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1. Das Recht auf Aktenvorlage gehört zum Kern des parlamentarischen Untersuchungsrechts gemäß Art. 41 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 LV, findet jedoch eine Grenze in den nach Art. 1 Abs. 3 GG zu beachtenden Grundrechten Dritter. Dem Schutz personenbezogener Daten ist eine besondere Bedeutung zuzumessen.
2. Enthalten Akten streng persönliche Informationen, deren Preisgabe für die Betroffenen unzumutbar ist (hier: als minderjährige Opfer sexualisierter Gewalt), kommt eine Aktenvorlage nur unter besonderen datenschutzrechtlichen Vorkehrungen in Betracht, die eine Identifizierbarkeit der Betroffenen wirksam ausschließen. Hierbei genügt regelmäßig eine anonymisierende Bearbeitung, wobei in bestimmten Ausnahmefällen aber auch eine Pseudonymisierung der vorzulegenden Akten geboten sein kann.
3. a) Umfang, Reichweite und Grenzen des Aktenvorlagerechts nach Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV bedürfen einer verfahrensrechtlichen Konkretisierung, die die widerstreitenden verfassungsrechtlichen Positionen von parlamentarischem Untersuchungsrecht einerseits und Grundrechtsschutz andererseits in schonenden und zugleich wirksamen Ausgleich (praktische Konkordanz) bringt.
b) Da der Schutz der betroffenen Grundrechte allen öffentlichen Gewalten obliegt, trifft die Verfassungsorgane insoweit eine Abwägungs- und Koordinationsobliegenheit. Sie haben über die Art und Weise der Gewährleistung des Schutzes der betroffenen höchstpersönlichen Informationen verfahrensrechtlich verbindliche Absprachen zu treffen.
4. Werden angeforderte Beweismittel nicht vorgelegt, fordert ein verfassungsgemäßes Verhalten eine ausdrückliche Vorlageverweigerung und grundsätzlich auch eine substantiierte schriftliche Begründung. Diese kann im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden.
5. a) Die der Gewährleistung sowohl des parlamentarischen Untersuchungsauftrags als auch des Grundrechtsschutzes dienende verfahrensmäßige Absicherung der Pflicht zur Vorlage der Akten statuiert fortlaufende prozedurale Obliegenheiten. Insbesondere gebietet der Grundsatz der Verfassungsorgantreue eine von gegenseitiger Rücksichtnahme getragene Kommunikationsbeziehung zwischen der aktenvorlegenden Stelle und dem Untersuchungsausschuss.
b) Die aktenvorlegende Stelle hat den Untersuchungsausschuss über die Verfahrensgestaltung der Aktenvorlage in personeller, sachlicher und zeitlicher Hinsicht zu informieren und etwaige Vorlageprognosen nachvollziehbar zu begründen. Demgegenüber ist der Untersuchungsausschuss verpflichtet, zeitlich und sachlich angemessen auf die Aktenvorlage zu reagieren, sollten sich hierbei aus seiner Sicht Probleme ergeben.
c) Stellt sich im Rahmen einer der Vorlage vorausgehenden notwendigen Aktenbearbeitung heraus, dass der ursprünglich prognostizierte Zeitrahmen für die Vorlage – nicht nur unwesentlich – nicht eingehalten werden kann, ist der Untersuchungsausschuss unverzüglich und umfassend zu benachrichtigen. Dazu gehört die Information über die Möglichkeiten der Abhilfe und eine nachvollziehbare Begründung, warum diese gegebenenfalls nicht genutzt werden. Darüber hinaus ist gegenüber dem Untersuchungsausschuss eine belastbare neue Prognose des erforderlichen Zeitaufwandes abzugeben und zu begründen.
d) Die konkrete Ausgestaltung der Informationspflichten bestimmt sich nach den maßgeblichen Umständen des jeweiligen Einzelfalls.
Es wird festgestellt, dass die Antragsgegner gegen Artikel 41 Absatz 1 Satz 2 LV in Verbindung mit Artikel 41 Absatz 2 Satz 3 LV verstoßen haben, soweit sie dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV einen Teil der auf der Grundlage des Beweisbeschlusses Nr. 2 vom 12. Juli 2019 angeforderten und in ihrem Geschäftsbereich geführten Akten nicht vorgelegt haben, ferner soweit der Antragsgegner zu 2. die in seinem Verantwortungsbereich eingetretenen Verzögerungen unzureichend gerechtfertigt und über diese wie auch über deren Folgen unzureichend informiert hat.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Antragstellerin setzt sich aus den fünf stimmberechtigten Mitgliedern der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV der 17. Wahlperiode des Landtags Nordrhein-Westfalen zusammen. Sie begehrt im Wege des Organstreits die Feststellung, dass die Antragsgegner die auf der Grundlage eines Beweisbeschlusses ergangene Aktenvorlageaufforderung des Untersuchungsausschusses nur teilweise und unzureichend erfüllt und hierdurch gegen Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV i. V. m. Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV verstoßen haben.
1. Der Landtag setzte den – aus insgesamt 13 stimmberechtigten Mitgliedern bestehenden – Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV auf Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen in seiner Sitzung am 26. Juni 2019 ein (LT-Drs. 17/6660). Der Ausschuss prüft das Vorgehen der nordrhein-westfälischen Landesregierung und der Ermittlungsbehörden sowie der Jugendämter im Fall des Verdachts des vielfachen sexualisierten Kindesmissbrauchs auf einem Campingplatz in Lügde. Der Untersuchungsauftrag lautet auszugsweise:
3„Der Untersuchungsausschuss soll mögliche Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und Fehlverhalten der Landesregierung, insbesondere der Staatskanzlei, der Ministerien des Inneren und Justiz sowie des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalens und der ihrer Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden Behörden und der Behörden des Kreises Lippe hinsichtlich der sexuellen Übergriffe auf Kinder und Jugendliche auf einem Campingplatz in Lügde und ggf. an anderen Orten untersuchen und aufklären. Hierzu sind innerbehördliche und inner- und interministerielle Informationsflüsse und die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Kommunikation gegenüber dem Parlament aller beteiligten Stellen des Landes Nordrhein-Westfalens im Hinblick auf folgende Themenkomplexe zu untersuchen.“
42. Der Einsetzung des Untersuchungsausschusses liegt ausweislich des Einsetzungsbeschlusses folgender Sachverhalt zugrunde:
5„Mit der Pressekonferenz der Kreispolizeibehörde Lippe am 30. Januar 2019 wurde der Fall des langjährigen und vielfachen sexuellen Missbrauchs an einer großen Anzahl an Kindern in Lügde öffentlich. Hauptangeklagte sind nach derzeitigem Erkenntnisstand zwei männliche Personen, die überwiegend auf einem Campingplatz wohnten. Bislang soll mindestens eine weitere, in Norddeutschland lebende Person an verschiedenen Taten beteiligt gewesen sein.
6Als Reaktion auf die Pressekonferenz in Detmold ordnete Innenminister Herbert Reul am darauffolgenden Tag an, dass die Ermittlungen fortan durch das Polizeipräsidium Bielefeld zu führen seien, und begründete diese Entscheidung damit, dass erst nach Bekanntwerden der Einzeltaten das Ausmaß des Falles deutlich geworden und die Kreispolizeibehörde Lippe den selbstständigen Ermittlungen nicht gewachsen sei. Die beim Polizeipräsidium Bielefeld eingerichtete Besondere Aufbauorganisation soll in der Anfangszeit mit 51 Polizeivollzugsbeschäftigten ausgestattet worden sein, die in der Folge auf rund 80 Beschäftigte angehoben worden sein soll.
7Am 14. Januar 2019 soll das Ministerium des Innern darüber informiert worden sein, dass mehr als 30 Kinder und Jugendliche missbraucht wurden, darunter offenbar zahlreiche Fälle schweren sexuellen Missbrauchs, die eingesetzte Ermittlungskommission um eine weitere Person verstärkt wurde, nun mit einer Stärke von 1 : 7 arbeite und es sich abzeichne, dass es vermutlich noch weitere Spuren zu Konsumenten von Bildern und Videoaufzeichnungen von Taten sexueller Gewalt gegen Minderjährige geben werde. Weiter gebe es den Verdacht der Aktenmanipulation durch das Jugendamt Hameln-Pyrmont.
8Die Arbeit der ermittelnden Behörden soll nach Angaben von Mitgliedern der Landesregierung an mehreren Stellen fehlerbehaftet gewesen sein.
9Mitte Februar 2019 wurde öffentlich bekannt, dass 155 Datenträger, die in der Behausung des Hauptangeklagten V. gefunden und beschlagnahmt worden sein sollen, aus den Räumlichkeiten der Kreispolizeibehörde Lippe entwendet wurden. Die Datenträger sollen zuvor auf Anweisung des Leiters der Ermittlungskommission von einem Kommissaranwärter auf inkriminierte Inhalte hin überprüft worden sein. Dieser soll die Datenträger aber nicht zurück in die Asservatenstelle der Kreispolizeibehörde verbracht haben. Über das Abhandenkommen der Datenträger soll das Ministerium des Innern 15 Tage später informiert worden sein, nachdem der Verlust in der Kreispolizeibehörde Lippe bekannt geworden sein soll. Zur Aufklärung des Verschwindens der Datenträger soll das Ministerium des Innern einen polizeiinternen Sonderermittler aus dem Landeskriminalamt entsandt haben, der seine Ermittlungen eingestellt haben soll, nachdem sich der Verdacht auf einen Diebstahl der Datenträger erhärtet und die Staatsanwaltschaft Detmold die Ermittlungsarbeit insofern übernommen haben soll.
10Im Fortgang der Behandlung des Falls in den Ausschüssen des Landtags und der Berichterstattung durch die Landesregierung wurde ferner bekannt, dass es in der Vergangenheit Hinweise gegen den Hauptangeklagten V. wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs an einem ihm zur Pflege überlassenen Mädchen und an anderen Kindern gegeben haben soll. Kenntnis über Hinweise sollen sowohl die Jugendämter Hameln-Pyrmont in Niedersachsen und Lippe als auch die Kreispolizeibehörde Lippe erhalten haben. Im März 2017 soll dem Hauptangeklagten V. die Erlaubnis zur Vollzeitpflege des bei ihm wohnenden Mädchens erteilt worden sein.
11Jüngsten Medienberichterstattungen zufolge soll der weitere Angeklagte S. mehr als 20 Jahre lang an verschiedenen Orten – neben dem Campingplatz auch in seiner Heimatstadt – mindestens 17 Kinder in mindestens 162 Fällen sexuell, z. T. schwer sexuell missbraucht haben. Von seinen Taten soll auch er teilweise Fotos angefertigt und Videofilme aufgezeichnet haben.
12Das Jugendamt Höxter soll im September 2017 Hinweise auf einen Missbrauchsfall durch S. erhalten haben und der Mutter des betroffenen Kindes die Auflage erteilt haben, ihr Kind nicht unbeaufsichtigt S. aufsuchen zu lassen.
13Bei der Staatsanwaltschaft Paderborn sollen 2004 und 2013 Anzeigen gegen S. wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingegangen sein. Die Verfahren sollen eingestellt worden sein.
14Wegen der noch laufenden weiteren staatsanwaltlichen Ermittlungen in dem Missbrauchsfall „Campingplatz“ ist der Sachverhalt nicht abschließend.“
153. Der Einsetzungsbeschluss (Abschnitt VII) enthält eine ausdrückliche Selbstverpflichtung des Landtags zum besonderen Schutz der Opfer und ihrer Familienangehörigen. Dies betrifft zunächst die Untersuchung von Bildern oder Bilddateien oder sonstigen Ablichtungen von Opfern:
16„Der Landtag verpflichtet sich selbst dazu, in dem Verfahren des Untersuchungsausschusses keine Bilder oder Bilddateien oder sonstige Ablichtungen von Opfern zu behandeln. Von der Landesregierung an den Landtag unverändert übersandte Unterlagen und Dateien werden durch vom Parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit Zweidrittelmehrheit beauftragte, vertrauenswürdige dritte Personen auf entsprechende Bilder, Bilddateien oder sonstige Ablichtungen von Opfern hin geprüft und diese geschwärzt. Sodann werden die geschwärzten Unterlagen den Mitgliedern sowie den Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern des Untersuchungsausschusses zur Bearbeitung im Verfahren des Untersuchungsausschusses übergeben. Auf die Anforderung von reinen Bilddateien, sonstigen reinen Bildausdrucken, von reinen Videodateien, Videoausschnittdateien, Videoausschnittausdrucken und deren Sammlungen verzichtet der Untersuchungsausschuss.“
17Darüber hinaus soll der Schutz der Identitäten der Opfer und ihrer Familienangehörigen sichergestellt werden:
18„Ebenso werden Namen von Opfern und ihrer Familienangehörigen unter der Berücksichtigung, eine wirksame Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss gewährleisten zu können, hinreichend unkenntlich gemacht. Der Untersuchungsausschuss verpflichtet sich und seine Mitglieder dazu, die Namen und Identitäten der Opfer und ihrer Familienangehörigen im Zuge seiner Tätigkeit nicht preiszugeben.“
194. In seiner konstituierenden Sitzung am 12. Juli 2019 nahm der Untersuchungsausschuss einstimmig u. a. den als Tischvorlage 7 eingereichten Beweisantrag Nr. 2 der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen an. Der Beweisbeschluss Nr. 2 lautet:
20„I.
21Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag Nordrhein-Westfalen beschlossenen Untersuchungsausschuss IV (Kindesmissbrauch) (…)
22wird beantragt,
231. aus dem Geschäftsbereich des Präsidenten des Landtags NRW, (…),
2. aus dem Geschäftsbereich der Staatskanzlei NRW, (…),
3. aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums des Inneren NRW, (…) sowie der Behörden seines Geschäftsbereichs unbeschadet nach Funktion und Art,
4. aus dem Geschäftsbereich des Justizministeriums NRW, (…) sowie der Behörden seines Geschäftsbereichs betreffend sämtliche Unterlagen – unbeschadet nach Funktion und Art – einschließlich aller Handakten, Vollstreckungs- und Berichtsheften sowie Vermerken und ähnlichen Dokumenten,
5. aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, (…) sowie der Behörden seines Geschäftsbereichs,
6. aus dem Geschäftsbereich des Landrats des Kreises Lippe, (…) sowie der Behörden seines Geschäftsbereichs,
7. aus dem Geschäftsbereich des Landrats des Kreises Höxter, (…) sowie der Behörden seines Geschäftsbereichs,
sämtliche Akten, sämtlichen Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche Rechtsgutachten, sämtliche Kabinettsvorlagen, sämtliche Drucksachen sowie sämtliche sonstige Dokumente bzw. Unterlagen, die mit dem Untersuchungsgegenstand in Zusammenhang stehen – auch, soweit die vorbezeichneten Dokumente, Unterlagen oder sonstigen Gegenstände auch oder ausschließlich elektronisch oder auf andere Weise nicht sinnlich wahrnehmbar gespeichert sind –, anzufordern.
32Entsprechend Abschnitt VII. Nr. 1 des Einsetzungsbeschlusses verzichtet der Untersuchungsausschuss ausdrücklich auf die Anforderung von reinen Bilddateien, sonstigen reinen Bildausdrucken, von reinen Videodateien, Videoausschnittdateien, Videoausschnittausdrucken und deren Sammlungen, die die Opfer und/oder die Täter zeigen.
33(…)
34V.
35Die Unterlagen sollen als durchsuchbare PDF-Dateien zur Verfügung gestellt werden. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit unter Beachtung der unter I bezeichneten Einschränkungen beizufügen. Weiterhin ist eine Erklärung über die Übereinstimmung der als PDF-Dateien übersandten Unterlagen mit den Originalen erforderlich. Die Vorlage der Vorgänge und der Unterlagen kann auch sukzessive in einzelnen Lieferungen erfolgen. Die Vollständigkeitserklärung hat dann nach Übersendung der letzten Vorgänge bzw. Unterlagen zu erfolgen.
36Um schnellstmögliche Übersendung wird gebeten.“
375. Mit gleichlautenden Schreiben vom 25. Juli 2019 forderte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses die Antragsgegner zur Vorlage der im Beweisbeschluss Nr. 2 bezeichneten Akten aus ihrem Geschäftsbereich auf. Er wies dabei auf die zum Opfer- und Geheimschutz getroffenen Vorkehrungen hin.
38Mit gemeinsamem Schreiben der Antragsgegner an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vom 23. August 2019 übersandten diese einen „Aktenbaum“ als Übersicht und Zusammenfassung über die – bezogen auf die jeweiligen Geschäftsbereiche – bereits vorliegenden Akten, die noch unvollständigen Akten sowie die angekündigten, aber noch nicht zugelieferten Akten, jeweils basierend auf ersten Schätzungen der sachbearbeitenden Dienststellen. Die Übersicht enthielt eine vorläufige Schätzung des jeweiligen Aktenumfangs. Für den Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 1. belief sich die Schätzung des Umfangs der vorzulegenden Akten auf rund 43.000 Seiten, für den Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 2. auf rund 152.000 Seiten. Die Antragsgegner baten um Durchsicht des Aktenbaums und um Rückmeldung dazu, welche der aufgeführten Akten benötigt würden. Außerdem baten sie um eine Verständigung zwischen der Landesregierung und dem Untersuchungsausschuss zu der Frage, wie der Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs der von den Straftaten betroffenen Kinder und Jugendlichen sichergestellt werden könne. Sie schlugen ein Treffen zur Erörterung weiterer Einzelheiten vor. Mit an den Antragsgegner zu 2. gerichtetem Schreiben vom 6. September 2019 antwortete der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses und verwies darauf, dass ein Vorabverzicht auf die Vorlage einzelner Vorgänge jedenfalls nicht in Betracht komme, und dass der Untersuchungsausschuss insbesondere im Hinblick auf eine noch vorzunehmende Pseudonymisierung eine Priorisierung einzelner Vorgänge für sinnvoll erachte. Eine Entscheidung über die Priorisierung stehe jedoch noch aus.
396. Nach entsprechender Beschlussfassung in der Sitzung vom 20. September 2019 forderte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses die Antragsgegner mit gleichlautenden Schreiben vom gleichen Tag zur unverzüglichen Übersendung der Akten ohne Anonymisierung auf. Dem traten die Antragsgegner mit einem gemeinsamen Schreiben vom 2. Oktober 2019 entgegen. Sie verwiesen darauf, zunächst die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit um eine datenschutzrechtliche Einschätzung bitten zu wollen, wie der Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs der von den Straftaten betroffenen Kinder und Jugendlichen sichergestellt werden könne. In ihrer an die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit gerichteten Anfrage vom gleichen Tag wiesen die Antragsgegner auf ihre Rechtsauffassung hin, dass Dokumente nicht ohne Unkenntlichmachung von personenbezogenen Daten der Opfer an den Landtag übersandt werden dürften. Für Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar sei, gelte insoweit eine Ausnahme zu den sonstigen Abwägungsentscheidungen im Verhältnis zu parlamentarischen Aufklärungsinteressen. Auch spielten die konkreten Namen der Betroffenen für den Untersuchungsgegenstand keine Rolle, so dass insoweit ein absolutes Verbot der Datenübermittlung gelte.
40Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit teilte den Antragsgegnern mit Schreiben vom 11. Oktober 2019 mit, dass sie deren datenschutzrechtliche Bewertung teile. Die vorliegend in Rede stehenden Daten genössen aus datenschutzrechtlicher Sicht höchstes Schutzbedürfnis. Es handele sich um besondere Kategorien personenbezogener Daten, noch dazu von Minderjährigen und mit Bezug zum Recht auf deren sexuelle Selbstbestimmung. Dies rechtfertige auch aus ihrer Sicht eine Verkürzung des Aktenherausgabeanspruchs zugunsten des Datenschutzes. Diese Stellungnahme übermittelten die Antragsgegner dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses unter dem 25. Oktober 2019 und wiesen darauf hin, dass die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit ihre datenschutzrechtliche Bewertung bestätigt habe. Sie schlugen außerdem vor, sich zeitnah über das weitere Prozedere zu verständigen.
41Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses wandte sich sodann mit Schreiben vom 14. November 2019 an die Antragsgegner. Es bestehe Einigkeit im Untersuchungsausschuss, dass die Namen der Opfer und ihrer Angehörigen pseudonymisiert werden müssten, um einerseits die Opfer ausreichend zu schützen und andererseits die Akten lesbar zu halten, was bei einer bloßen Schwärzung der Namen nicht mehr der Fall wäre. Gleichwohl bestehe der Ausschuss aber darauf, dass er auch Zugriff auf die unbearbeiteten Originalvorgänge haben müsse. Außerdem sollten die Vorgänge nunmehr möglichst schnell vorgelegt werden, damit der Ausschuss in die Beweisaufnahme eintreten könne. Zu diesem Zweck schlug der Vorsitzende in dem Schreiben – ohne Anerkennung einer rechtlichen Auffassung zur Übersendung der Akten – folgendes Verfahren vor:
42„1. Die Akten werden bei den herausgebenden Behörden dergestalt bearbeitet, dass die Namen der Opfer und deren Angehörigen pseudonymisiert werden.
432. Die Pseudonyme und die zugehörigen Klarnamen werden von einer ansonsten mit dem Ausschuss nicht befassten Person („Treuhänder“), die keinen Zugriff auf die Vorgänge hat, vergeben und verwaltet (ein noch zu bestimmender Mitarbeiter der Landtagsverwaltung).
443. Die Akten werden dem Ausschuss dann von den Ministerien bzw. Behörden und (…) jeweils nach Fertigstellung der Pseudonymisierung als Teillieferungen übergeben. Der Ausschuss behält sich vor, Priorisierungen, unter Berücksichtigung des Einsetzungsbeschlusses des Landtags von Nordrhein-Westfalen, vorzugeben.
454. Darüber hinaus werden sämtliche Vorgänge nochmals im Originalzustand übergeben. Der Ausschuss verpflichtet sich, diese unbehandelten Akten gemäß § 4 der Verschlusssachenanordnung des Landtages als „Geheim“ einzustufen, sodass sie nur in einem besonders gesicherten Raum und im Ausnahmefall einzusehen wären. Zudem verpflichtet sich der Ausschuss, Zugang zu diesen Akten, neben der „vertrauenswürdigen Person“, die die Vorgänge auf eventuelle Bilddateien zu prüfen hat, nur den Obleuten der jeweiligen Fraktionen zu gewähren.“
467. In einem Arbeitstreffen der Referenten der Fraktionen sowie Vertretern der Antragsgegner am 25. November 2019 (6. Referentenrunde des Untersuchungsausschusses) wurden konkrete Absprachen zur Pseudonymisierung getroffen. Aus dem hierüber gefertigten Ergebnisvermerk vom 27. November 2019 ist ersichtlich, dass ferner für den Fall, dass sich bei Durchsicht der Akten ein Verständnis- oder Bezugsproblem ergebe, vereinbart wurde, dass dies durch Nachfrage bei der vorlegenden Behörde sowie gegebenenfalls durch ein zeitnahes Treffen der Fraktionen und der Behörde geklärt werden solle. Zum Schluss der Besprechung teilten die Vertreter des Antragsgegners zu 1. mit, dass die Akten ohne Schwärzung und Pseudonymisierung dem Verwahrgelass des Landtags zur Einsicht durch die Obleute des Untersuchungsausschusses zugeführt würden. Vertreter des Antragsgegners zu 2. gaben bekannt, die Akten nicht zu liefern. Mit E-Mail vom 28. November 2019 bat ein Mitarbeiter des Antragsgegners zu 1. gegenüber dem Landtag um eine Änderung des Ergebnisvermerks. Die Akten aus seinem Geschäftsbereich erhalte der Untersuchungsausschuss zur Einsicht durch die Obleute unbearbeitet übersendet, sofern die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit darin kein datenschutzrechtliches Problem sehe.
47Mit Schreiben vom 29. November 2019 übersandte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses dem Antragsgegner zu 1. die mit dessen Ministerium abgestimmten Empfehlungen zur Pseudonymisierung („Checkliste Pseudonymisierung“). Zur Verfahrensbeschleunigung solle die Frage der Pseudonymisierung getrennt von der Frage der Übersendung unveränderter Originalakten behandelt werden. Er bat um Übersendung der unveränderten Originalakten aus dem Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 1. In der „Checkliste Pseudonymisierung“ wurde ausgeführt, dass die Namen der Opfer, ihrer Familienangehörigen und der Geschädigten im weiteren Sinne, deren Wohnadressen und – soweit es zum Schutz der Opfer erforderlich sei – auch Vereine, Schulen, Kindertagesstätten usw. pseudonymisiert werden sollten. Dies erfolge – bezogen etwa auf die Namen – nach folgendem Verfahren: Die Namen der Opfer, ihrer Familienangehörigen und der Geschädigten im weiteren Sinne würden durch Decknamen ersetzt. Die Decknamen vergebe ein von der Landesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit bestimmter Treuhänder. Der Treuhänder erhalte vom Ausschusssekretariat eine Liste mit Vorschlägen für die Decknamen getrennt nach Nachnamen und jeweils männlichen und weiblichen Vornamen. Der Treuhänder lege nun eine Gesamtliste aller Decknamen in folgender Form an: „JanMüller*“ oder „PiaSchmitz*“. Er sei in der Zusammenstellung der Vor- und Nachnamen zu einem Decknamen frei. Die erste Behörde (wohl der Antragsgegner zu 1.) liefere eine Liste aller dort schon bekannten Klarnamen an den Treuhänder. Dieser vergebe nun einen Decknamen nach eigener Auswahl, also losgelöst von der Reihenfolge in der Tabelle. Er achte darauf, dass familiäre Bezüge, die sich aus den Nachnamen herleiten, bei der Vergabe des Decknamens eine Rolle spielen. Wenn also ein Opfer „Bea Dorfner“ und der Vater „Klaus Dorfner" hießen, bekämen beide den gleichen Deck(Nach)namen. Nun übersende der Treuhänder die Liste der Klar- und Decknamen an das Ministerium des Inneren zurück. Die nächste Behörde (z. B. der Antragsgegner zu 2.) teile dem Treuhänder die Liste der Klarnamen der „Opfer/Familienangehörigen/-weiteren Geschädigte“ mit. Dieser vergebe bei den Klarnamen, die bereits durch einen Decknamen ersetzt waren, denselben Decknamen. Für neue Klarnamen würden neue Decknamen vergeben. Nun sende der Treuhänder nur die Liste der Decknamen, die zur Liste der Klarnamen der ersuchenden Behörde (hier des Antragsgegners zu 2.) passen, also nicht eine Gesamtliste aller Behörden. Damit werde sichergestellt, dass jede Behörde nur ihre Opfernamen kenne. Dieses Verfahren werde dann mit allen weiteren Behörden fortgesetzt. Die Behörden sollten eine Übersicht der Zusammenhänge der Decknamen, z. B. wer Elternteil, Geschwister oder Pflegevater/-mutter eines Opfers sei, erstellen.
48Während der Antragsgegner zu 1. dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses mit Schreiben vom 4. Dezember 2019 mitteilte, dass nunmehr 20 für die Pseudonymisierung eingestellte Mitarbeiter die Arbeit aufgenommen hätten, wandte sich der Antragsgegner zu 2. mit Schreiben vom gleichen Tag an die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit und informierte diese über das verabredete Vorgehen zur Pseudonymisierung und zum Einsatz eines Treuhänders. Er bat sie zugleich um eine datenschutzrechtliche Einschätzung zur Übermittlung der unbearbeiteten Vorgänge an den Untersuchungsausschuss. Er selbst halte eine solche Vorlage für eindeutig verfassungswidrig, selbst wenn der Landtag Vorkehrungen zur Geheimhaltung träfe. Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit antwortete am 6. Dezember 2019 und führte aus, nur eine pseudonymisierte Datenübermittlung komme in Betracht. Dieses Antwortschreiben leitete der Antragsgegner zu 2. an den Antragsgegner zu 1. weiter. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2019 leitete der Antragsgegner zu 2. die Stellungnahme der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit und sein Schreiben an den Antragsgegner zu 1. an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses mit der Bitte um Kenntnisnahme weiter.
49In einer internen Hausleitungsvorlage seines Ministeriums für den Antragsgegner zu 2. vom 2. Dezember 2019 heißt es, dass das Ministerium des Antragsgegners zu 1. derzeit von einer Bearbeitungsdauer der Pseudonymisierung der dortigen Akten von drei Monaten ausgehe. Auch für den eigenen Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 2. wurde der voraussichtliche Personal- und Zeitaufwand berechnet. Die Hauptverfahrensakte der Staatsanwaltschaft Detmold umfasse ca. 14.680 Seiten, die übrigen Vorgänge enthielten ca. 13.100 Seiten. Bei einer durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von 6 Minuten pro Seite ergebe sich eine voraussichtliche Bearbeitungsdauer von 166.680 Minuten (27.780 Seiten multipliziert mit 6 Minuten), mithin 2.778 Stunden bzw. knapp 355 Arbeitstage (bei 39 Stunden pro Woche/7,8 Stunden pro Tag). Das vom Antragsgegner zu 1. angeworbene Personal solle im Anschluss an die dortige Pseudonymisierung für die Bearbeitung der Vorgänge des Antragsgegners zu 2. beschäftigt werden, und zwar in den Räumlichkeiten und mit den Sachmitteln des Antragsgegners zu 1.
508. Am 7. Januar 2020 wurde dem Antragsgegner zu 1. der Name der vom Landtag betrauten Treuhänderin benannt. Sie erhielt bereits am 21. Januar 2020 durch den Antragsgegner zu 1. die abschließende Liste der 293 aus dessen Bereich zu pseudonymisierenden Namen. Die pseudonymisierte Liste wurde diesem Ende Januar 2020 übergeben. Der Antragsgegner zu 1. übermittelte im Februar und März 2020 dem Untersuchungsausschuss pseudonymisierte Unterlagen aus den Zuständigkeitsbereichen mehrerer Kreispolizeibehörden, u. a. Bielefeld und Lippe. Mit Schreiben vom 31. März 2020 an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses wies der Antragsgegner zu 1. – „ohne einer abschließenden Prüfung vorgreifen zu wollen“ – darauf hin, dass Unterlagen der Polizeibehörden, die Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Verfahrensakten geworden seien, durch die Justiz vorgelegt würden.
519. Nachdem der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses im März 2020 an den Antragsgegner zu 2. mit der Bitte um zeitnahe Mitteilung herangetreten war, wann mit den mit Schreiben vom 25. Juli 2019 angeforderten Aktenlieferungen zu rechnen sei, erwiderte dieser mit Schreiben vom 8. April 2020. Danach hätten nun im März 2020 zwölf der bislang im Ministerium des Antragsgegners zu 1. mit der Pseudonymisierung beschäftigten Mitarbeiter mit den erforderlichen Vorarbeiten für die Pseudonymisierung in seinem eigenen Geschäftsbereich begonnen. Es habe sich jedoch schon zu Beginn gezeigt, dass diese Akten eine hohe Dichte an zu pseudonymisierenden Daten enthielten, so dass die Bearbeitung zeitintensiver sein werde als zunächst erwartet. Auch die Coronavirus-Pandemie habe Auswirkungen auf die Bearbeitungsgeschwindigkeit, da die Bearbeitergruppe aus Gründen des Infektionsschutzes geteilt worden und jeweils abwechselnd tätig sei. Auch wenn ein genauer Termin für die Anlieferung der fertig pseudonymisierten Akten nicht genannt werden könne, sei davon auszugehen, dass der Abschluss der Bearbeitung erst im Sommer liegen werde. Die bearbeiteten Akten würden nach Fertigstellung sukzessive übersandt. Derzeit würden seine Mitarbeiter die Akten des Landgerichts Detmold bearbeiten; deren Vorlage vor Mitte Mai 2020 sei jedoch nicht wahrscheinlich.
52Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses wandte sich mit Schreiben vom 14. April 2020 erneut an den Antragsgegner zu 2. und machte diesen auf die zeitliche Dringlichkeit der Vorlage der pseudonymisierten Akten aufmerksam. Er bat ihn, die Arbeiten weiter zu beschleunigen, so dass dem Ausschuss die pseudonymisierten Akten vollständig bis zum 31. Mai 2020 vorlägen. Im Namen des Antragsgegners zu 2. antwortete dessen Staatssekretär hierauf mit Schreiben vom 24. April 2020. Er verwies nochmals auf die bestehenden Schwierigkeiten bei der vorbereitenden Bearbeitung der in seinem Geschäftsbereich vorliegenden Akten (ca. 27.000 Seiten), die im Vergleich zu den Vorgängen des Antragsgegners zu 1. zeitaufwändiger sei. Eine zur etwaigen Beschleunigung denkbare Rekrutierung zusätzlicher Mitarbeiter sei hingegen nicht zielführend, da die erforderliche Einarbeitung den personellen Zugewinn aufheben würde. Nach jetzigem Stand prognostiziere er eine Fertigstellung aller Unterlagen bis Ende Juni 2020. Für die Akten des Landgerichts Detmold beispielsweise wäre das bereits ca. 15 Tage, nachdem man den Pseudonymisierungsschlüssel erhalten habe; dieser liege aber noch nicht vor. Eine Nachfrage bei der Treuhänderin habe ergeben, dass erst in der letzten April- oder ersten Maiwoche damit gerechnet werden könne.
53Mit Schreiben vom 30. April 2020 teilte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses dem Antragsgegner zu 2. hierauf mit, dass die Obleute im Ausschuss einvernehmlich die Meinung verträten, dass die avisierte Prognose – Zurverfügungstellung der angeforderten Akten bis Ende Juni 2020 – zwar nicht akzeptabel, jedoch aufgrund der inzwischen verstrichenen Zeit nicht mehr zu ändern sei. Er bat ihn dringend, die in Rede stehenden Akten, die nicht pseudonymisiert werden müssten, umgehend zur Verfügung zu stellen.
5410. Mit an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses gerichtetem Schreiben vom 10. Juni 2020 wies der Antragsgegner zu 2. darauf hin, dass die Treuhänderin am 3. Juni 2020 den Pseudonymisierungsschlüssel übergeben habe, aber hierbei noch Unstimmigkeiten hätten geklärt werden müssen, was am 8. Juni 2020 gelungen sei. Nunmehr habe man am 9. Juni 2020 mit der „eigentlichen Pseudonymisierung“ beginnen können, die zuvor erforderlichen – zeitaufwendigen – Vorarbeiten hätten zwischenzeitlich vollständig abgeschlossen werden können. Er sei zuversichtlich, die ersten Vorgänge in einer Frist von 15 Arbeitstagen übersenden zu können. Auch habe er eine weitere staatsanwaltschaftliche Kraft zur Unterstützung der Pseudonymisierungsarbeiten abgeordnet. Für die erforderliche Dauer einer gründlichen Bearbeitung der vorzulegenden Vorgänge bitte er in Anbetracht der hohen Datendichte um Verständnis. In Antwort auf die Anfrage vom 30. April 2020 nach den Akten, die nicht pseudonymisiert werden müssten, unterrichtete der Antragsgegner zu 2. den Vorsitzenden, dass ihm solche Akten nur vom Oberlandesgericht Hamm vorgelegt worden seien. Deren Übersendung an den Ausschuss erfolgte nach Aktenlage wohl am 17. Juni 2020.
55Erst mit Schreiben vom 27. Juli 2020 wandte sich der Antragsgegner zu 2. wieder an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses und verwies auf die zugleich übersandten pseudonymisierten Vorgänge seines Ministeriums, darunter die E-Mail-Korrespondenz des Ministerbüros. Er versicherte die Vollständigkeit der beigefügten Vorgänge des Ministeriums.
5611. Unterdessen wandte sich der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses mit Schreiben vom 10. Juni 2020 an den Antragsgegner zu 1. und bat unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der Referentenrunde vom 25. November 2019 um Sachstandsmitteilung zur Überlassung der ohne Schwärzung und Pseudonymisierung dem Verwahrgelass des Landtags zuzuführenden Akten. Der Antragsgegner zu 1. antwortete unter dem 17. Juni 2020 und führte aus, einer Übersendung der unbearbeiteten Akten stehe der Schutz der Persönlichkeitsrechte der geschädigten Kinder und ihrer Angehörigen entgegen. Die in der Referentenrunde erklärte Zusage sei in der Annahme erfolgt, dass eine solche umfassende, vom Untersuchungsausschuss mit Schreiben vom 14. November 2019 geforderte Aktenvorlage mit der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit abgestimmt gewesen sei. Diese habe indes mit – auch dem Untersuchungsausschuss bekanntem – Schreiben vom 6. Dezember 2019 auf die Unzulässigkeit eines solchen Vorgehens hingewiesen. Dieser Rechtsauffassung folgend sehe er sich gehindert, die Akten ohne Schwärzung und Pseudonymisierung dem Verwahrgelass des Landtags zur Einsicht der Obleute zuzuführen.
57Mit Schreiben vom 12. August 2020 erklärte der Antragsgegner zu 2. gegenüber dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, in Abstimmung mit der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit dürften nur Akten übergeben werden, in denen alle Daten, die Rückschlüsse auf die Identität der geschädigten Kinder zuließen, durch Pseudonymisierung oder Schwärzung unkenntlich gemacht worden seien. Er wies darauf hin, dass, nachdem die Pseudonymisierung Mitte März 2020 begonnen habe, derzeit 13 Mitarbeiter und zwei Staatsanwälte mit den Pseudonymisierungsarbeiten im Ministerium beschäftigt seien. Dem Untersuchungsausschuss seien bereits die Akten des Ministeriums selbst sowie die Akten des Oberlandesgerichts Hamm überlassen worden. Die erforderlichen Arbeiten seien nach Art und Umfang (bezogen auf bislang ca. 30.000 Seiten) eine bisher nie dagewesene Aufgabe. Nicht nur aufgrund des auszuwertenden Inhalts verlange die Pseudonymisierung ein Höchstmaß an Konzentration und auch psychischer Belastbarkeit, auch die Datendichte in den Vorgängen seines Geschäftsbereichs sei hoch. So seien etwa 125.000 Aktenstellen für eine Pseudonymisierung vorgemerkt und bis Ende Juli 2020 783 Pseudonyme eingeführt worden. Um ein Höchstmaß an Fehlerfreiheit zu gewährleisten, bedürfe die Arbeit außerdem einer arbeitsteiligen, extrem kleinschrittigen und wiederholten Aktenauswertung und Ergebniskontrolle. Um die Arbeitsabläufe und die bestehenden Schwierigkeiten zu erläutern, schlug der Antragsgegner zu 2. ein gemeinsames Informationstreffen für den 20. August 2020 vor. Dieses kam nach Absagen von Seiten der Ausschussmitglieder nicht zustande.
58Mit weiterem Schreiben vom 20. August 2020 übersandte der Antragsgegner zu 2. dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses weitere Vorgänge und Akten seines Geschäftsbereichs, namentlich der Generalstaatsanwaltschaften Hamm und Köln, des Landgerichts Paderborn und der Staatsanwaltschaften Paderborn und Köln. Er versicherte nach Maßgabe der von den aktenführenden Behörden abgegebenen Stellungnahmen die Vollständigkeit der beigefügten Vorgänge und Akten. Bei den noch fehlenden Akten des Landgerichts Detmold und der Staatsanwaltschaft Detmold dauerten die Pseudonymisierungsarbeiten an. Er wies wiederum auf die Schwierigkeiten bei der Pseudonymisierung hin und führte aus, die Reihenfolge der Bearbeitung sei mit dem Untersuchungsausschuss abgestimmt gewesen. Bis zum 15. März 2020 seien die Arbeiten im Ministerium des Antragsgegners zu 1. durchgeführt worden, anschließend ab dem 16. März 2020 im Ministerium des Antragsgegners zu 2.
59Dabei seien die Akten – die einen Gesamtumfang von mehr als 30.000 Seiten hätten – in einem ersten Arbeitsschritt in Dateiblöcke von jeweils ca. 25 Seiten aufgeteilt worden, um eine effiziente und erträgliche Bearbeitung zu ermöglichen. In einem zweiten Arbeitsschritt seien die Dateien nach zu schwärzenden bzw. zu pseudonymisierenden Daten gesichtet und diese entsprechend markiert worden. Diese Arbeiten seien „Anfang Juni 2020“ mit der Kennzeichnung von knapp 800 Personennamen – in unterschiedlichen Schreibweisen und Abkürzungen – an ca. 125.000 Stellen „im Wesentlichen abgeschlossen“ worden. Sodann habe mit der eigentlichen Pseudonymisierung auf der Grundlage der durch die Treuhänderin des Landtags erstellten Namensliste am 9. Juni 2020 begonnen werden können. Diese Bearbeitungsphase sei komplex und dauere bezogen auf die Akten des Landgerichts Detmold und der Staatsanwaltschaft Detmold noch an. Hieran schlössen sich sodann mehrere Kontrolldurchgänge an, um der – bedingt durch die enorme Datendichte – hohen Fehleranfälligkeit entgegenzuwirken. Der Antragsgegner zu 2. erläuterte, die gerade im Vergleich zu den Vorgängen des Antragsgegners zu 1. um ein Vielfaches höhere Anzahl zu schützender Daten habe zu der längeren Bearbeitungszeit geführt. Dies betreffe insbesondere die in der Aktenvorlage durch den Antragsgegner zu 1. bislang unberücksichtigt gebliebenen Vernehmungsprotokolle und Vermerke. Dies sei so nicht ohne Weiteres absehbar gewesen. Zuletzt verwies er darauf, dass derzeit 13 Mitarbeiter, ein Staatsanwalt sowie der zuständige Referatsleiter nebst Referenten aus der zuständigen Fachabteilung seines Ministeriums mit der Bearbeitung betraut seien.
6012. Nachdem die – zur Antragstellerin zählenden – Abgeordneten Berghahn und Bialas Ende August 2020 mit Nachfragen zum Ablauf der Pseudonymisierungsarbeiten und unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Aktenvorlage für eine sinnvolle Zeugenbefragung an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses herangetreten waren, wandte sich Anfang September 2020 der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag an den Ministerpräsidenten. Er verwies auf die bis dato fehlenden relevanten Akten, u. a. die Ermittlungsakten gegen die Haupttäter sowie gegen die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Dies gefährde die Arbeitsfähigkeit des Untersuchungsausschusses. Darüber hinaus habe der Untersuchungsausschuss auf einer Lieferung nicht pseudonymisierter Akten bestanden, jedoch unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen mit Einsichtsmöglichkeiten allein für die Obleute.
61Auf Nachfrage des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses gab der Antragsgegner zu 2. mit Schreiben vom 14. September 2020 an, mit Stand vom 18. Juni 2020 umfassten die noch ausstehenden Vorgänge des Landgerichts Detmold 15.700 Seiten mit ca. 75.000 vorgemerkten Daten; die Vorgänge der Staatsanwaltschaft Detmold umfassten 11.600 Seiten mit ca. 42.500 vorgemerkten Daten. Auf seinen Vorschlag fand sodann am 28. September 2020 eine Informationsveranstaltung im Landtag statt, bei der er äußerte, mit der Übersendung der ausstehenden Akten könne frühestens zum Ende des Jahres 2020 gerechnet werden. Im Rahmen der Präsentation wurden auch die konkreten Arbeitsabläufe im Pseudonymisierungsverfahren erläutert.
62Anfang Oktober 2020 antworteten sowohl der Ministerpräsident als auch der Antragsgegner zu 2. auf das Schreiben des Vorsitzenden der SPD-Fraktion von Anfang September 2020. Der Antragsgegner zu 2. führte in seinem Schreiben vom 7. Oktober 2020 aus, an einer Übersendung der Akten ohne Unkenntlichmachung sehe er sich damals wie heute aus datenschutzrechtlichen Gründen gehindert. Er erläuterte Organisation und Abläufe der durchgeführten Pseudonymisierungsarbeiten und gab einen Überblick über den aktuellen Sachstand der bislang übergebenen Akten. Aktuell fehlten noch die Akten des Landgerichts Detmold sowie ca. 20 Akten der Staatsanwaltschaft Detmold. Im Übrigen sei der erhebliche Zeit- und Arbeitsaufwand zwangsläufig mit der als Kompromiss verabredeten Pseudonymisierung verbunden. Er verwies auf den Gesamtumfang der in seinem Geschäftsbereich erfassten Akten von mehr als 30.000 Seiten. Die vorbereitenden Arbeiten in seinem Ministerium, dazu habe die Markierung von 800 Personennamen an 125.000 Stellen gehört, seien „im Wesentlichen Anfang Juni 2020 abgeschlossen“, und mit der eigentlichen Pseudonymisierung sei am 9. Juni 2020 begonnen worden. Zur Beschleunigung könnte – falls gewünscht – zu einer lediglich anonymisierten Aktenübersendung übergegangen werden. Der Antragsgegner zu 2. wies abschließend darauf hin, dass der Untersuchungsausschuss bislang keine Priorisierung der vorrangig zu pseudonymisierenden Vorgänge geltend gemacht habe.
6313. Die vom Landtag für die Verwaltung und Vergabe der Pseudonyme eingesetzte Treuhänderin vermerkte unter dem 21. September 2020 den Sachstand bezüglich der an sie erfolgten Lieferungen von Namenslisten einerseits und ihre Übergabe der Pseudonymisierungsschlüssel andererseits. Die Gesamtliste sämtlicher vergebener Pseudonyme umfasse zu diesem Zeitpunkt 1.021 Namen. Davon entfielen auf das Ministerium des Antragsgegners zu 1. insgesamt 293 Namen, die ihr am 21. Januar 2020 geliefert worden seien; die Übergabe des Pseudonymisierungsschlüssels sei am 27. Januar 2020 erfolgt. Sodann seien im März und im Mai 2020 insgesamt 265 Namen bzw. deren Verschlüsselung mit den Jugendämtern der Kreise Lippe und Höxter ausgetauscht worden. Die für das Ministerium des Antragsgegners zu 2. bislang vergebenen Pseudonyme beliefen sich auf 463 Namen. Der Vermerk enthält eine detaillierte Chronologie der Lieferungen der Namenslisten durch den Antragsgegner zu 2. und der darauf erfolgten Übergabe der Pseudonyme:
64Auf die Lieferungen von Namenslisten vom 9. April 2020 (136 Namen) und vom 4. Mai 2020 (110 Namen) sei die Übergabe der Pseudonyme am 11. Mai 2020 erfolgt. Hierzu sei nach Rückmeldung und Rücksprache zu Unstimmigkeiten am 20. Mai 2020 eine umfangreiche Überarbeitung durch sie vom 22. bis 29. Mai 2020 notwendig geworden; am 3. Juni 2020 habe sie sodann den korrigierten Pseudonymisierungsschlüssel übergeben können.
Im Zeitraum vom 4. Juni bis 4. August 2020 seien ihr jeweils weitere einzelne Klarnamen (wohl ca. 74 Namen) übermittelt worden, auf die sie jeweils binnen weniger Tage die Pseudonyme übermittelt habe.
Nach Lieferung einer Namensliste vom 5. August 2020 (ca. 70 Namen) habe sie am 7. August 2020 den Pseudonymisierungsschlüssel übermittelt.
Auf eine weitere Namenslieferung vom 10. August 2020 (elf Namen) sei ihre Pseudonymübergabe innerhalb weniger Tage gefolgt.
Für die am 16. September 2020 übermittelte Namensliste (62 Namen) habe sie am 21. September 2020 die Pseudonyme übergeben. Die Lieferung einer weiteren Namensliste sei ihr angekündigt worden.
14. Am 1. Oktober 2020 übersandte der Antragsgegner zu 2. mehrere pseudonymisierte Akten der Staatsanwaltschaft Detmold. In seinem Übersendungsschreiben verwies er auf eine – eingerückt abgedruckte – Stellungnahme des Leitenden Oberstaatsanwalts in Detmold, wonach in dem laufenden Ermittlungsverfahren 22 Js 751/19 „noch zurzeit 2453 sogenannte Spurenakten“ existierten, „die grundsätzlich Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Akten“ seien, bei denen aber ein Zusammenhang mit dem Verfahrensgegenstand nicht sofort ersichtlich sei. Gleiches gelte für zahlreiche AR-Vorgänge, also insbesondere Meinungsäußerungen und Eingaben Dritter auf die Presseberichterstattung. In der eingerückt abgedruckten Stellungnahme des Leitenden Oberstaatsanwalts wurde ferner mitgeteilt, dass er für die Vorlage der genannten Unterlagen unverzüglich Sorge tragen werde, „sollte der Untersuchungsausschuss sie für beweisrelevant erachten.“
7515. Mit zwei Schreiben vom 1. Oktober 2020 wandten sich die Abgeordneten Berghahn und Bialas an die Antragsgegner. Sie forderten den Antragsgegner zu 1. zur Herausgabe auch derjenigen von ihm als Fehlblatt bezeichneten Dokumente auf, die ebenfalls im Ministerium des Antragsgegners zu 2. vorhanden seien. Sie forderten den Antragsgegner zu 1. außerdem zur Übersendung der unbearbeiteten Originalakten in das Verwahrgelass des Landtags auf. Deren Übersendung hätten seine Vertreter in der Referentenrunde Ende November 2019 zugesagt, und zwar in Kenntnis bestehender Bedenken der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Gegenüber dem Antragsgegner zu 2. forderten die Abgeordneten gleichfalls die Übersendung der Originalakten in das Verwahrgelass des Landtags. Neben weiteren Forderungen mahnten sie u. a. die Lieferung einiger konkret bezeichneter Akten des Landgerichts Detmold und der Staatsanwaltschaft Detmold an.
76Mit weiterem an den Antragsgegner zu 2. gerichteten Schreiben vom 7. Oktober 2020 forderten die Abgeordneten Schäffer, Berghahn und Bialas – alle der Antragstellerin zugehörig – die Herausgabe sämtlicher Akten seines Geschäftsbereichs in das Verwahrgelass des Landtags bis zum 21. Oktober 2020. Die zögerliche Pseudonymisierung beeinträchtige die Arbeit des Untersuchungsausschusses. Durch die Herausgabe sämtlicher Akten im Original werde der Untersuchungsausschuss kurzfristig in die Lage versetzt, seinen Untersuchungsauftrag besser erfüllen zu können. Sie verwiesen auf die Geheimhaltungsregeln des Landtags und die Regularien des Verwahrgelasses, um den Opfer- und Datenschutz zu gewährleisten.
77Die Antragsgegner erwiderten jeweils mit gesonderten Schreiben vom 8. Oktober 2020 auf die Schreiben der Abgeordneten vom 1. Oktober 2020. Der Antragsgegner zu 1. gab an, hinsichtlich einiger Aktenbestandteile („Vorgangslisten“) sei die Abstimmung über Form und Umfang der Übergabe mit dem Ausschuss noch nicht abschließend geklärt. Soweit ersichtlich lägen darüber hinaus in seinem Geschäftsbereich keine Akten vor, die dem Ausschuss in Erfüllung der ergangenen Beweisbeschlüsse zu übergeben wären. Schließlich komme eine Übersendung der Akten ohne Unkenntlichmachung nicht in Frage. Der Antragsgegner zu 2. verwies auf die bisher noch ausstehenden Akten des Landgerichts Detmold und der Staatsanwaltschaft Detmold. Er betonte, datenschutzrechtliche Gründe stünden der Übersendung der Akten ohne Unkenntlichmachung entgegen.
78Mit zwei weiteren Schreiben vom 15. Oktober 2020 gaben die Abgeordneten Schäffer, Berghahn und Bialas den Antragsgegnern Gelegenheit zum Überdenken ihrer Weigerung, die unbearbeiteten Originalakten in das Verwahrgelass des Landtags zu übergeben. Der Untersuchungsausschuss habe einstimmig das Angebot gemacht, einer Pseudonymisierung zuzustimmen, wenn zusätzlich diese Übermittlung erfolge. Seitens des Antragsgegners zu 1. fehlten weiterhin zahlreiche Dokumente, die den Akten unter Hinweis auf eine Übersendung durch dritte Behörden, insbesondere das Ministerium des Antragsgegners zu 2., entnommen worden seien. Der Antragsgegner zu 2. habe zudem weder einen belastbaren Zeitpunkt der Übergabe der ausstehenden Akten benannt noch eine Aussage zur Abgabe einer Vollständigkeitserklärung getroffen.
79Der Antragsgegner zu 2. erwiderte hierauf unter dem 20. Oktober 2020, der Antragsgegner zu 1. unter dem 28. Oktober 2020. Sie lehnten die Herausgabe unbearbeiteter Akten weiterhin ab.
8016. Auf die Schreiben des Ministerpräsidenten vom 5. Oktober 2020 und des Antragsgegners zu 2. vom 7. Oktober 2020 erwiderten der SPD-Fraktionsvorsitzende sowie die Parlamentarische Geschäftsführerin und spätere Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter dem 16. Oktober 2020 dem Ministerpräsidenten, dass dem Untersuchungsausschuss nach 15 Monaten lediglich knapp 80.000 der angekündigten ca. 330.000 Blatt übermittelt worden seien, und setzten für die Aktenherausgabe eine Frist bis zum 21. Oktober 2020.
8117. Der Antragsgegner zu 2. übersandte dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 die letzten vorzulegenden Akten der Staatsanwaltschaft Detmold und versicherte insoweit deren Vollständigkeit. Die umfangreichen Pseudonymisierungsarbeiten der Akten des Landgerichts Detmold dauerten noch an, eine Übersendung werde sukzessive erfolgen.
82Mit Schreiben vom 5. November 2020 übersandte der Antragsgegner zu 1. dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses die sogenannten Vorgangslisten aus dem Bereich der Kreispolizeibehörde Lippe. Mit Schreiben vom 26. November 2020 erklärte der Antragsgegner zu 1. gegenüber dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, nach Übergabe von Dokumenten im Umfang von über 520.000 Blatt DIN A4 und erneuter Überprüfung lägen nach seinem Kenntnisstand in seinem Geschäftsbereich keine anzuliefernden Akten oder Aktenbestandteile mehr vor.
83Ebenfalls mit Schreiben vom 26. November 2020 übersandte der Antragsgegner zu 2. an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses einige Akten des Landgerichts Detmold, darunter die Hauptakten jeweils des Hauptverfahrens gegen den Hauptverdächtigen und mehrerer Verbundverfahren. Er versicherte insoweit die Vollständigkeit. Die Fall- und Beiakten sowie Sonderbände und -hefte des Strafverfahrens stünden zur Übersendung noch nicht zur Verfügung. Diese noch fehlenden Akten des Landgerichts Detmold würden noch pseudonymisiert und sukzessive nach Fertigstellung übersandt.
84Mit Schreiben vom 29. Dezember 2020 übersandte der Antragsgegner zu 2. dann weitere Akten des Landgerichts Detmold und – nachdem in einer Ermittlungsakte Fehler der Pseudonymisierung aufgefallen waren – der Staatsanwaltschaft Detmold. Die Vollständigkeit wurde versichert. Weitere Unterlagen des Landgerichts Detmold stünden noch aus.
85Mit Schreiben vom 27. Januar 2021 übersandte der Antragsgegner zu 2. schließlich die noch ausstehenden Akten des Landgerichts Detmold unter Hinweis darauf, es handele sich nunmehr um die abschließende Aktenübergabe. Er versicherte deren Vollständigkeit.
8618. Der Antragsgegner zu 1. übersandte dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses mit Schreiben vom 25. Februar 2021 eine Auflistung derjenigen Dokumente aus seinem Geschäftsbereich, die Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten geworden seien und durch den Antragsgegner zu 2. vorgelegt würden.
1. Die Antragstellerin hat am 10. November 2020 das Organstreitverfahren eingeleitet. Sie beantragt
88festzustellen, dass
891. die Antragsgegner dadurch gegen Artikel 41 Absatz 1 Satz 2 LV in Verbindung mit Artikel 41 Absatz 2 Satz 3 LV verstoßen, dass sie dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV (Kindesmissbrauch) einen wesentlichen Teil der Akten nicht zugeleitet haben, die auf der Grundlage des Beweisbeschlusses Nr. 2 vom 12. Juli 2019 vom Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV angefordert wurden,
2. die Antragsgegner dadurch gegen Artikel 41 Absatz 1 Satz 2 LV in Verbindung mit Artikel 41 Absatz 2 Satz 3 LV verstoßen, dass sie dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV ganz überwiegend keine unbearbeiteten Originalakten zugeleitet haben, soweit diese Akten keine Informationen enthalten, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist.
Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend:
94a) Der Antrag sei zulässig.
95Die Beteiligten seien nach § 43 VerfGHG parteifähig, denn sie seien in der Landesverfassung mit eigenen Rechten ausgestattet. Die Antragstellerin repräsentiere die Einsetzungsminderheit des Untersuchungsausschusses und könne sich hinsichtlich ihres Rechts auf Sachaufklärung auf Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV berufen. Die Antragsgegner seien als Teile der Landesregierung als oberstes Landesorgan parteifähig.
96Die Antragstellerin sei antragsbefugt im Sinne des § 44 Abs. 1 VerfGHG. Der einsetzungsberechtigten und insofern qualifizierten Minderheit stünden nach Art. 41 LV Rechte zur Mitbestimmung der Beweiserhebung im Untersuchungsausschuss zu. Durch die massive Verzögerung der Zuleitung von Akten an den Untersuchungsausschuss sei ihr Recht auf Mitbestimmung und Mitgestaltung der Beweiserhebung in verfassungswidriger Weise verletzt. Denn ohne zügige Aktenzuleitung sei eine geordnete Beweisaufnahme nachhaltig beeinträchtigt. Dies gelte sowohl hinsichtlich der noch zu pseudonymisierenden Akten als auch im Hinblick auf die bislang weitgehend versäumte Zuleitung der unbearbeiteten Originalakten.
97Die Antragsfrist des § 44 Abs. 3 VerfGHG sei für beide Anträge eingehalten. Fristbeginn sei jeweils nicht das Datum des Beweisbeschlusses vom 12. Juli 2019 oder die daran anknüpfende Aufforderung zur Aktenlieferung vom 25. Juli 2019. Schwerpunkt der Rüge der Antragstellerin sei ein andauerndes Unterlassen der Antragsgegner, nicht eine aktive Maßnahme. Wann bei einem fortgesetzten Unterlassen die Frist für die Erhebung einer Organklage beginne, lasse sich nicht generell und fallunabhängig festlegen. Bestimmendes Orientierungsdatum sei aber die eindeutige Erfüllungsverweigerung der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin. Bezogen auf die verzögerte Übersendung der pseudonymisierten Akten sei auch der Antragstellerin bewusst gewesen, dass diese einige Zeit in Anspruch nehmen werde. Der Antragsgegner zu 1. habe mit den Pseudonymisierungsarbeiten am 28. Januar 2020 begonnen und mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 mitgeteilt, dass umfangreiche Vorgangslisten vorhanden seien, die gegebenenfalls dem Untersuchungsausschuss zu übergeben seien. Hingegen habe der Antragsgegner zu 2. eine Fertigstellung der Akten bis Ende Juni 2020 prognostiziert. Die Pseudonymisierungsarbeiten seien in beiden Ministerien noch nicht abgeschlossen, jedoch komme der tatsächliche Ablauf der Aktenvorlage einer Teilablehnung gleich. Bei ausreichender Bereitstellung von Personal und Technik hätte es den Antragsgegnern möglich sein müssen, die Pseudonymisierung innerhalb von längstens sechs Monaten vornehmen zu lassen. Danach beginne die Antragsfrist frühestens Anfang Juli 2020. Auch bezogen auf die gerügte unzureichende Übersendung unbearbeiteter Originalakten sei die Antragsfrist nach diesen Grundsätzen gewahrt.
98Die Antragstellerin habe schließlich das nötige Rechtsschutzbedürfnis. Es bestehe nach wie vor ein rechtlicher Dissens über das Tempo und die Form der Aktenzulieferung, wie sich dem intensiven Schriftwechsel zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnern entnehmen lasse.
99b) Der Antrag sei auch begründet. Die verzögerte und zum Teil gänzlich unterbliebene Aktenübersendung durch die Antragsgegner verstoße gegen Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV i. V. m. Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV i. V. m. § 14 UAG NRW.
100aa) Mit dem Beweisbeschluss Nr. 2 vom 12. Juli 2019 liege ein hinreichend bestimmter und zulässiger förmlicher Beweisbeschluss im Sinne des § 13 Abs. 1 UAG NRW vor. Dem Beweisbeschluss seien die Antragsgegner nicht in hinreichender Weise nachgekommen. Zu beachten sei zunächst, dass zwischen dem Untersuchungsausschuss und den Antragsgegnern eine Verständigung erzielt worden sei, wonach die Originalakten wegen des Schutzes der minderjährigen Opfer und ihrer Angehörigen umfassend pseudonymisiert werden sollten. Der Untersuchungsausschuss habe aber stets darauf bestanden, dem Landtag die unbearbeiteten Originalakten zuzuleiten, gegebenenfalls als eingestufte Akten in das Verwahrgelass des Landtags.
101Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV und § 14 Abs. 1 UAG NRW verlangten, angeforderte Akten zügig, jedenfalls ohne unzumutbare Verzögerung dem Untersuchungsausschuss zuzuleiten. Das sei hier nicht der Fall.
102Die verzögerte Überlassung der Akten lasse sich nicht mit der weitreichenden Pseudonymisierung begründen. Selbst wenn unterstellt werde, dass die Pseudonymisierung aus Gründen des Grundrechtsschutzes geboten sei, sei für die Antragsgegner frühzeitig erkennbar gewesen, dass mit den von ihnen bereitgestellten personellen und technischen Ressourcen die Pseudonymisierungsarbeiten nicht in einem zumutbaren Zeitraum beendet werden könnten. Trotz einer hohen Bewerberzahl für die Arbeit des Pseudonymisierens sei hierfür zu wenig Personal abgestellt worden. Insbesondere der Antragsgegner zu 2. habe den von ihm erkannten Fehlentwicklungen nicht entgegengesteuert. Noch im Schreiben des Staatssekretärs im Ministerium der Justiz vom 24. April 2020 sei eine Fertigstellung aller Unterlagen bis Ende Juni 2020 prognostiziert worden, spätestens Mitte Juli 2020 hätten die pseudonymisierten Akten dem Untersuchungsausschuss vorliegen müssen. Auch hätten die Antragsgegner – anstatt selbst ein Pseudonymisierungsverfahren eigener Art zu entwickeln – die Beauftragung externer und mit der Pseudonymisierung sensibler Daten erfahrener Dienstleister prüfen können. Sie seien aber nicht willens gewesen, die eingetretenen Fehlentwicklungen zu korrigieren. Die hier mit der Pseudonymisierung zweifellos verbundene Herausforderung hätte durch die Befragung und gegebenenfalls Beauftragung erfahrener Fachleute erheblich verringert werden können.
103Durch das Fehlen von pseudonymisierten Akten würden insbesondere Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss in einer Weise erheblich erschwert, dass das Recht der Antragstellerin verletzt werde, nach Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV die Beweise zu erheben, die sie für erforderlich erachte. Dies zeigten beispielhaft konkrete Vorfälle bei Zeugenvernehmungen. Mehrere Ausschussmitglieder hätten hier jeweils auf die aus der fehlenden Aktenkenntnis resultierenden Probleme hingewiesen.
104bb) Es sei verfassungsrechtlich geboten, die vom Beweisbeschluss Nr. 2 erfassten unbearbeiteten Originalakten dem Landtag zuzuleiten, gegebenenfalls in dessen Verwahrgelass. Klar sei, dass diese Akten nicht Informationen enthalten dürften, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar wäre. Es sei anerkannt, dass das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses aufgrund seiner Grundrechtsbindung Grenzen unterliege. Wolle die Landesregierung einem Untersuchungsausschuss Beweismittel aus solchen verfassungsrechtlichen Gründen vorenthalten, unterliege sie von Verfassungs wegen einer Begründungspflicht.
105Die Antragsgegner stützten ihre Vorlageverweigerung auf eine Entscheidungspassage des Bundesverfassungsgerichts, wonach eine Einschränkung des Aktenherausgabeanspruchs für solche Informationen gelte, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar sei. Unter Berufung auf diesen Grundsatz lasse sich allerdings nicht rechtfertigen, dem Parlament auch im konkret vorliegenden Fall nahezu alle unbearbeiteten Originalakten vorzuenthalten. Die Antragstellerin und der Untersuchungsausschuss insgesamt hätten dem Opferschutz von Anfang an eine herausragende und prägende Bedeutung beigemessen. Dies sei schon im Einsetzungsbeschluss vom 26. Juni 2019 ausdrücklich hervorgehoben und zum Gegenstand einer entsprechenden Selbstverpflichtung gemacht worden. Es sei daher nur gerechtfertigt, diejenigen Aktenbestandteile vorzuenthalten, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar sei. Das werde auch bei Akten, die schwere Sexualstraftaten zum Gegenstand hätten, nur ein vergleichsweise kleiner Teil dieser Akten sein. Es müssten in Anwendung dieses Grundsatzes vor allem die Namen der Opfer und ihrer Angehörigen geschwärzt werden. Auch die Weitergabe von Fotos und Videos, die Missbräuche darstellten, sei unzulässig, nicht aber die Weitergabe aller anderen unbearbeiteten Originalakten.
106Mit dem Verwahrgelass des Landtags gebe es auch ein langjährig bewährtes Instrument, das den Grundrechtsschutz der Betroffenen durch einen wirksamen Geheimschutz gewährleiste, ohne die verfassungsrechtlich geschützte Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns durch den Untersuchungsausschuss zu beeinträchtigen. Die praktisch vollständige Verwehrung des Zugangs zu unbearbeiteten Originalakten sei demgegenüber ein in der bundesdeutschen Parlamentsgeschichte bislang einmaliger Fall. Schließlich führe das Vorgehen der Antragsgegner zu nicht mehr nachvollziehbaren Wertungswidersprüchen. Aus dem Bereich der Justiz, der Anwaltschaft und der Exekutive hätten deutlich mehr als 100 Personen, darunter sogar pensionierte Polizeibeamte, jedenfalls wesentliche Teile der unbearbeiteten Originalakten zur Kenntnis genommen. Die im Vergleich dazu wenigen Mitglieder des Untersuchungsausschusses würden hingegen von der Einsichtnahme gänzlich ausgeschlossen, obwohl sie als Abgeordnete geborene Geheimnisträger und immerhin Mitglieder des Verfassungsorgans Landtag seien. Dies lasse sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen.
1072. Die Antragsgegner beantragen,
108den Antrag zurückzuweisen.
109Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus:
110a) Sie halten die Anträge bereits für unzulässig, soweit nicht der Antrag zu 1. in Bezug auf den Antragsgegner zu 2. betroffen sei.
111aa) Der Antrag zu 1. sei unzulässig, soweit er sich gegen den Antragsgegner zu 1. richte. Die Frist des § 44 Abs. 3 VerfGHG sei nicht eingehalten. Es gehe der Antragstellerin bezogen auf den Antragsgegner zu 1. wohl um die Aktenstücke aus dem Bereich der Kreispolizeibehörde Bielefeld, die mit Abschluss der polizeilichen Ermittlungen an die zuständigen Staatsanwaltschaften übergeben oder im Zuge der Ermittlungen unter der Leitung der Staatsanwaltschaft erstellt worden seien. Insoweit habe der Antragsgegner zu 1. aber stets die Auffassung vertreten, dass alle diese Aktenbestandteile in die Aktenhoheit des Geschäftsbereichs des Antragsgegners zu 2. übergegangen seien und die Übermittlung daher von dort aus erfolgen müsse. Die Frist des § 44 Abs. 3 VerfGHG beginne zu laufen, wenn einem Antragsteller bekannt werde, dass sich der Antragsgegner eindeutig geweigert habe, die geltend gemachte Forderung zu erfüllen. Eine solche endgültige Ablehnung sei bereits mit Schreiben des Antragsgegners zu 1. vom 31. März 2020 gegenüber dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses ausgesprochen worden, die Frist von sechs Monaten sei daher abgelaufen.
112bb) Der Antrag zu 2. sei insgesamt unzulässig. Dabei sei vorauszuschicken, dass die Formulierung des Antrags mehrere Auslegungen zu der Frage zulasse, ob die Vorlage sämtlicher unbearbeiteter Originalakten verlangt werde oder das Verlangen auf die Akten beschränkt sei, die keine Informationen enthielten, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar seien.
113Falls der Antrag so zu verstehen sein sollte, dass alle Originalakten in vollständig unbearbeiteter Form vorgelegt werden müssten, sei der Antrag insgesamt unzulässig, da verfristet. Bereits mit gemeinsamem Schreiben vom 2. Oktober 2019 hätten die Antragsgegner gegenüber dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses darauf hingewiesen, dass eine Übersendung unbearbeiteter Akten „derzeit nicht möglich“ und die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit um eine diesbezügliche Stellungnahme gebeten worden sei. Deren Stellungnahme vom 11. Oktober 2019 habe die Auffassung der Antragsgegner zur Unzulässigkeit der Übersendung bestätigt. Darauf hätten die Antragsgegner sodann den Untersuchungsausschuss mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 hingewiesen. In diesem Schreiben sei eine eindeutige Ablehnung der Vorlage unbearbeiteter Akten durch beide Antragsgegner zu sehen.
114Lediglich hilfsweise folge das Fristversäumnis daraus, dass der Antragsgegner zu 2. gegenüber dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses mit Schreiben vom 9. Dezember 2019 und der zugleich erfolgten Übersendung seines Schreibens vom 9. Dezember 2019 an den Antragsgegner zu 1. sowie der Stellungnahme der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 6. Dezember 2019 eine Vorlage als nicht möglich bezeichnet habe. Die genannten Schreiben seien nur so zu verstehen gewesen, dass eine Vorlage aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt werde.
115Falls der Antrag zu 2. so zu verstehen sein sollte, dass die Originalakten in einem zu weiten Umfang pseudonymisiert worden seien, d. h. dass die Schranke des Aktenvorlagerechts wegen des streng persönlichen Charakters der Informationen zu weitgehend gehandhabt worden sei, so sei der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses ebenfalls insgesamt unzulässig. Dann nämlich hätte die Antragstellerin ihrer „Konfrontationsobliegenheit“ nicht genügt. Der damit erhobene Vorwurf, es sei zu weitgehend pseudonymisiert worden, sei vorprozessual an keinen der Antragsgegner herangetragen worden.
116Falls der Antrag hingegen so zu verstehen sein sollte, dass es nur um die Vorlage solcher Aktenteile gehe, bei denen sich – wegen des fehlenden streng persönlichen Charakters für die Betroffenen – schon gar kein Pseudonymisierungsbedarf ergebe, sei er mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Da nach § 44 Abs. 2 VerfGHG die Maßnahme oder Unterlassung, durch die der Antragsgegner gegen die Verfassung verstoßen haben soll, näher darzulegen sei, führe die ungenügende Bestimmtheit des Antrags entweder zum Fehlen der Antragsbefugnis oder des Rechtsschutzbedürfnisses. Die Antragstellerin sei verpflichtet, die Akten zu bezeichnen, die ihr als unbearbeitete Originalakten hätten zugeleitet werden müssen. Dies sei ihr möglich, denn die bereits pseudonymisierten Akten lägen ihr vor und könnten auf die Frage hin untersucht werden, „welche dieser Akten keine Informationen enthielten, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar wäre“. Ohne solche konkreten Angaben wünsche die Antragstellerin vom Verfassungsgerichtshof nur die Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage; hierfür habe sie keine Antragsbefugnis. Außerdem bestehe über diese abstrakte Rechtsfrage gar kein Streit zwischen den Beteiligten, so dass die Antragstellerin kein Rechtsschutzbedürfnis habe. Auch unabhängig davon sei die Antragstellerin nicht antragsbefugt, denn alle a priori nicht pseudonymisierungsbedürftigen Akten seien bereits übergeben worden. Eine aktuelle und tatsächliche Betroffenheit durch eine Rechtsverletzung oder -gefährdung bestehe von daher nicht.
117b) Die Anträge seien unbegründet.
118aa) Der Antrag zu 1. sei unbegründet.
119Zunächst sei bezogen auf den Antragsgegner zu 1. festzustellen, dass es der Antragstellerin ihm gegenüber nur um Aktenteile gehe, die Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten geworden seien. Hinsichtlich dieser Unterlagen sei der Antragsgegner zu 1. aber schon nicht passivlegitimiert. Den Antragsgegner zu 1. treffe insoweit keine Vorlagepflicht. Denn diese Aktenbestandteile seien ihm nicht zugeordnet. Dabei komme es nicht allein auf den Gewahrsam an den Unterlagen an, entscheidend seien der Herrschaftsbereich und die funktionale Zuordnung zu der jeweiligen Behörde oder Körperschaft. Hier seien also die Ressortkompetenz und die Aktenhoheit der beiden Antragsgegner jeweils für sich zu berücksichtigen. Da die Polizei – um deren Unterlagen es gehe – insoweit hier repressiv tätig werde, sei sie als Justizbehörde im funktionellen Sinne anzusehen und die Unterlagen mithin dem Bereich der Justiz zuzuordnen. Dem Antragsgegner zu 1. fehle über die Akten, die Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten geworden seien, auch die Verfügungsbefugnis. Grundsätzlich sei für eine Herausgabe solcher Aktenbestandteile eine Freigabe der Justiz erforderlich, um eine Erschwerung oder gar Vereitelung der Ermittlungen durch die Aktenherausgabe an Dritte – wie etwa den Untersuchungsausschuss – zu vermeiden. Eine solche Freigabe gebe es nicht. Da der Antragsgegner zu 2. hier selbst vorlagepflichtig sei, gebe es auch kein Gebot für den Antragsgegner zu 1., sich um eine Freigabe der Aktenbestandteile seitens der Justiz zu bemühen. Außerdem würde dies nur dazu führen, dass neben der Pseudonymisierung durch den Antragsgegner zu 2. auch der Antragsgegner zu 1. die betroffenen Unterlagen pseudonymisieren müsste, was die Gefahr weiterer Verzögerung mit sich brächte.
120Der Antrag zu 1. sei auch sonst insgesamt unbegründet:
121Die von der Antragstellerin gerügte Dauer der Aktenvorlage habe ihren Grund ausschließlich in der erforderlichen Pseudonymisierung der besonders schutzwürdigen Daten. Die Pseudonymisierung sei überdies ein Entgegenkommen der Antragsgegner, der zwingende Grundrechtsschutz hätte auch durch eine vollständige Anonymisierung gewährleistet werden können, wobei dies die Lesbarkeit der Unterlagen erheblich erschwert hätte. Die hier vorgenommene „aktive Aufbereitung“ sei von der „Aktenvorlage“ im Sinne des Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV regelmäßig nicht umfasst und von den Antragsgegnern nicht geschuldet. Gleichwohl habe es hier eine Verständigung über die Pseudonymisierung gegeben, um den Untersuchungsauftrag bestmöglich zu erfüllen. Dabei habe bei der Erfüllung der Aktenvorlagepflicht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Opfer und ihrer Angehörigen beachtet werden müssen. Die Verarbeitung dieser besonders schutzwürdigen Daten sei zwar für die Durchführung der Strafverfahren unverzichtbar, nicht aber für den Untersuchungsausschuss, der auf die Untersuchung behördlicher und politischer Versäumnisse ziele; diesem gegenüber sei der grundrechtliche Schutzanspruch der Betroffenen absolut. Zum umfassenden Schutz der Persönlichkeitsrechte der Opfer sei daher mit dem Untersuchungsausschuss das Pseudonymisierungsverfahren abgesprochen worden. Als aktenvorlegende Stellen träfen die Antragsgegner von daher eine Prüfungskompetenz und Prüfungspflicht, ob der Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entgegenstehe. Diese Prüfung sei hier nach Rücksprache mit der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit durchgeführt worden.
122Ferner schuldeten die Antragsgegner nur eine Aktenvorlage, die mit zumutbarem Aufwand geleistet werden könne. Sie hätten insoweit eine Einschätzungsprärogative. Der mit der Aktenvorlage verbundene Aufwand dürfe keine Beeinträchtigung der Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Landesregierung nach sich ziehen. Vor diesem Hintergrund sei der an die Antragsgegner gerichtete Vorwurf, zu langsam pseudonymisiert und die Akten verspätet vorgelegt zu haben, unberechtigt. Hierbei seien insbesondere folgende Erwägungen zu berücksichtigen: Die Pseudonymisierung gegenüber dem Untersuchungsausschuss sei nach allgemeinen Grundsätzen nur im Rahmen des Zumutbaren geboten, wohingegen die Antragsgegner gegenüber den grundrechtsberechtigten Betroffenen absolut und ohne Abwägungsspielraum zum Schutz verpflichtet seien. Das langwierigere Pseudonymisierungsverfahren sei auf nachdrücklichen Wunsch des Untersuchungsausschusses statt der rechtlich ausreichenden Anonymisierung gewählt worden. Eine Pseudonymisierung durch einen privaten Dienstleister sei nicht möglich gewesen, wie auch die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit festgestellt habe. Schließlich handele es sich um ein bislang nicht erprobtes und beispielloses Verfahren, für das Vergleichs- und Erfahrungswerte gänzlich fehlten.
123Konkret bedeute dies, dass die Antragsgegner in diesem als Sonderfall zu bezeichnenden Verfahren alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hätten, den betroffenen Belangen gerecht zu werden. Die ihnen hierbei zustehende Einschätzungsprärogative sei nicht überschritten: Die Antragsgegner hätten mit der Beschäftigung von 20 ehemaligen Polizeibeamten und später zusätzlich zwei Staatsanwälten einen überobligatorischen Personaleinsatz betrieben. Sie seien überdies durch Aktenanforderungen weiterer Untersuchungsausschüsse hoch belastet, eine Zuweisung weiterer Personalressourcen sei nicht möglich. Auch könne das Team für die Pseudonymisierung nicht beliebig erweitert werden, da ansonsten Risiken für die sachgerechte Pseudonymisierung entstehen könnten. Von daher sei eine Nachbesetzung zwischenzeitlich ausgeschiedener Mitarbeiter weder zweckmäßig noch erforderlich gewesen. Die Antragsgegner hätten schon früh mit ihren Vorbereitungen begonnen. Seitdem die Voraussetzungen der Pseudonymisierung vorlägen, würden die Arbeiten ununterbrochen durchgeführt, auch unter den mit der Coronavirus-Pandemie verbundenen Erschwerungen. Etwaige weitere Verzögerungen wie die ausgebliebene Rückmeldung über eine Priorisierung von Akten seitens des Untersuchungsausschusses oder die Umstände im Zusammenhang mit der Benennung der Treuhänderin lägen nicht in der Sphäre der Antragsgegner. Der Einsatz eines internen oder externen Dienstleisters sei – worauf bereits hingewiesen worden sei – nicht möglich gewesen. Nicht nur die besondere Sensibilität der Daten und der effektive Schutz der Betroffenen stünden dem entgegen, sondern eine rein technische Lösung sei auch nicht zweckmäßig gewesen, da allein durch die „menschliche Komponente“ in der Pseudonymisierungsarbeit ausgeschlossen werden könne, dass etwaige Querverbindungen zwischen Daten übersehen oder falsch eingeschätzt würden. Ein Algorithmus könne dies nicht leisten. Schließlich bestehe – wie ausgeführt – keine Verpflichtung der Antragsgegner, Akten doppelt vorzulegen. Dies betreffe etwa den Antragsgegner zu 1. bezogen auf die Akten, die Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten geworden seien; hier wäre ansonsten die inhaltliche Freigabe durch die Justiz zu klären gewesen.
124Die Antragsgegner verweisen schließlich ergänzend auf Grenzen der Aktenvorlagepflicht, die sich durch datenschutzrechtliche Beschränkungen ergeben könnten, jedenfalls soweit es um die „unbearbeitete, vollständige Aktenvorlage“ gehe. Hierfür gebe es keine hinreichende gesetzliche Grundlage mit verfassungsrechtlich gebotenen gesetzlichen organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zum Datenschutz, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken könnten. Auch aus diesem Grund sei – wie die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit bestätige – die Pseudonymisierung in jedem Fall erforderlich gewesen.
125bb) Der Antrag zu 2. sei insgesamt unbegründet.
126Der Aktenvorlageanspruch sei bereits erfüllt und daher durch Erfüllung untergegangen. Die Akten, die ihrer Art nach erkennbar von vornherein keine streng geschützten personenbezogenen Daten enthalten könnten, also a priori nicht erst der Pseudonymisierung unterzogen werden müssten, seien vollständig und abschließend übergeben worden. Soweit mit dem Antrag zu 2. eine „übermäßige Pseudonymisierung der Aktenbestände“ gerügt sein sollte, führe dies ebenso auf eine Unbegründetheit. Die Antragsgegner hätten keine übermäßige Pseudonymisierung durchgeführt. Die Antragstellerin lege schon nicht dar, worin eine solche übermäßige Pseudonymisierung zu sehen sein sollte. Im Gegenteil seien die Kriterien der Pseudonymisierung in der Referentenrunde am 25. November 2019 abgestimmt worden. Es sei stets um eine Orientierung strikt an dem Grundsatz gegangen, dass eine Identifizierung der Betroffenen sicher ausgeschlossen sein solle. Schließlich habe auch keine Verpflichtung bestanden, neben dem laufenden Pseudonymisierungsverfahren unselbständige Aktenbestandteile (Einzelseiten), die keine zu pseudonymisierenden Informationen enthielten, schon vorab auszusondern und dem Untersuchungsausschuss zu übergeben. Denn hierfür sei, etwa um die Gefahr mittelbarer Rückschlüsse auf schützenswerte Daten auszuschließen, jeweils eine umfassende und kontextbezogene Überprüfung aller Aktenbestandteile innerhalb der jeweiligen Vorgänge erforderlich.
1273. Der Landtag Nordrhein-Westfalen und die Landesregierung sind von dem Organstreitverfahren in Kenntnis gesetzt worden. Sie haben von Stellungnahmen abgesehen.
1284. Mit Aufklärungsverfügung vom 12. Februar 2021 hat der Verfassungsgerichtshof die Antragsgegner um Stellungnahme zu zwei Fragekomplexen gebeten. Zum einen hat er um Erläuterung der seitens der Treuhänderin unter dem 21. September 2020 gefertigten Übersicht über Gesamtzahl und Zusammensetzung der vergebenen Pseudonyme gebeten. Zum anderen hat er die Antragsgegner ersucht, den Gesamtumfang der pseudonymisierend zu bearbeitenden Akten und insbesondere die im Vergleich zum ursprünglich geschätzten Aktenumfang von rund 152.000 Seiten niedrigere Seitenzahl der tatsächlich bearbeiteten und vorgelegten Akten von rund 27.000 bis 30.000 Seiten zu erläutern.
129Mit Schriftsatz vom 1. März 2021 haben die Antragsgegner zu den Fragekomplexen Stellung genommen. Hinsichtlich des Umfangs der Pseudonymisierung sei leitendes Kriterium gewesen, Rückschlüsse auf die Identität der Geschädigten hinreichend sicher auszuschließen. Hierfür sei bewusst keine abstrakt-generelle Definition der zu pseudonymisierenden Namenskategorien „Familienangehöriger“ oder „Dritter“ strikt vorgegeben, sondern den Bearbeitern eine kontextabhängige Beurteilung nahegelegt worden. Neben Pflegekindern naher Familienangehöriger der Geschädigten seien sonstige Personen, die in einem Näheverhältnis zu den Geschädigten stünden, erfasst und bearbeitet worden, wenn die Kenntnis dieser Identitäten eine Identifizierung der Geschädigten ermögliche. Dies treffe angesichts des ländlichen Umfelds der Taten etwa auf Klassenlehrer, Familienhelfer und andere Personen wie Freunde oder Klassenkameraden zu.
130Zum Umfang der vergebenen Pseudonyme haben sie ausgeführt, seitens des Antragsgegners zu 1. seien von 293 durch die Treuhänderin zugeteilten Namenspseudonymen insgesamt 276 Pseudonyme genutzt und damit letztlich vergeben worden. Dem Antragsgegner zu 2. seien mit Stand vom 25. Februar 2021 insgesamt 1.127 Namenspseudonyme zugeteilt worden, von denen letztlich 1.066 tatsächlich verwendet worden seien (Geschädigte: 150, Angehörige: 468, Dritte: 448). Außerdem seien 241 Ortspseudonyme vergeben worden.
131Hinsichtlich des Gesamtumfangs der Akten haben die Antragsgegner erklärt, die Differenz betreffe die sogenannten Spurenakten und AR-Vorgänge mit einem geschätzten Umfang von rund 125.000 Seiten. Bei den Spurenakten, die grundsätzlich Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Akten seien, handele es sich um lose Material- bzw. Spurensammlungen, bei denen auf den ersten Blick kein Zusammenhang mit dem Verfahrensgegenstand ersichtlich sei. Die sogenannten AR-Vorgänge beinhalteten Eingaben von Dritten, die keinerlei Bezüge zum Verfahrenskomplex hätten, vor allem Meinungsäußerungen zu Presseberichten. Insoweit sei festzuhalten, dass auf die in seinem Schreiben vom 1. Oktober 2020 gestellte Rückfrage hierzu seitens des Antragsgegners zu 2. zunächst keine Reaktion des Untersuchungsausschusses erfolgt sei. Erst mit Schreiben vom 8. Februar 2021 seien ausdrücklich auch die Spurenakten sowie AR-Vorgänge angefordert worden; diesbezüglich laufe derzeit eine Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss über Modalitäten der Aktenvorlage.
132Zuletzt hat der Antragsgegner zu 2. mit Schreiben vom 25. Februar 2021 allerdings auf einen „beträchtlichen Aufwand“ verwiesen, der zum Zweck der Vorlage eines Teils dieser Akten im Hinblick auf den Personal- und Sacheinsatz zu leisten sei.
Nach den anzulegenden Maßstäben der Auslegung (dazu I.) umfasst der Antrag zu 1. sämtliche vom Beweisbeschluss betroffenen Akten, die dem Untersuchungsausschuss zum Teil nicht oder verspätet vorgelegt worden sind (dazu II.). Der Antrag zu 2. ist so auszulegen, dass hiermit die Unterlassung der Antragsgegner gerügt wird, in das Verwahrgelass des Landtags sämtliche Akten zu liefern, die allein unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Unzumutbarkeitsschranken, nicht aber entsprechend der zwischen Untersuchungsausschuss und Antragsgegnern konsentierten – wohl weitergehenden – Pseudonymisierungsmaßgaben bearbeitet worden seien (dazu III.).
134I.
135Die verfassungsgerichtliche Prüfung ist im Organstreitverfahren auf den durch den Antrag umschriebenen Verfahrensgegenstand beschränkt. Der Verfassungsgerichtshof ist genauso wie das Bundesverfassungsgericht bei der Auslegung von Anträgen nicht strikt an deren Wortlaut gebunden. Entscheidend ist vielmehr der eigentliche Sinn des mit einem Antrag verfolgten prozessualen Begehrens. Dieser kann sich auch aus der Antragsbegründung ergeben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Dezember 2018 – 2 BvE 1/18, BVerfGE 150, 194 = juris, Rn. 15, und vom 2. Juli 2019 – 2 BvE 4/19, BVerfGE 151, 191 = juris, Rn. 13 jeweils m. w. N.).
136II.
137Der Antrag zu 1. beschränkt sich nicht etwa – wie sein Wortlaut nahelegt – nur auf eine vollständige Verweigerung der Aktenvorlage, sondern bezieht sich auch auf eine in quantitativer wie in zeitlicher Hinsicht unzureichende Vorlage sämtlicher vom Beweisbeschluss Nr. 2 erfasster Akten (dazu 1.). Auch folgt aus der Abgrenzung zu dem Antrag zu 2. nicht, dass er sich nur auf den zu pseudonymisierenden Teil der Akten bezieht (dazu 2.).
1381. Nach der ausdrücklichen Formulierung des Antrags zu 1. rügt die Antragstellerin nur die Nichtvorlage eines wesentlichen Teils der vom Beweisbeschluss Nr. 2 vom 12. Juli 2019 umfassten und angeforderten Akten. Nicht nur aus der Antragsbegründung selbst, auch aus den konkreten Erläuterungen der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung folgt zur Überzeugung des Verfassungsgerichtshofs, dass die Antragstellerin die Verletzung ihrer Verfassungsrechte auch durch eine unzureichende und verzögerte Vorlage der vom Beweisbeschluss erfassten Akten geltend macht.
1392. Aus der Abgrenzung zum Antrag zu 2. folgt nicht etwa, dass mit dem Antrag zu 1. nur die Akten erfasst sind, die nach Maßgabe der vereinbarten Pseudonymisierungsvorgaben bearbeitet wurden oder – etwa mangels betroffener Grundrechte Dritter – für die von vornherein überhaupt kein Pseudonymisierungsbedarf bestand. Eine Einschränkung des Antrags zu 1. der Art, dass nur die quantitativ oder zeitlich unzureichende Übermittlung derjenigen Akten zum Gegenstand des Organstreits gemacht worden sein sollte, bei denen sich ein identitätsausschließender Bearbeitungsbedarf ergeben habe, bliebe hinter diesem ausdrücklichen Begehren der Antragstellerin, die Zuleitung sämtlicher vom Untersuchungsauftrag des Landtags erfasster Unterlagen zur verfassungsgerichtlichen Prüfung zu stellen (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 3 UAG NRW), zurück. Eine solche Auslegung fände weder im Wortlaut noch in der Antragsbegründung eine hinreichende Stütze.
140Die mündliche Erläuterung des Antragsziels durch den Bevollmächtigten der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung war allerdings nicht widerspruchsfrei. Einerseits äußerte er, mit dem Antrag zu 1. werde die Vorlage der zu pseudonymisierenden Akten geltend gemacht, andererseits antwortete er auf eine konkrete Nachfrage ausdrücklich, mit dem Antrag zu 1. werde die Vorlage auch der Vorgangslisten (sogenanntes „polizeiliches Tagebuch“), der Fehlblätter und der Spurenakten geltend gemacht. Nach dem unstreitigen Vortrag und den mit Beispielen unterlegten Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung handelt es sich insoweit jedenfalls zum Teil um nicht zu pseudonymisierende Aktenteile. Die Spurenakten umfassen einen quantitativen Gesamtanteil der vom Antragsgegner zu 2. vorzulegenden Akten von über 80 %. Unterfiele die Vorlage dieses Aktenteils nicht dem Antrag zu 1., wäre damit ein quantitativer Großteil der geltend gemachten Verzögerung bzw. Nichtvorlage nicht von dem Antrag erfasst, der nach Wortlaut und Begründung gerade auf die Nichtzuleitung „eines wesentlichen Teils der Akten“ abzielt. Eine solche Auslegung wäre mit der in Art. 75 Nr. 2 LV i. V. m. § 12 Nr. 5, § 44 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGHG) vom 14. Dezember 1989 (GV. NRW. S. 708, ber. 1993 S. 588), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Regelung der Folgen des Wegfalls der Personalunion zwischen der Präsidentschaft des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. März 2021 (GV. NRW. S. 330), zum Ausdruck kommenden Determinierung des Prüfungs- und Entscheidungsmaßstabs in Organstreitigkeiten durch Antrag und Antragsbegründung unvereinbar, wonach die Auslegung den eigentlichen Sinn eines zulässig gestellten Antrags nicht entstellen darf. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin mit der verlangten Vorlage der Originalakten – wie etwa das Schreiben vom 14. November 2019 plastisch ausführt – zuletzt ein zweigleisiges Verfahren verbunden hatte: einerseits die Pseudonymisierung und andererseits – insbesondere zur Wahrnehmung von Kontrollmöglichkeiten – die Lieferung der unbearbeiteten Originalakten ins Verwahrgelass des Landtages nach entsprechender Geheimhaltungseinstufung.
141III.
142Der Antrag zu 2. ist ausgehend von seinem Wortlaut so auszulegen, dass mit ihm geltend gemacht wird, die Antragsgegner hätten es unterlassen, in das Verwahrgelass des Landtags sämtliche Akten zu liefern, die allein unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Unzumutbarkeitsschranken, nicht aber entsprechend der zwischen Untersuchungsausschuss und Antragsgegnern konsentierten – wohl weitergehenden – Pseudonymisierungsmaßgaben bearbeitet worden seien. Er ist demnach nicht auf eine Vorlage sämtlicher Akten in unbearbeitetem Originalzustand – ohne jegliche Form der Anonymisierung oder Pseudonymisierung – gerichtet. Dies steht zur Überzeugung des Verfassungsgerichtshofs unter Berücksichtigung des schriftsätzlichen und in der mündlichen Verhandlung näher erläuterten Vorbringens der Antragstellerin zur Begründung des Antrags fest.
143Die inhaltliche Eingrenzung des Antrags begründet die Antragstellerin mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts, wonach der grundrechtliche Datenschutz eine Verkürzung des Aktenherausgabeanspruchs des Untersuchungsausschusses für solche Informationen rechtfertige, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar sei (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 28. Januar 2020 – VerfGH 5/18, NWVBl. 2020, 366 = juris, Rn. 95; BVerfG, Urteile vom 17. Juli 1984 – 2 BvE 11/83, BVerfGE 67, 100 = juris, Rn. 140, und vom 13. Juni 2017 – 2 BvE 1/15, BVerfGE 146, 1 = juris, Rn. 105, Beschlüsse vom 1. Oktober 1987 – 2 BvR 1165/86, BVerfGE 76, 363 = juris, Rn. 77, und vom 1. Oktober 1987 – 2 BvR 1178/86, BVerfGE 77, 1 = juris, Rn. 111). In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin ausführlich dargelegt, sie halte die durch die Antragsgegner vorgenommene Pseudonymisierung gegenüber den verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutz der Persönlichkeitsrechte für zu weitgehend. Sie beanstandet demnach, dass ihr Recht zur Vorlage von Originalakten wegen einer zu weiten Auslegung des streng persönlichen Charakters der Informationen verkürzt worden sei. Soweit einzelne der Antragstellerin zugehörige Abgeordnete in der mündlichen Verhandlung das Interesse an einer gänzlich uneingeschränkten Vorlage unbearbeiteter Akten in das Verwahrgelass des Landtags betont haben, stellt das den schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung seitens ihres Bevollmächtigten gestellten Antrag in der vom Verfassungsgerichtshof erkannten Auslegung schon deshalb nicht in Frage, weil einer etwaigen nachträglichen Änderung des Streitgegenstandes durch Änderung des Antrags die Frist des § 44 Abs. 3 VerfGHG entgegenstünde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 – 2 BvE 6/08, BVerfGE 134, 141 = juris, Rn. 149).
Die so ausgelegten Anträge sind gemäß Art. 75 Nr. 2 LV i. V. m. § 12 Nr. 5, §§ 43 ff. VerfGHG nur teilweise zulässig. Der Antrag zu 1. ist zulässig, der Antrag zu 2. hingegen insgesamt unzulässig.
145I.
146Die Beteiligten sind im Organstreitverfahren parteifähig, denn sie sind in der Landesverfassung mit eigenen Rechten ausgestattet (Art. 75 Nr. 2 LV i. V. m. § 12 Nr. 5, § 43 VerfGHG).
1471. Die Antragstellerin kann ein eigenes verfassungsrechtliches Recht aus Art. 41 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 LV herleiten.
148Art. 41 LV regelt das parlamentarische Untersuchungsrecht. Nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1 LV hat der Landtag das Recht und auf Antrag von einem Fünftel der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Damit erhält das Parlament die Möglichkeit, sich ohne Einflussnahme von Regierung und Verwaltung über Angelegenheiten zu informieren, deren Kenntnis es zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Das Schwergewicht der Untersuchungen liegt regelmäßig in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung. Unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems hat sich das Untersuchungsrecht zu einem Recht der Opposition auf eine Sachverhaltsaufklärung unabhängig von der Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit entwickelt (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 117 m. w. N.). Dementsprechend ist es als Minderheitenrecht ausgestaltet (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 117; zu Art. 44 GG: BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 = juris, Rn. 75 m. w. N.), dem bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und bei der Durchführung seiner Untersuchungen ein hoher Stellenwert beizumessen ist (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 7. März 1995 – VerfGH 3/95, NWVBl. 1995, 248 = juris, Rn. 46; Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 117). Der Regelungsgehalt des Art. 41 Abs. 1 Satz 1 LV setzt sich im Untersuchungsverfahren fort. Art. 41 Abs. 1 Satz 1 LV wirkt insoweit in den Untersuchungsausschuss hinein. Die in den Untersuchungsausschuss entsandten Abgeordneten einer Fraktion oder mehrerer Fraktionen, die allein oder zusammen mindestens ein Fünftel der gesetzlichen Mitglieder des Landtags umfassen, repräsentieren den einsetzungsberechtigten Teil des Parlaments im Ausschuss. Dies gilt jedenfalls solange, wie kein Dissens zwischen den jeweiligen Fraktionen und ihren Vertretern im Ausschuss erkennbar ist (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 117 m. w. N.). Nach Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV erhebt der Untersuchungsausschuss die Beweise, die er oder die Antragsteller für erforderlich halten. Wie Art. 41 Abs. 1 Satz 1 LV enthält auch Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV eine Durchbrechung des Mehrheitsprinzips. Antragsteller im Sinne der Vorschrift sind die Ausschussmitglieder, die zusammen die einsetzungsberechtige Minderheit repräsentieren. Denn nur wenn diese in der Lage sind, die Beweiserhebung mitzubestimmen, kann die einsetzungsberechtigte Minderheit des Landtags ihre parlamentarische Kontrollfunktion effektiv ausüben (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 117; Günther, in: Heusch/Schönenbroicher, LV NRW, 2. Aufl. 2020, Art. 41 Rn. 18). Damit verfügt die qualifizierte Ausschussminderheit über ein eigenes, unmittelbar aus der Verfassung folgendes Recht auf Sachaufklärung (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 117 m. w. N.). Dieses Recht auf Sachaufklärung wird in Art. 41 Abs. 2 LV weiter entfaltet. Nach Art. 41 Abs. 2 Satz 1 LV sind Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet. Nach Art. 41 Abs. 2 Satz 2 LV sind sie insbesondere verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen nachzukommen. Die Akten der Behörden und öffentlichen Körperschaften sind ihnen gemäß Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV auf Verlangen vorzulegen. Kommt es zu einem Dissens über die Erfüllung dieser Sachaufklärungsmaßnahmen, verfügt die qualifizierte Ausschussminderheit über ein eigenes verfassungsunmittelbares Recht auf Durchsetzung der Untersuchungsrechte des Untersuchungsausschusses.
149Die Antragstellerin wird danach in Art. 41 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 LV mit einem eigenen Recht auf Sachaufklärung ausgestattet. Sie bildet eine qualifizierte Minderheit im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV, denn sie setzt sich aus den fünf stimmberechtigten Mitgliedern der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zusammen und repräsentiert damit die einsetzungsberechtigte Minderheit des Landtags im Untersuchungsausschuss. Für einen Dissens mit den jeweiligen Fraktionen im Landtag ist nichts ersichtlich.
1502. Die Antragsgegner sind ebenfalls im Organstreit parteifähig. Ein einzelner Minister kann als Teil des obersten Landesorgans Landesregierung Antragsgegner im Organstreit nach Art. 75 Nr. 2 LV, § 12 Nr. 5, § 43 VerfGHG sein. Die Landesregierung besteht nach Art. 51 LV aus dem Ministerpräsidenten und den Landesministern. Der einzelne Minister ist in der Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet. Nach Art. 55 Abs. 2 LV leitet jeder Minister innerhalb der Richtlinien des Ministerpräsidenten seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung (vgl. VerfGH NRW, Urteile vom 29. April 1997 – VerfGH 9/95, DVBl. 1997, 824 = juris, Rn. 38, und vom 26. Mai 2009 – VerfGH 3/09, NVwZ 2009, 1101 = juris, Rn. 30).
151Die Antragsgegner sind auch zutreffend als solche von der Antragstellerin in Bezug genommen. Gegen welche Person oder Institution der Antrag im Organstreit zu richten ist, hängt in erster Linie davon ab, wer die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung (verfassungs-)rechtlich verantworten muss (vgl. VerfGH NRW, Urteile vom 30. Oktober 2012 – VerfGH 12/11, NVwZ 2013, 503 = juris, Rn. 46, und vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 119; BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 – 2 BvE 1/06, BVerfGE 118, 277 = juris, Rn. 203, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 77). Danach besteht die Möglichkeit einer Verletzung in verfassungsrechtlich geschützten Organrechten gerade gegenüber den beiden Antragsgegnern. Die rechtliche Verantwortung für die Verweigerung beziehungsweise die unzureichende Umsetzung der Aktenvorlage liegt bei den Antragsgegnern für ihren jeweiligen Ressortbereich. Im Rahmen ihrer Ressortkompetenz nach Art. 55 Abs. 2 LV haben sie über den Umfang der Aktenherausgabe und damit konkret darüber zu entscheiden, inwieweit dem Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses und damit des Landtags entsprochen wird (vgl. zu Art. 65 Satz 2 GG: BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 – 2 BvE 11/83, BVerfGE 67, 100 = juris, Rn. 89, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 77; vgl. auch Günther, in: Heusch/Schönenbroicher, LV NRW, 2. Aufl. 2020, Art. 41 Rn. 21).
152Die Antragstellerin als qualifizierte Ausschussminderheit macht ihr Minderheitenrecht auch zutreffend gegen die Antragsgegner selbst und nicht zunächst gegen den Untersuchungsausschuss geltend. Ein Fall, in dem das Recht der qualifizierten Minderheit grundsätzlich nur gegenüber dem Untersuchungsausschuss, nicht aber gegenüber Dritten besteht (vgl. dazu Peters, Untersuchungsausschussrecht, Länder und Bund, 2. Aufl. 2020, Rn. 82), liegt hier nicht vor. Das Beweiserzwingungs- und Beweisdurchsetzungsrecht der Minderheit gegenüber der Ausschussmehrheit steht nicht in Streit. Es geht vielmehr um die Durchsetzung eines vom Untersuchungsausschuss getroffenen Beweisbeschlusses und dessen verfassungswidrigen oder verfassungsgemäßen Vollzugs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2014 – 2 BvE 3/14, BVerfGE 138, 45 = juris, Rn. 41; Glauben, in: Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl. 2016, Kapitel 28 Rn. 6, 34; siehe auch bereits BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1985 – 2 BvE 1/85, BVerfGE 71, 299 = juris, Rn. 22, zur im Wege eines Rechtsmittels zu verfolgenden Geltendmachung von Akteneinsichtsrechten gegenüber einem Fachgericht).
153II.
154Die Antragstellerin ist antragsbefugt.
1551. Gemäß § 44 Abs. 1 VerfGHG ist ein Antrag im Organstreitverfahren nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch die Verfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Den Antragsteller trifft hierbei eine Substantiierungspflicht. Nach § 44 Abs. 2 VerfGHG ist die Maßnahme oder Unterlassung, durch die der Antragsgegner gegen die Verfassung verstoßen haben soll, im Antrag näher darzulegen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass eine Verletzung oder unmittelbare Gefährdung des ihm verfassungsrechtlich eingeräumten Rechtsstatus nach dem Vortrag des Antragstellers möglich, d. h. nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 121 m. w. N.).
156§ 44 Abs. 1 und 2 VerfGHG verlangen die Darlegung gerade einer subjektiven Verfassungsrechtsposition, denn bei dem Organstreit handelt es sich um eine kontradiktorische Parteistreitigkeit; er dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns. Kern des Organstreitverfahrens ist auf Seiten des Antragstellers die Durchsetzung von Rechten. Der Organstreit eröffnet daher nicht die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage; für eine allgemeine oder umfassende, von eigenen Rechten des Antragstellers losgelöste, abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit einer angegriffenen Maßnahme ist im Organstreit kein Raum (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 7. Juli 2020 – VerfGH 88/20, juris, Rn. 52; eingehend zu § 64 BVerfGG: BVerfG, Beschlüsse vom 11. Dezember 2018 – 2 BvE 1/18, BVerfGE 150, 194 = juris, Rn. 18, 26, und vom 2. Juli 2019 – 2 BvE 4/19, BVerfGE 151, 191 = juris, Rn. 20, 30, jeweils m. w. N.). Von obersten Landesorganen und den in der Landesverfassung oder einer Geschäftsordnung mit eigenen Rechten ausgestatteten Teilen dieser Organe sowie den ihnen gleichgestellten politischen Parteien kann erwartet werden, dass sie den Angriffsgegenstand, das als verletzt erachtete Recht und die tatsächlichen Umstände, aus denen sie den Verfassungsverstoß herleiten, deutlich bezeichnen (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 28. August 2001 – VerfGH 14/00, NWVBl. 2001, 467 = juris, Rn. 40; Heusch, in: Heusch/Schönenbroicher, LV NRW, 2. Aufl. 2020, Art. 75 Rn. 35 m. w. N.).
1572. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Antragstellerin macht eine Erschwerung und Vereitelung der Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses bei der Umsetzung seines Beweisbeschlusses vom 12. Juli 2019 durch die Antragsgegner geltend. Wird eine vom Untersuchungsausschuss beschlossene Beweiserhebung durch Maßnahmen der Exekutive vereitelt, so kann dadurch der parlamentarische Untersuchungsauftrag in Frage gestellt sein (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 – 2 BvE 11/83, BVerfGE 67, 100 = juris, Rn. 85). Betroffen sein kann damit zugleich das Minderheitenrecht der Antragstellerin, wenn das mit dem Beweisbeschluss geltend gemachte Aktenvorlagebegehren des Untersuchungsausschusses nicht durchgesetzt würde (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 – 2 BvE 11/83, BVerfGE 67, 100 = juris, Rn. 87). Hierauf beruft sich die Antragstellerin und bezeichnet damit ein sowohl sie selbst als auch die Antragsgegner umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. VerfGH NRW, Urteile vom 15. Dezember 2015 – VerfGH 12/14, NWVBl. 2016, 371 = juris, Rn. 69, und vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 122).
158a) Die Antragstellerin ist hinsichtlich des Antrags zu 1. antragsbefugt.
159Soweit die Antragstellerin mit dem Antrag zu 1. nicht nur eine vollständige Verweigerung der Aktenvorlage, sondern eine in quantitativer wie zeitlicher Hinsicht unzureichende Vorlage sämtlicher vom Beweisbeschluss Nr. 2 erfasster Akten geltend macht, ist eine Verletzung der parlamentarischen Untersuchungsrechte aufgrund des hinreichend substantiierten Vortrags der Antragstellerin gleichwohl möglich. So ist anerkannt, dass auch eine bloße Verzögerung die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle entscheidend in Frage stellen kann. Denn der Untersuchungsausschuss hört mit dem Ende der jeweiligen Wahlperiode zu bestehen auf, womit der mit dem Einsetzungsbeschluss konstituierte Untersuchungsauftrag leer läuft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 = juris, Rn. 102). Es ist daher nicht auszuschließen, dass nicht nur eine teilweise unterbliebene Vorlage an sich, sondern auch eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Verzögerung der Aktenvorlage das Recht der Antragstellerin auf Sachaufklärung und damit das zwischen den Beteiligten bestehende Verfassungsrechtsverhältnis verletzt. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist eine Frage der Begründetheit.
160b) Eine Rechtsverletzung scheidet – entgegen der Auffassung der Antragsgegner – auch nicht von vornherein bezüglich des Antrags zu 2. aus, mit dem die Antragstellerin wörtlich die ganz überwiegend unterlassene Vorlage der Originalakten rügt, soweit diese Akten keine Informationen enthielten, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar sei.
161Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht – wie bereits ausgeführt – fest, dass die Antragstellerin mit dem Antrag zu 2. geltend macht, die Antragsgegner hätten es unter Verstoß gegen Organrechte unterlassen, in das Verwahrgelass des Landtags sämtliche Akten zu liefern, die allein unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Unzumutbarkeitsschranken, nicht aber entsprechend der zwischen Untersuchungsausschuss und Antragsgegnern konsentierten – wohl weitergehenden – Pseudonymisierungsmaßgaben bearbeitet worden seien. Mit diesem Inhalt bleibt das mit dem Antrag zu 2. zum Ausdruck gebrachte verfassungsrechtliche Begehren allerdings hinter dem im vorgerichtlichen Schriftverkehr zwischen den Beteiligten umstrittenen Verlangen sowohl des Untersuchungsausschusses und als auch der Antragstellerin zurück. Bis zur Einleitung des Organstreitverfahrens machten der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses sowie die Antragstellerin gegenüber den Antragsgegnern einen Aktenvorlageanspruch geltend, der auf die Herausgabe sämtlicher Vorgänge im Originalzustand – ohne Berücksichtigung der drittgrundrechtsschützenden Vorgaben zur Unzumutbarkeit – gerichtet war. Dies ergibt sich etwa aus den Schreiben des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vom 14. November 2019 an beide Antragsgegner, vom 29. November 2019 und vom 10. Juni 2020 an den Antragsgegner zu 1., und den Schreiben von einzelnen der Antragstellerin zugehörigen Abgeordneten vom 1. Oktober 2020.
162Danach ist der mit dem Antrag in Bezug genommene Angriffsgegenstand hinreichend deutlich bezeichnet (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 28. August 2001 – VerfGH 14/00, NWVBl. 2001, 467 = juris, Rn. 40). Er ist auch hinreichend bestimmt. Dies reicht für die Bejahung der Antragsbefugnis aus. Ob dem Antrag zu 2. in der hier zugrunde gelegten Auslegung andere Zulässigkeitsmängel entgegenstehen, ist hingegen für die Antragsbefugnis unerheblich.
163III.
164Die Antragsfrist des § 44 Abs. 3 VerfGHG ist mit der Antragstellung am 10. November 2020 nach den anzulegenden verfassungsprozessualen Maßstäben (dazu 1.) nur hinsichtlich des Antrags zu 1. eingehalten (dazu 2.). Der Antrag zu 2. ist hingegen insgesamt verfristet (dazu 3.).
1651. Gemäß § 44 Abs. 3 VerfGHG muss ein Antrag im Organstreitverfahren innerhalb von sechs Monaten gestellt werden, nachdem die beanstandete Handlung oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist. Die Ausschlussfrist wird bei einer Maßnahme, auf die sich später die im Organstreitverfahren vorgebrachte Rüge bezieht, dadurch in Gang gesetzt, dass sie dem antragsbefugten Verfassungsorgan, Organteil oder sonstigen Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht bekannt wird. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass dem späteren Antragsteller auch schon die rechtliche Bedeutung der Maßnahme, insbesondere ihre verfassungsrechtlich einwandfreie Einordnung, gegenwärtig ist (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 7. März 1995 – VerfGH 16/93, NWVBl. 1995, 213 = juris, Rn. 32, und Urteil vom 21. November 1995 – VerfGH 21/94, NWVBl. 1996, 58 = juris, Rn. 36). § 44 Abs. 3 VerfGHG bezieht das Fristerfordernis ausdrücklich auch auf ein Unterlassen als Angriffsziel eines Organstreits. Für den Fristbeginn ist an ein objektiv fassbares, hinreichend deutliches Verhalten des handlungspflichtigen Verfassungsorgans anzuknüpfen (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 21. November 1995 – VerfGH 21/94, NWVBl. 1996, 58 = juris, Rn. 37). Mit der Ausschlussfrist des § 44 Abs. 3 VerfGHG sollen im Organstreitverfahren angreifbare Rechtsverletzungen im Interesse der Rechtssicherheit nach einer bestimmten Zeit außer Streit gestellt werden (vgl. zu § 64 Abs. 3 BVerfGG: BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989 – 2 BvE 1/88, BVerfGE 80, 188 = juris, Rn. 76, und Beschluss vom 23. Januar 1995 – 2 BvE 6/94, BVerfGE 92, 80 = juris, Rn. 31 m. w. N.). Dies rechtfertigt die Annahme einer zeitlichen Grenze für die Einleitung eines Organstreits auch dann, wenn Angriffsziel ein fortbestehendes Unterlassen des Antragsgegners ist. Wann unter solchen Umständen die Frist für die Erhebung einer Organklage beginnt, lässt sich nicht generell und für alle Fallgestaltungen einheitlich festlegen. Sie wird spätestens aber dadurch in Lauf gesetzt, dass sich der Antragsgegner erkennbar eindeutig weigert, in der Weise tätig zu werden, die der Antragsteller zur Wahrung der Rechte aus seinem verfassungsrechtlichen Status für erforderlich hält. In einer derartigen Weigerung liegt damit zugleich ein Geschehen, das – im Sinne von § 44 Abs. 3 VerfGHG – als Bekanntwerden des Unterlassens zu werten ist und an das deshalb – trotz fortdauernden Unterlassens – für den Fristbeginn anzuknüpfen ist (vgl. zu § 64 Abs. 3 BVerfGG: BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1995 – 2 BvE 6/94, BVerfGE 92, 80 = juris, Rn. 31 m. w. N.).
166Mitteilungen eines Ministers über ein von ihm zu verantwortendes Verhalten, das von einem anderen Verfassungsorgan oder Organteil beanstandet wird, lösen den Beginn der Frist für den ein Organstreitverfahren eröffnenden Antrag aus, wenn sie den Antragsteller in die Lage versetzen, eine abschließende rechtliche Bewertung am Maßstab der einschlägigen Verfassungsvorschrift(en) vorzunehmen (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 7. März 1995 – VerfGH 16/93, NWVBl. 1995, 213 = juris, Rn. 33). Dieser Anforderung wird nur eine vollständige und in jeder Beziehung zutreffende Unterrichtung über die jeweilige Maßnahme gerecht. Genügt eine Mitteilung diesen Erfordernissen und weist ihr Urheber sie weder ausdrücklich noch sinngemäß als noch überprüfungsbedürftig oder vorläufig aus, ist der zum Lauf der Antragsfrist führende Tatbestand des § 44 Abs. 3 VerfGHG gegeben (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 7. März 1995 – VerfGH 16/93, NWVBl. 1995, 213 = juris, Rn. 33). Die Frist zur Antragstellung beginnt erst dann, wenn ein entsprechender Verstoß mit hinreichender Sicherheit feststeht oder wenn sich der Antragsgegner erkennbar weigert, die Maßnahmen zu treffen, die der Antragsteller zur Wahrung der Rechte aus seinem verfassungsrechtlichen Status für erforderlich hält. Der Lauf der Frist nach § 44 Abs. 3 VerfGHG kann dabei nicht vor einer entsprechenden und eindeutigen Weigerung des zuständigen Ressortministers beginnen (vgl. zu § 64 Abs. 3 BVerfGG: BVerfG, Urteil vom 19. Juni 2012 – 2 BvE 4/11, BVerfGE 131, 152 = juris, Rn. 82 f.; siehe außerdem schon BVerfG, Beschluss vom 11. April 1967 – 2 BvG 1/62, BVerfGE 21, 312 = juris, Rn. 24).
1672. Nach diesen Maßstäben wahrt der Antrag zu 1. insgesamt die Antragsfrist.
168a) Dabei ist hinsichtlich des Bekanntwerdens der angegriffenen Maßnahme im Sinne des § 44 Abs. 3 VerfGHG auf die Kenntnisnahme des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses abzustellen, dessen Wissen dem Gesamtausschuss und mithin der Antragstellerin zuzurechnen ist. Dies folgt aus Stellung und Funktion des Vorsitzenden, der gemäß § 4a Abs. 1 UAG NRW das Untersuchungsverfahren unparteiisch und gerecht leitet und die Ordnung des Ausschusses wahrt. Er ist im Ausschuss nicht stimmberechtigt. Nach § 4a Abs. 2 Satz 1 UAG NRW obliegt ihm ferner der Erlass der verhandlungsleitenden Verfügungen und im Rahmen der durch den Ausschuss gefassten Beschlüsse u. a. die Anforderung von Beweismitteln bei den zuständigen Stellen. Solange gegen Anordnungen des Vorsitzenden oder deren Unterlassung nicht die Entscheidung des Ausschusses beantragt wird (§ 4a Abs. 3 UAG NRW), handelt er für den Ausschuss. Ihn trifft dabei insbesondere eine Loyalitätspflicht gegenüber der Minderheit und er ist verpflichtet, für die effektive und zeitnahe Umsetzung der Beweisbeschlüsse Sorge zu tragen (vgl. Brocker, in: Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl. 2016, § 6 PUAG Rn. 2, 6; Peters, Untersuchungsausschussrecht, Länder und Bund, 2. Aufl. 2020, Rn. 217 f.).
169b) Für den Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 1. ist die mit dem Antrag zu 1. angegriffene Maßnahme im Sinne des § 44 Abs. 3 VerfGHG die unterlassene Vorlage derjenigen Dokumente, die der Antragsgegner zu 1. unter Hinweis auf die Übersendung durch dritte Behörden, hier insbesondere durch den Antragsgegner zu 2., den Akten entnommen hat. Im Übrigen gibt das Antragsvorbringen nichts dafür her, dass der Antragsgegner zu 1. die Vorlage pseudonymisierter Akten schuldig geblieben wäre; jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Antragsfrist sind daher auch die Anfang November 2020 übergebenen sogenannten Vorgangslisten der Kreispolizeibehörde Lippe unproblematisch.
170Eine als Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn erforderliche erkennbar eindeutige Weigerung des Antragsgegners zu 1., die gegebenenfalls auch im Bereich des Antragsgegners zu 2. vorhandenen Aktenbestandteile zu pseudonymisieren und vorzulegen, ist vor dem 10. Mai 2020 – und damit in dem maßgeblichen Zeitraum von mehr als sechs Monaten vor Einleitung des Organstreits am 10. November 2020 – nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Antragsgegner ist das Schreiben des Antragsgegners zu 1. an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vom 31. März 2020 keine solche erkennbar eindeutige Erfüllungsweigerung. Er führte in diesem Schreiben aus:
171„Ohne einer abschließenden Prüfung vorgreifen zu wollen, bitte ich Sie zu berücksichtigen, dass Unterlagen der Polizeibehörden, die Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Verfahrensakten geworden sind, durch die Justiz vorgelegt werden.“
172Aus Sicht des Untersuchungsausschusses und der Antragstellerin als dessen qualifizierte Minderheit konnte mit diesem Schreiben vom 31. März 2020 noch nicht hinreichend klar sein, dass der Antragsgegner zu 1. von einer Vorlage der bezeichneten Unterlagen absehen werde. Zwar lässt der Verweis auf eine Vorlage der Unterlagen „durch die Justiz“ nach seinem Aussagegehalt eine Auslegung als Verweigerung einer eigenen Vorlage durch den Antragsgegner zu 1. zu. Jedoch erklärte dieser zugleich, einer abschließenden Prüfung nicht vorgreifen zu wollen. Nach dem anzulegenden objektiven Empfängerhorizont mussten der Antragstellerin damit erhebliche Zweifel verbleiben, ob die Erklärung im Schreiben vom 31. März 2020 überhaupt als Erfüllungsverweigerung intendiert war. Wird aber die Frage eines die Verfassungsrechtsposition eines Antragstellers betreffenden Rechtsstandpunkts ausdrücklich offen gehalten und nicht unzweifelhaft ablehnend beantwortet, fehlt es an einer erkennbar und hinreichend eindeutigen, objektiv fassbaren Verweigerungsverlautbarung des handlungspflichtigen Verfassungsorgans. Eine wegen verbleibender Auslegungszweifel in wesentlichen Punkten offene Erklärung löst die Antragsfrist des § 44 Abs. 3 VerfGHG nicht aus.
173c) Bezogen auf den Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 2. hat der Lauf der Antragsfrist jedenfalls nicht vor Ende Juni 2020 begonnen, so dass der Antrag zu 1. auch insoweit fristgemäß gestellt ist.
174Die terminliche Fixierung des Fristbeginns nicht vor Anfang Juli 2020 ergibt sich aus dem in Vertretung des Antragsgegners zu 2. verfassten Schreiben des Staatssekretärs im Ministerium der Justiz an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vom 24. April 2020. In dem Schreiben wurde eine Fertigstellung der Pseudonymisierung aller Unterlagen bis Ende Juni 2020 angekündigt. Erst nach Verstreichen des prognostizierten Fertigstellungszeitpunkts konnte die Frist des § 44 Abs. 3 VerfGHG beginnen.
175Für den Fristbeginn unerheblich ist demgegenüber die Mitteilung in dem genannten Schreiben, dass eine Aufstockung des vorhandenen und mit der Pseudonymisierung beschäftigten Personals nicht in Betracht gezogen werde. Antragsgegenstand des Antrags zu 1. ist bezogen auf den Antragsgegner zu 2. – neben der teilweisen Nichtlieferung vom Beweisbeschluss umfasster Akten – , dass dieser es unterlassen habe, die grundsätzlich abgesprochene Pseudonymisierung in einem angemessenen und akzeptablen Zeitrahmen abzuschließen. Insoweit ist an ein objektiv fassbares, hinreichend deutliches Verhalten des handlungspflichtigen Verfassungsorgans anzuknüpfen, um den Fristbeginn zu konkretisieren (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 21. November 1995 – VerfGH 21/94, NWVBl. 1996, 58 = juris, Rn. 37). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Fristbeginn unter diesen Umständen nicht generell und für alle Fallgestaltungen einheitlich festlegen lässt. Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls, nach denen ein rechtserhebliches Fehlverhalten im Verantwortungsbereich des Antragsgegners dem Antragsteller in einer Weise bekannt werden muss, die Letzteren dazu bewegen müsste, verfassungsrechtliche und letztlich verfassungsgerichtliche Konsequenzen zu ziehen. Nach diesem Maßstäben führt die im Schreiben vom 24. April 2020 verlautbarte Ablehnung einer Änderung des Einsatzes von Personalmitteln durch den Antragsgegner zu 2. nicht auf einen Fristbeginn bereits Ende April 2020, auch wenn die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis sowohl von dem zur Pseudonymisierung eingesetzten Personal im Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 2. als auch den dort aufgetretenen Bearbeitungsschwierigkeiten erhalten hatte. Denn die in dem Schreiben ausdrücklich ausgesprochene Erfüllungsankündigung kann nicht zugleich als Erfüllungsverweigerung verstanden werden.
176Außerdem erklärten sich die Obleute des Untersuchungsausschusses ausweislich des Antwortschreibens des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses an den Antragsgegner zu 2. vom 30. April 2020 mit einer Zurverfügungstellung der angeforderten Akten bis Ende Juni 2020 im Ergebnis einverstanden. Auch aus diesem Grund konnte die Mitteilung vom 24. April 2020 allein die Rechte des Untersuchungsausschusses nicht verletzen und die Frist in Gang setzen. Für diese Bewertung streitet zudem das Argument, dass die Antragstellerin ansonsten bei einem Fristbeginn schon Ende April 2020 für ihr Entgegenkommen gegenüber dem Antragsgegner zu 2., den Abschluss der Pseudonymisierungsarbeiten bis Ende Juni 2020 hinzunehmen, gleichsam bestraft würde. Diese Konsequenz wäre mit dem das Verhältnis der Staatsorgane zueinander prägenden Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme schwerlich vereinbar.
1773. Der Antrag zu 2. wahrt insgesamt nicht die Antragsfrist.
178Nach der Auslegung des Antrags zu 2. (dazu B.III) ist für ein mögliches fristauslösendes Ereignis im Sinne des § 44 Abs. 3 VerfGHG auf eine erkennbar eindeutige Verweigerung der Antragsgegner abzustellen, die Akten an das Verwahrgelass des Landtags zu übergeben, die allein unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Unzumutbarkeitsschranken, nicht aber entsprechend der zwischen Untersuchungsausschuss und Antragsgegnern konsentierten – möglicherweise weitergehenden – Pseudonymisierungsmaßgaben bearbeitet worden seien. Beide Antragsgegner haben mit hinreichender Deutlichkeit und bereits in einem Zeitpunkt, der länger als sechs Monate vor Einleitung des Organstreitverfahrens zurückliegt, die Vorlage unbearbeiteter Akten verweigert (dazu a). In dieser Erfüllungsverweigerung ist als qualitatives Minus auch die Vorlage allein nach etwaigen verfassungsrechtlichen Kriterien pseudonymisierend bearbeiteter Akten – wie sie die Antragstellerin mit ihrem Antrag zu 2. verlangt – enthalten (dazu b).
179a) Bereits in dem gemeinsamen Schreiben der Antragsgegner vom 25. Oktober 2019 liegt eine die Frist des § 44 Abs. 3 VerfGHG auslösende Vorlageverweigerung. Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont von Untersuchungsausschuss und Antragstellerin haben beide Antragsgegner in diesem Schreiben an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses in hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass eine Vorlage der unbearbeiteten Originalakten nicht in Betracht komme. Mitgeteilt wurde, die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit bestätige die datenschutzrechtliche Bewertung der Antragsgegner. In der beigefügten Stellungnahme der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 11. Oktober 2019 bestätigte diese ausdrücklich gegenüber beiden Antragsgegnern die in deren gemeinsamen Schreiben jeweils vom 2. Oktober 2019 sowohl ihr als auch dem Untersuchungsausschuss gegenüber geäußerte Auffassung, die Übersendung unbearbeiteter Akten sei unzulässig und nicht möglich. Unter Berücksichtigung dieser Korrespondenz konnte das Schreiben vom 25. Oktober 2019 nur so verstanden werden, dass beide Antragsgegner dem Vorlageverlangen des Untersuchungsausschusses nicht nachkommen würden. Der mit dem Schreiben vom 25. Oktober 2019 gemachte Vorschlag, sich zeitnah über das weitere Prozedere zu verständigen, ändert an diesem Auslegungsergebnis nichts. Damit war die spätere Einigung zwischen Untersuchungsausschuss und Antragsgegnern angesprochen, die am 29. November 2019 in die Übersendung der „Checkliste Pseudonymisierung“ mündete. Diese Einigung mit dem Ziel eines effektiven Fortschritts der Ausschussarbeit ist von den möglicherweise verfassungsrechtlich vorgegebenen Unzumutbarkeitsschranken zu unterscheiden, denen die Behandlung persönlicher Daten Betroffener unterliegt und die nicht zur Disposition der Verfassungsorgane stehen.
180Die Antragsgegner haben ihren Rechtsstandpunkt in der Folgezeit bekräftigt. Dies betrifft zunächst eine E-Mail eines Mitarbeiters des Antragsgegners zu 1. vom 28. November 2019 an einen Mitarbeiter des Ausschusssekretariats im Nachgang zur Referentenrunde vom 25. November 2019. Durch diese E-Mail wurde die Stellungnahme der Mitarbeiter des Antragsgegners zu 1. in der Referentenrunde dahingehend präzisiert, dass der Untersuchungsausschuss die unbearbeiteten Akten zur Einsicht durch die Obleute nur dann erhalte, sofern die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit darin kein datenschutzrechtliches Problem sehe. Insoweit wurde auf der Arbeitsebene auf die bereits Ende Oktober 2019 ausgesprochene Erfüllungsverweigerung Bezug genommen, ohne dass sich an der verlautbarten Rechtsauffassung des Antragsgegners zu 1. etwas geändert hätte.
181Auch die im Rahmen der Referentenrunde vom 25. November 2019 ausgesprochene Ablehnungserklärung von Vertretern des Antragsgegners zu 2. und das Schreiben des Antragsgegners zu 2. an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vom 9. Dezember 2019 sowie die zugleich als Anlage übersandten weiteren Schreiben des Antragsgegners zu 2. vom 4. Dezember und 9. Dezember 2019 sowie der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 6. Dezember 2019 sind solche Bestätigungen.
182Die Antragsgegner haben demnach bereits im Oktober 2019 gegenüber dem Untersuchungsausschuss und damit auch gegenüber der Antragstellerin ihren Rechtsstandpunkt zum Ausdruck gebracht und die Vorlage von Originalakten abgelehnt. Dies hätte die Antragstellerin dazu bewegen müssen, verfassungsrechtliche und – binnen der von § 44 Abs. 3 VerfGHG vorgesehenen Sechsmonatsfrist – verfassungsgerichtliche Konsequenzen zu ziehen.
183b) Diese Weigerung, die Originalakten zur Verfügung zu stellen, umfasst auch die Vorlage der vom Beweisbeschluss erfassten Akten in einer Bearbeitungsform, die – wie sie die Antragstellerin mit ihrem Antrag zu 2. verlangt – allein die verfassungsrechtlich vorgegebenen Unzumutbarkeitsschranken abbildet und nicht die zwischen Untersuchungsausschuss und Antragsgegnern vereinbarten – möglicherweise weitergehenden – Pseudonymisierungsregeln.
184Maßgeblich hierfür ist, wie der Untersuchungsausschuss und damit die Antragstellerin die Erklärungen der Antragsgegner nach ihrem Kontext und dem objektiven Empfängerhorizont verstehen mussten, denn mit der Ausschlussfrist des § 44 Abs. 3 VerfGHG sollen im Organstreitverfahren angreifbare Rechtsverletzungen im Interesse der Rechtssicherheit gerade nach einer bestimmten Zeit außer Streit gestellt werden. Beide Antragsgegner haben mit hinreichender Deutlichkeit bereits in einem Zeitpunkt, der länger als sechs Monate vor Einleitung des Organstreitverfahrens zurückliegt, die Vorlage unbearbeiteter Akten und damit als qualitatives Minus auch die allein nach etwaigen verfassungsrechtlich vorgegebenen Unzumutbarkeitskriterien – und nicht nach zwischen den Beteiligten vereinbarten Pseudonymisierungskriterien – bearbeiteter Akten ausgeschlossen. Wenngleich mit dem Antrag zu 2. prozessual allein die Vorlage dieses qualitativen Minus geltend gemacht wird (dazu B.III), stand vorprozessual zwischen den Beteiligten die Gesamtlieferung der unbearbeiteten Akten im Streit. Da von dieser Gesamtlieferung vorprozessual auch die Vorlage der allein nach verfassungsrechtlichen Unzumutbarkeitsschranken bearbeiteten Akten umfasst war, ist in der Erfüllungsverweigerung als qualitatives Minus somit auch das von der Antragstellerin mit dem Antrag zu 2. verfolgte Begehren enthalten.
185IV.
186Der Antragstellerin fehlt hinsichtlich des Antrags zu 1. nicht das für die Durchführung des Organstreitverfahrens grundsätzlich erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
1871. Auch im kontradiktorischen (siehe dazu C.II.1) Organstreitverfahren ist ein Rechtsschutzbedürfnis des antragstellenden Organs grundsätzlich Voraussetzung für die Sachentscheidung (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 126 m. w. N.).
188Das Rechtsschutzbedürfnis ist grundsätzlich gegeben, wenn und solange über die Rechtsverletzung zwischen den Beteiligten Streit besteht, denn mit der kontradiktorischen Ausgestaltung des Organstreitverfahrens ist eine diskursive Auseinandersetzung der Verfassungsorgane um ihre Kompetenzen intendiert (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 127 m. w. N.). Es entfällt nicht bereits deshalb, weil die beanstandete Rechtsverletzung in der Vergangenheit liegt. Vielmehr besteht ein objektives Klärungsinteresse fort, wenn die Möglichkeit besteht, dass die aufgeworfenen Fragen zukünftig in vergleichbaren Fällen erneut in Streit stehen (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 127 m. w. N.).
189Das Rechtsschutzbedürfnis eines Antragstellers im Organstreitverfahren setzt das Bestehen eines für den Antragsgegner erkennbaren Streits über Rechte und Pflichten voraus. So trifft etwa bei vermeintlich oder tatsächlich unrichtig bzw. unvollständig beantworteten parlamentarischen Fragen eines Abgeordneten an die Landesregierung den Abgeordneten daher – im Regelfall – eine Konfrontationsobliegenheit. Er muss der Landesregierung durch den Hinweis auf die mutmaßliche Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit ihrer Antwort die Möglichkeit geben, die Sach- und Rechtslage ihrerseits zu prüfen und ihre Antwort gegebenenfalls zu berichtigen oder zu ergänzen. Denn der Konflikt, dessen Bereinigung der Antragsteller im kontradiktorischen Verfahren vor dem Verfassungsgericht begehrt, muss zuvor für den Antragsgegner erkennbar geworden sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 2 BvE 6/16, BVerfGE 147, 31 = juris, Rn. 19). Diese Anforderungen gelten in gleicher Weise für den Streit um die Erfüllung von Beweisbeschlüssen parlamentarischer Untersuchungsausschüsse. Denn das Erfordernis eines auch für den Antragsgegner erkennbaren Streits über Rechte und Pflichten ist eine generelle Konsequenz daraus, dass das Organstreitverfahren durch Art. 75 Nr. 2 LV sowie § 12 Nr. 5, §§ 43 ff. VerfGHG als kontradiktorische Parteistreitigkeit ausgestaltet ist. Die kontradiktorische Ausgestaltung des Organstreitverfahrens bezweckt eine diskursive Auseinandersetzung der Verfassungsorgane um ihre Kompetenzen. Die mit der Konfrontationsobliegenheit verbundene Verpflichtung, sich bereits im politischen Prozess mit der Verfassungsrechtslage zu befassen und beanspruchte Rechte einzufordern, stellt auch keine unzumutbare Belastung dar. Sie geht nicht über das hinaus, was für den Umgang zwischen Verfassungsorganen als selbstverständlich zu erwarten ist (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 28. Januar 2020 – VerfGH 5/18, NWVBl. 2020, 366 = juris, Rn. 76 m. w. N.; eingehend: BVerfG, Beschlüsse vom 2. Juli 2019 – 2 BvE 4/19, BVerfGE 151, 191 = juris, Rn. 20, und vom 17. September 2019 – 2 BvE 2/18, BVerfGE 152, 35 = juris, Rn. 31, jeweils m. w. N.).
190Das Bestehen einer Konfrontationsobliegenheit dient nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht dazu, einen Antragsteller vor Anrufung des Verfassungsgerichts auf diffuse politisch-parlamentarische Handlungsmöglichkeiten zu verweisen (vgl. BVerfG, Urteile vom 12. Juli 1994 – 2 BvE 3/92, BVerfGE 90, 286 = juris, Rn. 207 ff., und vom 22. November 2001 – 2 BvE 6/99, BVerfGE 104, 151 = juris, Rn. 136, Beschlüsse vom 22. November 2011 – 2 BvE 3/08, BVerfGE 129, 356 = juris, Rn. 42, und vom 17. September 2019 – 2 BvE 2/18, BVerfGE 152, 35 = juris, Rn. 30 f.). Jedoch bestehen seit jeher Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis für ein Organstreitverfahren, wenn ein Antragsteller völlig untätig bleibt, obwohl er in der Lage gewesen wäre, die nunmehr gerügte Rechtsverletzung durch eigenes Handeln rechtzeitig zu vermeiden (vgl. BVerfG, Urteile vom 18. Dezember 1984 – 2 BvE 13/83, BVerfGE 68, 1 = juris, Rn. 116 ff., und vom 7. Mai 2008 – 2 BvE 1/03, BVerfGE 121, 135 = juris, Rn. 54, unter Bezugnahme auf BVerfG, Sondervotum zum Urteil vom 12. Juli 1994 – 2 BvE 3/92, BVerfGE 90, 286 = juris, Rn. 356, Beschluss vom 17. September 2019 – 2 BvE 2/18, BVerfGE 152, 35 = juris, Rn. 30 f.). Nach alledem soll dem Antragsteller nicht unter pauschalem Hinweis auf allgemeine politische Handlungsalternativen der Zugang zu einem verfassungsgerichtlichen Verfahren abgeschnitten werden. Von derartigen diffusen Handlungsmöglichkeiten sind indes diejenigen Handlungsoptionen abzugrenzen, die nicht bloß politisch, sondern normativ vorgesehen sind, gerade um ein Verfassungsrechtsverhältnis der im kontradiktorischen Parteistreit (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Mai 2010 – 2 BvE 5/07, BVerfGE 126, 55 = juris, Rn. 45, vom 11. Dezember 2018 – 2 BvE 1/18, BVerfGE 150, 194 = juris, Rn. 18, vom 2. Juli 2019 – 2 BvE 4/19, BVerfGE 151, 191 = juris, Rn. 20, und vom 17. September 2019 – 2 BvE 2/18, BVerfGE 152, 35 = juris, Rn. 30 f.) gegenüberstehenden Organe erst zu konkretisieren, zu gestalten und gegebenenfalls zu klären. Deshalb verneint das Bundesverfassungsgericht konsequent das Rechtsschutzbedürfnis für einen Organstreit, wenn der Antragsteller versäumt, sich bereits im politischen Prozess mit der Verfassungsrechtslage zu befassen und beanspruchte Rechte einzufordern. Eine solche Verpflichtung („Konfrontationsobliegenheit“) ist für den Umgang zwischen Verfassungsorganen als selbstverständlich zu erwarten (vgl. zuletzt VerfGH NRW, Urteil vom 28. Januar 2020 – VerfGH 5/18, NWVBl. 2020, 366 = juris, Rn. 76; BVerfG, Beschlüsse vom 10. Oktober 2017 – 2 BvE 6/16, BVerfGE 147, 31 = juris, Rn. 19, und vom 17. September 2019 – 2 BvE 2/18, BVerfGE 152, 35 = juris, Rn. 30 f.).
191Macht demnach ein Untersuchungsausschuss die unzureichende Erfüllung eines im Rahmen seines Untersuchungsrechts erlassenen Beweisbeschlusses durch die Landesregierung oder Teile derselben geltend, trifft ihn in gleicher Weise wie bei der vermeintlich oder tatsächlich unrichtigen bzw. unvollständigen Beantwortung parlamentarischer Fragen eines Abgeordneten eine Konfrontationsobliegenheit. Der Untersuchungsausschuss oder dessen qualifizierte Minderheit müssen den durch den Beweisbeschluss adressierten öffentlichen Stellen durch ihnen mögliche konkrete Hinweise auf die aus ihrer Sicht unzureichende Umsetzung der fraglichen Aufforderung ihrerseits die Möglichkeit geben, die bisherige Erfüllung zu prüfen und etwaige Konsequenzen daraus zu ziehen, um die von Verfassungs wegen gebotene, zeitlich wie sachlich angemessene Unterstützung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu gewährleisten.
1922. Nach diesen Maßstäben hat die Antragstellerin vor Anrufung des Verfassungsgerichtshofs alles ihr Mögliche getan, um das mit dem Antrag zu 1. inhaltlich bestimmte Verfassungsrechtsverhältnis gegenüber den Antragsgegnern zu konkretisieren, zu gestalten und zu klären und so eine etwaige Verfassungsrechtsverletzung abzuwenden. Die mit dem Antrag zu 1. gerügte Verletzung ihrer Organrechte insbesondere durch eine in quantitativer wie zeitlicher Hinsicht unzureichende Vorlage sämtlicher vom Beweisbeschluss Nr. 2 erfasster Akten haben der Untersuchungsausschuss und auch die Antragstellerin – soweit erforderlich und möglich – jeweils in zeitlich unmittelbarer Reaktion auf die maßgeblichen Stellungnahmen der Antragsgegner im Zuge ihrer Auseinandersetzung über die Umsetzung des Beweisbeschlusses geltend gemacht (dazu schon C.III). Dies wird auch durch die Antragsgegner nicht durchgreifend in Frage gestellt.
Der Antrag zu 1. ist teilweise begründet, soweit die Antragsgegner dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV einen Teil der angeforderten Akten nicht vorgelegt haben, ferner soweit der Antragsgegner zu 2. die in seinem Verantwortungsbereich eingetretenen Verzögerungen unzureichend gerechtfertigt und über sie wie auch über deren Folgen unzureichend informiert hat. Im Übrigen – insbesondere hinsichtlich der Art und Weise und des Umfangs der Pseudonymisierung sowie der grundsätzlichen Organisationsplanung des Antragsgegners zu 2. – ist der Antrag zu 1. hingegen unbegründet.
194I.
195Nach Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV erheben Untersuchungsausschüsse in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich erachten. Gerichte und Verwaltungsbehörden sind nach Art. 41 Abs. 2 Satz 2 LV insbesondere verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen nachzukommen. Die Akten der Behörden und öffentlichen Körperschaften sind ihnen nach Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV auf Verlangen vorzulegen.
1961. Das parlamentarische Regierungssystem wird durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Sie ist Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Zugleich verwirklicht die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für die Verfassung ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt. Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung der Verfassung dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. zu Art. 44 GG: BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 82 m. w. N.).
197Das in Art. 41 LV gewährleistete Untersuchungsrecht gehört zu den ältesten und wichtigsten Rechten des Parlaments. Dem Untersuchungsrecht im Allgemeinen und den damit in Verbindung stehenden Minderheitenrechten im Besonderen kommt in der parlamentarischen Demokratie ein besonderer Rang zu. Über das Zitierrecht nach Art. 45 Abs. 2 LV, das Interpellationsrecht nach Art. 40 LV und das Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten nach Art. 30 Abs. 2 und 3 LV hinaus verschafft das Untersuchungsrecht die Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung, die das Parlament zur Vorbereitung seiner Entscheidungen und vor allem zur Wahrung seiner Kontrollfunktion gegenüber der ihm verantwortlichen Regierung benötigt. Diese Kontrolle der Regierung wird in erster Linie von der Opposition – und damit in der Regel von einer Minderheit – wahrgenommen. Die Auslegung des Art. 41 LV und der diese Regelung konkretisierenden Vorschriften des Untersuchungsausschussgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen hat deshalb, insbesondere bei der Frage, welche Befugnisse einem Untersuchungsausschuss zustehen, zu berücksichtigen, dass die Bestimmungen die Voraussetzungen für eine wirksame parlamentarische Kontrolle schaffen sollen. Dabei ist der Wahrung der Minderheitenrechte im Untersuchungsausschuss besondere Bedeutung beizumessen (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 132; BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 83, jeweils m. w. N.).
198Das Verfassungsrechtsverhältnis zwischen der Landesregierung und dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss wird durch das Gebot der Verfassungsorgantreue geprägt. Dieser Grundsatz verpflichtet alle Verfassungsorgane zu wechselseitiger Achtung, Rücksichtnahme und Kooperation bei der Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben. Sie sind verpflichtet, bei Inanspruchnahme ihrer verfassungsmäßigen Kompetenzen auf die Interessen der anderen Verfassungsorgane Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerfG, Urteile vom 25. Mai 1977 – 2 BvE 1/74, BVerfGE 45, 1 = juris, Rn. 118, und vom 12. Juli 1994 – 2 BvE 3/92, BVerfGE 90, 286 = juris, Rn. 203 m. w. N., Beschluss vom 1. Juli 2009 – 2 BvE 5/06, BVerfGE 124, 161 = juris, Rn. 132). Der Grundsatz der Verfassungsorgantreue verpflichtet die Regierung nicht nur im Verhältnis zum Parlament insgesamt, sondern auch im Verhältnis zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen (vgl. Unger, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 44 Rn. 40 f.).
199Der Begriff der Beweiserhebung im Sinne des Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV ist weit zu verstehen. Er umfasst nicht nur die Beweisaufnahme in der Sitzung selbst, sondern ist funktional betrachtet auf den gesamten Prozess der Sachverhaltsaufklärung erstreckt. Zur Beweiserhebung im parlamentarischen Untersuchungsverfahren zählt deshalb nicht nur die Beweisaufnahme im engeren Sinne, wie sie etwa in § 244 Abs. 1 StPO geregelt ist. Vielmehr ist der gesamte Vorgang der Beweisverschaffung, Beweissicherung und Beweisauswertung erfasst. Dazu gehört etwa nicht nur die Vernehmung, sondern auch bereits die Ladung von Zeugen und nicht nur die Einsichtnahme in Dokumente und deren Auswertung, sondern auch bereits deren Anforderung zur Vorlage (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 142; BVerfG, Beschlüsse vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78 = juris, Rn. 109, vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 = juris, Rn. 110, und vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 84, jeweils m. w. N.).
2002. Das Recht auf Aktenvorlage gehört zum Kern des Untersuchungsrechts. Der Anspruch auf Vorlage von Akten im Verantwortungsbereich der Regierung folgt nicht lediglich aus dem Recht auf Amtshilfe gemäß Art. 41 Abs. 2 Satz 1 LV; er ist Bestandteil des Kontrollrechts aus Art. 41 Abs. 1 Satz 1 LV und des Rechts der Beweiserhebung nach Art. 41 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 LV. Einfachgesetzlich ist das Aktenvorlagerecht des Untersuchungsausschusses gegenüber der Landesregierung und allen Behörden des Landes sowie den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen, in § 14 Abs. 1 UAG NRW geregelt. Akten sind bei der Untersuchung politischer Vorgänge ein besonders wichtiges Beweismittel. Sie haben gegenüber Zeugenaussagen nicht selten einen höheren Beweiswert, weil das Gedächtnis von Zeugen aus mancherlei Gründen unergiebig werden kann. Der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben oder sein Verlangen auf bestimmte Aktenteile beschränken. Vielmehr soll er sich anhand der vollständigen Akten selbst ein Bild vom Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen können. Der Vorlageanspruch bezieht sich grundsätzlich auf alle Akten, die mit dem Untersuchungsgegenstand in Zusammenhang stehen. Bei einem Ersuchen auf Aktenvorlage muss nicht bereits feststehen, dass die Unterlagen auch tatsächlich entscheidungserhebliches Material oder entsprechende Beweismittel enthalten. Es reicht aus, wenn sie Hinweise hierauf geben könnten (vgl. zu Art. 44 GG: BVerfG, Beschlüsse vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78 = juris, Rn. 112 f., und vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 = juris, Rn. 110; siehe bereits eingehend BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 – 2 BvE 11/83, BVerfGE 67, 100 = juris, Rn. 97 ff.).
201Der Anspruch auf Vorlage von Akten im Verantwortungsbereich der Regierung ist danach Garant einer effektiven Beweiserhebung durch den parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Die Erfüllung des parlamentarisch beschlossenen Untersuchungsauftrags wird häufig auch deshalb von der Kenntnis des Inhalts der in einem Ministerium oder dessen Geschäftsbereich geführten Akten abhängen, weil erst die Kenntnis der Akten eine sinnvolle Zeugenvernehmung durch den Untersuchungsausschuss ermöglicht. Die in Anspruch genommenen zuständigen Minister sind daher nach Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV verpflichtet, die Akten ihres Geschäftsbereichs umfassend zu lokalisieren, zu sichten und unverzüglich vorzulegen.
202Adressat des Vorlageverlangens ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UAG NRW die zuständige oberste Dienstbehörde oder oberste Aufsichtsbehörde, bei Akten aus dem Geschäfts- und Verantwortungsbereich eines Ministeriums also der jeweilige Minister selbst, und nicht etwa die Landesregierung. Denn jeder Minister leitet nach Art. 55 Abs. 2 LV innerhalb der Richtlinien des Ministerpräsidenten seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 29. April 1997 – VerfGH 9/95, DVBl. 1997, 824 = juris, Rn. 38). Bezogen auf den Geschäftsbereich eines Ministers der Justiz ist der verfassungsrechtliche Vorlageanspruch hinsichtlich der gerichtlichen Akten an diesen selbst zu richten und nicht etwa an die jeweiligen Spruchkörper der gegebenenfalls betroffenen Gerichte (vgl. Peters, Untersuchungsausschussrecht, Länder und Bund, 2. Aufl. 2020, Rn. 657).
203Gegenstand eines Herausgabeverlangens zur Beweisverschaffung durch den Untersuchungsausschuss sind grundsätzlich alle sächlichen Beweismittel, insbesondere Akten, die sich im Herrschaftsbereich des Adressaten befinden. Dabei ist auch der Aktenbegriff funktional und weit zu verstehen. Maßgeblich ist allein die Möglichkeit der Zuordnung der fraglichen Unterlagen zu einem bestimmten Verfahren unabhängig davon, in welcher Form der Adressat über sie verfügt. Erfasst sind alle dem konkreten Verfahren zuzuordnenden Dokumente in Papierform ebenso wie elektronisch gespeicherte Dokumente (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 145; StGH NI, Urteil vom 24. Oktober 2014 – 7/13, LVerfGE 25, 409 = juris, Rn. 63; Gärditz, in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, 2015, § 18 Rn. 15, 17; Peters, Untersuchungsausschussrecht, Länder und Bund, 2. Aufl. 2020, Rn. 598 f., 602, jeweils m. w. N.; Herbeck, DVBl. 2015, 471, 472; Peters, NVwZ 2020, 1550, 1551 f.; Glauben, NVwZ 2021, 452, 453 f.).
2043. Das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses unterliegt allerdings Grenzen, die, auch soweit sie einfachgesetzlich geregelt sind, ihren Ursprung im Verfassungsrecht haben müssen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78 = juris, Rn. 116, vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 = juris, Rn. 111, und vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 86). Diese Einschränkungen gelten bereits für die Behandlung von Beweisanträgen im und durch den Untersuchungsausschuss selbst (vgl. zur Ablehnung von Beweisanträgen der qualifizierten Ausschussminderheit durch die Ausschussmehrheit: VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 149 ff.; BVerfG, Urteil vom 8. April 2002 – 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197 = juris, Rn. 107), und ebenso für die hier maßgebliche Frage, ob und wie Beweisbeschlüssen des Untersuchungsausschusses durch die hierdurch adressierten öffentlichen Stellen Folge zu leisten ist (vgl. Peters, Untersuchungsausschussrecht, Länder und Bund, 2. Aufl. 2020, Rn. 604).
205Nimmt eine durch einen Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses in die Pflicht genommene öffentliche Stelle für sich das Recht in Anspruch, einem Untersuchungsausschuss Beweismittel vorzuenthalten, bedarf dies einer verfassungsrechtlichen Grundlage (dazu nachfolgend). Mit Blick auf die Umstände des konkreten Falles führt dies zu einer verfahrensrechtlichen Konkretisierung des Verfassungsrechtsverhältnisses von Aktenvorlagerecht und Grundrechtsschutz (dazu D.I.4). Die Ablehnung der Aktenvorlage unterliegt von Verfassungs wegen einer Begründungspflicht (dazu D.I.5.a). Die Prüfung des hiergegen angerufenen Verfassungsgerichtshofs ist auf die hierbei gegebenen Gründe unter Beachtung des Kontextes der Ablehnungsentscheidung beschränkt (dazu D.I.5.b).
206a) Begrenzt wird das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses zunächst durch den im Einsetzungsbeschluss festgelegten Untersuchungsauftrag, der sich wiederum im Rahmen der parlamentarischen Kontrollkompetenz halten und hinreichend deutlich bestimmt sein muss (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 152 m. w. N.).
207Grenzen des parlamentarischen Untersuchungsrechts können sich zudem aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung ergeben. Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen. Dabei sind auch in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet werden kann, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung nachträglich mitzuteilen (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 153 m. w. N.).
208Eine weitere Grenze des Beweiserhebungsrechts eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das etwa durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 154 m. w. N.).
209Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben darüber hinaus gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Auch diese können zu einer Einschränkung des Beweiserhebungsrechts führen (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 155 m. w. N.). Hier ist gegebenenfalls ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Juni 2017 – 2 BvE 1/15, BVerfGE 146, 1 = juris, Rn. 100, und vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 94).
210Das Beweiserhebungsrecht endet schließlich an der Grenze des Rechtsmissbrauchs. So können Beweisanträge etwa zurückgewiesen werden, wenn sie offensichtlich der Verzögerung dienen (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 160 m. w. N.).
211b) Besondere Bedeutung erlangen die Grundrechte Dritter, indem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG den Schutz der personenbezogenen Daten betroffener Dritter bezweckt und das Aktenvorlagerecht einschränkt (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 159).
212aa) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich besonders unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung ergeben. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist von dem Grundrecht aus Art. 4 LV Abs. 1 LV i. V. m. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Die Gewährleistung greift insbesondere, wenn die Entfaltung der Persönlichkeit dadurch gefährdet wird, dass personenbezogene Informationen von staatlichen Behörden in einer Art und Weise genutzt und verknüpft werden, die Betroffene weder überschauen noch beherrschen können (vgl. zuletzt BVerfG, Beschlüsse vom 10. November 2020 – 1 BvR 3214/15, juris, Rn. 71, und vom 27. Mai 2020 – 1 BvR 1873/13, NJW 2020, 2699 = juris, Rn. 92, Urteil vom 7. November 2017 – 2 BvE 2/11, BVerfGE 147, 50 = juris, Rn. 236, jeweils m. w. N.).
213Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darf, soweit es von der Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses berührt wird, nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden. Die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 159; grundlegend: BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 u. a., BVerfGE 65, 1 = juris, Rn. 150 ff.). Das Beweiserhebungsrecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und der grundrechtliche Datenschutz stehen sich auf der Ebene des Verfassungsrechts gegenüber und müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkungen entfalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 – 2 BvE 11/83, BVerfGE 67, 100 = juris, Rn. 138). Von Verfassungs wegen ist geboten, zwischen Untersuchungsrecht und Grundrechtsschutz eine praktische Konkordanz herzustellen (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 19. August 2008 – VerfGH 7/07, OVGE 51, 289 = juris, Rn. 263; Günther, in: Heusch/Schönenbroicher, LV NRW, 2. Aufl. 2020, Art. 41 Rn. 26 ff.; ferner BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 94). Die dabei gebotene Abwägung kann auch die Prüfung einschließen, ob nach den Umständen eine öffentliche Beweisaufnahme gerechtfertigt ist oder ob die Grundrechte einen Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 9 Abs. 2 UAG NRW) und sonstige Vorkehrungen zur Geheimhaltung (§ 9 Abs. 5 UAG NRW) erfordern. So ist nach § 9 Abs. 5 Satz 3 UAG NRW für vorgelegte Akten der notwendige Geheimschutz zu gewährleisten. Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings auch die Bedeutung des Öffentlichkeitsprinzips in der Demokratie, dem – wie Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV belegt, indem er die Beweiserhebung grundsätzlich in öffentlicher Verhandlung vorsieht – gerade auch für das parlamentarische Untersuchungsverfahren ein besonderer Stellenwert zukommt (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 159; zu Art. 44 GG: BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78 = juris, Rn. 134 m. w. N.).
214Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts gestattet die Bedeutung, die das Kontrollrecht des Parlaments sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates hat, in aller Regel dann keine Verkürzung des Aktenherausgabeanspruchs zugunsten des grundrechtlichen Datenschutzes, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiete gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Bei der hiernach gebotenen Abwägung sind namentlich Art und Bedeutung des mit der beabsichtigten Beweiserhebung verfolgten Ziels im Rahmen des dem Untersuchungsausschuss erteilten Auftrags und die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der betroffenen Daten angemessen zu berücksichtigen. Eine Ausnahme hiervon gilt nur für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 28. Januar 2020 – VerfGH 5/18, NWVBl. 2020, 366 = juris, Rn. 95; BVerfG, Urteile vom 17. Juli 1984 – 2 BvE 11/83, BVerfGE 67, 100 = juris, Rn. 140, und vom 13. Juni 2017 – 2 BvE 1/15, BVerfGE 146, 1 = juris, Rn. 105, Beschlüsse vom 1. Oktober 1987 – 2 BvR 1165/86, BVerfGE 76, 363 = juris, Rn. 77, und vom 1. Oktober 1987 – 2 BvR 1178/86, BVerfGE 77, 1 = juris, Rn. 111).
215bb) Nach überwiegend vertretenem, vom Verfassungsgerichtshof geteilten Verständnis dieser Ausnahmekategorie handelt es sich dabei um eine absolute Grenze der Weitergabe persönlicher Daten und damit des Aktenvorlagerechts insgesamt; absolut ist die Grenze, weil sie ungeachtet etwaiger Geheimschutzmaßnahmen greift (vgl. Georgii, in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, 2015, § 29 Rn. 19; Glauben, in: Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl. 2016, Kapitel 17 Rn. 29; derselbe, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 44 Rn. 108, Stand März 2013; VGH BW, Beschluss vom 7. August 2015 – 1 S 1239/15, juris, Rn. 53, 59; Peters, NVwZ 2020, 1550, 1555; ähnlich: VerfGH BY, Entscheidung vom 31. März 1995 – Vf. 43-VI-94, VerfGHE BY 48, 34 = juris, Rn. 24; BVerwG, Beschluss vom 2. September 2019 – 6 VR 2.19, NVwZ 2020, 151 = juris, Rn. 51; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 216, Stand Dezember 2015; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 44 Rn. 32; anders wohl Gärditz, in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, 2015, § 18 Rn. 37). Die Weitergabe von Informationen, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, ist stets unzumutbar. Eine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse findet nicht statt. Solche Informationen gehen grundsätzlich auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss nichts an (vgl. Georgii, in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, 2015, § 29 Rn. 20; Glauben, in: Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl. 2016, § 29 Rn. 9 f. m. w. N.). Welche Informationen wegen ihres streng persönlichen Charakters unter diese Kategorie fallen, bedarf der einzelfallbezogenen Bewertung anhand des Kriteriums der Unzumutbarkeit einer etwaigen Kenntnisnahme durch außerhalb der zuständigen aktenführenden Stelle stehende Dritte.
216Für eine solche absolute Vorlagegrenze spricht auch der Sachgrund, dass ein Untersuchungsausschuss regelmäßig – anders als die Strafverfolgungsbehörden oder die Gerichte – auf die besonders schutzwürdigen Daten nicht in zwingender Weise angewiesen ist: Die Behörden und die Justiz benötigen sie, um ihre ureigene Aufgabe wahrzunehmen; für einen Untersuchungsausschuss des Landtags ist nach Maßgabe seines – in der Regel auf die Aufklärung behördlichen oder ministeriellen Fehlverhaltens gerichteten – Untersuchungsauftrages demgegenüber die Verständlichkeit der Akten wichtiger als die konkrete Kenntnis der jeweiligen Personendaten. Gilt somit eine absolute Grenze der Weitergabe persönlicher Daten wegen Unzumutbarkeit für die Betroffenen, kommt es nicht auf die Ausgestaltung und Gewährleistung etwaiger Geheimschutzvorkehrungen beim Vorlageadressaten – hier: Landtag bzw. dessen Untersuchungsausschuss – an. Eine Weitergabe von entsprechenden Akten kommt daher nur in Betracht, wenn vorgelagerte Maßnahmen des Datenschutzes getroffen werden, die bereits die Kenntnisnahme der fraglichen persönlichen Informationen selbst verhindern, aber im Wege praktischer Konkordanz dem Aktenvorlagerecht des Untersuchungsausschusses in möglichst effektiver Weise zur Durchsetzung verhelfen (dazu D.I.4).
217Die notwendigen Maßnahmen des Datenschutzes sind in ihrer Reichweite nach dem Schutzzweck des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zu bestimmen. Vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur persönliche oder personenbezogene Daten umfasst. Unter personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 – 1 BvF 2/05, BVerfGE 128, 1 = juris, Rn. 156 m. w. N.). Dieser Personenbezug besteht fort, solange die Bezugsperson „bestimmbar“, „identifizierbar“ oder „individualisierbar“ bleibt. Daher ist für die Frage des Grundrechtseingriffs allein die Grenze zwischen Bestimmbarkeit und Nichtbestimmbarkeit der Bezugsperson entscheidend (vgl. BVerfG, Urteile vom 24. November 2010 – 1 BvF 2/05, BVerfGE 128, 1 = juris, Rn. 163, und vom 7. November 2017 – 2 BvE 2/11, BVerfGE 147, 50 = juris, Rn. 236). Erfolgen Schutzmaßnahmen, die für eine Nichtbestimmbarkeit der Betroffenen hinreichend Sorge tragen, stehen Individualgrundrechte der Weitergabe der Akten damit grundsätzlich nicht entgegen. Eine solche Unkenntlichmachung ist denkbar im Wege einer vollständigen Schwärzung/Anonymisierung der Personenbezüge (Name, Anschrift, Angehörige etc.) oder im Wege ihrer Pseudonymisierung. Letztere schafft ein gleichwirksames Schutzniveau für die betroffenen Daten, erleichtert aber – da Querbezüge und Kontext in schlüssiger Form erhalten bleiben – die Lesbarkeit und Auswertbarkeit der Texte.
218c) In der Verfassungsrechtsprechung ist geklärt, dass das Staatswohl nicht nur dem parlamentarischen Informationsanspruch im Allgemeinen, sondern gerade dem Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse Grenzen setzt (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 28. Januar 2020 – VerfGH 5/18, NWVBl. 2020, 366 = juris, Rn. 98; BVerfG, Urteile vom 13. Juni 2017 – 2 BvE 1/15, BVerfGE 146, 1 = juris, Rn. 94 f., und vom 7. November 2017 – 2 BvE 2/11, BVerfGE 147, 50 = juris, Rn. 246).
219Im Hinblick auf das das Verhältnis der Staatsorgane zueinander prägende Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme ist anerkannt, dass etwa die Ausübung des Frage- und Informationsrechts die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung und der dieser nachgelagerten Behörden nicht gefährden darf. Nichts anderes gilt für das Beweiserhebungsrecht der Untersuchungsausschüsse. Die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Exekutive ist Grundbedingung dafür, dass diese ihre verfassungsmäßig legitimierten Aufgaben erfüllen und ihrer Verantwortung gegenüber dem Parlament gerecht werden kann. Sie stellt deshalb ein Gebot dar, das Verfassungsrang besitzt (vgl. VerfGH NRW, Urteile vom 4. Oktober 1993 – VerfGH 15/92, OVGE 43, 274 = juris, Rn. 106, und vom 28. Januar 2020 – VerfGH 5/18, NWVBl. 2020, 366 = juris, Rn. 98).
220Für den parlamentarischen Informationsanspruch ist überdies anerkannt, dass insoweit Grenzen auch in Bezug auf die Art und Weise der Antwort bestehen. Sie ergeben sich aus der bereits erwähnten Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, die auch die Respektierung der Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Landesregierung gebietet. Zu deren Wahrung darf diese innerhalb einer verfassungsrechtlich umgrenzten Einschätzungsprärogative über Art und Weise der Antwort befinden (vgl. VerfGH NRW, Urteile vom 4. Oktober 1993 – VerfGH 15/92, OVGE 43, 274 = juris, Rn. 104, 113, vom 19. August 2008 – VerfGH 7/07, OVGE 51, 289 = juris, Rn. 249, vom 15. Dezember 2015 – VerfGH 12/14, NWVBl. 2016, 371 = juris, Rn. 121, und vom 28. Januar 2020 – VerfGH 5/18, NWVBl. 2020, 366 = juris, Rn. 100). Dabei muss sie sich an ihrer Pflicht zu vollständiger und zutreffender Antwort orientieren. Im Rahmen dessen hat sich die Antwort auf alle Informationen zu erstrecken, über die die Landesregierung verfügt oder die sie mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung bringen kann (vgl. VerfGH NRW, Urteile vom 19. August 2008 – VerfGH 7/07, OVGE 51, 289 = juris, Rn. 247, vom 15. Dezember 2015 – VerfGH 12/14, NWVBl. 2016, 371 = juris, Rn. 121, und vom 28. Januar 2020 – VerfGH 5/18, NWVBl. 2020, 366 = juris, Rn. 100). Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit ist unter anderem zu berücksichtigen, dass für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen in der Regel lediglich ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung steht. Aus der Verpflichtung zu vollständiger und zutreffender Antwort folgt auch, dass eine Frage, deren Beantwortung die Landesregierung teilweise ablehnen darf, im Übrigen zu beantworten ist (vgl. VerfGH NRW, Urteile vom 15. Dezember 2015 – VerfGH 12/14, NWVBl. 2016, 371 = juris, Rn. 121 f., und vom 28. Januar 2020 – VerfGH 5/18, NWVBl. 2020, 366 = juris, Rn. 100).
2214. Umfang, Reichweite und Grenzen des Aktenvorlagerechts nach Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV bedürfen einer verfahrensrechtlichen Konkretisierung, die die widerstreitenden verfassungsrechtlichen Positionen von parlamentarischem Untersuchungsrecht einerseits und Grundrechtsschutz andererseits in einen schonenden und zugleich wirksamen Ausgleich (praktische Konkordanz) bringt. Sie führt die bisherigen Maßstäbe bezogen auf die hier fragliche Konstellation zusammen, wobei bei Auslegung und Anwendung dieser Maßstäbe im Hinblick auf das sowohl den Untersuchungsausschuss als auch die aktenvorlegende Stelle bindende Verfassungsrechtsverhältnis die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Dies wird ergänzt durch weitere verfahrensrechtliche Erwägungen zur Begründungspflicht (dazu D.I.5).
222Die Ablehnung der Aktenvorlage bedarf in sachlicher Hinsicht – wie ausgeführt – einer ausreichenden verfassungsrechtlichen Grundlage. Insbesondere bei der Betroffenheit von Grundrechten Dritter – wie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung – ist dem Schutz der personenbezogenen Daten eine besondere Bedeutung zuzumessen. Enthalten Akten streng persönliche Informationen, deren Preisgabe für die Betroffenen unzumutbar ist, kommt eine Aktenvorlage insoweit nur unter besonderen datenschutzrechtlichen Vorkehrungen in Betracht, die eine Identifizierbarkeit der Betroffenen wirksam ausschließen. Im Übrigen ist bei jeder Vorlage die Verschlusssachenanordnung des Landtags zu beachten.
223a) Aus der Pflicht der Verfassungsorgane zur gegenseitigen Rücksichtnahme folgt die Obliegenheit, über die Art und Weise der Gewährleistung des Schutzes der betroffenen höchstpersönlichen Informationen verbindliche Absprachen zu treffen (vgl. Glauben, NVwZ 2021, 452, 455). Regelmäßig kann dabei dem parlamentarischen Kontroll- und Untersuchungsrecht durch eine Anonymisierung der schutzbedürftigen Daten durch die vorlegenden Ministerien Genüge getan werden. Ein solches Verfahren ist überdies geeignet, den verwaltungsmäßigen Beschaffungs- und Aufbereitungsaufwand der öffentlichen Stellen zu begrenzen. Jedoch kann in bestimmten Ausnahmefällen eine über die bloße Anonymisierung hinausgehende pseudonymisierende Bearbeitung durch die aktenvorlegende Stelle dann von Verfassungs wegen geboten sein, wenn ansonsten die Akten gänzlich unverständlich und hinsichtlich des Untersuchungsziels von vornherein unergiebig blieben. Dem Aktenvorlagerecht des Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV muss nicht nur formal, sondern materiell in effektiver Weise Rechnung getragen werden. In einem ersten Schritt hat der Untersuchungsausschuss selbst abzuwägen, ob er sich mit einer regelmäßig schneller umzusetzenden Anonymisierung der vorzulegenden Akten begnügen will, oder ob er wegen des zu erwartenden größeren Informationsgehalts pseudonymisierter Akten eine zeitliche Verzögerung der Vorlage in Kauf zu nehmen gewillt ist. Bei dieser Abwägung ist der Untersuchungsausschuss wegen des verfassungsrechtlichen Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme gehalten, die Auswirkungen des nur ausnahmsweise erforderlichen Pseudonymisierungsaufwands für die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der aktenvorlegenden Stelle einerseits und den durch eine Pseudonymisierung zu erwartenden Erkenntnisgewinn andererseits zu berücksichtigen. Über diese internen Vorüberlegungen haben sich in einem zweiten Schritt der Untersuchungsausschuss und der Adressat des Vorlageverlangens, gegebenenfalls unter Einbindung der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit sowie der Landtagsverwaltung, koordinativ zu verständigen. Da der Schutz der betroffenen Grundrechte allen öffentlichen Gewalten obliegt, trifft die Verfassungsorgane insoweit eine Abwägungs- und Koordinationsobliegenheit. Diese umfasst nicht nur konkrete Absprachen zu Umfang, Reichweite, Reihenfolge und Verfahren der erforderlichen Pseudonymisierung und etwaiger Maßnahmen wie einer Anonymisierung oder der – sofern zulässig – gänzlich unbearbeiteten Vorlage nicht grundrechtsrelevanter Akten, sondern auch eine hinreichend klare Dokumentation der Absprachen. Ein mit der Aktenvorlage oder deren grundrechtsschützender Aufbereitung verbundener Verwaltungsaufwand der in Anspruch genommenen öffentlichen Stelle kann nach alledem nur ausnahmsweise bei völliger Unvertretbarkeit eine Ablehnung der Aktenvorlage an sich rechtfertigen (vgl. VerfGH BE, Urteil vom 14. Juli 2010 – 57/08, LVerfGE 21, 19 = juris, Rn. 102; Gärditz, in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, 2015, § 17 Rn. 17 m. w. N.).
224b) Die Organisation der vorzunehmenden Pseudonymisierung liegt in der Verantwortung des für seinen Ressortbereich zuständigen Ministers. Personal- und Sachmittel sind im Rahmen des Verfügbaren so bereitzustellen, dass der Zweck des Untersuchungsausschusses möglichst effektiv erreicht werden kann, wobei eine Einhaltung gegebener Zusagen oder gemeinsam entwickelter Zielvorstellungen bestmöglich anzustreben ist. Anzahl, Auswahl und Organisation der mit der Pseudonymisierung betrauten Mitarbeiter liegen in der Verantwortung des für seinen Ressortbereich allein zuständigen Ministers. Grenzen ziehen hier Kriterien der Zumutbarkeit. Eine Gefährdung anderweitiger Dienstgeschäfte darf mit der Bearbeitung der Akten nicht einhergehen. Zu berücksichtigen hat der Minister grundsätzlich nicht nur die Bedeutung der Aktenvorlage für die Arbeit des Untersuchungsausschusses, dessen dem Grundsatz der Diskontinuität unterliegende Zeitgebundenheit evident für eine möglichst schnelle Vorlage streitet. Zu berücksichtigen ist auch der effektive Schutz der betroffenen persönlichen Daten, der nicht durch eine zu weit gehende Personalbefassung gefährdet werden darf. Der Minister hat schließlich externe Kräfte hinzuzuziehen, wenn seine eigenen personellen Ressourcen eine sachgerechte Bearbeitung nicht zulassen und dies aus datenschutzrechtlicher Sicht vertretbar erscheint.
225Über die Bereitstellung von Personal- und Sachmitteln und die konkrete Verfahrensgestaltung ist der Untersuchungsausschuss zu informieren. Wird die Pseudonymisierung absehbar längere Zeit in Anspruch nehmen, ist der Minister verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss so früh wie möglich mitzuteilen, wann die Pseudonymisierung voraussichtlich abgeschlossen sein wird, und diese Prognose nachvollziehbar zu begründen. Er ist verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss nach Fertigstellung die bearbeiteten Akten zu übergeben. Um eine wirksame Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses zu ermöglichen, ist eine sukzessive und fortlaufende Überlassung der bearbeiteten Akten erforderlich, sofern dem nicht plausible, in der Natur der vorzulegenden Akten liegende Sachgründe entgegenstehen. Die verfahrensrechtliche Koordinationsobliegenheit verpflichtet demgegenüber den Untersuchungsausschuss, zeitlich und sachlich angemessen auf die Aktenvorlage zu reagieren, sollten sich hierbei aus seiner Sicht Probleme ergeben.
226c) Die der Gewährleistung sowohl des parlamentarischen Untersuchungsauftrags als auch des Grundrechtsschutzes dienende verfahrensmäßige Absicherung der Vorlagepflicht statuiert fortlaufende prozedurale Obliegenheiten. Insbesondere gebietet der Grundsatz der Verfassungsorgantreue eine von gegenseitiger Rücksichtnahme getragene Kommunikationsbeziehung zwischen der aktenvorlegenden Stelle und dem Untersuchungsausschuss. Funktion dieser prozeduralen Ausgestaltung ihres Verfassungsrechtsverhältnisses ist es, die insoweit bestehenden Spielräume durch eine Art Selbstvergewisserung zu kanalisieren (vgl. Jacob, in: Modrzejewski/Naumann, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Band 5, 2019, S. 71 f., unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2018 – 2 BvL 2/17, BVerfGE 149, 382 = juris, Rn. 38 m. w. N.). Stellt sich etwa im Rahmen der Pseudonymisierung heraus, dass der ursprünglich prognostizierte Zeitrahmen für Bearbeitung und Vorlage – nicht nur unwesentlich – nicht eingehalten werden kann, hat der Minister den Untersuchungsausschuss unverzüglich und umfassend zu informieren und die Gründe für die Verzögerung offenzulegen. Im Verzögerungsfall ist dem Untersuchungsausschuss eine belastbare neue Prognose über den erforderlichen Zeitaufwand mitzuteilen und diese Prognose zu begründen. Dem Untersuchungsausschuss soll hierdurch auch die Entscheidung ermöglicht werden, ganz oder teilweise auf das weniger zeitaufwendigere Verfahren der Anonymisierung umzuschwenken, um eine Beschleunigung der Vorlage zu erreichen.
227Auch nicht in der Sphäre der vorlegenden Stelle liegende außergewöhnliche Umstände können für die prozedurale Konkretisierung der Vorlagepflicht von Bedeutung sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Exekutive Grundbedingung dafür ist, dass diese ihre verfassungsmäßig legitimierten Aufgaben erfüllen und ihrer Verantwortung gegenüber dem Parlament gerecht werden kann. Sie stellt deshalb – wie ausgeführt – ein Gebot dar, das Verfassungsrang besitzt (vgl. VerfGH NRW, Urteile vom 4. Oktober 1993 – VerfGH 15/92, OVGE 43, 274 = juris, Rn. 106, und vom 28. Januar 2020 – VerfGH 5/18, NWVBl. 2020, 366 = juris, Rn. 98). Stellen Krisensituationen die Landesregierung oder Teile derselben vor besondere institutionelle oder organisatorische Herausforderungen, muss die Aktenvorlage in Konkordanz mit den anderweitigen krisenbezogenen Verfassungspflichten erfolgen. Damit einhergehende Einschränkungen und Verzögerungen in der Bearbeitung der vorzulegenden Akten sind dann von Verfassungs wegen hinzunehmen. Davon unberührt bleibt das als fortlaufende prozedurale Obliegenheit bestehende Informationsgebot des betroffenen Ministers über die eintretende Verzögerung sowie deren Gründe und voraussichtliche Dauer. Die konkrete Ausgestaltung der Informationspflichten bestimmt sich nach den maßgeblichen Umständen des jeweiligen Einzelfalls.
2285. Inhalt (dazu D.I.2) und Grenzen (dazu D.I.3) des Aktenvorlagerechts sowie die zur praktischen Konkordanz von Aktenvorlagerecht und Grundrechtsschutz aufgestellten verfahrensrechtlichen Konkretisierungen (dazu soeben D.I.4) werden flankiert von formalen Grundsätzen der Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Begründungspflicht (dazu a) und daran anknüpfende verfassungsprozessuale Grundsätze (dazu b).
229a) Nimmt ein Minister als Adressat des Aktenvorlagebegehrens das Recht für sich in Anspruch, einem Untersuchungsausschuss Beweismittel aus verfassungsrechtlichen Gründen vorzuenthalten, so unterliegt er von Verfassungs wegen einer Begründungspflicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78 = juris, Rn. 138, vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 = juris, Rn. 143, und vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 96). Die von Verfassungs wegen erforderliche substantiierte Begründung stellt nicht nur ein Instrument kritischer Selbstkontrolle dar. Vielmehr soll sie dem Untersuchungsausschuss die Berechtigung der Vorlageverweigerung plausibel und nachvollziehbar machen und ihm ermöglichen, zu prüfen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 161; BVerfG, Beschlüsse vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78 = juris, Rn. 138, 166, vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 = juris, Rn. 143, und vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 96). Dies zeichnet § 14 Abs. 2 Satz 3 UAG NRW nach, wonach im Fall der Versagung der Untersuchungsausschuss beschließen kann, ein gerichtliches Verfahren gemäß Art. 75 Nr. 2 LV zu beantragen.
230Die Begründung muss daher die wesentlichen Erwägungen der Entscheidung erkennen lassen und insbesondere Abwägungen betroffener Belange, die zur Ablehnung der Aktenvorlage geführt haben, nachvollziehbar aufzeigen (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 UAG NRW). Ein pauschales Berufen auf einen der verfassungsrechtlichen Gründe, die dem parlamentarischen Untersuchungsrecht Grenzen setzen, genügt nicht (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 162; BVerfG, Urteil vom 8. April 2002 – 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197 = juris, Rn. 107, Beschlüsse vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78 = juris, Rn. 138, 166, und vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 = juris, Rn. 143; VerfG MV, Urteil vom 25. Februar 2016 – LVerfG 9/15, LVerfGE 27, 337 = juris, Rn. 55; Gärditz, in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, 2015, § 17 Rn. 26; Brocker, in: Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl. 2016, § 17 Rn. 20). Vielmehr ist die Verweigerung substantiiert, also nicht lediglich formelhaft, zu begründen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78 = juris, Rn. 138; StGH NI, Urteil vom 24. Oktober 2014 – 7/13, LVerfGE 25, 409 = juris, Rn. 92; VerfG BB, Urteil vom 21. April 2017 – 21/16, NVwZ-RR 2018, 81 = juris, Rn. 150). Bei Akten, die zum Schutze Dritter zurückgehalten werden, sind Grund und Notwendigkeit der Vertraulichkeit detailliert und umfassend zu erläutern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78 = juris, Rn. 138; StGH NI, Urteil vom 24. Oktober 2014 – 7/13, LVerfGE 25, 409 = juris, Rn. 92). Darüber hinaus ist eine substantiierte Begründung unentbehrliche Voraussetzung einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle, die anderenfalls weitgehend zur Disposition der vorlageverweigernden öffentlichen Stelle stünde (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 161; BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78 = juris, Rn. 138). Entbehrlich ist eine substantiierte Begründung der Ablehnung nur dann, wenn der Ablehnungsgrund evident ist (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 162; BVerfG, Beschlüsse vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 = juris, Rn. 143, und vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 96).
231Im Hinblick auf die Form der Begründung wird die öffentliche Stelle einfachrechtlich in § 14 Abs. 2 Satz 2 UAG NRW verpflichtet, im Fall der Versagung die Gründe dem Untersuchungsausschuss im Einzelnen darzulegen. Das Schreiben, mit dem die auf Aktenvorlage in Anspruch genommene öffentliche Stelle die Ablehnung ausspricht und begründet, ist damit zentral. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bleibt es der Regierung grundsätzlich unbenommen, dem Untersuchungsausschuss durch ergänzende Maßnahmen die Verweigerungsgründe zu erläutern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 = juris, Rn. 144). Maßgeblich bleiben indes das Ablehnungsschreiben und die dieses begleitenden begründenden Darlegungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 = juris, Rn. 144; siehe ferner StGH NI, Urteil vom 24. Oktober 2014 – 7/13, LVerfGE 25, 409 = juris, Rn. 90, wonach die Begründung gegenüber dem die Aktenvorlage Begehrenden im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Verweigerung der Aktenvorlage abzugeben ist).
232b) Wie bei der ohne hinreichende Begründung erfolgten Ablehnung eines Beweisantrags durch die Ausschussmehrheit (vgl. dazu VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 163 m. w. N.) vermag eine Nachholung der Begründung der Aktenvorlageverweigerung im verfassungsgerichtlichen Verfahren den Verfassungsverstoß nicht nachträglich zu heilen (vgl. StGH NI, Urteil vom 24. Oktober 2014 – 7/13, LVerfGE 25, 409 = juris, Rn. 90; VerfG BB, Urteil vom 21. April 2017 – 21/16, NVwZ-RR 2018, 81 = juris, Rn. 161; Peters, Untersuchungsausschussrecht, Länder und Bund, 2. Aufl. 2020, Rn. 620; Herbeck, DVBl. 2015, 471, 480; Peters, NVwZ 2020, 1550, 1556). Die Nachholung einer fehlenden oder die Ergänzung einer unzureichenden Begründung in einem nachfolgenden verfassungsgerichtlichen Verfahren ist ausgeschlossen. Eine nachgeschobene Begründung kann weder den Zweck kritischer Selbstkontrolle der in Anspruch genommenen öffentlichen Stelle erfüllen, noch den Untersuchungsausschuss in die Lage versetzen, eigene Rechtsschutzmöglichkeiten vorab zu prüfen (vgl. dazu VerfGH NRW, Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, NWVBl. 2021, 17 = juris, Rn. 163; BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017 – 2 BvE 1/15, BVerfGE 146, 1 = juris, Rn. 108).
233Die verfassungsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich auf die von der in Anspruch genommenen öffentlichen Stelle gegenüber dem die Aktenvorlage Begehrenden geltend gemachten Verweigerungsgründe, ohne das Vorliegen weiterer, bislang nicht geltend gemachter Verweigerungsgründe von Amts wegen anhand der Akten zu erforschen (vgl. StGH NI, Urteil vom 24. Oktober 2014 – 7/13, LVerfGE 25, 409 = juris, Rn. 90, Beschluss vom 24. März 2020 – 7/19, NdsVBl. 2020, 180 = juris, Rn. 45, zum Fragerecht von Abgeordneten).
234II.
235Der Antrag zu 1. ist sowohl hinsichtlich des Antragsgegners zu 1. (dazu 1.) als auch hinsichtlich des Antragsgegners zu 2. (dazu 2.) teilweise begründet. Im Übrigen haben die Antragsgegner nicht das Recht der Antragstellerin auf Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss nach Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV i. V. m. Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV verletzt.
2361. Der Antragsgegner zu 1. hat das Recht der Antragstellerin auf Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss nach Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV i. V. m. Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV verletzt, indem er diejenigen vom Beweisbeschluss Nr. 2 vom 12. Juli 2019 erfassten Dokumente nicht vorgelegt hat, die er unter Hinweis auf die Übersendung durch dritte Behörden, hier insbesondere durch den Antragsgegner zu 2., den Akten entnommen und durch Fehlblätter gekennzeichnet hat. Dies betrifft nach dem – hinsichtlich der konkreten Seitenzahl leicht divergierenden – Vorbringen der Beteiligten Aktenstücke aus dem Bereich der Kreispolizeibehörden im Umfang von ca. 2.100 bis über 2.450 Seiten, die mit Abschluss der polizeilichen Ermittlungen an die zuständigen Staatsanwaltschaften übergeben oder im Zuge der Ermittlungen unter der Leitung der Staatsanwaltschaft erstellt wurden.
237Bezogen auf diese Unterlagen ist weder eine ausdrückliche Vorlageverweigerung (dazu a) noch eine hinreichende Begründung (dazu b) der unterbliebenen Aktenvorlage seitens des Antragsgegners zu 1. ersichtlich. Ein zur Verweigerung der Vorlage berechtigender Grund ist auch nicht ohne nähere Begründung evident (dazu c). Im Übrigen liegt hinsichtlich des Antragsgegners zu 1. kein Verfassungsverstoß vor (dazu d).
238a) Entgegen der Auffassung der Antragsgegner enthält das an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses gerichtete Schreiben des Antragsgegners zu 1. vom 31. März 2020 – wie bereits ausgeführt (dazu C.III.2.b) – keine erkennbar eindeutige Erfüllungsweigerung. Aus Sicht des Untersuchungsausschusses und der Antragstellerin als dessen qualifizierte Minderheit konnte mit diesem Schreiben noch nicht hinreichend klar sein, dass der Antragsgegner zu 1. von einer Vorlage der bezeichneten Unterlagen absehen werde.
239b) Der Antragsgegner zu 1. hat die bis heute unterlassene Vorlage dieser Aktenbestandteile nicht in einer Weise begründet, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung einer Vorlageverweigerung genügt.
240Eine ausdrückliche, auch von § 14 Abs. 2 Satz 2 UAG NRW einfachgesetzlich geforderte Begründung, die die wesentlichen Erwägungen der Entscheidung erkennen lässt und insbesondere die Abwägung betroffener Belange, die zur Unterlassung der Aktenvorlage geführt haben, im Einzelnen darlegt und nachvollziehbar aufzeigt, ist bezogen auf die fraglichen Fehlunterlagen nicht ersichtlich. Das Schreiben vom 31. März 2020 weist lediglich darauf hin, „dass Unterlagen der Polizeibehörden, die Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Verfahrensakten geworden sind, durch die Justiz vorgelegt werden.“ Eine an verfassungsrechtlichen Maßstäben orientierte und – wie von § 14 Abs. 2 Satz 2 UAG NRW einfachgesetzlich verlangt – hinreichend substantiierte Begründung ist dies nicht. Danach sind im Fall der Versagung der verlangten Vorlage in dem maßgeblichen Ablehnungsschreiben dem Untersuchungsausschuss die Gründe im Einzelnen darzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 = juris, Rn. 144; ferner StGH NI, Urteil vom 24. Oktober 2014 – 7/13, LVerfGE 25, 409 = juris, Rn. 90). Dem Schreiben vom 31. März 2020 lässt sich eine solche Begründung aber nicht entnehmen, denn es wird aus ihm nicht deutlich, warum eine Vorlage nicht durch den Antragsgegner zu 1., sondern durch den Antragsgegner zu 2. erfolgen solle. Hierfür sind tatsächlich verschiedene Gründe denkbar, auf die das Schreiben jedoch nicht ansatzweise hinweist: So könnten nicht nur rechtliche Bedenken, sondern auch bloße verwaltungsorganisatorische Praktikabilitätserwägungen für den Verweis auf eine Vorlage „durch die Justiz“ ausschlaggebend gewesen sein. Denkbar ist sogar, dass einzelne Aktenteile beim Antragsgegner zu 1. nicht mehr vorlagen und er deswegen auf eine Vorlage durch den Antragsgegner zu 2. verwies. Das Schreiben vom 31. März 2020 verhält sich zu diesen möglichen Auslegungsvarianten nicht und bleibt insoweit hinter den verfassungsrechtlichen, in § 14 Abs. 2 Satz 2 UAG NRW näher entfalteten Begründungsanforderungen zurück.
241Eine solche Begründung findet sich auch nicht in den sonstigen seitens der Beteiligten beigebrachten Unterlagen. Auf die beiden Schreiben der – der Antragstellerin zugehörigen – Abgeordneten Berghahn und Bialas bzw. Schäffer, Berghahn und Bialas vom 1. Oktober und 15. Oktober 2020, in denen diese die Herausgabe auch derjenigen Dokumente forderten, die ebenfalls im Ministerium des Antragsgegners zu 2. vorhanden seien, erfolgte nach Aktenlage keine diesbezüglich ablehnende Antwort des Antragsgegners zu 1. Hieran ändert auch der in der mündlichen Verhandlung durch die Antragsgegner geäußerte Verweis auf die nichtöffentliche Sitzung des Untersuchungsausschusses am 15. September 2020 nichts, in dem ein Mitarbeiter des Ministeriums des Antragsgegners zu 1. auf die fehlende Aktenhoheit seines Ministeriums hingewiesen habe. Eine solche ausdrückliche Weigerung ist jedenfalls nachfolgend durch den Umstand relativiert worden, dass der Antragsgegner zu 1. selbst in seinem Schreiben an den Untersuchungsausschuss vom 22. September 2020, also genau eine Woche nach der fraglichen Sitzung, wörtlich erklärte:
242„Wenn und soweit Dokumente vorgelegt werden, welche Teil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten sind, erfolgt die Vorlage im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz“.
243Damit wird der in der mündlichen Verhandlung angedeutete, in der Woche zuvor geleistete Wortbeitrag vom Antragsgegner zu 1. nicht in Bezug genommen, sondern im Gegenteil die Möglichkeit in Aussicht gestellt, zukünftig eine Vorlage durch den Antragsgegner zu 1. im Einvernehmen mit dem Antragsgegner zu 2. durchzuführen. Für eine ablehnende Antwort des Antragsgegners zu 1. ist daher nichts ersichtlich.
244Die durch die Antragsgegner in ihrer Antragserwiderung nach Einleitung des Organstreitverfahrens erstmals vorgebrachten, die unterlassene Vorlage der fraglichen Aktenbestandteile begründenden Ausführungen sind für die verfassungsgerichtliche Prüfung nach den obigen Maßstäben nicht berücksichtigungsfähig, so dass offen bleiben kann, ob dem Antragsgegner zu 1. tatsächlich die Zuständigkeit für die Vorlage der fraglichen Aktenteile fehlte.
245c) Die fehlende Begründung der unterlassenen Aktenvorlage ist auch nicht ausnahmsweise deshalb unschädlich, weil eine Begründung hier entbehrlich wäre.
246Entbehrlich ist eine substantiierte Begründung der Ablehnung nur dann, wenn der Ablehnungsgrund evident ist und daher eine gesonderte Begründung – oder sogar eine Ablehnung an sich – nicht geboten war. Ein solcher Ausnahmefall ist nicht anzunehmen. Hiergegen spricht schon die Komplexität der insbesondere von den Antragsgegnern im Organstreit aufgeworfenen und auch hier letztlich offen bleibenden Frage, wessen Zuständigkeitsbereich die betroffenen Unterlagen funktional zuzuordnen waren und sind. So trifft es zu, dass die in repressiver Tätigkeit angefallenen Unterlagen der Polizeibehörden als Teil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten funktional dem Bereich der Justiz zuzuordnen sind. Die im Rahmen der Durchführung von Ermittlungsverfahren nach § 163 StPO handelnden Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind Ermittlungsorgane der Staatsanwaltschaften, die zur justizmäßigen Sachleitung der polizeilichen Ermittlungen berechtigt und verpflichtet sind (vgl. nur Griesbaum, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 163 Rn. 2; Fischer, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, Einleitung Rn. 237 f.; aus der Rechtsprechung etwa BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 – I C 11.73, BVerwGE 47, 255 = juris, Rn. 18 ff.; zu doppelfunktionalen Maßnahmen etwa auch BGH, Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 247/16, BGHSt 62, 123 = juris, Rn. 20). Die Polizei steht insoweit, wie die Antragsgegner zutreffend formulieren, an einer Schnittstelle zwischen den Aktenhoheiten der beiden Antragsgegner. Da die fraglichen Unterlagen der Polizei, die Teil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten geworden waren, dem Antragsgegner zu 1. gleichwohl vorlagen und bei diesem als Bestandteil seiner Akten geführt wurden, sind die Auslegung und Reichweite des Aktenbegriffs im Sinne des Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV als auch der Verfügungsbefugnis über diese Akten zu bestimmen. Diese Bestimmung erfordert eine verfassungsrechtliche Vertiefung, die eine evidenzbasierte Entbehrlichkeit einer substantiierten Begründung der Verweigerung ausschließt.
247Von daher dringen die Antragsgegner mit ihrem in der mündlichen Verhandlung wiederholten Argument, der bloße Verweis auf die Ressortzuständigkeit des Antragsgegners zu 2. in dem Schreiben vom 31. März 2020 sei mangels etwaiger für die Vorlagefrage anzustellender Ermessens- oder Abwägungserwägungen ausreichend gewesen, nicht durch. Ebenfalls nicht überzeugend ist der zuletzt mit Schriftsatz der Antragsgegner vom 12. März 2021 vorgebrachte Hinweis darauf, dass „das Ministerium des Antragsgegners zu 2. keine grundsätzliche Freigabe von Aktenbestandteilen erteilte, die Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten geworden waren“. Aus dem für dieses Vorbringen herangezogenen internen Vermerk von Mitarbeitern des Antragsgegners zu 1. vom 19. Februar 2020 folgt jedoch nicht eine generelle Verweigerung der – ressortübergreifenden – Aktenvorlage seitens des Antragsgegners zu 2., sondern nur, dass aus dessen Ministerium „keine Bedenken“ gegen das Unterlassen einer entsprechenden Aktenvorlage erhoben würden. Im Übrigen geht aus dem Vermerk hervor, dass die Mitarbeiter des Antragsgegners zu 1. bereits im Februar 2020 eine Weitergabe der fraglichen Unterlagen als „nicht beabsichtigt“ bezeichneten. Davon und von den hierüber getroffenen Absprachen mit dem Antragsgegner zu 2. ist im Schreiben vom 31. März 2020 ebenfalls keine Rede.
248Unabhängig von der Frage der Reichweite des Aktenvorlagerechts ist eine substantiierte Begründung der unterlassenen Aktenvorlage auch deshalb nicht wegen Offensichtlichkeit entbehrlich, weil die seitens der Antragsgegner vorgebrachten Erwägungen zu einem Anspruch auf parallele Vorlage ein- und derselben Akten durch zwei verschiedene öffentliche Stellen auf weitere komplexe Rechtsfragen führen. So berufen sich die Antragsgegner selbst auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, in der es darum ging, das parlamentarische Fragerecht von Abgeordneten gegenüber der Regierung unter Verweis darauf zu beschränken, dass in thematischem Zusammenhang mit deren Fragen eine Beantwortung gegenüber einem Untersuchungsausschuss zu erwarten sei. Einen Grund für einen „in ein und derselben Angelegenheit kurz nacheinander doppelt anfallenden Arbeitsaufwand“ gebe es „nur selten“ (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 4. Oktober 1993 – VerfGH 15/92, OVGE 43, 274 = juris, Rn. 112). Bereits die Frage, ob diese Rechtsprechung auf die vorliegende Konstellation überhaupt übertragbar ist, ist nicht trivial. Außerdem kann zu erwägen sein, ob ein Sachgrund für einen solchen doppelten Arbeitsaufwand nicht darin liegt, dass der Untersuchungsauftrag gerade das Wissen darüber nötig macht, welche Informationen wann bei welcher Behörde vorhanden waren, also eine doppelte Vorlage von Unterlagen die Untersuchung und Aufklärung behördlicher Versäumnisse erst ermöglicht. Zieht man den Untersuchungsauftrag heran, dessen Ausführung der Beweisbeschluss dient, liegt ein Sachgrund für eine etwaige „doppelte Vorlage“ sogar nahe, indem der Untersuchungsausschuss gerade die innerbehördlichen und inner- und interministeriellen Informationsflüsse untersuchen soll. Ferner ist zu beachten, dass der Untersuchungsausschuss gemäß Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV befugt ist, im Rahmen seines Untersuchungsauftrags diejenigen Beweise zu erheben, die er für erforderlich hält (vgl. zuletzt zu Art. 44 GG: BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 84). Den Antragsgegnern steht es nicht zu, über dieses Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses zu disponieren. Jedenfalls müsste ein gewichtiges Interesse dafür streiten, das Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses zurücktreten zu lassen. Denn der mit der – auch doppelten – Vorlage verbundene Verwaltungsaufwand ist nur ausnahmsweise bei völliger Unvertretbarkeit geeignet, eine Ablehnung der Aktenvorlage an sich zu rechtfertigen (vgl. VerfGH BE, Urteil vom 14. Juli 2010 – 57/08, LVerfGE 21, 19 = juris, Rn. 102; Gärditz, in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, 2015, § 17 Rn. 17 m. w. N.). Das ist bei ca. 2.500 – die Antragsgegner sprechen in ihrem Schriftsatz vom 12. März 2021 insoweit sogar nur von 2.085 bzw. 2.175 Blatt – von insgesamt mehreren hunderttausend Seiten nicht im Ansatz der Fall. Vor diesem Hintergrund kann das Vorliegen eines evidenten Ablehnungsgrunds nicht festgestellt werden. Nur eine eingehende Begründung durch den Antragsgegner zu 1. konnte die Berechtigung der teilweise unterlassenen Aktenvorlage plausibel und nachvollziehbar machen und dem Untersuchungsausschuss wie der Antragstellerin die Prüfung ermöglichen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind.
249d) Im Übrigen ist dem Antragsgegner zu 1. nicht vorzuwerfen, er habe dem Untersuchungsausschuss wesentliche Teile der vom Beweisbeschluss Nr. 2 vom 12. Juli 2019 umfassten Akten nicht zugeleitet. Dies betrifft auch die sogenannten Vorgangslisten der Kreispolizeibehörde Lippe. Insoweit kann zunächst offen bleiben, ob diese überhaupt von der Antragstellerin zum eigenständigen Antrags- und damit Verfahrensgegenstand erhoben wurden, was angesichts des wenig konzisen und zum Teil widersprüchlichen Vorbringens hierzu zweifelhaft ist. Denn jedenfalls wurden diese Akten dem Untersuchungsausschuss mit Schreiben vom 5. November 2020, also vor Einleitung des Organstreits übermittelt. Die Antragstellerin verweist zwar darauf, dass ihr selbst die Unterlagen erst am 12. November 2020 – und damit nach Einleitung des Verfahrens – zugänglich gemacht worden seien, sie trägt aber nicht vor, dass die etwaige Verzögerung zwischen dem 5. November und dem 12. November 2020 in die Verantwortungssphäre des Antragsgegners zu 1. fallen würde.
250Auch die vorherigen Geschehens- und Kommunikationsabläufe lassen keinen belastbaren Schluss auf eine verfassungswidrige Verzögerung der Vorlage zu. In seinem Schreiben vom 8. Oktober 2020 spricht der Antragsgegner zu 1. von Vorgangslisten als „weitere vom Beweisbeschluss 02 erfasste Aktenbestandteile“, „bezüglich derer die Abstimmung über Form und Umfang der Übergabe mit dem Ausschuss noch nicht abschließend geklärt werden konnte“. Dass insoweit Abstimmungsbedarf bestand, ist vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Vorgangslisten um äußerst umfangreiche Tabellendokumente handelte, naheliegend. Die Abgeordneten Schäffer, Berghahn und Bialas bezogen sich sodann am 15. Oktober 2020 auf die Vorgangslisten und verwiesen auf die Zusicherung deren sukzessiver Lieferung in der Ausschusssitzung vom 3. Juni 2020. In dieser Sitzung gab ein Mitarbeiter des Antragsgegners zu 1. Auskunft zu den Vorgangslisten. Er wies auf die bestehenden Schwierigkeiten hin, da es sich um Dateiexporte handele, die erst in ein anderes Format gebracht werden müssten, um überhaupt lesbar zu sein. Mit dem Ausschuss kam der Mitarbeiter insoweit überein, dass man sich über deren Vorlage noch weiter verständigen wolle. Insbesondere sollten dem Ausschuss die Ausführungen des Mitarbeiters nochmals schriftlich übermittelt werden, um „auf der Basis“ „zu entscheiden, wie wir (d. i. der Ausschuss) damit umgehen“. Die nach dieser Sitzung Anfang Juni 2020 bis zur tatsächlichen Übermittlung der Vorgangslisten Anfang November 2020 stattgefundenen Bemühungen von Antragsgegner zu 1. und Untersuchungsausschuss, ob und in welcher Form es zur Vorlage der Dokumente kommen sollte, haben die Antragsgegner in ihrem Schriftsatz vom 12. März 2021 nachvollziehbar dokumentiert. Auch die Stellungnahmen sowohl der Antragstellerin als auch von Vertretern der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung ergeben keine stichhaltigen Anhaltspunkte, dass die Vorlage erst am 5. November 2020 unter Verletzung von Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV i. V. m. Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV erfolgt sein könnte. Dem dortigen substantiierten Verweis der Antragsgegner auf die im Sommer und Herbst 2020 andauernde Verständigung über die Vorlage der Vorgangslisten ist die Antragstellerin nicht konkret entgegengetreten.
2512. Der Antragsgegner zu 2. hat das Recht der Antragstellerin auf Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss nach Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV i. V. m. Art. 41 Abs. 2 Satz 3 LV verletzt, indem er die vom Beweisbeschluss Nr. 2 vom 12. Juli 2019 erfassten Spurenakten der Staatsanwaltschaft Detmold nicht vorgelegt (dazu a), die in seinem Verantwortungsbereich eingetretenen Verzögerungen unzureichend gerechtfertigt (dazu b) und unzureichend über die im Laufe der Pseudonymisierung der Akten eingetretenen Verzögerungen und deren Folgen informiert hat (dazu c). Im Übrigen ist kein Verfassungsverstoß festzustellen.
252a) Die jedenfalls bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung unterbliebene Vorlage der pseudonymisierten Spurenakten und weiterer Vorgänge der Staatsanwaltschaft Detmold durch den Antragsgegner zu 2. verletzt Organrechte der Antragstellerin.
253aa) Die Spurenakten der Staatsanwaltschaft Detmold sind Gegenstand des Beweisbeschlusses Nr. 2 vom 12. Juli 2019 des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses IV. Danach sollten aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums des Antragsgegners zu 2. sowie der Behörden seines Geschäftsbereichs „sämtliche Unterlagen – unbeschadet nach Funktion und Art – einschließlich aller Handakten, Vollstreckungs- und Berichtsheften sowie Vermerken und ähnlichen Dokumenten“ vorgelegt werden. Der Antragsgegner zu 2. wurde durch den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses mit Schreiben vom 25. Juli 2019 entsprechend aufgefordert, die hier bezeichneten Akten vorzulegen. In der mit gemeinsamem Schreiben der Antragsgegner an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vom 23. August 2019 übersandten Übersicht über die in ihrem Geschäftsbereich betroffenen – bereits vorliegenden, noch unvollständigen sowie angekündigten, aber noch nicht zugelieferten – Akten („Aktenbaum“) schätzte der Antragsgegner zu 2. den Umfang der vorzulegenden Akten für seinen Geschäftsbereich auf insgesamt rund 152.000 Seiten. Diese Übersicht enthielt die Angabe von 2.500 Spurenakten zu dem bei der Staatsanwaltschaft Detmold geführten Ermittlungs- bzw. Strafverfahren, mit einem geschätzten Aktenumfang von 125.000 Seiten.
254Diese Akten wurden dem Untersuchungsausschuss bis heute nicht in pseudonymisierter Form vorgelegt. Tatsächlich bearbeitet und dem Untersuchungsausschuss vorgelegt wurden nur Akten im Gesamtumfang von 32.000 Seiten. Aus der Stellungnahme der Antragsgegner vom 1. März 2021 ergibt sich, dass sich die noch fehlenden Unterlagen aus den Spurenakten (lose Material- und Spurensammlungen) und den sogenannten AR-Vorgängen (Eingaben und Meinungsäußerungen Dritter etwa in Reaktion auf Presseberichterstattung) zusammensetzen.
255bb) Auf die Vorlage der sogenannten Spurenakten oder AR-Vorgänge hat der Untersuchungsausschuss auch nicht ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet.
256Der maßgebliche Beweisbeschluss Nr. 2 vom 12. Juli 2019 und das daran anknüpfende Herausgabeverlangen vom 25. Juli 2019 waren hinsichtlich Art und Umfang der Akten nicht eingeschränkt. Noch in seiner Aktenübersicht („Aktenbaum“) vom Sommer 2019 ging der Antragsgegner zu 2. selbst davon aus, dass die genannten Spurenakten dem Sachkomplex des Untersuchungsauftrags zuzurechnen sind. Im weiteren Verlauf der Korrespondenz mit dem Untersuchungsausschuss sah der Antragsgegner zu 2. die Spurenakten sodann jedoch nicht mehr als vorlagebedürftig an, ohne dies indes durch einen unverzüglichen und ausdrücklichen Hinweis gegenüber dem Untersuchungsausschuss in hinreichender Weise transparent offen zu legen. Die Hausleitungsvorlage seines Ministeriums für den Antragsgegner zu 2. vom 2. Dezember 2019 verweist auf zu bearbeitende Vorgänge mit einem Gesamtumfang von – nur noch – 27.780 Seiten, anstatt wie in dem „Aktenbaum“ vom August 2019 ausgewiesen von rund 152.000 Seiten. Gegenüber dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses spricht sodann der Staatssekretär im Ministerium des Antragsgegners zu 2. in seinem Schreiben vom 24. April 2020 von einem Umfang der in seinem Geschäftsbereich vorliegenden Akten von ca. 27.000 Seiten. In späteren Schreiben, etwa vom 12. August 2020, beziffert der Antragsgegner zu 2. den Umfang der zu bearbeitenden Akten auf bislang ca. 30.000 Seiten. Noch im September 2020 spricht er davon, allein die noch ausstehenden Seiten des Landgerichts Detmold und der Staatsanwaltschaft Detmold hätten einen Umfang von insgesamt 27.300 Seiten. Daraus ergibt sich, dass es der Antragsgegner zu 2. seit der Zusammenstellung der vorzulegenden Akten im Sommer 2019 bis in den Herbst 2020 hinein unterlassen hat, den Untersuchungsausschuss unverzüglich und ausdrücklich über die aus seiner Sicht zu erwartende Nichtlieferung der fraglichen Spurenakten und weiteren Vorgänge zu unterrichten.
257Allein im Umstand, dass die Antragstellerin den Antragsgegner zu 2. nicht ausdrücklich nach den Spurenakten oder AR-Vorgängen gefragt hat, obwohl diese in der Kommunikation des Antragsgegners zu 2. nach dem Sommer 2019 bis in den Herbst 2020 nicht gesondert erwähnt wurden, liegt kein stillschweigender Verzicht. Denn es war für die Antragstellerin weder ersichtlich noch gab es sonstige erkennbare Anhaltspunkte, dass die Nichterwähnung dieser Akten und Vorgänge seitens des Antragsgegners zu 2. auf einen solchen Verzicht des Untersuchungsausschusses abzielen würde. Das wird bereits durch das Schreiben des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vom 6. September 2019 deutlich, wonach „ein Vorabverzicht jedenfalls nicht in Betracht komme“, und auch durch die spätere ausdrückliche Nachfrage des Antragsgegners zu 2. vom 1. Oktober 2020, der erst etwa ein Jahr nach Abstimmung über die Pseudonymisierung einen Hinweis des Untersuchungsausschusses über den weiteren Umgang mit diesen Akten bzw. Vorgängen erbat.
258Soweit die Antragsgegner erstmals in ihrer Antragserwiderung geltend machen, die fraglichen Spurenakten seien „bislang nicht angefordert worden“, trifft dies nicht zu. Nach dem – wie ausgeführt – weit gefassten Beweisbeschluss Nr. 2 und dem darauf gestützten Aufforderungsschreiben an den Antragsgegner zu 2. konnte dieser keinem Zweifel unterliegen, dass auch die von ihm selbst zunächst als thematisch relevant eingeschätzten Spurenakten der Staatsanwaltschaft Detmold hiervon erfasst sind. Für die weiteren Vorgänge (AR-Vorgänge) gilt nichts anderes.
259Auch der Verweis des Antragsgegners zu 2. auf sein Übersendungsschreiben an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vom 1. Oktober 2020 verfängt nicht. In diesem Schreiben wird die Stellungnahme des Leitenden Oberstaatsanwalts in Detmold wiedergegeben, wonach „zurzeit 2.453 sogenannte Spurenakten, die grundsätzlich Bestandteil der staatsanwaltlichen Akten“ seien, noch nicht übersandt worden seien. Bei den „Spuren“ handele „es sich zum Beispiel um bei den Durchsuchungen aufgefundene Lichtbilder, Notizen etc., bei denen auf den ersten Blick ein Zusammenhang mit dem Verfahrensgegenstand nicht ersichtlich“ sei. Diesbezüglich habe der Leitende Oberstaatsanwalt in Detmold mitgeteilt, er werde für deren Vorlage unverzüglich Sorge tragen, sollte der Untersuchungsausschuss sie für beweisrelevant erachten. Der Antragsgegner zu 2. selbst bat um entsprechenden Hinweis seitens des Untersuchungsausschusses, sollte dieser „nach Durchsicht der beigefügten Unterlagen die Vorlage weiterer Vorgänge meines Hauses bzw. meines Geschäftsbereichs für notwendig erachten“. Zwar ist eine solche auf die Spurenakten bezogene gesonderte Aufforderung seitens des Untersuchungsausschusses vor Einleitung des Organstreits nicht ersichtlich. Sie ist jedoch nach der eindeutigen Formulierung des Beweisbeschlusses und der Vorlageaufforderung auch nicht erforderlich. Dies gilt insbesondere, weil dem Schreiben vom 1. Oktober 2020 keine ausdrückliche und eindeutige Verweigerung der Vorlage der Spurenakten zu entnehmen ist, sondern lediglich eine mehr technisch zu verstehende Nachfrage, die die grundsätzlich bestehende Vorlagepflicht aus Sicht eines objektiven Empfängerhorizonts gerade nicht in Abrede stellt. Selbst wenn dies der Fall wäre, ist jedenfalls durch die Schreiben der Abgeordneten Berghahn und Bialas vom 1. Oktober 2020 sowie der Abgeordneten Schäffer, Berghahn und Bialas vom 15. Oktober 2020, jeweils an den Antragsgegner zu 2., und erst recht durch das Schreiben des Vorsitzenden der SPD-Fraktion und der Abgeordneten Schäffer vom 16. Oktober 2020 an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen klargestellt worden, dass der Untersuchungsausschuss auf die Vorlage sämtlicher Akten, und damit auch der Spurenakten und AR-Vorgänge, bestand.
260cc) Eine auf die Spurenakten oder die weiteren Vorgänge bezogene Vorlagepflichtverletzung des Antragsgegners zu 2. scheidet schließlich nicht deshalb aus, weil jene von vornherein und offensichtlich ohne Relevanz für den Untersuchungsgegenstand sind und deshalb eine Vorlage evident nicht erfolgen musste.
261Das zum Kern des parlamentarischen Untersuchungsrechts zählende Recht auf Aktenvorlage ist weit zu verstehen. Der Vorlageanspruch bezieht sich grundsätzlich auf alle Akten, die mit dem Untersuchungsgegenstand in Zusammenhang stehen. Bei einem Ersuchen auf Aktenvorlage muss nicht bereits feststehen, dass die Unterlagen auch tatsächlich entscheidungserhebliches Material oder entsprechende Beweismittel enthalten. Es reicht aus, wenn sie Hinweise hierauf geben könnten. Dass die sogenannten Spurenakten nach diesen Maßstäben von vornherein und gleichsam kategorisch ohne Untersuchungsrelevanz sein sollten, machen die Antragsgegner nicht überzeugend geltend und erschließt sich auch in der Sache nicht. Zwar mag – worauf die Antragsgegner im Ansatz zutreffend hinweisen – der Erkenntniswert von losen Materialsammlungen oder von Meinungsbekundungen interessierter Bürger für den Untersuchungsauftrag gering sein. Gänzlich ausgeschlossen ist eine Untersuchungsrelevanz jedoch nicht. Unabhängig davon wäre der Antragsgegner zu 2. bei entsprechenden Zweifeln an der Untersuchungsrelevanz von Aktenbestandteilen gehalten gewesen, hinreichend deutlich, transparent und unverzüglich an den Untersuchungsausschuss heranzutreten, um im Vollzug der beide Verfassungsorgane treffenden Abwägungs- und Koordinationsobliegenheit konkrete Absprachen zum Umfang und zur Reichweite der erforderlichen Vorlage zu treffen. Dass eine solche – klar dokumentierte und frühzeitige – prozedural-kommunikative Klärung durch den Antragsgegner zu 2. angestrengt wurde, ist nicht ersichtlich. Das spätere Schreiben vom 1. Oktober 2020 gibt hierfür nichts her. Die lediglich eingerückt wiedergegebenen Ausführungen des Leitenden Oberstaatsanwalts in Detmold und die pauschal gehaltene Bitte um einen „entsprechenden Hinweis“ zur Vorlage weiterer Vorgänge genügen den genannten Maßstäben der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung des Aktenvorlageanspruchs nicht.
262b) Der Antragsgegner zu 2. hat die Organrechte der Antragstellerin dadurch verletzt, dass er die in seinem Verantwortungsbereich eingetretenen Verzögerungen unzureichend gerechtfertigt hat. Zwar sind die Art und Weise der Pseudonymisierung der gelieferten Akten (dazu aa) wie auch der Umfang der Pseudonymisierung (dazu bb) von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Auch die grundsätzliche Organisationsplanung der Pseudonymisierung und der darauf gestützte Ansatz von personellen und sachlichen Mitteln begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu cc). Auf einen Verfassungsverstoß führt jedoch die unzureichende Rechtfertigung der eingetretenen Verzögerungen bei der Aktenbearbeitung (dazu dd).
263aa) Die konkrete Durchführung der Pseudonymisierungsarbeiten führt nicht auf einen Verfassungsverstoß.
264Über die Art und Weise der Pseudonymisierung haben sich der Untersuchungsausschuss und die Antragsgegner – unter Ausklammerung der Vorlage der unbearbeiteten Akten ins Verwahrgelass des Landtags – bereits im November 2019 verständigt, ohne dass insoweit wesentliche Gesichtspunkte ungeregelt geblieben wären. Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau der Verständigung zwischen dem Untersuchungsausschuss und den Antragsgegnern im Zeitraum vom November 2019 bis Januar 2020. Nach ersten konkreten Vorschlägen in dem an die Antragsgegner gerichteten Schreiben des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vom 14. November 2019 kam es in dem Arbeitstreffen der Referenten der Fraktionen sowie der Vertreter der Antragsgegner vom 25. November 2019 (6. Referentenrunde des Untersuchungsausschusses) zu konkreten Absprachen zur Pseudonymisierung. So war u. a. konsentiert, dass der Antragsgegner zu 1. „als erste Behörde“ eine Liste seiner Klarnamen an einen einzusetzenden Treuhänder liefern und sodann von diesem die Pseudonyme erhalten sollte. „Als nächstes“ sollte der Antragsgegner zu 2. entsprechend seine zu pseudonymisierenden Daten übermitteln. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses selbst zeichnete die Absprachen zur Pseudonymisierung in der seinem Schreiben an den Antragsgegner zu 1. vom 29. November 2019 beigefügten „Checkliste Pseudonymisierung“ detailliert nach. Auch danach sollte zunächst „die erste Behörde (wohl das Ministerium des Innern)“ seine Namensliste liefern, und später „die nächste Behörde (z. B. das Ministerium der Justiz)“. Dadurch werde durchgehend sichergestellt, dass jede pseudonymisierende Behörde nur ihre eigenen Opfernamen kenne. Auf diese Verständigung nahm der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses schließlich in seinem Schreiben vom 7. Januar 2020 Bezug und führte aus, dass sich die Obleute des Untersuchungsausschusses in dessen letzter Sitzung am 17. Dezember 2019 „für ein Verfahren entschieden“ hätten, „dass wohl von allen beteiligten Behörden mitgetragen werden kann und das auch den Vorgaben der Landesbeauftragten für den Datenschutz Rechnung tragen dürfte“.
265Das grundsätzliche Vorgehen und der Verfahrensablauf der Aktenbearbeitung stand danach – unter Ausklammerung der Vorlage der unbearbeiteten Akten ins Verwahrgelass des Landtags – zwischen dem Untersuchungsausschuss und den beiden Antragsgegnern außer Streit. Diese Verständigung umfasste entgegen der seitens mehrerer der Antragstellerin zugehöriger Abgeordneter noch in ihrem Schreiben vom 15. Oktober 2020 sowie ihres Bevollmächtigten im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich vertretenen Auffassung auch die institutionelle Reihenfolge der Pseudonymisierung, wonach erst der Antragsgegner zu 1. den Austausch von Klarnamen und Pseudonymen mit der Treuhänderin zu finalisieren hatte, und im Anschluss daran der Antragsgegner zu 2. Für dieses Vorgehen spricht auch der Sachgrund, dass damit die Treuhänderin bei der späteren Pseudonymvergabe für das Ministerium der Justiz bereits vollständig über die Klarnamen nebst Pseudonymen für das Ministerium des Innern verfügen würde, was die innere Einheitlichkeit, Schlüssigkeit und damit Verständlichkeit der Akten erst ermöglicht, jedenfalls aber zu fördern geeignet ist. In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter der Antragsgegner schließlich nachvollziehbar betont, dass der mit der genannten Bearbeitungsreihenfolge einhergehende Einsatz eines identischen Personalkörpers in besonderer Weise dem Schutz der betroffenen höchstpersönlichen Rechtsgüter der Opfer diene.
266bb) Auch der Umfang der vorgenommenen Pseudonymisierung ist nicht zu beanstanden.
267Es trifft zwar zu, dass die Antragsgegner in den vorgelegten Akten nicht lediglich die Namen und personenbezogenen Daten der geschädigten Kinder pseudonymisierend bearbeitet haben. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist aber zwischen dem Untersuchungsausschuss und den Antragsgegnern vereinbart worden, neben den eigentlichen Namen und personenbezogenen Daten der geschädigten Kinder auch die Namen anderer Personen, Orte oder Einrichtungen zu pseudonymisieren, die mit einem Kind in Zusammenhang stehen. Im Einsetzungsbeschluss vom 26. Juni 2019 ist von mehr als 30 Kindern und Jugendlichen als möglichen Opfern die Rede; die Namen und Identitäten der Opfer und ihrer Familienangehörigen sollten ausweislich der dem Einsetzungsbeschluss beigefügten Selbstverpflichtung des Landtags unkenntlich gemacht werden. Auch die mit Schreiben des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vom 29. November 2019 dem Antragsgegner zu 1. übersandte „Checkliste Pseudonymisierung“ ging davon aus, dass die Namen der Opfer, ihrer Familienangehöriger und der Geschädigten im weiteren Sinne, und – soweit es zum Schutz der Opfer erforderlich sei – auch Vereine, Schulen, Kindertagesstätten usw. pseudonymisiert werden sollten. Den Umfang der Pseudonymisierung hat der Antragsgegner zu 2. in seinem Schreiben vom 7. Oktober 2020 näher erläutert. Pseudonymisiert worden seien „nicht nur die Namen der Kinder, sondern z. B. auch Personen und Umstände, die mit einem Kind in Zusammenhang stehen und deshalb seine Identität erkennen lassen.“ Noch konkreter ist sein Schreiben vom 27. Juli 2020, mit dem zugleich die Akten des Ministeriums selbst vorgelegt wurden. Pseudonymisiert worden seien die „Namen von Kindern, Geschädigten und Angehörigen“ sowie „derjenigen Personen, bei deren Kenntnis eine Identifikation der oder des Geschädigten möglich wäre (z. B. Nachbarn oder Lehrer)“, ferner „Ortsnamen“. Weitere Angaben wie „Geburtsjahr und Geschlecht von Geschädigten und deren Angehörigen“ seien „unbearbeitet“ geblieben, „Schulen, Vereine, Kindergärten etc.“ seien „funktionsbezogen anonymisiert (‚Verein in Ort 3‘, ‚Kindertagesstätte in Ort 2‘ etc.)“ worden. „Sonstige personenbezogene Daten (Geburtsmonat, Anschrift, Gesundheitsdaten, Arbeitgeber etc.) der zu pseudonymisierenden Personen“ seien „anonymisiert“ worden.
268Der damit hinreichend offengelegte Umfang der Pseudonymisierung ist sachlich nachvollziehbar und erkennbar geeignet, um die Opfer vor einer potentiellen Bloßstellung durch Offenbarung ihrer Identität zu schützen. Auf die Aufklärungsverfügung des Verfassungsgerichtshofs vom 12. Februar 2021 haben die Antragsgegner diese Angaben weiter erläutert. Sie haben dargelegt, welche Personen als Geschädigte im engeren und im weiteren Sinne erfasst wurden; ferner, dass Familienangehörige der Geschädigten und dritte Personen nicht nach abstrakt-genereller Vorgabe, sondern kontextabhängig danach pseudonymisiert wurden, ob die Gefahr einer Identifizierung der Geschädigten bestand. In welcher Weise hierbei Familienangehörige und sonstige Dritte einbezogen wurden, wird nachvollziehbar erläutert. Diese Vorgehensweise der Pseudonymisierung steht in Einklang mit den bereits näher entfalteten verfassungsrechtlichen Maßstäben zum Schutz der betroffenen Grundrechte (dazu D.I.3.b). Eine Verkürzung des Aktenherausgabeanspruchs zugunsten des grundrechtlichen Datenschutzes ist gerechtfertigt für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist. Es steht zur Überzeugung des Verfassungsgerichtshofs fest, dass die persönlichen, die Identifizierung zulassenden Daten von minderjährigen Opfern von Sexualstraftaten unter diese Schutzkategorie fallen (vgl. Georgii, in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, 2015, § 29 Rn. 20 m. w. N.). Dieser Personenbezug besteht solange fort, wie die Bezugsperson „bestimmbar“ und „individualisierbar“ bleibt. Diesem naheliegenden Schutzzweck tragen die zwischen dem Untersuchungsausschuss und den Antragsgegnern getroffenen Absprachen hinreichend und angemessen Rechnung. Entgegen der seitens einzelner Abgeordneter aus dem Kreis der Antragstellerin geäußerten Auffassung kam insoweit eine Übergabe der unbearbeiteten Akten in das Verwahrgelass des Landtags von vornherein nicht in Betracht. Darin liegt entgegen ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung keine ungerechtfertigte „Ungleichbehandlung“ der Abgeordneten, die zur Wahrung von Dienstgeheimnissen verpflichtet sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Juni 2017 – 2 BvE 1/15, BVerfGE 146, 1 = juris, Rn. 97 f., und vom 16. Dezember 2020 – 2 BvE 4/18, juris, Rn. 92 f., 116), gegenüber den mit der Pseudonymisierung betrauten Personen oder von Verfassungs wegen mit der strafrechtlichen Aufklärung befassten Angehörigen der Justiz. Denn der Grund für diese rechtliche Differenzierung liegt im unterschiedlichen Zweck der Datenverwendung, die etwa bei den Strafverfolgungsbehörden auf die Verfolgung der Einzeltaten und die damit zwingend verbundene Notwendigkeit der Personaldatenkenntnis abzielt, bei dem Untersuchungsausschuss hingegen auf den mit dem Einsetzungsbeschluss umschriebenen Auftrag.
269Dem Untersuchungsausschuss wurde außerdem ermöglicht, nachzuvollziehen, welche Personen – abstrakt – pseudonymisiert wurden, also wie sich die Gesamtzahl der vergebenen Pseudonyme zusammensetzt. Die Gesamtliste sämtlicher vergebener Pseudonyme umfasste laut einem Vermerk der Treuhänderin des Landtags vom 21. September 2020 zum damaligen Zeitpunkt 1.021 Namen. Aus der genannten Liste der Treuhänderin ergibt sich, dass ihr aus dem Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 1. 293 Namen und aus dem Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 2. 463 Namen zur Pseudonymvergabe übermittelt wurden. Auf die zur weiteren Erläuterung des Umfangs der durchgeführten Pseudonymisierung den Beteiligten übermittelte Aufklärungsverfügung des Verfassungsgerichtshofs vom 12. Februar 2021 vertieften die Antragsgegner ihre bereits vor Einleitung des Organstreits dargelegten Angaben und unterteilten die Gesamtzahl der tatsächlich genutzten Pseudonyme in die Kategorien der Geschädigten, Angehörigen und Dritten. Allerdings zeigten sich erhebliche Differenzen zwischen den bis zum 21. September 2020 vom Antragsgegner zu 2. gelieferten 463 Namen und den zuletzt mit Schriftsatz vom 1. März 2021 auf die Aufklärungsverfügung des Verfassungsgerichtshofs hin angegebenen und in der mündlichen Verhandlung bestätigten 1.066 Namen. Diese Diskrepanz ist jedoch nicht mit der Feststellung des fehlerhaften Umfangs der Pseudonymisierung zu verbinden, sondern im Rahmen der Kommunikationsbeziehung (dazu nachstehend D.II.2.c) zu bewerten.
270Ungeachtet dessen geht die Rüge der Antragstellerin, die „ausdrücklich bestreitet“, dass jede der Vormerkungen in den Akten des Antragsgegners zu 2. habe pseudonymisiert werden müssen, ins Leere. Während des gesamten Zeitraums vor Einleitung des Organstreits und auch bis jetzt hat sie anhand der ihr vorliegenden Akten keinerlei Referenzfälle dargelegt, die den Antragsgegnern und nachfolgend dem Verfassungsgerichtshof eine Nachprüfung von Reichweite und Umfang der konkret durchgeführten Pseudonymisierung nahelegen würden. Das verfassungsrechtliche Gebot zur gegenseitigen Rücknahme und die hierauf gestützte Koordinationsobliegenheit verlangen jedenfalls ein Bestreiten, das dem anderen Verfassungsorgan eine sachgerechte Erläuterung oder Korrektur spezifisch gerügter Punkte ermöglicht.
271Soweit unabhängig davon die Antragstellerin auf die teilweise Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Pseudonymisierung verweist, führt dies nicht auf einen Verfassungsverstoß. Eine Aktenbearbeitung in der hier gegebenen qualitativen und quantitativen Komplexität und Schwierigkeit kann naturgemäß nicht frei von einzelnen Fehlern bleiben. Wie sich etwa aus dem Schreiben des Antragsgegners zu 2. vom 7. Oktober 2020 ergibt, hat dieser im Nachgang zur Bearbeitung der Dateien insgesamt drei Kontrolldurchgänge vorgesehen, „um der – bedingt durch die enorme Datendichte – hohen Fehleranfälligkeit entgegenzuwirken.“ Mindestens einer dieser Kontrolldurchgänge obliege einem im Ministerium tätigen Staatsanwalt. Vor diesem Hintergrund bedarf es zur Feststellung eines Verfassungsrechtsverstoßes eines substantiierten Vorbringens, aus dem sich die Untauglichkeit oder andere strukturelle Defizite der zur Fehlervermeidung vorgesehenen Verfahrensabläufe ergeben. Hierfür gibt das Vorbringen der Antragstellerin nichts her.
272cc) Die personelle und sachliche Organisationsplanung der Aktenbearbeitung ist frei von Verfassungsrechtsfehlern.
273Die Bereitstellung der Sach- und Personalmittel liegt allein im Verantwortungsbereich des Ministers, dessen darauf bezogene Einschätzung zugleich stark prognostische Elemente enthält. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle kann sich daher nur darauf erstrecken, ob die in Ansatz gebrachten tatsächlichen Annahmen unvertretbar sind. Nach diesen Maßstäben sind die Einschätzungen des Antragsgegners zu 2. zu Planung und Einsatz der personellen und sachlichen Mittel der Pseudonymisierung nachvollziehbar und plausibel.
274Die Antragsgegner haben sich Ende 2019 darauf geeinigt, für die tatsächliche Bearbeitung der Akten auf den gleichen Personalkörper zurückzugreifen. Die Initiative der Anwerbung des notwendigen Personals lag beim Antragsgegner zu 1., der bereits Anfang November 2019 die in den vergangenen vier Jahren pensionierten Polizeivollzugsbeamten hinsichtlich einer befristeten Beschäftigung anschrieb. Von den 500 Interessenten wurden zum 26. November 2019 insgesamt 20 Pensionäre eingestellt. Hierüber informierte der Antragsgegner zu 1. den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses mit Schreiben vom 4. Dezember 2019. In der für den Antragsgegner zu 2. bestimmten Hausleitungsvorlage seines Ministeriums vom 2. Dezember 2019 wird mitgeteilt, das Ministerium des Innern gehe „derzeit von einer Bearbeitungsdauer der dortigen Akten von drei Monaten aus“; die Arbeitszeit der angeworbenen Pensionäre betrage 39 Wochenstunden. Diese Prognose der Bearbeitungsdauer für den – hier nicht entscheidungsrelevanten – Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 1. war realistisch, wie die Übergabe der Akten der Kreispolizeibehörden am 11. Februar, 18. Februar und 11. März 2020 an den Untersuchungsausschuss belegt. Auch für den eigenen Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 2. wird eine prognostische Einschätzung abgegeben. Zunächst wird der Einsatz der bereits vom Antragsgegner zu 1. angeworbenen Pensionäre auch für den eigenen Geschäftsbereich ausdrücklich begrüßt. Dadurch entfalle eine Einarbeitungszeit neuer Mitarbeiter und eine einheitliche Sachbearbeitung werde sichergestellt. Das gleiche gelte für die Übernahme der IT-Infrastruktur. Den eigenen Personalbedarf bemisst die Hausleitungsvorlage wie folgt: Die Hauptverfahrensakte der Staatsanwaltschaft Detmold umfasse ca. 14.680 Seiten, die übrigen Vorgänge ca. 13.100 Seiten. Unter Berücksichtigung inhaltsveranlasster Belastungen und der permanenten Bildschirmtätigkeit gehe man im Fall einer vorzunehmenden Pseudonymisierung von durchschnittlich sechs Minuten pro Seite aus. Daraus ergebe sich eine voraussichtliche Bearbeitungsdauer von 166.680 Minuten (27.780 Seiten multipliziert mit 6 Minuten), mithin von 2.278 Stunden bzw. knapp 355 Arbeitstagen (bei 39 Stunden pro Woche/7,8 Stunden pro Tag). Urlaubs-, Krankheits- oder sonstigen Ausfallzeiten seien ergänzend zu berücksichtigen.
275Unter dem Gesichtspunkt allein der organisatorischen Ausgestaltung ist bis zum konkreten Beginn der vorbereitenden Pseudonymisierungsarbeiten durch den Antragsgegner zu 2. im März 2020 ein verfassungsrechtlich erhebliches Fehlverhalten nicht festzustellen. Nach den Absprachen zwischen Untersuchungsausschuss und Antragsgegnern sollte der Antragsgegner zu 1. mit der Pseudonymisierung beginnen und sich die übrigen Behörden dem anschließen. Die Rekrutierung pensionierter Kriminalbeamter für die Sichtung und Bearbeitung der Akten ist nicht zu beanstanden, sondern im Gegenteil aufgrund deren forensischer Erfahrung zweckmäßig, wie die Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung nochmals anschaulich verdeutlicht haben; dass diese Kriminalbeamten in besonderer Weise befähigt waren, in dem sensiblen und unzweifelhaft inhaltlich hoch belastenden Aktenmaterial personale Querverbindungen zu identifizieren und zu verfolgen, um eine möglichst richtige Aktenbearbeitung zu gewährleisten, ist plausibel. Auch deren Zahl erscheint angemessen, berücksichtigt man, dass der effektive Schutz der betroffenen persönlichen Daten nicht durch eine zu weit gehende Personalbefassung gefährdet werden darf. Auch aus diesem sachlichen Datenschutzgrund ist nachvollziehbar, dass die Antragsgegner den gemeinsamen Einsatz des Personals verabredet haben. Hinzu kommt, dass dies evident eine einheitliche Sachbearbeitung erleichtert und so eine höhere Richtigkeitsgewähr der Bearbeitung der sensiblen Daten schafft. Legt man die in der Hausleitungsvorlage intern veranschlagte voraussichtliche Bearbeitungsdauer für die Hauptverfahrensakte (Gesamtumfang: 27.780 Seiten) von 355 Arbeitstagen an, ist die grundsätzliche Personalplanung – sollte auch der Antragsgegner zu 2. von einer Personalstärke von rund 20 Bearbeitern ausgegangen sein – nicht zu beanstanden. Denn dann käme man zu einer (Urlaub, Krankheit, etc. nicht berücksichtigenden) Bearbeitungsdauer von ca. 18 Arbeitstagen (355 Tage geteilt durch 20 Bearbeiter). Zum Zeitpunkt Ende 2019 ist dies eine angemessene Planung des Personal- und Sacheinsatzes seitens des Antragsgegners zu 2. Das gilt jedenfalls, soweit die Planung des Personal- und Sacheinsatzes in Bezug auf die Vorlage der Spurenakten außerhalb der Betrachtung bleibt, weil diesbezüglich eine geringere Sachnähe zum Untersuchungsgegenstand zu erwarten gewesen sein könnte. Dass die Vorlage eines Teils dieser Akten jedoch entgegen dieser Erwartung ebenfalls einen erheblichen Personal- und Sacheinsatz veranlasst, zeigt zuletzt das auf die Aufklärungsverfügung des Verfassungsgerichtshofs vorgelegte Schreiben des Antragsgegners zu 2. vom 25. Februar 2021, das insoweit einen „beträchtlichen Aufwand“ prognostiziert. Insoweit steht dieses Schreiben zudem im möglichen Widerspruch zu seinem Schreiben vom 1. Oktober 2020, nach dem „ein Zusammenhang mit dem Verfahrensgegenstand nicht ersichtlich“ sein würde.
276Die gegen den grundsätzlichen Personalansatz und -einsatz vorgebrachte Rüge der Antragstellerin, die Antragsgegner hätten sich bei den Pseudonymisierungsarbeiten eines externen Dienstleisters bedienen oder eine solche Vorgehensweise jedenfalls prüfen müssen, greift nicht durch. Die dem Minister aufgrund seines Verantwortungsbereichs zustehende Einschätzung umfasst auch die Beurteilung, inwieweit externe Dritte in die erforderliche Aktenbearbeitung einzubinden sind. Der Minister allein kann die personellen und sachlichen Mittel seines Ressorts einschätzen und die verantwortliche Entscheidung treffen, ob die Erfüllung des Beweisbeschlusses die Allokation weiterer Hilfe erfordert. Bei dieser Entscheidung hat der verantwortliche Minister nicht nur die nötige Effektivität der Aktenbearbeitung zu berücksichtigen, sondern – wie hier – die Sensibilität der betroffenen Daten. Dass gerade wegen der konkret betroffenen Daten eine auch räumlich-organisatorisch im ministeriellen Bereich angesiedelte Aktenbearbeitung mit einem vertrauensvoll ausgewählten, und zudem beamtenrechtlich besonders verpflichteten Personalkörper gegenüber einer möglicherweise vergaberechtlich relevanten Beauftragung externer Dienstleister vorzugswürdig ist, erscheint jedenfalls nachvollziehbar. Der Einsatz externer Dienstleister war zwischen Untersuchungsausschuss und Antragsgegnern überdies – soweit ersichtlich – nie ein Thema. Im Gegenteil übermittelte der Antragsgegner zu 2. dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses mit Schreiben vom 9. Dezember 2019 die Stellungnahme der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 6. Dezember 2019, die ausführlich die datenschutzrechtliche Problematik der Frage erörterte, wer die Pseudonymisierung durchführen solle. Die Entscheidung hierüber müsse der Minister aufgrund einer etwaigen besonderen Sensibilität der in Rede stehenden Daten in eigener Verantwortung treffen. Dass die Einschätzung des Antragsgegners zu 2. vor diesem Hintergrund zu beanstanden sein sollte, ist nicht festzustellen.
277dd) Der Antragsgegner zu 2. hat jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass er auf die ab dem Frühsommer 2020 erkennbaren Verzögerungen bei der Bearbeitung der Akten aus seinem Geschäftsbereich angemessen organisatorisch reagiert hat. Insbesondere ist nicht hinreichend substantiiert begründet, dass er einer erkannten Fehlentwicklung nicht frühzeitig etwa durch eine Verstärkung des eingesetzten Personals hätte entgegenwirken können.
278Nach den obigen Maßstäben ist die Aktenvorlagepflicht an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss verfahrensmäßig durch fortlaufende prozedurale Obliegenheiten abgesichert. Dies kann die Obliegenheit umfassen, auf erkannte Fehlentwicklungen, Störungen und sonstige Probleme mit angemessenen organisatorischen Maßnahmen zu reagieren.
279Seit April 2020 wies der Antragsgegner zu 2. darauf hin, dass die Pseudonymisierungsarbeit „zeitintensiver sein (werde) als zunächst erwartet“. Dies wurde u. a. mit den durch die Coronavirus-Pandemie einhergehenden Einschränkungen begründet, die die Bearbeitung „erheblich erschwert“ hätten. Gleichwohl führte er gegenüber dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses bereits mit Schreiben des Staatssekretärs in seinem Ministerium vom 24. April 2020 aus, eine zur etwaigen Beschleunigung denkbare Rekrutierung zusätzlicher Mitarbeiter sei nicht zielführend, da die erforderliche Einarbeitung den personellen Zugewinn aufheben würde. Dass für neue Mitarbeiter möglicherweise eine umfangreiche Einarbeitungszeit in Rechnung zu stellen wäre, verbunden mit entsprechenden Kapazitätsbindungen bei den einweisenden Bestandsmitarbeitern, ist auch Inhalt des Schreibens des Antragsgegners zu 2. vom 7. Oktober 2020. Mit Schreiben vom 20. August 2020 wies der Antragsgegner zu 2. auf den zusätzlichen Einsatz eines abgeordneten Staatsanwalts sowie eines Referatsleiters nebst Referenten aus der zuständigen Fachabteilung hin. Es würden „alle Maßnahmen, die zu einer Verkürzung der Bearbeitungszeit ohne Qualitätsverlust beitragen, ergriffen“.
280Diese allein zu prüfenden Begründungen des Antragsgegners zu 2. zum Personaleinsatz genügen nicht den gesteigerten Anforderungen, die der Grundsatz der Verfassungsorgantreue an eine von gegenseitiger Rücksichtnahme getragene Kommunikationsbeziehung als prozedurale Ausgestaltung des Verfassungsrechtsverhältnisses zwischen der aktenvorlegenden Stelle und dem Untersuchungsausschuss stellt. Zwar trifft es zu, dass mit dem Beharren des Antragsgegners zu 2. auf einem im Kern unveränderten Bearbeiterstamm sowohl Einheitlichkeit als auch Richtigkeit der Aktenbearbeitung in besonderer Weise gewährleistet werden. Außerdem liegt auf der Hand, dass der Kreis der Bearbeiter zum Schutz der betroffenen sensiblen Daten nicht beliebig erweiterbar ist. Ferner können nach den obigen Maßstäben auch nicht in der Sphäre der vorlegenden Stelle liegende außergewöhnliche Umstände für die prozedurale Konkretisierung der Vorlagepflicht von Bedeutung sein, was für die im Frühjahr 2020 eingetretene Coronavirus-Pandemie zweifellos zutrifft. Diese, das gesamte öffentliche wie private Leben gravierend einschränkende Pandemielage konnte nicht ohne Auswirkungen auf die Bearbeitung der vorzulegenden Akten im Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Antragsgegners zu 2. bleiben. So wurde die Gruppe der mit der Pseudonymisierung betrauten Mitarbeiter – bestehend im Wesentlichen aus pensionierten Polizeibeamten – geteilt und jeweils in abwechselnden Schichten eingesetzt, um einen etwaigen Ausfall sämtlicher Mitarbeiter aufgrund eines einzelnen Quarantäne- oder Infektionsfalls zu vermeiden. Von der Ansetzung von Telearbeit wurde aus Gründen der Datensicherheit abgesehen. Mit den gegebenen Begründungen nicht angesprochen ist aber die Frage, warum der Antragsgegner zu 2. davon abgesehen hat, gerade in Reaktion auf die mit der Coronavirus-Pandemie verbundenen gefährdungsbedingten Einschränkungen der Bearbeitung (Pensionäre als Risikogruppe) eine Erweiterung des Personals in Betracht zu ziehen. Jedenfalls mit zunehmender Dauer der Pseudonymisierung ab etwa Juni 2020 bedurfte es einer weiteren, diese Entwicklung einbeziehenden Begründung, warum die mit der Verstärkung des Personals einhergehenden eher kurzfristigen Verzögerungen bei Einweisung und Einarbeitung die Vorteile eines größeren Personaleinsatzes im Ergebnis aufwiegen. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass bei ursprünglich 500 Bewerbern für die Aufgabe ein dienstrechtlich besonders verpflichteter Personalkörper bereits namentlich bekannt war, der zudem eine dienstbedingte besondere Sachnähe und damit schnelle Einarbeitung versprach.
281c) Der Antragsgegner zu 2. hat schließlich die Organrechte der Antragstellerin durch eine unzureichende Information über die im Laufe der Pseudonymisierung der Akten eingetretenen Verzögerungen und deren Folgen verletzt. Konkret betrifft dies die prognostisch veranschlagte Bearbeitungsdauer und deren Kommunikation.
282Nach den obigen Maßstäben ist der Minister verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss so früh wie möglich und mit nachvollziehbarer Prognose mitzuteilen, wann die Pseudonymisierung voraussichtlich abgeschlossen sein wird, wenn die Bearbeitung von absehbar längerer Dauer sein wird. Auch während der laufenden Bearbeitung ist der Minister verpflichtet, über eintretende Verzögerungen und deren Gründe unverzüglich und umfassend zu informieren und dem Untersuchungsausschuss eine belastbare neue Prognose zu geben. Dabei kann offen bleiben, ob das Kommunikationsverhalten des Antragsgegners zu 2. im April 2020 diesen Maßgaben entsprach (dazu aa). Jedenfalls seine Kommunikation ab Juni 2020 (dazu bb) und im Herbst 2020 (dazu cc) ist vor dem Hintergrund der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Kommunikationsbeziehung rechtsfehlerhaft. Ab einem im Sommer 2020 liegenden Zeitpunkt war die ursprünglich kommunizierte Fertigstellungsprognose nicht mehr haltbar. Die unzweifelhaft eingetretene Verzögerung der Vorlage der Akten insbesondere des Landgerichts Detmold – letzte Vorlagelieferung: Januar 2021 – und der Staatsanwaltschaft Detmold – letzte Vorlagelieferung: Oktober 2020 – ist nicht in einer nachvollziehbaren und plausiblen Weise kommuniziert worden.
283aa) Ob die Prognoseverlautbarungen des Antragsgegners zu 2. vom April 2020 belastbar waren, kann im Ergebnis dahinstehen.
284Grundlegend für die im Laufe des Jahres 2020 verlautbarten Prognosen ist die Anfang Dezember 2019 zunächst ministeriumsintern überschlägig berechnete und geschätzte voraussichtliche Bearbeitungsdauer von 355 Arbeitstagen. Mit Schreiben vom 8. April 2020 prognostizierte der Antragsgegner zu 2. sodann einen Abschluss der Bearbeitung „erst im Sommer dieses Jahres“, eine „Anlieferung der Akten des Landgerichts Detmold vor Mitte Mai 2020 dürfte jedoch nicht wahrscheinlich sein“. Woraus sich diese Prognose ergibt, führt der Antragsgegner zu 2. in diesem Schreiben nicht näher aus. Als objektives Kriterium benannt ist, dass die – wohl vorbereitende – Bearbeitung der Akten am 16. März 2020 begonnen habe, und zwar mit zwölf der bisher für den Antragsgegner zu 1. beschäftigten 20 Pensionäre. Die Aktenbearbeitung sei aufgrund der „hohen Dichte an zu pseudonymisierenden Daten“ zeitintensiver als erwartet. Außerdem seien die Bearbeiter aus Infektionsschutzgründen in zwei Gruppen eingeteilt worden, die sich täglich abwechselten. Danach ergibt sich, dass der bisher nur intern veranschlagte Ansatz von 355 Arbeitstagen bei zwölf Bearbeitern eine Gesamtbearbeitungsdauer von knapp 30 Arbeitstagen bedeutet hätte, bei einer Reduzierung der Gruppenstärke um die Hälfte indes schon knapp 60 Arbeitstage. Die höhere Datendichte führte zusätzlich auf einen höheren Zeiteinsatz pro Seite, so dass die bisher veranschlagten sechs Minuten nicht mehr ausreichten. Von diesen mehr spekulativen Erwägungen findet sich in dem Schreiben vom 8. April 2020 jedoch nichts. Der Verweis auf eine Fertigstellung „im Sommer dieses Jahres“ führt – setzt man die meteorologische Jahreszeit an – auf einen Zeitraum vom 1. Juni bis 31. August, oder – setzt man die kalendarische Jahreszeit an – auf einen Zeitraum vom 20. Juni bis 21. September. 60 Arbeitstage hätten, schon ohne Berücksichtigung des höheren Zeitaufwands pro Seite, zu einer Bearbeitungsdauer von etwa drei Monaten geführt. Ob das jedoch mit dem Verweis auf den „Sommer“ gemeint war, kann nur gemutmaßt werden. Auch der weitere Hinweis im Schreiben vom 8. April 2020, wonach „derzeit (…) die Akten des Landgerichts Detmold, danach die der Staatsanwaltschaft Detmold (…)“ bearbeitet und dem Untersuchungsausschuss „nach dem Abschluss der jeweiligen Bearbeitung“ die Akten übergeben würden, ist zumindest missverständlich. Es fehlt jeder inhaltliche Hinweis darauf, dass die Bearbeiter „derzeit“ nur die Vorbereitungsarbeiten durchführten, und nicht die eigentliche Pseudonymisierung. Das Schreiben datiert zu einem Zeitpunkt, zu dem die als pseudonymisierungsbedürftig identifizierten Namen noch nicht einmal an die Treuhänderin übermittelt worden sind. Dies erfolgte ausweislich der Übersicht der Treuhänderin des Landtags erst am 9. April 2020 (136 Namen) bzw. am 4. Mai 2020 (110 Namen) sowie deutlich später.
285Auch das Schreiben seines Staatssekretärs vom 24. April 2020, mit dem der Antragsgegner zu 2. seine Prognose spezifizierte, wirft Fragen auf. Die Bearbeitergruppe sei weiterhin geteilt, eine denkbare Rekrutierung zusätzlicher Mitarbeiter zur Beschleunigung sei „hingegen nicht zielführend“. Unter Verweis auf eine anliegende Übersicht prognostizierte er konkret „eine Fertigstellung aller Unterlagen bis Ende Juni 2020“, und noch konkreter: eine Lieferung der Akten des Landgerichts Detmold ca. 15 Tage nach Erhalt des Pseudonymisierungsschlüssels. Dieser liege indes noch nicht vor. Ausweislich der tabellarischen Übersicht wurden für die Gesamtbearbeitung zum Stand 24. April 2020 insgesamt 56 Arbeitstage angesetzt, von denen 13 bereits genutzt worden seien. Die voraussichtlich noch benötigten Arbeitstage beliefen sich – inklusive weiterer für die Freigabe und Übersendung angesetzter fünf Tage – auf 48 Arbeitstage. Dieser Ansatz von 48 Arbeitstagen führt schon rechnerisch nicht auf eine „Fertigstellung aller Unterlagen bis Ende Juni 2020“. Gerechnet ab Freitag, 24. April 2020 datiert der Ablauf von 48 Arbeitstagen in der zweiten Juliwoche (27. April bis 7. Juli 2020) – und nicht „Ende Juni“. Unabhängig davon findet in dem Schreiben der wesentliche Umstand keine Erwähnung, dass zum Zeitpunkt Ende April erst 136 Klarnamen an die Treuhänderin übergeben wurden. Mit Stand 21. September 2020 beliefen sich die aus dem Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 2. gelieferten Namen jedoch auf 463 Namen. Ende April waren damit 327 Namen noch nicht übergeben worden, mithin rund 70 %. Es ist nicht bekannt, welcher Teil des Gesamtumfanges der zu pseudonymisierenden Klarnamen bereits am 24. April 2020 vollständig bekannt war. Es ist aber anzunehmen, dass dem Antragsgegner zu 2. jedenfalls vor Augen stand, dass die bisher gelieferten Klarnamen nur einen Teil aller betroffenen Namen darstellten. Ungeachtet dessen wurde in dem Schreiben nicht darauf hingewiesen, dass die Namenslieferung an die Treuhänderin noch längst nicht abgeschlossen war. Das Schreiben legt vielmehr den Eindruck nahe, dass man seitens des Ministeriums „nur“ noch auf die Übergabe des Pseudonymisierungsschlüssels warte, bevor man die Aktenbearbeitung finalisieren könne. Die insoweit bestehenden Auslegungsfragen bedürfen hier indes keiner Vertiefung.
286bb) Jedenfalls die Kommunikation des Antragsgegners zu 2. mit dem Untersuchungsausschuss ab Juni 2020 ist vor dem Hintergrund der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Kommunikationsbeziehung rechtsfehlerhaft.
287Nachdem der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses mit Schreiben vom 30. April 2020 den Unmut der Obleute hinsichtlich der am 24. April 2020 prognostizierten Fertigstellung bis Ende Juni 2020 mitteilte, die in Aussicht gestellte Fertigstellung jedoch letztlich akzeptierte, trat mit dem Schreiben des Antragsgegners zu 2. vom 10. Juni 2020 eine Zäsur im Kommunikationsverhältnis zum Untersuchungsausschuss ein. Er führte aus, der Pseudonymisierungsschlüssel sei ihm am 3. Juni 2020 übergeben worden, wobei zunächst eine Klärung „kleinerer Unstimmigkeiten“ habe erfolgen müssen. Mit der eigentlichen Pseudonymisierung sei daher am 9. Juni 2020 begonnen worden. „Auch die zuvor erforderlichen – zeitaufwendigen – Vorarbeiten“ hätten „zwischenzeitlich vollständig abgeschlossen werden“ können. Mit der Übergabe der ersten Vorgänge in der bereits prognostizierten Frist von 15 Arbeitstagen sei zu rechnen. Diese Prognoseverlautbarung ist vor dem Hintergrund der Übersicht der Treuhänderin des Landtags zum Sachstand ihrer Namenslieferungen vom 21. September 2020 nicht nachvollziehbar. Von einem vollständigen Abschluss der Vorarbeiten konnte Mitte Juni 2020 nicht die Rede sein. So informierte der Antragsgegner zu 2. am 7. Oktober 2020 den Fraktionsvorsitzenden der SPD, dass Anfang Juni 2020 über 800 Personennamen markiert worden seien. Ausweislich der Übersicht der Treuhänderin erhielt diese allerdings noch ab dem 4. Juni (zunächst bis 4. August) „regelmäßige“ Lieferungen weiterer Klarnamen durch den Antragsgegner (wohl ca. 74 Namen), am 5. August weitere ca. 70 Namen, am 10. August elf Namen und am 16. September 62 Namen. Eine weitere Namensliste sei angekündigt. Zu der wesentlichen Frage, ob die Identifizierung zu pseudonymisierender Klarnamen nicht auch zu den „Vorarbeiten“ gehört, verhält sich das Schreiben nicht. Aus ihm ergibt sich auch nicht ansatzweise, ob die frühere Prognose von 48 Arbeitstagen noch eingehalten werden könne. Im Grunde fehlt nunmehr jeglicher Hinweis auf einen zu erwartenden Zeitrahmen der Bearbeitung. Die avisierten 15 Arbeitstage (immerhin drei Wochen) beziehen sich nur auf die „ersten Vorgänge“. Sollten interne Berechnungen – analog zur Hausleitungsvorlage vom 2. Dezember 2019 – vorgelegen haben, wurden diese dem Untersuchungsausschuss jedenfalls nicht offengelegt. Wenn bei bereits Anfang Juni 2020 markierten über 800 Personennamen diese erst über weitere Monate hinweg in Teilmengen an die Treuhänderin geliefert wurden, wird in keiner Weise deutlich, wieso dem Untersuchungsausschuss die Vorarbeiten als „vollständig abgeschlossen“ kommuniziert werden konnten. Damit ist schon isoliert betrachtet das Schreiben vom 10. Juni 2020 verfassungsrechtlich zu beanstanden.
288Ebenfalls zu beanstanden ist das Schreiben vom 20. August 2020. Hiermit wurden – nach bereits vorheriger Vorlage der Akten des Oberlandesgerichts Hamm und des Ministeriums selbst – alle übrigen im Aktenbaum bezeichneten Vorgänge der Generalstaatsanwaltschaften Hamm und Köln und der Staatsanwaltschaften Paderborn und Köln übergeben. Ab diesem Zeitpunkt fehlten aus dem Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 2. – die Spurenakten und AR-Vorgänge unberücksichtigt – nur noch die Akten des Landgerichts Detmold und der Staatsanwaltschaft Detmold. Der Antragsgegner zu 2. führte konkret aus, dass die Sichtung der „Dateien nach zu schwärzenden bzw. zu pseudonymisierenden Daten (…) im Wesentlichen Anfang Juni 2020 abgeschlossen“ worden sei. Dabei seien knapp 800 Personennamen – in unterschiedlichen Schreibweisen und Abkürzungen – an ca. 125.000 Stellen markiert worden. Außerdem wies er auf eine längere Bearbeitungsdauer im Vergleich zu den Pseudonymisierungsarbeiten im Ministerium des Antragsgegners zu 1. hin. Die hierfür verantwortlich zeichnende „um ein Vielfaches höhere Anzahl zu schützender Daten, die aus den nur in den Ermittlungsakten befindlichen und in der Übersendung durch das Ministerium des Innern (…) unberücksichtigt gebliebenen Vernehmungsprotokollen, Vermerken u. ä. resultiert“, sei „so nicht ohne Weiteres absehbar“ gewesen. Dieser Hinweis auf die Nichtvorhersehbarkeit der höheren Datendichte u. a. in den Vernehmungsprotokollen der Ermittlungsakten ist nicht plausibel. Zwar ist nachvollziehbar, dass objektiv in diesen Aktenbestandteilen – da es sich um konkrete Vernehmungen zur Sache handeln dürfte – eine höhere Dichte von schutzbedürftigen Daten enthalten ist als beispielsweise in Presseakten des Ministeriums. Es handelt sich um Dokumente aus dem Kernbereich der Forensik. Doch geht es gerade um Bestandteile der Ermittlungsakten, die im eigenen Geschäftsbereich des Antragsgegners zu 2. angefallen waren. So verweigerte der Antragsgegner zu 1. deren Vorlage mit den Akten der Polizeibehörden unter Hinweis auf die hierfür allein gegebene Zuständigkeit „der Justiz“ und mithin des Antragsgegners zu 2. Das Schreiben vom 20. August 2020 legt demgegenüber nahe, man sei von der Datendichte der Dokumente gleichsam überrascht worden. Das ist nicht nachvollziehbar. Die Akten befanden sich von Anfang an im Zugriffsbereich des Antragsgegners zu 2., eine jedenfalls grobe Durchsicht muss – oder jedenfalls müsste – daher schon früh zur Erkenntnis geführt haben, dass diese Akten von anderer Datenqualität sind als die übrigen Akten. Warum das nicht „so nicht ohne Weiteres absehbar“ gewesen sein soll, erschließt sich nicht.
289Insbesondere ist in keiner Weise nachvollziehbar, wieso das Schreiben vom 20. August 2020 die Datensichtungsarbeiten als „im Wesentlichen Anfang Juni 2020 abgeschlossen“ bezeichnet. Bis Anfang Juni 2020 sind ausweislich der Übersicht der Treuhänderin des Landtags an diese nur 246 Namen (136 Namen am 9. April 2020, 110 Namen am 4. Mai 2020) übergeben worden. Ab dem 4. Juni 2020 kamen bis Anfang August noch „einzelne“ Klarnamen hinzu, wohl ca. 74 Namen. Im Zeitraum ab dem 5. August 2020 kamen noch mindestens 143 Namen hinzu (70, elf und 62 Namen). Mehr als die Hälfte der auf die Aufklärungsverfügung des Verfassungsgerichtshofs nunmehr angegebenen 1.066 Namen – allein im Bereich des Antragsgegners zu 2. – ist somit offenbar zwischen dem 21. September 2020 und dem 1. März 2021 übergeben worden. Von einem „im Wesentlichen“ abgeschlossenen Vorgang der Datensichtung zu sprechen, ist vor diesem Hintergrund unvertretbar. Erklären ließe sich die Angabe eventuell dadurch, dass der Antragsgegner zu 2. hier zwischen Datensichtung und Identifizierung betroffener Namen einerseits und der nachfolgenden Meldung dieser Namen an die Treuhänderin andererseits unterscheidet. Hierfür spricht der Umstand, dass der Antragsgegner zu 2. von „knapp 800 Personennamen“ spricht, die an ca. 125.000 Stellen „markiert“ worden seien: Sichtung nebst Markierung in einem ersten, Anfang Juni womöglich abgeschlossenen Schritt, die Lieferung an die Treuhänderin in einem zweiten, noch sukzessive andauernden Schritt. Allerdings wurde auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung für den Bereich des Antragsgegners zu 2. erläutert, es sei im Juni die Namensliste mit 600 bis 700 Klarnamen an die Treuhänderin übergeben worden und es seien dann bei weiterem Lesen noch einzelne weitere Namen aufgefallen. Dies steht jedoch im nicht aufgelösten Widerspruch zur sukzessiven Namenslieferung an die Treuhänderin, der Anfang Juni eben nur 246 Namen und nicht 600 bis 700 Namen, und erst recht nicht 1.066 Namen angeliefert wurden. Die Diskrepanzen dieser Zahlen sind auch von einem Umfang, der sich nicht durch Lesekorrekturen erschließen lässt. Doch selbst wenn dem vom Ablauf her so sein sollte, ist dies nicht in einer für den Untersuchungsausschuss – und nachfolgend den Verfassungsgerichtshof – transparenten Weise offen gelegt und begründet. Eine realistische, nicht auf spekulativ-interpretatorische Mutmaßungen gestützte Einschätzung des aktuellen Bearbeitungsstands der Pseudonymisierung war dem Untersuchungsausschuss auf der Grundlage des Schreibens vom 20. August 2020 nicht möglich.
290cc) In gleicher Weise zu beanstanden ist das Kommunikationsverhalten des Antragsgegners zu 2. mit dem Untersuchungsausschuss im Herbst 2020.
291Sein Schreiben an den Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Landtag vom 7. Oktober 2020 wiederholt weitestgehend die bereits unter dem 20. August 2020 verlautbarten Angaben, insbesondere auch zum wesentlichen Abschluss der Datensichtungsarbeiten Anfang Juni 2020. Auch diese späteren Angaben unterliegen daher den bereits für die Kommunikation ab Sommer 2020 festgestellten rechtlichen Bedenken. Einen belastbaren Rückschluss auf den aktuellen Stand der Bearbeitung erlaubt das Schreiben nicht; ein solcher Rückschluss folgt auch nicht aus der Nennung des seitenmäßigen Umfangs der Akten je nach aktenführender Justizbehörde und der jeweiligen Zahl an pseudonymisierungsbedürftigen Aktenstellen. Insbesondere gibt das Schreiben keinen Aufschluss darüber, ob es im Ministerium des Antragsgegners zu 2. interne Kalkulationen zum weiteren Verfahrensgang gab. Von daher enthält das Schreiben keine belastbare neue Prognose über den erforderlichen Zeitaufwand. Dem Untersuchungsausschuss wurde damit keine Möglichkeit an die Hand gegeben, den Fortgang der weiteren Aktenvorlage in ihrer zeitlichen Dimension realitätsnah einzuschätzen.