restriktive Ermessensausübung bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, die der Duldung die Funktion eines "zweitklassigen Aufenthaltstitels" zukommen ließe, (so Urteil des BSG vom 01.09.1999, SozR 3-3870 § 1 Nr. 1) kommt nach der Neufassung - mangels Raum für Ermessenserwägungen - nicht in Betracht. Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Nach Satz 2 der Vorschrift soll die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung seit achtzehn Monaten ausgesetzt ist. Im Übrigen darf eine Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Daraus folgt, dass die Ausländerbehörden einem geduldeten Ausländer jedenfalls nach Ablauf von 1 1/2 Jahren seit Aussetzung seiner Abschiebung regelmäßig eine Aufenthaltserlaubnis erteilen müssen, wenn dessen Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die er nicht zu vertreten hat, unmöglich ist und mit dem Wegfall des Hindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Erteilt die Ausländerbehörde gleichwohl keine Aufenthaltserlaubnis, kann dies im Umkehrschluss nur bedeuten, dass entweder die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen oder es sich um einen atypischen Fall handelt. Denn anders als bei reinen Ermessensvorschriften liegt bei Soll-Vorschriften ein Ermessensfehler bereits dann vor, wenn die Behörde von der Regel abweicht, obwohl keine Umstände vorliegen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 40 Rnr. 44; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 114 RNr. 21). Abgesehen von dem letztgenannten Fall haben die betroffenen Ausländer daher bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG 18 Monate nach Aussetzung ihrer Abschiebung gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Loseblatt, Stand: Feb. 2006, § 25 AufenthG RNr. 103; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 25 AufenthG Rnr. 37). Liegen aber die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG nicht vor, fehlt es zugleich an den vom BSG für die Gleichstellung von Duldung und Aufenthaltsbefugnis aufgestellten Voraussetzungen.
38Inhaltlich gegen diesen Ansatz spricht allerdings bereits die Tatsache, dass die Ausländerbehörde von der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nur wegen des Vorliegens atypischer Umstände abgesehen haben könnte, die eigentlichen Voraussetzungen der Erteilung mithin gegeben sind. Wenngleich somit auch ausländerrechtlich die für den Normalfall geltende Regelung nach Sinn und Zweck der Norm für den konkreten Fall nicht mehr gefordert wird, ist damit eine Aussage für das Schwerbehindertenrecht angesichts der völlig unterschiedlichen Zielrichtungen nicht verbunden.
39Eine abschließende Stellungnahme zu dieser Problematik ist jedoch entbehrlich. Auch nach der Neuregelung des Ausländerrechts wäre - würde eine Aufenthaltserlaubnis für notwendig erachtet - nicht ausgeschlossen, dass eine bestimmte Gruppe auf unabsehbare Zeit in Deutschland lebender ausländischer Behinderter wegen ihrer fremden Staatsangehörigkeit auf Dauer von Hilfen zur Eingliederung in die Gesellschaft ausgeschlossen wäre, so dass das Schwerbehindertenrecht zu seinen eigenen Zielen in unlösbaren Widerspruch geriete und zudem verfassungsrechtliche Bedenken laut würden (vgl. BSG Urteil vom 01.09.1999 SozR 3-3870 § 1 Nr. 1). Denn das Ziel des Gesetzgebers, die Praxis der Kettenduldungen mit Hilfe der Regelung des § 25 Abs. 5 AufenthG einzuschränken, (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur weitgehend inhaltsgleichen Regelung des § 25 Abs. 6 RegE-AufenthG, BT-Drs. 15/420 S. 80), ist - trotz geänderter Regelungstechnik - tatsächlich nicht erreicht worden (vgl. Bundesministerium des Inneren (BMI), Bericht zur Evaluierung des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern, Juli 2006, S. 72). In der weitaus überwiegenden Anzahl der Bundesländer wird die Bestimmung restriktiv angewendet und von der Möglichkeit der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen kein oder nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht (vgl. Dienelt, Stellungnahme zum Praktiker-Erfahrungsaustausch im Rahmen der Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes, Anlagenband I zum Evaluierungsbericht, S. 90, 91). Im November 2005 - fast ein Jahr nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes - lebten ausweislich des Ausländerzentralregisters rund 193.000 Ausländer mit einer Duldung in Deutschland (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke", BT-Drs. 16/164 S. 2.). Davon hielten sich nach Angaben der Bundesregierung bundesweit rund 48.000 Duldungsinhaber seit über elf Jahren, 72.000 seit über 8 Jahren, 120.000 seit über fünf Jahren, 157.000 seit über drei Jahren und 173.000 seit über zwei Jahren in der Bundesrepublik auf (vgl. im Einzelnen die Anlagen zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke", BT-Drs. 16/307).
40Verantwortlich für das Scheitern sind nicht zuletzt die Entstehungsgeschichte des Zuwanderungsgesetzes und der Wortlaut des § 25 Abs. 5 AufenthG. Das Instrument der Duldung wurde erst im Rahmen der Beratungen im Vermittlungsausschuss in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen (vgl. Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drs. 15/3479 S. 10). Demgegenüber hatte der Regierungsentwurf zum Zuwanderungsgesetz noch die Abschaffung der Duldung vorgesehen. An ihre Stelle sollte eine (befristete) Aufenthaltserlaubnis treten. Lediglich für die Fälle, in denen die Unmöglichkeit der Abschiebung auf das Verhalten des Ausländers zurückzuführen war, war ein der Duldung vergleichbarer Status in Form einer Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung vorgesehen (vgl. § 60 Abs. 11 RegE-AufenthG). Damit sollte die mit der Duldung eigentlich erfasste Aussetzung der Abschiebung auf ihren tatsächlichen Rechtscharakter einer Verwaltungsvollstreckungsmaßnahme zurückgeführt und der bislang verbreiteten Praxis, die Duldung als "zweitklassigen Aufenthaltstitel" einzusetzen, entgegengetreten werden (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/420 S. 64, 79). Ursächlich für die spätere Wiederaufnahme der Duldung waren Befürchtungen der Fraktion der CDU/CSU, ihr Wegfall könne zu einer ungerechtfertigten Besserstellung Ausreisepflichtiger führen und deren Aufenthaltsbeendigung erschweren. U.a. für Personen, deren Identität ungeklärt sei oder die sich bestehenden Integrationsverpflichtungen verweigert hätten, seien Aufenthaltstitel zu versagen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 15/955 S. 6). Voraussetzung für die Erteilung der Aussetzung der Abschiebung ist - wie bereits nach dem § 55 Abs. 2 AuslG - die tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung (§ 60a Abs. 2 AufenthG). Ungeachtet dessen ergibt sich aber aus dem systematischen Zusammenhang mit § 25 AufenthG eine wesentliche Funktionsverschiebung der Duldung. Durch die erhebliche Ausdehnung humanitär begründeter Rechtsansprüche auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Falle rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung und die Beseitigung der Ermessensduldung soll die Duldung auf ihren eigentlichen Zweck der flexiblen, aber zugleich effektiven Vollstreckung der Ausreisepflicht von Personen, die sich illegal in Deutschland aufhalten, zurückgeführt werden (Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Loseblatt, Stand: April 2006, § 60a AufenthG RNr. 1). Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG führen daher regelmäßig zu einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. § 25 Abs. 3 AufenthG).
41Aus dem Umstand der Wiedereinführung der Duldung werden unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Die einen sehen darin eine wesentliche Änderung des gesetzgeberischen Willens (so explizit VG Göttingen 08.02.2006, Az.: 1 A 171/05), andere messen der Wiederaufnahme der Duldung eine geringere Bedeutung bei und weisen darauf hin, dass die Kettenduldungen dennoch abgeschafft werden sollten (vgl. Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Loseblatt, Stand: Februar 2006, § 25 AufenthG RNr. 102).
42Aber auch der Wortlaut - genauer die tatbestandlichen Voraussetzungen - des § 25 Abs. 5 AufenthG bereiten in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten. Dies liegt maßgeblich darin begründet, dass Satz 1 der Regelung für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht auf die Unmöglichkeit der Abschiebung, sondern die Unmöglichkeit der Ausreise abstellt. Kontrovers diskutiert wird insbesondere die Frage, ob im Rahmen der Unmöglichkeit der Ausreise auch Zumutbarkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen sind (für deren Berücksichtigung zuletzt OVG NRW 07.02.2007, Az.: 18 A 4369/05, im Anschluss an BverwG 27.06.2006 ZAR 2006, 406, 409 f.; deutlich restriktiver z.B. Erlass des Innenministeriums NRW zum Vollzug des Aufenthaltsgesetzes vom 28.02.2005). Die Befürworter berufen sich vor allem auf den Zweck der Vorschrift. Fänden derartige Zumutbarkeitsaspekte keine Berücksichtigung, liefe die Regelung leer, denn die freiwillige Ausreise sei - zumindest theoretisch - nahezu immer möglich (vgl. die Stellungnahme der EKD und des Kommissariats der deutschen Bischöfe zur Evaluation des Zuwanderungsgesetzes, Anlagenband I zum Evaluierungsbericht, S. 156, 160). Im Übrigen spricht sich auch die Gesetzesbegründung für eine Berücksichtigung aus (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/420 S. 80)). Dessen ungeachtet wird auch uneinheitlich beantwortet, in welchen Fällen konkret eine Unzumutbarkeit anzunehmen ist.
43Zu den Problemen der Rechtsanwendung hinzu kommen schließlich oftmals noch humanitäre und/oder moralische Bedenken der Ausländerbehörden, die von der Abschiebung des Ausländers - trotz rechtlicher und tatsächlicher Möglichkeit - keinen Gebrauch machen und statt dessen weiterhin Duldungen aussprechen (vgl. Marx, Stellungnahme zum Praktiker-Erfahrungsaustausch im Rahmen der Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes, Anlagenband I zum Evaluierungsbericht, S. 168, 185).
44Auch auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes bleibt es damit bei den vom BSG aufgestellten Grundsätzen, wonach das Schwerbehindertenrecht behinderte Ausländer auch dann schützt, wenn sie sich nur geduldet seit Jahren in Deutschland aufhalten, ein Ende dieses Aufenthalts unabsehbar ist und die Ausländerbehörde gleichwohl keine Aufenthaltsbefugnis erteilt.
45Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen. Er hält sich nunmehr seit mehr als acht Jahren - bei Antragstellung waren es bereits rund fünf Jahre - in der Bundesrepublik Deutschland auf und erhält fortlaufend befristete Kettenduldungen. Ein Ende dieses Aufenthalts ist gegenwärtig nicht absehbar. Eine Abschiebung auf dem Luftwege kommt aufgrund der Fluguntauglichkeit des Klägers nicht in Betracht. Eine Veränderung dieses Zustandes ist nicht absehbar. Ebenso wenig sind Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger dieses Hindernis zu vertreten hat.
46Der Kläger hat ferner auch einen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.
47Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX definiert Behinderung als Abweichung der körperlichen Funktion, der geistigen Fähigkeit oder der seelischen Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert und eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden dabei gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt; insoweit gelten die im Rahmen des § 30 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend, § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX. Zur Bewertung der einzelnen Gesundheitsstörungen (Einzel-GdB) und des Gesamt-Grades der Behinderung (Gesamt-GdB) sind die vom BMGS herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) zugrunde zu legen. Diese sind zwar weder Gesetz noch aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen, es handelt sich bei ihnen vielmehr um antizipierte Sachverständigengutachten, die das Ermessen von Verwaltung und Ärzten lenken und damit zur Gleichbehandlung führen; die AHP sind daher auch geeignet, gerichtlichen Entscheidungen zugrunde gelegt zu werden (vgl. u.a. Urteil des BSG vom 18.09.2003, Az.: B 9 SB 6/02 R).
48Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind erfüllt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen - diffuse koronare Herzkrankheit mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion und arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus, Kniegelenksarthrose, depressive Anpassungsstörung - mit einem Gesamt-GdB von jedenfalls 50 zu bewerten sind.
49Der Kläger leidet zunächst unter einer diffusen koronaren Herzkrankheit mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion sowie einer arteriellen Hypertonie, welche in Übereinstimmung mit dem schlüssigen und überzeugenden kardiologischen Gutachten von Dr. M. vom 14.08.2006 mit einem GdB von 40 zu bewerten sein dürfte. Bereits Dr. G. hatte in seiner Stellungnahme für den Beklagten vom 12.06.2006 unter Bezugnahme auf den Befundbericht des Kardiologen Dr. G. eine deutliche Verschlechterung der Herzmuskelerkrankung angenommen. Dr. M. verweist in seinem Gutachten insbesondere auch auf die vorliegend bei der Bemessung des GdB zu bewältigenden Schwierigkeiten. Man könne zum einen postulieren, dass der Kläger immerhin in der Lage sei, eine Leistung auf dem Fahrradergometer von 100 Watt zu erbringen, so dass grundsätzlich nur ein Einzel-GdB von 10 bis 20 in Betracht komme. Demgegenüber müsse aber auch festgehalten werden, dass bereits unter Ruhebedingungen pathologische Messdaten aufgetreten seien und demzufolge ein GdB von 90 bis 100 zugrunde gelegt werden müsste. Aus seiner Sicht stehe außer Zweifel, dass ein Einzel-GdB von 20 bezogen auf die Herzerkrankung als zu gering angesehen werden müsse. Andererseits sei ein GdB von 90 bis 100 aufgrund der immerhin noch vorhandenen körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers ebenfalls nicht gerechtfertigt. Da jedoch nach Ziffer 26.9 Abs. 4 der AHP zur Leistungsbeurteilung außer dem Parameter der Ergometrie - sofern vorhanden - weitere Parameter Berücksichtigung finden sollen, müsse vorliegend der echokardiographische Befund in stärkerem Maße als eher zielführend angesehen werden als die Ergometrie. Dementsprechend hält Dr. Melchior einen Einzel-GdB von 40 bezogen auf die Herzerkrankung und die arterielle Hypertonie für angemessen. Die beiden Gesundheitsstörungen müssten sinnvollerweise in ihren Auswirkungen insgesamt betrachtet werden, da sie sich in Bezug auf die Pumpfunktion der linken Herzkammer gegenseitig beeinflussten und potenzierten.
50Der weiter auf internistischem Fachgebiet bestehende Diabetes mellitus und die Kniegelenksarthrose sind in Übereinstimmung mit den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. M. mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 zu bewerten. Durchgreifende Bedenken gegen diese - im Grunde bereits mit Bescheid vom 02.02.2004 vorgenommene Bewertung wurden im Laufe des Verfahrens weder von Kläger- noch von Beklagtenseite geäußert.
51Hinsichtlich der auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestehenden Erkrankung - sei es alleine eine depressive Anpassungsstörung oder aber zusätzlich eine depressive Störung - kann ein Einzel-GdB von 40 zugrunde gelegt werden. Zwar hat der Psychiater P. in seinem Gutachten vom 01.06.2005 bei dem Kläger eine depressive Störung mit Ängsten, Unruhe und erheblichen Somatisierungstendenzen, eine Anpassungsstörung sowie eine abhängige Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, für die ein GdB von 50 anzusetzen sei. Demgegenüber sieht die Psychiaterin Dr. St. in ihren versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 01.08.2005 und 24.01.2006 eine von der depressiven Anpassungsstörung abgrenzbare depressive Störung als nicht angewiesen an und vermag daher allenfalls einen Einzel-GdB von 40 zuzuerkennen. Eine Entscheidung dieser kontrovers diskutierten Frage dürfte indes entbehrlich sein. Denn selbst bei einer Bewertung der psychischen Erkrankung mit einem Einzel-GdB von 40 wären die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen mit einem Gesamt-GdB von jedenfalls 50 zu bewerten.
52Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB dürfen die Einzel-GdB-Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden dürfen nach Ziffer 19 Abs. 1 AHP nicht angewandt werden. Maßgeblich sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen, § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX. Hierbei ist zu beachten, inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, ob sich die Behinderungen überschneiden und dass das Ausmaß einer Behinderung vielfach durch hinzutretende Gesundheitsstörungen noch verstärkt wird. In der Regel ist von der Beeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Beeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen weiterer Beeinträchtigungen der höchste Einzel-GdB angemessen durch Hinzufügen von 10, 20 oder mehr Punkten zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden, Ziffer 19 Abs. 3 AHP. Von Ausnahmen abgesehen, führen leichte Gesundheitssstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und sind daher in aller Regel bei der Gesamtbeurteilung nicht erhöhend zu berücksichtigen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen, Ziffer 19 Abs. 4 AHP.
53Unter Berücksichtung dieser Vorgaben ist die mit einem Einzel-GdB von 40 bewertete Funktionsbeeinträchtigung des Herzens durch die Funktionsstörungen im psychischen Bereich mit einem Einzel-GdB von ebenfalls 40 auf jedenfalls 50 zu erhöhen. Zwar können die Auswirkungen der beiden Beeinträchtigungen nicht völlig unabhängig voneinander betrachtet werden. Dies hat der Psychiater P. in seinem schlüssigen und insoweit überzeugenden Gutachten vom 01.06.2005 ausführlich dargelegt. Er verweist insbesondere darauf, dass der Kläger seine körperlichen Einbußen aufgrund seiner mangelnden psychischen Ressourcen und seiner nur gering vorhandenen innerpsychischen Konfliktbewältigungsstrategien wesentlich dramatischer und vital bedrohlicher erlebe als ein psychisch Gesunder. Beispielsweise führten bereits leichte Herzstiche zu Angst und Unruhe, welche ihrerseits wiederum Blutdruckanstieg, Herzrasen etc. nach sich zögen, was wiederum zu einer Zunahme von Angst und Unruhe führe. Dadurch wird aber zugleich die - im Rahmen der hier vorzunehmenden Gesamtbewertung beachtliche - wechselseitige Verstärkung der Gesundheitsstörungen deutlich.
54Die weiter vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen des Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 10 und die Kniegelenksarthrose mit einem Einzel-GdB von ebenfalls 10 führen demgegenüber nicht zu einer weiteren Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung.
55Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.