Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Für die Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige (§ 93 SGB XII) kommt es nicht darauf an, ob die vom überleitenden Sozialhilfeträger tatsächlich erbrachten Sozialhilfeleistungen (insgesamt) rechtmäßig waren.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 19.12.2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Überleitung eines Schenkungsrückforderungsanspruchs der Mutter des Klägers auf die Beklagte.
3Der Kläger ist Sohn der am 00.00.1940 geborenen – mit Beschluss des Sozialgerichts vom 14.11.2019 beigeladenen – Frau L B. Am 23.06.2018 zog die Beigeladene in eine Wohngemeinschaft des Caritasverbandes Geldern-Kevelaer e.V. (im Folgenden: die Caritas) für Menschen mit Demenz in Straelen ein. Vermietet wurde ihr dort ein Zimmer mit Bad, ferner anteilige Gemeinschaftsflächen zur gemeinsamen Nutzung mit den anderen Mietern der Wohngemeinschaft. Ermöglicht wurde eine anteilige Nutzung der Gemeinschaftsküche, des Pflegebades, der Waschmaschine und des Trockners. Wegen der Einzelheiten wird auf den Mietvertrag vom 26.06.2018 Bezug genommen. Die Caritas informierte den Beklagten mit E-Mail vom 25.06.2018 über den Einzug.
4Die Beigeladene bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland eine Alters- sowie eine Witwenrente (Stand der monatlichen Auszahlungen am 01.07.2018: 323,15 € Altersrente, 668,20 € Witwenrente). 2018 bezog sie vor wie nach dem Einzug in die Wohngemeinschaft Leistungen aus der Pflegeversicherung entsprechend dem Pflegegrad 2. Seit dem 01.08.2018 lagen ausweislich eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung die Voraussetzungen für den Pflegegrad 4 vor, so dass die Leistungen aus der Pflegeversicherung entsprechend angepasst wurden.
5Die Beigeladene war mit dem am 00.00.2005 verstorbenen Herrn A B verheiratet. Diesen beerbten sie und ihre vier Kinder (der Kläger, Herr N B, Herr I B, Frau K C geb. B = Betreuerin der Beigeladenen) in gesetzlicher Erbfolge (die Beigeladene zu einem Anteil von 1/2, die Kinder jeweils zu einem Anteil von 1/8). Die Beigeladene, der Kläger und seine drei Geschwister schlossen einen am 16.07.2009 einen Übertragungs- und Erbauseinandersetzungsvertrag. Darin vereinbarten sie u.a. die Aufteilung vorhandenen Grundeigentums. Die Erbengemeinschaft übertrug den ihr gehörenden ideellen Anteil von 1/2 an der Parzelle der Gemarkung Straelen Flur 0 Nummer 000 (lt. Grundbuch Gebäude- und Freifläche S) sowie einen Teil der Parzelle Flur 0 Nummer 00 auf den Kläger, die Beigeladene ebenso den ihr gehörenden weiteren ideellen Anteil von 1/2 an dieser Parzelle. Insgesamt ergab dies ein zusammenhängendes, bis auf eine Fertiggarage seinerzeit unbebautes, als Bauplatz nutzbares Grundstück von etwa 285 m². Der Kläger verpflichtete sich, an seine Schwester K C als Abfindung einen Betrag von 17.500,00 € zu zahlen, zahlbar innerhalb von sechs Wochen nach deren Tod, ohne dass Zinsen zu entrichten seien; ihm wurde gestattet, die Abfindung bereits vor Fälligkeit ganz oder in Teilbeträgen von mindestens 1.000,00 € auzuzahlen (Ziff. III.1.a und 2.). Der Bruder N B, auf den in entsprechender Weise anderes (räumlich mit dem Grundstück S verbundenes) Grundeigentum (N1-Straße 21 und ein Teil des Flurstücks 00) vollständig übertragen wurde, verpflichtete sich ebenfalls zu einer finanziellen Abfindung der Schwester sowie des weiteren Bruders I B. Das Grundstück S war der rückwärtige Grundstücksteil des Grundstückes N1-Straße 21 in Straelen. Alle Geschwister verpflichteten sich, an die Beigeladene eine Leibrente von jeweils monatlich 75,00 € zu zahlen (Ziff.IV.). Der Verkehrswert des dem Kläger übertragenen Grundstückes wurde mit 54.000,00 € angegeben, der des dem Bruder übertragenen Grundstückes mit 92.000,00 € (Ziff. V.), entsprechend einem Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Kleve vom 29.09.2008. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag (Urkundenrolle Nr. 1 für 2009 des Notars F T in Straelen) Bezug genommen. Der Kläger wurde daraufhin am 27.01.2010 (seine Eltern im Eintrag ablösend) ins Grundbuch eingetragen. Für das Grundstück N1-Straße 21 war nur die Mutter des Klägers im Grundbuch eingetragen, abgelöst durch den Bruder des Klägers N B.
6Die Caritas erstellte gegenüber dem Beklagten erstmals unter dem 13.09.2018 eine Rechnung; diese wies für den abgerechneten Monat Juli 2018 nach Abzug aller Leistungen der Beigeladenen und der Pflegekasse einen Zahlbetrag von 709,85 € aus. Eine weitere Rechnung vom 02.11.2018 ist ebenfalls für Juli 2018 ausgestellt und nennt einen Zahlbetrag von 196,84 €. Eine Rechnung vom 07.11.2018 für Oktober 2018 nennt einen Zahlbetrag von 355,74 €, eine Rechnung vom 05.12.2018 (Eingang bei der Beklagten am 06.12.2018) für November 2018 einen Zahlbetrag von 437,86 € (weitere Rechnungen erfolgten erst nach Erlass des angefochtenen Ausgangsbescheides vom 07.12.2018).
7Auf Antrag vom 25.06.20218 bewilligte die Beklagte der Beigeladenen ab dem 23.06.2018 Leistungen für die Betreuungskosten in der Wohngemeinschaft für Demenzkranke (erstmals mit Bescheid vom 11.10.2018: Juni 2018 135,24 €, ab Juli monatlich 519,56 €). Das von der Beigeladenen einzusetzende Einkommen (zwei Renten sowie die Leibrenten; abzgl. Beitrag Haftpflichtversicherung) betrage 135,24 € für Juni 2018 und ab Juli 2018 monatlich 519,56 €. Die Kosten für den notwendigen Lebensunterhalt habe die Beigeladene aus ihrem Einkommen zu tragen (Juni 2018 218,47 €, ab Juli 2018 monatlich 789,29 €, berechnet aus dem Regelsatz Stufe 1 von 416,00 € und tatsächlichen Mietkosten inkl. Nebenkosten abzgl. Stromkosten von 373,29 €). Einsatzpflichtiges Vermögen sei nicht vorhanden. Die Leistungen der Pflegeversicherung (wegen der Demenzerkrankung auch Leistungen nach § 45b SGB XI i.H.v. monatlich 125,00 € sowie Leistungen der Verhinderungspflege) seien zunächst vollständig für die anfallenden Kosten einzusetzen. Die Hilfe nach dem SGB XII wird seither (mit geänderten Beträgen) ohne Unterbrechung gewährt.
8Bereits mit Schreiben vom 15.10.2018 hörte die Beklagte den Kläger zu einer Überleitung eines Schenkungsrückforderungsanspruchs der Beigeladenen an. Sie erbringe für die Beigeladene seit dem 23.06.2018 aus Sozialhilfemitteln die ungedeckten Betreuungskosten in der Wohngemeinschaft für Demenzkranke in Straelen. Die Beigeladene könne gegen den Kläger zivil- bzw. privatrechtliche Ansprüche geltend machen, welche den Sozialhilfeleistungen vorgingen (§ 2 SGB XII). Laut Übertragungsvertrag vom 16.07.2009 habe sie den Grundbesitz S in Straelen auf den Kläger übertragen. Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Kleve habe den Grundbesitz mit 54.000,00 € bewertet. Der Kläger habe sich zu einer Leibrentenzahlung von 75,00 € monatlich verpflichtet; tatsächlich zahle er monatlich 100,00 €. Bis Juni 2018 habe er deshalb (107 Monate X 100,00 € =) 10.700,00 € Leibrente gezahlt. Die Beigeladene habe das 78. Lebensjahr vollendet; es sei insofern eine statistische Lebenserwartung von 10,52 Jahren zugrunde zu legen. Es ergebe sich deshalb eine weitere Leibrentenzahlung von (100,00 € x 126,24 Monate =) 12.624,00 €. Insgesamt sei deshalb von einer Gegenleistung i.H.v. (10.700,00 + 12.624,00 =) 23.324,00 € auszugehen. Es gehe deshalb zunächst um eine gemischte Schenkung von (54.000,00 ./. 23.324,00 =) 30.676,00 €. Allerdings gebe es zudem die Auflage (§ 525 BGB) zur Zahlung von 17.500,00 € an die Schwester des Klägers. Insgesamt liege deshalb eine gemischte Schenkung in Höhe von (54.000,00 ./. 23.324,00 ./. 17.500,00 =) 13.176,00 € vor. Die Beigeladene sei wegen der von ihr beantragten Übernahme von Betreuungskosten in der Wohngemeinschaft für Demenzkranke nicht mehr im Stande, ihren angemessen Unterhalt zu bestreiten. Die Beklagte beabsichtigte, den deshalb bestehenden zivilrechtlichen Anspruch der Beigeladenen auf Schenkungsrückforderung (§§ 528, 529 BGB) nach § 93 SGB XII ab dem 23.06.2018 auf sich überzuleiten; hierzu bestehe Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger hat hierzu keine Stellungnahme abgegeben.
9Mit Bescheid vom 07.12.2018 leitete der Beklagte „die zivil-/privatrechtlichen Ansprüche von Frau L B nach § 93 SGB XII ab dem 23.06.2018“ auf sich über. Eine detaillierte Zahlungsaufforderung erhalte der Kläger nach Bestandskraft der Überleitungsanzeige. Der Beklagte wiederholte in dem Bescheid zunächst seine Ausführungen aus der Anhörung und führte ergänzend aus, bei der Überleitung seien das öffentliche Interesse hieran und das persönliche Interesse des Klägers, „keine Ausgleichsansprüche aus dem Übertragungsvertrag zu erfüllen“, gegeneinander abzuwägen. Der Nachranggrundsatz (§ 2 SGB XII) sowie das Gebot der wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel hätten dabei ein starkes Gewicht. Die vorrangige Verpflichtung anderer bleibe trotz der Leistungserbringung des Sozialhilfeträgers bestehen. Die Überleitung sei „geboten“, um die aus Sozialhilfemitteln zu leistenden Aufwendungen zu mindern. Der Nachranggrundsatz verlange deshalb, dass der Sozialhilfeträger von der gesetzlichen Möglichkeit der Überleitung Gebrauch mache. Sonstige sozialhilferechtliche Gesichtspunkte, die ein Absehen von der Überleitung geböten, lägen nicht vor. Vorsorglich werde darauf aufmerksam gemacht, dass in einem evtl. Widerspruchs- bzw. Klageverfahren nur geprüft werden könne, ob übergeleitet werden dürfe; nicht geprüft werde jedoch, ob – sofern ein Nichtbestehen des Anspruchs nicht offensichtlich sei – der übergeleitete Anspruch dem Grunde nach bestehe. Sofern der Kläger nur zivilrechtliche Einwendungen geltend machen wolle, werde ihm empfohlen, von Widerspruch bzw. Klage abzusehen und seine Einwendungen durch ein einfaches Schreiben vorzutragen.
10Hiergegen legte der Kläger (anwaltlich) Widerspruch ein. Die Überleitung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil ein Anspruchsübergang lediglich bis zur Höhe der erbrachten Aufwendungen erfolgen könne. Da die Überleitung jedoch uneingeschränkt erfolgt sei, sei gegen das Bestimmtheitsgebot des § 33 SGB X verstoßen worden, zumal nicht ausgeführt werde, welche Sozialleistungen konkret und in welcher Höhe erbracht würden. Auch die rückwirkende Überleitung ab dem 23.06.2018 sei rechtswidrig.
11Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Schenkungsrückforderungsanspruch sei nicht offensichtlich ausgeschlossen, so dass er habe übergeleitet werden können.
12Hiergegen hat der Kläger am 21.02.2019 Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben. Er hat die schon zum Widerspruch gegebene Begründung wiederholt und ergänzend ausgeführt, der Beklagte habe nicht nur gegenüber ihm, sondern auch gegenüber seinen Geschwistern Ansprüche übergeleitet; insoweit seien zwei weitere Klageverfahren anhängig. Wenn der Übertragungsvertrag nicht nur eine Leibrente an die Beigeladene, sondern auch eine Abfindung an seine Schwester vorsehe, rücke der Schenkungsanteil derart in den Hintergrund, dass nicht mehr von einer gemischten Schenkung auszugehen sei. Bestehe deshalb der übergeleitete Anspruch nicht, gehe die Überleitung ins Leere. Eine Schenkungsrückforderung (§ 528 BGB) stehe im Ermessen des Schenkers. Auch wenn der Beklagte – eingeschränkte – Ermessenserwägungen zur Überleitung angestellt haben möge, hätte er zunächst Ermessen dazu ausüben müssen, ob überhaupt Herausgabeansprüche gegen den Beschenkten geltend gemacht werden sollten. Er dürfe nicht ohne weiteres unterstellen, dass die Beigeladene wegen der ungedeckten Heimkosten gegen den Kläger und seine Geschwister einen Schenkungsrückforderungsanspruch geltend machen werde, zumal es sich allenfalls um eine gemischte Schenkung handeln könne.
13Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
14den Bescheid des Beklagten vom 07.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2019 aufzuheben.
15Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Eine schriftliche Überleitungsanzeige bewirke den Übergang des Anspruches für die Zeit, für die der leistungsberechtigten Person ohne Unterbrechung Leistungen erbracht würden. Die Beigeladene erhalte seit dem 23.06.2018 ununterbrochen Sozialhilfe; die ab diesem Tag rückwirkende Überleitung sei deshalb rechtmäßig. Gegen das Bestimmtheitsgebot sei nicht verstoßen worden. Denn aus der Überleitung sei die Leistungserbringung seit dem 23.06.2018 für die Betreuungskosten in der Wohngemeinschaft für Demenzkranke ersichtlich. Die Überleitungsanzeige führe auch aus, dass der Leistungsträger lediglich Ansprüche bis zur Höhe der Sozialhilfeaufwendungen überleite, und dass eine detaillierte Zahlungsaufforderung nach Bestandskraft der Überleitungsanzeige erfolge. Eine zahlenmäßige Bestimmung des überzuleitenden Anspruchs sei nicht erforderlich; dies folge aus dem sog. Grundsatz der Negativevidenz, wonach eine Überleitung nur ausgeschlossen sei, wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich nicht bestehe. Keineswegs erfordere § 528 BGB eine Ermessensentscheidung durch die Beklagte; im Rahmen von § 93 SGB XII sei allein nach einer Negativevidenz zu fragen. Fehle diese, werde erst bei der Überleitung erwogen, ob das öffentliche Interesse überwiege.
18Das Sozialgericht hat nach entsprechender Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.12.2019 abgewiesen und den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 5.000,00 € festgesetzt. Die Voraussetzungen für eine Überleitung nach § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII seien erfüllt. Der Beklagte habe der Beigeladenen durchgehend seit dem 23.06.2018 Sozialhilfe für ungedeckte Betreuungskosten erbracht; Anhaltspunkte für eine unrechtmäßige Leistungserbringung bestünden nicht. Für die Rechtmäßigkeit des Überleitungsbescheides reiche es aus, dass ein überleitungsfähiger Anspruch materiell-rechtlich überhaupt in Betracht komme, also nicht von vornherein ausgeschlossen sei; die Überprüfung des übergeleiteten Anspruchs sei daher auf eine sog. Negativevidenz beschränkt. Eine (wegen solcher Evidenz) sinnlose Überleitungsverfügung habe der Beklagte nicht erlassen. Die Überleitung diene dazu, den Nachrang der Sozialhilfe zu realisieren. Insofern müsse die Überleitung für einen Zeitraum erfolgen, für den Sozialhilfe tatsächlich gewährt worden sei. Es sei nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass die Beigeladene gegen den Kläger einen Anspruch auf Herausgabe einer durch Übertragungsvertrag erfolgten – gemischten – Schenkung nach § 528 BGB habe. Der Zeitraum der Sozialleistungsgewährung sei zudem zeitidentisch mit dem übergeleiteten Anspruch. Auch die ab dem 23.06.2018 rückwirkend erfolgte Überleitung sei nicht zu beanstanden; dies entspreche der Rechtsfolge des § 93 Abs. 2 SGB XII, wonach die Überleitungsanzeige den Anspruchsübergang für die Zeit bewirke, für die ohne Unterbrechung Sozialhilfe erbracht werde. Die Anzeige sei auch hinreichend bestimmt. Dies sei der Fall, wenn sich aus der Anzeige der überzuleitende Anspruch ergebe, sie also erkennen lasse, dass der Übergang dieses Anspruchs des Hilfeempfängers in Höhe der ihm gewährten Sozialhilfe auf den Sozialhilfeträger bewirkt werden solle. Der Bescheid vom 07.12.2018 lasse den übergeleiteten Anspruch (als Schenkungsrückforderungsanspruch) und den betroffenen Zeitraum (ab dem 23.06.2018) in der gebotenen Klarheit erkennen. Die Begründung des Bescheides zeige auch hinreichend deutlich, dass die Überleitung für bereits erbrachte und zukünftige Sozialhilfeleistungen erfolge und auf die Höhe des Schenkungsrückforderungsanspruches beschränkt sei. Schließlich ergebe sich auch, welche Art von Sozialhilfe an die Beigeladene erbracht werde. Bei künftige Sozialleistungen genüge im Übrigen eine Überleitung dem Grunde nach; der konkrete Anspruch werde erst auf einer zweiten Stufe (Durchsetzung des behaupteten zivilrechtlichen Anspruches) untersucht. Der Beklagte habe schließlich von seinem Überleitungsermessen Gebrauch gemacht. Besondere Gründe, welche aus Sicht der Beigeladenen gegen eine Überleitung sprechen würden, seien dem Vortrag des Klägers und den Akten nicht zu entnehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid Bezug genommen.
19Gegen den am 23.12.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.01.2020 Berufung eingelegt. Er hält daran fest, dass der angefochtene Bescheid nicht hinreichend bestimmt sei. Eine Überleistungsanzeige müsse den überzuleitenden Anspruch bezeichnen; sie müsse erkennen lassen, dass der Übergang dieses Anspruchs des Hilfeempfängers in Höhe der ihm gewährten Sozialleistungen auf den Sozialhilfeträger bewirkt werden solle. Ferner müssten Zeitraum und Höhe der gewährten Hilfe angegeben werden, um eine zeitliche Deckungsgleichheit von übergeleitetem Anspruch und Hilfegewährung feststellen zu können. Diesen Voraussetzungen werde die angefochtene Überleitungsanzeige nicht gerecht. Der Beklagte begnüge sich mit der Angabe, seit dem 23.06.2016 würden ungedeckte Heimkosten aus Sozialhilfemitteln übernommen und der zivilrechtliche Anspruch ab diesem Datum übergeleitet. Für den Kläger gehe daraus nicht eindeutig hervor, für welchen insbesondere zukünftigen Zeitraum die Überleitung erfolge. Erforderlich wäre jedoch etwa gewesen, dass die Überleitung nur solange erfolge, wie der Beklagte Leistungen erbringe. Stattdessen sei sie „unbedingt und vorbehaltlos“ erfolgt; es sei für den Kläger nicht erkennbar, dass sie nur solange erfolge, wie Hilfe gewährt werde. An keiner Stelle sei ausgeführt, dass der übergeleitete Anspruch auf die Höhe der erbrachten Sozialhilfe beschränkt werde; der Beklagte vermittele vielmehr den Eindruck, dass der Schenkungsrückforderungsanspruch insgesamt und losgelöst von der erbrachten Sozialhilfe übergeleitet werde. Auch sei nicht ersichtlich, ob der Kläger monatliche Zahlungen erbringen oder der gesamte Rückforderungsanspruch als Einmalzahlung erfüllt werden solle. Der übergeleitete Anspruch hätte zudem beziffert werden müssen; dem Beklagten, der zum Zeitpunkt des Bescheides vom 07.12.2018 schon ein halbes Jahr Leistungen für die Beigeladene erbracht gehabt habe, hätte die ungedeckten Heimkosten ohne Weiteres beziffern können. Im Übrigen habe der Beklagte auch nicht mitgeteilt, dass auch gegenüber den Geschwistern Überleitungsanzeigen erfolgt seien, obwohl solche doch aus dem gleichen Rechtsverhältnis resultierten. Die Ermessensausübung sei unzureichend gewesen, weil allein aus dem sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz kein gesetzgeberisch intendiertes Ermessen folge. Der Beklagte habe sich jedoch auf diesen Grundsatz beschränkt, ohne das Für und Wider der zu treffenden Entscheidung weiter abzuwägen. Er hätte jedoch einbeziehen müssen, dass keine typische Schenkung erfolgt sei, sondern die Grundstücksübertragung mit Auflagen verbunden gewesen sei, derentwegen der Kläger Gegenleistungen in nahezu gleichwertiger Höhe erbracht habe. Auch sei der tatsächliche Grundstückswert als wesentliches Ermessenskriterium nicht ermittelt worden; der Beklagte habe sich vielmehr auf eine Bewertung durch den Gutachterausschuss verlassen. Schließlich verstoße die Überleitungsanzeige gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Denn der Bescheid empfehle noch vor der Rechtsbehelfsbelehrung, auf Widerspruch bzw. Klage zu verzichten und etwaige Einwendungen durch einfaches Schreiben vorzutragen. Auch wenn dieser Hinweis gut gemeint gewesen sein möge, habe er den Kläger unzulässig in der Ausübung seiner Rechte beeinträchtigt.
20Der Kläger beantragt,
21den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 19.12.2019 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 07.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2019 aufzuheben.
22Der Beklagte beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Sie verweist auf den angefochtenen Gerichtsbescheid sowie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Überleitungsanzeige führe ausdrücklich aus, dass sie ein Fortgelten der Überleitung auch für die Zukunft bewirke, „solange die Hilfe gewährt und nicht länger als zwei Monate unterbrochen“ werde; eine Bezifferung des übergeleiteten Anspruchs erfolge in Form einer detaillierten Zahlungsaufforderung, sobald die Überleitungsanzeige bestandskräftig sei. Der Bescheid führe zudem ausdrücklich aus, dass der Sozialhilfeträger Ansprüche „bis zur Höhe seiner Aufwendungen“ überleiten könne. Eine detaillierte Bezifferung des Anspruchs sei ihr bei Erlass des Bescheides vom 07.12.2018 noch nicht möglich gewesen; denn bis dahin seien lediglich ungedeckte Kosten für Juli und Oktober 2018 an die Caritas überwiesen worden. Die Kostenübernahmen erfolgten jeweils nach Vorlage der – von der Caritas nachträglich erstellten – Rechnungen, die je nach erbrachten Pflegeleistungen Monat für Monat in unterschiedlicher Höhe anfielen. Ob gegenüber den Geschwistern des Klägers Ansprüche geltend gemacht würden, habe mit der Bestimmtheit der Überleitungsanzeige nichts zu tun; dies könne schon aus Datenschutzgründen nicht angegeben werden. Mit dem Umstand einer gemischten Schenkung habe sich der Bescheid vom 07.12.2018 gerade auseinandergesetzt. Die Bewertung des Grundstücks durch den Gutachterausschuss sei ausreichend. Die Empfehlung, Einwendungen durch einfaches Schreiben geltend zu machen, sei unter dem Hinweis erfolgt, dass Widerspruchs- und Klageverfahren nur die Überleitung unter dem Gesichtspunkt der Negativevidenz zum Gegenstand hätten. Der Bescheid enthalte ohnehin eine Rechtsbehelfsbelehrung, so dass ein Grundrechtsverstoß nicht ersichtlich sei. Zivilgerichtlich sei der übergeleitete Anspruch noch nicht geltend gemacht worden.
25Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten zur Überleitungsanzeige an den Kläger und zur Sozialhilfegewährung an die Beigeladene Bezug genommen. Der Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
26Entscheidungsgründe:
27A) Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
28Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGG) zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 07.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2019 verletzt den Kläger nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG in seinen Rechten. Der Beklagte hat darin zu Recht einen (möglichen) Schenkungsrückforderungsanspruch der Beigeladenen gegen den Kläger gemäß § 93 SGG auf sich übergeleitet.
29I. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig.
301. Der Beklagte war für die Gewährung der Sozialhilfe an die Beigeladene als örtlicher Sozialhilfeträger sachlich zuständig (§ 97 Abs. 1 SGG i.V.m. § 1 Abs 1 AG-SGB XII NRW i.d.F. vom 01.01.2018 bis 31.12.2019). Eine abweichende landesrechtliche Zuständigkeitszuweisung auf den überörtlichen Sozialhilfeträger bestand nicht (vgl. § 97 Abs. 2 SGG i.V.m. § 2a Abs. 1 AG-SGB XII NRW). Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt aus § 98 Abs. 1 bzw. 2 SGG, ohne dass der Senat entscheiden muss, ob es sich bei der Wohngemeinschaft der Caritas um eine stationäre Einrichtung handelt. Diese Zuständigkeit erstreckt sich auch auf die Überleitung (sog. Grundsatz der Identität von hilfegewährendem und überleitendem Hilfeträger; vgl. Giere in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 93 Rn. 27).
312. Der Kläger wurde vor Erlass der (formell korrekt schriftlich erfolgten; vgl. § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) Überleitungsanzeige mit Schreiben des Beklagten vom 15.10.2018 i.S.v. § 24 SGB X angehört. Das Anhörungsschreiben benannte sämtliche für die Überleitungsentscheidung aus Sicht des Beklagten maßgebenden Umstände. Unerheblich ist, dass der Kläger von seinem Anhörungsrecht anschließend keinen Gebrauch gemacht hat.
32Dass der Beklagte die Beigeladene nicht ebenfalls angehört hat, ist für die formelle Rechtmäßigkeit der an den Kläger gerichteten Überleitungsanzeige unerheblich. Mag eine solche Anhörung zwar notwendig (vgl. in diesem Sinne wohl BSG, Urteil vom 02.02.2010 – B 8 SO 17/08 R Rn. 13) und ein Anhörungsmangel auch nicht durch die Beiladung (Beschluss des Sozialgerichts vom 14.11.2019) geheilt worden sein, so führt die unterbliebene Anhörung der Beigeladenen jedenfalls nicht zu einer Rechtsverletzung (§ 54 Abs. 2 SGG) auf Seiten des Klägers. Denn § 24 Abs. 1 SGB X vermittelt dem Kläger keinen Drittschutz mit Blick auf ein Anhörungsrecht der Beigeladenen. Vielmehr bezieht sich das Anhörungsrecht, soweit der Kläger betroffen ist, nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm („ der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, …“) nur auf dessen eigene Interessen; in einem Verfahren der Beigeladenen ist der Kläger insofern nicht i.S.v. § 24 Abs. 1 SGB X „Beteiligter“ (vgl. dazu LSG NRW, Urteil vom 18.10.2018 – L 9 SO 383/17 Rn. 34). Aus diesem Grunde ist im vorliegenden Verfahren des Klägers auch unerheblich, ob die Beigeladene ebenfalls eine Überleitungsanzeige erhalten hat. Welche Auswirkungen eine etwa fehlende Überleitungsanzeige an die Beigeladene mit Blick auf einen wirksamen Anspruchsübergang für ein ggf. nachfolgendes zivilgerichtliches Verfahren hat, ist erst dort zu entscheiden und kann vom Senat offengelassen werden.
33II. Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
34Die Voraussetzungen des § 93 SGB XII sind erfüllt. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift kann der Träger der Sozialhilfe, wenn eine leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen hat, der kein Leistungsträger im Sinne des § 12 SGB I ist, durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht.
351. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Bescheid vom 07.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2019 inhaltlich hinreichend bestimmt i.S.d. § 33 Abs. 1 SGB X.
36Als Verwaltungsakt muss die Überleitungsanzeige hinreichend bestimmt sein; der übergeleitete Anspruch muss klar benannt und erkennbar, zumindest identifizierbar sein (Armbruster in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 3. Auflage 2020 – Stand 01.02.2020 – § 93 Rn. 163 m.w.N.). Der Wille zur Überleitung muss ebenso zum Ausdruck kommen wie eine Angabe des Hilfeempfängers, der Art der Hilfe sowie des übergeleiteten Anspruchs mit Nennung von Gläubiger und Schuldner (a.a.O. Rn. 164).
37a) Der Bescheid vom 07.12.2018 benennt als übergeleiteten Anspruch ausdrücklich einen Schenkungsrückforderungsanspruch (§ 528 BGB). Diesen habe die Beigeladene als Gläubigerin gegen den Kläger als Schuldner, resultierend aus der Übertragung des Grundstückes S in Straelen, welche – entsprechend den im Bescheid angestellten Berechnungen – als gemischte Schenkung in Höhe von letztlich 13.176,00 € anzusehen sei. Die Beigeladene ist zudem zweifelsfrei als Empfängerin von Hilfe seit dem 23.06.2016 für ungedeckte Betreuungskosten in der Wohngemeinschaft für Demenzkranke benannt. Eine Überleitung könne bis zur Höhe der Aufwendungen des Sozialhilfeträgers erfolgen. Der Wille zur Überleitung dieses Anspruchs kommt eindeutig zum Ausdruck („Hiermit leite ich … auf mich über“). Wenn der Kläger einwendet, für ihn sei nicht erkennbar, bis wann die Überleitung für die Zukunft erfolge, so hat die Beklagte unter Hinweis auf die weitere statistische Lebenserwartung der Beigeladenen einerseits, die von ihr angenommene Höhe des Schenkungsrückforderungsanspruchs andererseits sowie den Hinweis, die Rückforderung sei auf die Höhe der von ihr erbrachten Leistungen begrenzt, alles angegeben, was gesetzlich gefordert ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei dauerhaften, auch künftig anfallenden Sozialhilfeleistungen ein Ende der Leistungsbringung nicht angegeben werden kann; insofern reicht der Hinweis auf die Begrenzung einerseits durch die Höhe der erbrachten Leistungen, andererseits auf die (in der Berechnung des übergeleiteten Anspruchs zum Ausdruck kommende) Höhe des Schenkungsrückforderungsanspruches aus.
38b) Soweit der Kläger eine Bezifferung der Forderung für notwendig hält, ist ihm zwar zuzugeben, dass der Beklagte bei Erlass der Überleitungsanzeige jedenfalls den Betrag für diejenigen Leistungen hätte beziffern können, die – im Anschluss an die Rechnungen der Cariatas – bereits erbracht worden waren bzw. deren Höhe bereits feststand. Eine Bezifferung ist allerdings nicht zwingend; sie kann vielmehr später in einem zweiten Verwaltungsakt erfolgen (Armbruster, a.a.O. Rn. 163 m.w.N.; LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 19.05.2016 – L 23 SO 109/14 Rn. 55 m.w.N.). Denn zwar spricht das Interesse des Schuldners des überzuleitenden Anspruchs für eine Bezifferung; gleichwohl hat das Gesetz das Interesse des Schuldners an der Klarstellung seiner Verbindlichkeiten für die Bestimmung der bei der Überleitung einzuhaltenden Förmlichkeiten nicht maßgebend sein lassen (BVerwG, Urteil vom 17.05.1973 – V C 108.72 Rn. 12 zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift § 90 BSHG). Für Leistungen, die – wie bei der Beigeladenen – daneben erst zukünftig in monatlich unterschiedlicher Höhe zu erbringen sind, wäre eine Bezifferung ohnedies nicht möglich; eine Überleitung wirkt jedoch – ihrem Sinn und Zweck entsprechend – auch für die weitere Hilfegewährung in der Zukunft, soweit diese ununterbrochen geschieht (§ 93 Abs. 2 SGG; Armbruster, a.a.O. Rn. 168).
392. Die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind erfüllt.
40a) Der Beklagte erbringt seit dem 23.06.2018 tatsächlich Sozialhilfe an die Beigeladene, indem er die nicht aus ihrem Einkommen oder Leistungen der Pflegeversicherung gedeckten Kosten ihrer Betreuung in der Wohngemeinschaft für Demenzkranke übernimmt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, es bestünden für ihn keine Zweifel daran, dass die an die Beigeladene erbrachten Sozialhilfeleistungen nach Grund und Höhe in Ordnung seien.
41b) Ohnehin kommt es auf die Frage, ob die tatsächlich erbrachten Sozialhilfeleistungen an die Beigeladene (insgesamt) rechtmäßig waren (und auch künftig noch sind), nicht an (zum diesbezüglichen Streitstand vgl. Armbruster, a.a.O. Rn. 47 f.).
42§ 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII knüpft im Wortlaut nur an die Hilfegewährung, nicht jedoch an deren Rechtmäßigkeit an. Insofern sind die Rechtspositionen von Hilfeempfänger (Beigeladene) und Drittem (Kläger) zu unterscheiden. Der Dritte erfährt durch die Überleitung zwar eine Veränderung seiner Rechtsposition; jedoch werden seine Rechte nicht unmittelbar geschmälert. Durch einseitigen hoheitlichen Akt wird ihm zwar ein neuer Gläubiger zugewiesen (sog. Magistralzession), ohne dass dies jedoch an dem gegen ihn bestehenden Anspruch als solchem etwas ändert. In die Rechtsposition des Hilfeempfängers wird dagegen unmittelbar und schmälernd eingegriffen, weil ihm die Verfügung über den Anspruch entzogen wird. Dem steht jedoch, wenn ihm ggf. rechtswidrig Leistungen gewährt worden sind, ein vermögenswerter Zuwachs gegenüber. Eine Rückforderung rechtswidrig bewilligter Leistungen ist indes ggf. nur in den Grenzen des § 45 SGB X möglich, so dass ihm unter Umständen (sofern diese Grenzen bei einer Rückforderung überschritten würden) der Zuwachs endgültig verbleibt (Armbruster, a.a.O. Rn. 49). Besteht ein (in § 93 SGB XII zum Ausdruck kommendes) Bedürfnis zur Herstellung des Nachrangs der Sozialhilfe für eine tatsächlich gewährte Hilfe, so gilt dies vor allem auch dann, wenn aufgrund der Schranken der §§ 45 ff. SGB X eine Rückforderung nicht möglich ist. Der vermögenswerte Vorteil beim Hilfeempfänger rechtfertigt dann die Überleitung auch mit Blick darauf, dass der Dritte davon betroffen ist. Denn jedenfalls die Vermögenslage des Hilfeempfängers wird durch die Überleitung saldierend nicht geschmälert (vgl. Armbruster, a.a.O. Rn. 50); ihm verbleibt in solchen Fällen die rechtswidrig gewährte Leistung; durch die Geltendmachung des übergeleiteten Anspruchs verliert er ggf. wirtschaftlich in gleicher Höhe diesen Vorteil nur wieder. Der Dritte jedoch ist nach der Überleitung demselben Anspruch ausgesetzt, dem er schon zuvor ausgesetzt war, wenn auch mit einem anderen Gläubiger.
43Kommt es deshalb auf die (vollständige, dem Grunde nach nicht in Frage stehende) Rechtmäßigkeit der für die Beigeladene erbrachten Sozialhilfe nicht an, so kann der Senat insbesondere offenlassen, ob der Beklagte bei der Berechnung der Hilfeleistungen für die Beigeladene etwa – angesichts deren Lebens in einer betreuten Wohngemeinschaft – zu Recht die Regelbedarfsstufe 1 in Ansatz gebracht hat (bzw. noch bringt), oder ob die sonstige Leistungsbemessung in allen Einzelheiten zutreffend ist.
44c) Zwischen den erbrachten (und noch zu erbringenden) Sozialhilfeleistungen und dem Schenkungsrückforderungsanspruch besteht Zeitidentität (siehe § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII: „für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden“; vgl. hierzu Armbruster, a.a.O. Rn. 120 f.); zeitgleich mit der bei Wohngemeinschaftsaufnahme entstandenen Sozialhilfebedürftigkeit erscheint ein fälliger und durchsetzbarer Schenkungsrückforderungsanspruch möglich. Auch eine kausale Verknüpfung zwischen Hilfegewährung und Rückforderungsanspruch besteht (vgl. zu dieser Voraussetzung a.a.O. Rn. 122 ff.; Giere, a.a.O. Rn. 17), da bei Erfüllen des Rückforderungsanspruchs die Sozialhilfebedürftigkeit in entsprechender Höhe entfiele.
453. Der Schenkungsrückforderungsanspruch ist ein nach § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII überleitungsfähiger, zivilrechtlicher Anspruch (Armbruster, a.a.O. Rn. 91 m.w.N.) der Beigeladenen gegen den Kläger als Dritten („anderen“).
46a) Der Kläger ist kein Leistungsträger i.S.d. § 12 SGB I.
47b) Die Rechtmäßigkeit einer Überleistungsanzeige setzt nicht voraus, dass der übergeleitete Anspruch tatsächlich besteht.
48aa) Für die Wirksamkeit der Überleitung eines Anspruchs nach § 93 SGB XII genügt bereits, dass ein überleitungsfähiger Anspruch überhaupt in Betracht kommt, er also nicht von vornherein objektiv ausgeschlossen ist (Fehlen sog. Negativevidenz). Die Überleitung eines Anspruchs dient – neben den Vorschriften über den Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens – dazu, den Nachrang der Sozialhilfe zu realisieren (s.o.). Wie beim Einsatz des Einkommens müssen die Vorschriften über die Überleitung von Ansprüchen folglich bedarfsorientiert gesehen werden. Entscheidend ist also nicht, ob ein Anspruch tatsächlich besteht, sondern dass die Überleitung für einen Zeitraum erfolgt, für den Leistungen der Sozialhilfe tatsächlich gewährt worden sind. Nur wenn offensichtlich ist, dass dieses Ziel nicht verwirklicht werden kann, ist der Erlass einer Überleitungsverfügung sinnlos und trotz Vorliegens aller im Gesetz normierten Voraussetzungen als rechtswidrig aufzuheben (BSG, Beschluss Rn. 8 f. m.w.N. der Rspr. des BSG und des BVerwG). Bei schlüssigem Vortrag (der im zivilrechtlichen Verfahren für einen Erfolg von Klage oder Verteidigung gegen die Klage ohnehin zwingend ist) wären die Behörde oder das Gericht – den Grundsatz der Negativevidenz konterkarierend – verpflichtet, etwaige Ansprüche nach zivilrechtlichen Vorschriften eingehend und abschließend zu prüfen. Gerade dies – und ggf. auch notwendige Beweiserhebungen – soll aber den Zivilgerichten vorbehalten bleiben (BSG, Beschluss vom 20.12.2012 – B 8 SO 75/12 B Rn. 8 m.w.N. der Rspr. des BVerwG).
49bb) Ein Schenkungsrückforderungsanspruch der Beigeladenen gegen den Kläger scheidet jedoch nicht im Sinne einer Negativevidenz aus.
50Nach § 528 Abs. 1 Satz 1BGB kann der Schenker, soweit er nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.
51aaa) Dem Kläger wurde im Übertragungs- und Erbauseinandersetzungsvertrag vom 16.07.2009 von der Beigeladenen ein werthaltiges Grundstück übertragen. Hierin liegt i.S.v. § 516 Abs. 1 BGB eine Zuwendung der Beigeladenen aus ihrem Vermögen an den Kläger, die zugleich unentgeltlich ist (Schenkung). Zwar verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung laufender Leibrente an die Beigeladene sowie zu einer betragsmäßigen Abfindung an seine Schwester. Es erscheint jedoch möglich und sogar deutlich wahrscheinlich, dass er angesichts des Grundstückswertes im Vergleich zu den von ihm übernommenen Verpflichtungen bei saldierender Betrachtung gleichwohl einen erheblichen Vermögensvorteil erlangt hat, so dass auch in Ansehung der von ihm eingegangenen Verpflichtungen eine – wenn auch „gemischte“ – Schenkung vorliegt.
52Keineswegs ist – wie der Kläger ohne nähere Begründung meint – offensichtlich, dass ihm wegen der von ihm übernommenen Zahlungspflichten wertmäßig keinerlei Vermögensvorteil mehr verblieben sei. Der Wert des ihm übertragenen Grundstücks S in Straelen betrug nach der Einschätzung des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Kleve zum Zeitpunkt der Übertragung etwa 54.000,00 €. Der Senat sieht angesichts der bei derartigen Gutachterausschüssen anzunehmenden Sachkunde keine Veranlassung, einen wesentlich geringeren Wert anzunehmen; es muss bei Bedarf vielmehr ggf. dem zivilgerichtlichen Verfahren vorbehalten bleiben, den Wert zum Zeitpunkt der Übertragung näher zu klären. Diesem Vermögenszufluss standen (zum Teil prognostische) Verpflichtungen des Klägers aus dem Übertragungs- und Erbauseinandersetzungsvertrag gegenüber, bei denen jedoch nicht ersichtlich – geschweige denn offensichtlich – ist, dass sie den Wert des ihm aufgrund des Vertrages Zugeflossenen erreichen oder gar übersteigen. Der Beklagte geht insoweit nachvollziehbar von 10.700,00 € bereits gezahlter Leibrente aus sowie von (anhand einer Sterbetafel ermittelten) prognostisch weiterhin noch zu zahlender Leibrente von 12.624,00 €. Dabei kann der Senat offenlassen, ob hier nicht ohnehin statt der von der Beklagten bei der Leibrentenzahlung in Ansatz gebrachten monatlich 100,00 € nur die vertraglich einzig geregelte Verpflichtung zu monatlich 75,00 € zu berücksichtigen ist. Hinzu kommt die Abfindung an die Schwester von 17.500,00 €. In der Summe ergeben sich Gegenleistungsverpflichtungen des Klägers von (10.700,00 + 12.624,00 + 17.500,00 =) 40.824,00 €. Wurde der Wert des Grundstückes S mit 54.000,00 € zum Übertragungszeitpunkt anhand der Äußerung des Gutachterausschusses jedenfalls nicht ersichtlich fehlbemessen, so erscheint es nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass beim Kläger saldierend noch ein erheblicher Vermögenszuwachs verblieb. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass er einen geringen ideellen Teil des ihm übertragenen Grundstückes schon als Erbe nach seinem Vater erhalten hat. Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass der Übertragungs- und Erbauseinandersetzungsvertrag zwischen der Beigeladenen, dem Kläger und seinen drei Geschwistern noch weitere, an der N1-Straße sogar bebaute Grundfläche betraf. Mögen deshalb die exakten (Wert-)Verhältnisse der (letztlich sämtlich räumlich zusammenhängenden) Grundstücke, die im Vertrag betroffen waren, schwierig zu überschauen und in den Übertragungs- und Abfindungsanteilen kompliziert zu bemessen sein, so mag dies bei Bedarf im zivilgerichtlichen Verfahren geklärt werden. Dafür, dass der Kläger aus dem Vertrag saldierend nicht – im Sinne einer gemischten Schenkung – mit einem Vermögenszuwachs hervorgegangen ist, spricht jedoch nichts.
53Eine Negativevidenz des Schenkungsrückforderungsanspruchs besteht deshalb unter dem Gesichtspunkt des Übertragungswertes nicht; alles weitere kann nur Gegenstand der Klärung in einem zivilgerichtlichen Verfahren sein.
54bbb) Die Schenkung ist spätestens durch Eintragung des Klägers in das Grundbuch (hier seine Eltern ablösend) auch vollzogen worden.
55ccc) Die Beigeladene ist – was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist – schließlich auch durch ihre Sozialhilfebedürftigkeit unfähig geworden, ihren angemessenen Unterhalt (vollständig) selbst zu bestreiten; ihr Einkommen und die Leistungen aus der Pflegeversicherung reichen nicht aus, die Betreuungskosten in der Wohngemeinschaft für Demenzkranke vollständig zu decken.
56cc) Der Schenkungsrückforderungsanspruch ist auch nicht nach § 529 Abs. 1 BGB wegen Ablaufs von zehn Jahren seit der Schenkung bei Eintritt der Bedürftigkeit ausgeschlossen. Der Übertragungs- und Erbauseinandersetzungsvertrag datiert vom 16.07.2009; die Sozialhilfe setzte bereits ab dem 23.06.2018 ein.
57dd) Auf die Frage, ob eine Verjährung des – zivilrechtlich noch nicht durchgesetzten – Anspruchs möglich erscheint, kommt es im Rahmen der Überleitung von vornherein nicht an. Eine Verjährung würde die Überleitung nicht hindern, sondern hätte, wenn die Einrede berechtigterweise erhoben wird, nur Auswirkungen auf die Durchsetzbarkeit des übergeleiteten Anspruchs (Armbruster, a.a.O. Rn. 89 m.w.N.; zu ungeklärten Problemen des Beginns der dreijährigen Verjährungsfrist dort Rn. 113).
58ee) Mag deshalb der Kläger zwar nicht verpflichtet sein, das ihm übertragene Grundstück herausgeben, zumal dessen Wert den bei ihm eingetretenen Vermögenszuwachs deutlich überschreitet, so kann eine Rückgabe der Schenkung wegen des Verweises in § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB auf bereicherungsrechtliche Vorschriften jedoch in Form des Wertersatzes in Höhe seinen Vermögenszuwachses erfolgen (§ 818 Abs. 2 BGB; vgl. Armbruster, a.a.O. Rn. 112); im einzelnen obliegt dies wiederum einer ggf. zivilgerichtlichen Klärung. Dass der Kläger mittlerweile entreichert wäre (§ 818 Abs. 3 BGB), ist nicht ersichtlich; nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er auf dem Grundstück S zwischenzeitlich gebaut und wohnt dort.
594. Ermessenfehler der Beklagten bestehen nicht. Wenn der Kläger die Ermessenserwägungen des Beklagten nicht für ausreichend hält, folgt der Senat dem nicht.
60a) Der Kläger meint, das Abstellen im Wesentlichen allein auf den sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz (§ 2 SGB XII) reiche nicht aus. Entgegen seiner Ansicht liegt § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB X jedoch gerade ein sog. intendiertes Ermessen zugrunde (vgl. den Beschluss des Senats vom 20.12.2005 – L 20 B 135/06 Rn. 23). Denn die Vorschrift dient gerade der Herstellung des Nachrangs (vgl. Armbruster, a.a.O. Rn. 50), so dass dessen Sicherstellung gerade ein entscheidendes Ermessenskriterium ist. Die überleitende Behörde darf deshalb zur Begründung ihrer Ermessensentscheidung fehlerfrei sogar allein auf die gesetzliche Wertung des § 2 SGB XII verweisen; § 93 SGB XII berechtigt den Sozialhilfeträger, allein in Verfolgung des gesetzlichen Nachranggrundsatzes überzuleiten. Sind deshalb an die Begründung der Ermessensentscheidung keine überspannten Anforderungen zu stellen, so ist die Überleitung regelmäßig – wie auch im Falle des Klägers – frei von Ermessensfehlern, da keine sonstigen Anhaltspunkte für ein Absehen von der Überleitung ersichtlich sind (Armbruster, a.a.O. Rn. 147 m.w.N.).
61b) Soweit der Kläger meint, der Beklagte hätte zunächst (auch) im Rahmen des § 528 BGB Ermessen ausüben müssen, so geht er fehl. Die Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruchs ist die freie Entscheidung des Gläubigers. Wird der Anspruch des Gläubigers auf den Sozialhilfeträger übergeleitet, so steht diesem die Entscheidung über eine Geltendmachung frei, ohne dass spezielle zivilrechtliche Ermessenserwägungen anzustellen wären. Ist die Überleitung als solche rechts- und insbesondere auch ermessensfehlerfrei erfolgt, kann der Sozialhilfeträger die Entscheidung über die (ggf. zivilgerichtliche) Geltendmachung der Forderung – soweit jedenfalls die Rechtsposition des Schuldner berührt ist – so treffen, wie sie auch der frühere Gläubiger hätte treffen können. Darauf, ob der frühere Gläubiger sich hinsichtlich der Geltendmachung der Forderung ebenso entschieden hätte wie der Sozialhilfeträger, kommt es nicht an; es bedürfte der gesetzlichen Möglichkeit einer Überleitung von vornherein nicht, wenn sie nur offenstünde, wenn der Hilfeempfänger die Forderung gegen den Schuldner ohnehin durchzusetzen gewillt (und in der Lage) gewesen wäre.
624. Soweit der Kläger meint, die Empfehlung im Bescheid vom 07.12.2018, auf Widerspruch und Klage zu verzichten und ggf. allein vorhandene zivilrechtliche Einwendungen in einem „einfachen Schreiben“ vorzubringen, verletze ihn in Art. 19 Abs. 4 GG, so kommt eine solche Rechtsverletzung von vornherein nicht in Betracht. Denn der Bescheid enthält eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung, und der Kläger hat auch Widerspruch eingelegt und nachfolgend Klage erhoben. Eine unzulässige Beeinträchtigung in der Ausübung seiner Rechte ist damit jedenfalls nicht eingetreten.
63B) Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
64C) Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
65D) Der Streitwert ist endgültig in Höhe des sog. Auffangstreitwerts von 5.000,00 € festzusetzen (§§ 40, 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG). Die Beklagte hat zwar einen Schenkungsrückforderungsanspruch von (bis zu) 13.176,00 € ermittelt, weil sie den Wert der gemischten Schenkung in dieser Höhe angegeben und damit die Höhe der Rückforderung wohl auf diesen Betrag begrenzt hat. Da diese Berechnung aber zum Teil nur auf einer Prognose beruht, welche Lebenserwartung die Beigeladene zum Zeitpunkt der Überleitung noch habe, und letztlich nicht feststeht, welchen wirtschaftlichen Wert der übergeleitete Anspruch tatsächlich hat, ist auf den Auffangstreitwert zurückzugreifen.