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1. Gemäß § 53 Abs. 2 VerfGHG ist auch eine inzidente Anwendung materiellen Bundesrechts durch Fachgerichte der Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen.
2. Ein ungeschriebener Rechtsbehelf, wie etwa die Gegenvorstellung, gehört nicht zu dem nach § 54 Satz 1 VerfGHG zu erschöpfenden Rechtsweg.
3. Es kann gegen das aus Art. 4 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Rechtsschutzgleichheit verstoßen, einerseits das Verfahren wegen Vorgreiflichkeit eines anderen anhängigen Prozesses, für den Prozesskostenhilfe vom zuständigen Gericht bewilligt worden ist, auszusetzen, andererseits aber die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen nicht hinreichender Aussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung auf Erfolg abzulehnen.
4. Bei der Frage, ob die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Erhebung einer der Unterbrechung einer Frist dienenden Klage und den Betrieb des nach Klageerhebung ausgesetzten Verfahrens unter dem Gesichtspunkt der Mutwilligkeit abgelehnt werden darf, sind alle Umstände des konkreten Einzelfalles und darunter auch eine besondere Hilfsbedürftigkeit der Antragstellerin zu berücksichtigen.
Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Juli 2018 – 26 K 5610/17 – und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 31. Januar 2019 – 12 E 663/18 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Rechtsschutzgleichheit gemäß Art. 4 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.
Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Köln zurückverwiesen.
Der Beschwerdeführerin sind die notwendigen Auslagen des Verfahrens der Verfassungsbeschwerde vom Land Nordrhein-Westfalen zu erstatten.
Gründe:
2I.
3Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren gegen die Ablehnung von Blindengeld.
41. Die Beschwerdeführerin leidet unter einer hochgradigen Sehbehinderung. Die Stadt Köln erteilte ihr zwar einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „B“ (Notwendigkeit einer Begleitperson), lehnte jedoch die darüber hinausgehende Zuerkennung des Merkzeichens „Bl“ (Blindheit) mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 26. März 2014 ab. Zur Begründung führte sie aus: Die Sehfähigkeit der Beschwerdeführerin sei nach Auswertung des medizinischen Sachverhalts unter ärztlicher Beteiligung nicht im Sinne einer Blindheit eingeschränkt. Unter Verweis auf eine Bindungswirkung dieses Bescheides lehnte der Landschaftsverband Rheinland daraufhin einen von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf Gewährung von Blindengeld mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid ab.
5Anfang August 2016 beantragte die Beschwerdeführerin die Abänderung des zuletzt genannten Bescheides mit der Begründung, sie habe erneut einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „Bl“ beantragt. In dem Verfahren bei der Stadt bestätigte der hinzugezogene Mediziner jedoch erneut lediglich die hochgradige Sehbehinderung der Beschwerdeführerin, nicht aber eine Blindheit im Sinne des Merkzeichens „Bl“. Der gegen den ablehnenden Bescheid der Stadt eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen. Daraufhin erhob die Beschwerdeführerin bei dem Sozialgericht Köln Klage. Das Sozialgericht bewilligte der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 17. Oktober 2017 Prozesskostenhilfe.
6Der Landschaftsverband lehnte den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zahlung von Blindengeld ab. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid mit einem anwaltlichen Schriftsatz vom 19. April 2017 Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln und beantragte Prozesskostenhilfe. Sie sei auf einem Auge vollständig erblindet und habe – entgegen den ärztlichen Feststellungen im Verwaltungsverfahren bei der Stadt – auf dem noch nicht vollständig erblindeten Auge nur noch eine Sehschärfe von weniger als einem Fünfzigstel der gewöhnlichen Sehstärke; sie leide an weiteren, jedenfalls in ihrer Gesamtheit der Blindheit gleichkommenden Einschränkungen.
7Nachdem das Verwaltungsgericht Köln das Gerichtsverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens wegen des Merkzeichens „BI“ gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3, § 94 VwGO ausgesetzt hatte, lehnte es die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Wegen der Bindung an den bestandskräftigen und noch nicht wirksam abgeänderten Ausgangsbescheid der Stadt bestehe für das verwaltungsgerichtliche Klageverfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn danach hätten die Voraussetzungen für die begehrte Gewährung von Blindengeld nicht vorgelegen, weil es an dem Merkzeichen „Bl“ gefehlt habe. Sowohl der Landschaftsverband als auch das Verwaltungsgericht seien demnach daran gehindert, die Voraussetzungen für die Gewährung von Blindengeld zu bejahen. Außerdem könne Prozesskostenhilfe nicht allein deshalb bewilligt werden, weil die Beschwerdeführerin den Eintritt der Bestandskraft des ablehnenden Bescheides verhindern müsse, obgleich es an der erforderlichen Aussicht auf Erfolg fehle. Die Beschwerdeführerin habe den Landschaftsverband bitten können, mit seiner Entscheidung bis zum rechtskräftigen Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens zu warten. Schließlich habe die Beschwerdeführerin jedenfalls unter Hinzuziehung ihres Sohnes in dem gerichtskostenfreien, dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegenden Verfahren Klage auch ohne einen anwaltlichen Beistand erheben können, um die Klagefrist einzuhalten. Das habe nicht nur schriftlich, sondern auch zur Niederschrift auf der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts geschehen können.
8Das Verwaltungsgericht lehnte mit nicht begründetem Beschluss eine Abhilfe gegen die vorgenannte Entscheidung ab.
9Das Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurück. Zur Begründung führte es aus, die Beschwerdeführerin habe die Klage auch ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts selbst erheben können, weil sie nur der Verhinderung der Bestandskraft eines ablehnenden Bescheides gedient habe. Mit dem Eintreten der Bestandskraft des ablehnenden Bescheides sei zudem schon kein Rechtsnachteil verbunden: Sollte sich die ablehnende Entscheidung über das Blindengeld für den Fall eines Erfolges in dem wegen des Merkzeichens „Bl“ betriebenen Verfahren nachträglich als rechtswidrig herausstellen, könne die Beschwerdeführerin gemäß § 44 SGB X eine Rücknahme des ablehnenden Bescheides und eine rückwirkende Bewilligung des Blindengeldes erwirken.
102. Mit der am 12. Februar 2019 eingegangenen Verfassungsbeschwerde greift die Beschwerdeführerin die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts vom 9. Juli 2018 und des Oberverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2019 an.
11Sie vertritt die Auffassung, dass die angegriffenen Beschlüsse sie in ihrem Recht auf Rechtsschutzgleichheit gemäß Art. 4 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG, wiederum in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzten. Zwar könne sie im Ergebnis vor dem Sozialgericht gegen die Verweigerung des Merkzeichens „Bl“ klagen und obsiegen, sich aber nicht gegen die damit in einem unmittelbaren Zusammenhang stehende Ablehnung des Blindengelds durch eine Klage zum Verwaltungsgericht zur Wehr setzen. Die für die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche Erfolgsaussicht müsse vor dem Hintergrund der maßgebenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe immer dann bejaht werden, wenn Erfolgsaussichten im sozialgerichtlichen Verfahren bestünden und die Entscheidung über das Merkzeichen „Bl“ von einem dort noch zu erhebenden Beweis abhänge. Das Verwaltungsgericht begründe auch nicht, warum es die Erfolgsaussicht der Klage für nicht gegeben halte und damit dem sachnäheren Sozialgericht widerspreche. Der gerichtliche Hinweis, die Klage hätte handschriftlich oder zur Niederschrift bei der Geschäftsstelle ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erhoben werden können, liefe darauf hinaus, dass sie niemals Prozesskostenhilfe erhalten könne. Dies sei mit den hier maßgebenden verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht vereinbar. Vielmehr müsse auch sie – die Beschwerdeführerin – die Möglichkeit haben, sich der Hilfe eines Rechtsanwalts zu bedienen. Soweit das Verwaltungsgericht darauf abstelle, dass sie den Landschaftsverband habe bitten können, mit der Entscheidung über das Blindengeld bis zum Abschluss des Verfahrens wegen des Merkzeichens „Bl“ abzuwarten, habe sich der Landschaftsverband hierauf nicht eingelassen, und sie - die Beschwerdeführerin - habe keinen Anspruch darauf, dass der Landschaftsverband einen Bescheid nicht erlasse.
12Ein Vertrauen auf die erfolgreiche Anwendung des § 44 SGB X sei unzumutbar. Zu beachten sei, dass die Gewährung von Blindengeld schon für die Zeit seit dem Eingang des Antrages, also seit dem 10. Juni 2016, begehrt werde, und dass wegen der langen Verfahrensdauer die Frist des § 44 Abs. 4 SGB X einer vollständigen Rückwirkung entgegenstehen könnte. Außerdem sei nicht davon auszugehen, dass die sozial- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren bis zum 10. Juni 2020 rechtskräftig entschieden würden. Mit der Begründung des Oberverwaltungsgerichts könne jeder Prozesskostenhilfeantrag einer durch einen Rechtsanwalt vertretenen Partei abgelehnt werden. Das entspreche nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Ferner erschließe sich nicht, wie eine fast vollständig erblindete Person, die in der Bewältigung des Alltags auch im Übrigen massiv beeinträchtigt sei und die schon nach dem erteilten Merkzeichen wegen ihrer erheblichen Einschränkungen einer Begleitung bedürfe, selbst eine Klage erheben können solle. Schließlich bestünden offene Fragen. So müsse geklärt werden, wann eine Blindheit im Sinne des Merkzeichens „Bl“ vorliege, ob das nur bei Sehverlust auf beiden Augen oder auch bei einem Sehverlust auf einem Auge und einer mit anderen Beeinträchtigungen verbundenen, minimalen Sehkraft des anderen Auges der Fall sei. Mit den Erwägungen zur Versagung von Prozesskostenhilfe hätten die Gerichte unbemittelte schlechter gestellt als bemittelte Rechtsuchende.
13Der Verfassungsgerichtshof hat die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Köln – 26 K 5610/17 – beigezogen. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht auf eine entsprechende Frage des Verfassungsgerichtshofs hin mit einem Schreiben vom 18. März 2019 mitgeteilt, dass dort eine anhängige Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin gegen die beiden hier verfahrensgegenständlichen Entscheidungen nicht festgestellt werden könne.
14II.
15Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
161. a) Die Beschwerdeführerin ist beschwerdebefugt im Sinne des § 53 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Dezember 1989, in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juli 2018, in Kraft getreten am 1. Januar 2019 (VerfGHG). Sie wendet sich mit der Behauptung, in ihrem aus Art. 4 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG, wiederum in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Recht auf Rechtsschutzgleichheit verletzt zu sein, gegen zwei Entscheidungen nordrhein-westfälischer Gerichte als Akte der Landesstaatsgewalt. Eine solche Verletzung erscheint mit Rücksicht auf die vorgetragene Begründung der angegriffenen Entscheidungen und im Hinblick auf das als verletzt gerügte Recht auch möglich.
17b) Der Verfassungsgerichtshof ist zur Überprüfung der behaupteten Rechtsschutzverletzung befugt. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen zwar insofern auf Bundesrecht im Sinne des § 53 Abs. 2 VerfGHG, als sie die Versagung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 ZPO und die Zurückweisung einer entsprechenden Beschwerde gemäß § 146 VwGO zum Gegenstand haben. Der Verfassungsgerichtshof ist jedoch gemäß § 53 Abs. 2 VerfGHG berechtigt, die Anwendung des Prozessrechts des Bundes, wozu die genannten Vorschriften in der Verwaltungsgerichtsordnung und Zivilprozessordnung gehören, durch die Gerichte des Landes, zu prüfen.
18Der Überprüfung des Verfassungsgerichtshofs entzogen ist mit Rücksicht auf § 53 Abs. 2 VerfGHG allerdings die von dem Verwaltungsgericht unternommene (inzidente) Prüfung des materiellen Verwaltungs- und Sozialrechts im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Aussicht auf Erfolg des § 114 ZPO sowie die ebenfalls inzident unternommene rechtliche Würdigung der Hauptsache im Rahmen der Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 94 VwGO. Denn dabei geht es nicht um die Anwendung des für das Gerichtsverfahren geltenden Prozessrechts. Die in § 53 Abs. 2 VerfGHG hinsichtlich der Anwendung von Bundesrecht eröffnete Prüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofs ist beschränkt auf das von den Gerichten des Landes angewandte Prozessrecht des Bundes, also auf das Recht der gerichtlichen Verfahren. § 53 Abs. 2 VerfGHG gestattet dementsprechend weder eine Überprüfung der Anwendung materiellen Bundesrechts noch eine Kontrolle der Anwendung des für das behördliche Verfahren geltenden Bundesrechts.
19c) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht hier nicht die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen im Verhältnis zu einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht im Sinne des § 53 Abs. 1 Halbs. 2 VerfGHG entgegen. Denn die Beschwerdeführerin hat – wie sich aus der im Wege der Amtshilfe eingeholten Auskunft des Bundesverfassungsgerichts vom 18. März 2019 ergibt – zutreffend behauptet, eine solche Verfassungsbeschwerde nicht erhoben zu haben.
20d) Die Beschwerdeführerin hat den Rechtsweg gemäß § 54 Satz 1 VerfGHG erschöpft. Sie hat die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln mit der Beschwerde gemäß § 146 Abs. 1 VwGO angegriffen, die das Oberverwaltungsgericht mit einem unanfechtbaren Beschluss (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO und dazu etwa Wysk, in: Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2016, § 166 Rn. 68) zurückgewiesen hat.
21Auch wenn es richtig sein mag, dass ein Prozesskostenhilfe versagender Beschluss insofern keine Bindungswirkung entfaltet, als er jederzeit von Amts wegen oder auf eine Gegenvorstellung hin im Sinne eines Antragstellers und Beschwerdeführers abgeändert werden kann und deshalb eine Gegenvorstellung statthaft ist (vgl. auch dazu Wysk, a.a.O.), kann der Beschwerdeführerin dies nicht entgegen gehalten werden. Denn bei der Gegenvorstellung handelt es sich um einen ungeschriebenen Rechtsbehelf, der weder zu dem zu erschöpfenden Rechtsweg nach der maßgebenden Prozessordnung gehört, noch im Rahmen einer formellen Subsidiarität von Bedeutung sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. November 2008 – 1 BvR 848/07 –, BVerfGE 122, S. 190 [199 ff.] zu § 90 Abs. 2 Satz 1, § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die schlichte Wiederholung des Prozesskostenhilfeantrages begegnete hier schon wegen des unveränderten Sachverhalts und des dementsprechend zweifelhaften Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. dazu etwa Wache, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 127 Rn. 12) gravierenden Bedenken. Sie könnte aber selbst im Falle eines Erfolges unter Umständen die mit der Versagung von Prozesskostenhilfe und der Zurückweisung der Beschwerde verbundene Beschwer insofern nicht vollständig beseitigen, als im Beschwerdeverfahren bereits nicht erstattungsfähige außergerichtliche Kosten entstanden sein könnten (vgl. dazu Ziff. 3500 VV RVG sowie Fischer, in: Musielak, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 127 Rn. 28). Deren Erstattung wäre schon mit Rücksicht auf den dann maßgebenden Bewilligungszeitpunkt (vgl. dazu Reichling, in: Beck´scher Online-Kommentar zur ZPO, Stand: 1. Dezember 2018, § 119 Rn. 6 f.) jedenfalls nicht zwingend Gegenstand einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf einen zweiten, späteren Antrag hin.
22e) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht auch nicht der Grundsatz einer materiellen Subsidiarität (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 2016 – 1 BvR 1552/14 -, BeckRS 2016, 48897) entgegen. Dies ergibt sich schon mit Rücksicht auf den Inhalt der Beschwerdeschrift, die darin enthaltenen Hinweise der Beschwerdeführerin auf das bei dem Sozialgericht Köln betriebene Klageverfahren, die dort unter anderem mit Blick auf eine notwendige Beweiserhebung erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie auf die Aussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit des Verfahrens über das Merkzeichen „Bl“ einerseits und im Hinblick auf die mit der feststehenden Behinderung der Beschwerdeführerin verbundenen Schwierigkeiten einer Rechtsverfolgung ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts andererseits. Denn alle für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit bzw. –widrigkeit der angegriffenen Entscheidungen maßgebenden Gesichtspunkte haben sich bereits dem Sach- und Verfahrensstand des Ausgangsverfahrens und hier insbesondere auch dem Vorbringen der Beschwerdeführerin entnehmen lassen. Die hier maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte hätten dementsprechend von den mit der Sache befassten Gerichten bereits im Ausgangsverfahren berücksichtigt werden müssen. Dass die Schriftsätze des Ausgangsverfahrens und die Beschwerdeschrift darüber hinaus nicht zutreffende Ausführungen insbesondere zur rechtlichen Würdigung enthalten, ist unschädlich.
23f) Schließlich steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin den Nichtabhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts Köln weder angegriffen, noch sich mit seinem Inhalt auseinandergesetzt hat. Denn nach seinem auf die Entscheidung über die (Nicht-)Abhilfe beschränkten Tenor geht mit dem Beschluss eine eigenständige Beschwer nicht einher. Ferner enthält die Entscheidung keine Begründung, auf welche die Beschwerdeführerin hätte eingehen können.
242. Die angegriffenen Entscheidungen und die diesen zugrunde liegende Anwendung der maßgebenden Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung und der Zivilprozessordnung verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Gewährung von Rechtsschutzgleichheit.
25a) Kraft der in Art. 4 Abs. 1 LV vorgesehenen Verweisung sind die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland geregelten Grundrechte Bestandteil der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und gelten als unmittelbares Landesrecht. Dazu gehören nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht nur die Grundrechte im Sinne der Art. 1 bis 19 GG, sondern auch vergleichbare subjektiv-öffentliche Rechte, also etwa die in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG aufgeführten grundrechtsgleichen Rechte (vgl. VerfGH, Urteil vom 1. Juli 2014 – VerfGH 21/13 -, juris, Rn. 52 ff.). Dies wiederum schließt das Recht auf Gewährung von Rechtsschutzgleichheit ein, welches aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wird.
26Inhaltlich ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben des Gebots der Rechtsschutzgleichheit maßgebend. Dies gilt sowohl in Bezug auf die beschränkte Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs hinsichtlich der Anwendung von Bundesrecht durch die Gerichte des Landes (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1997 – 2 BvN 1/95 –, BVerfGE 96, S. 345 [363 ff.]) als auch mit Rücksicht auf die aus § 31 Abs. 1 BVerfGG folgende Bindung des Verfassungsgerichtshofs an die jeweils tragenden Gründe der einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.
27b) Das Bundesverfassungsgericht hat für den Anspruch auf Prozesskostenhilfe aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip Anforderungen aufgestellt insbesondere für die im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche Feststellung der Aussicht einer beabsichtigten Rechtsverfolgung auf Erfolg (dazu aa) und die Mutwilligkeit einer beabsichtigten Rechtsverfolgung, die den Anspruch ausschließt (dazu bb).
28aa) Danach verstößt es gegen das subjektive Recht auf Rechtsschutzgleichheit, wenn die Aussicht einer beabsichtigten Rechtsverfolgung auf Erfolg trotz ungeklärter entscheidungserheblicher Rechts- und Tatsachenfragen verneint wird.
29Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Es ist zwar verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren über die Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Die in Auslegung und Anwendung des § 114 Satz 1 ZPO erfolgende Prüfung der Erfolgsaussichten obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Der den Fachgerichten hierbei verfassungsrechtlich zukommende Entscheidungsspielraum wird allerdings überschritten, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Das ist namentlich der Fall, wenn die Fachgerichte die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannen und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlen.
30Hiernach läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn der unbemittelten Partei wegen Fehlens der Erfolgsaussichten ihres Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe verweigert wird, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt sowie keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zu ihrem Nachteil ausgeht. Eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren ist nur in eng begrenztem Rahmen zulässig. Anderenfalls überspannt das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2009 – 1 BvR 560/08 –, juris, Rn. 11 ff. m.w.N.).
31Prozesskostenhilfe darf einer unbemittelten Partei auch nicht wegen mangelnder Aussicht einer beabsichtigten Rechtsverfolgung oder -verteidigung auf Erfolg vorenthalten werden, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unter Rückgriff auf eine gesetzliche Regelung und im Hinblick auf die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Steht die höchstrichterliche Klärung einer solchen Rechtsfrage noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen fehlender Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten. Ansonsten würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen (vgl. insgesamt BVerfG, Beschluss vom 20. Mai 2016 – 1 BvR 3359/14 –, juris, Rn. 13 f. m.w.N.).
32bb) Bei der Prüfung der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausschließenden Mutwilligkeit einer beabsichtigten Rechtsverfolgung bzw. ‑verteidigung gebietet Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine weitgehende Angleichung Unbemittelter an die Situation Bemittelter, nicht eine vollständige Gleichheit. Vergleichsperson ist derjenige Bemittelte, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip steht damit auch einer Besserstellung desjenigen, der seine Prozessführung nicht aus eigenen Mitteln bestreiten muss und daher von vornherein kein Kostenrisiko trägt, gegenüber dem Bemittelten, der sein Kostenrisiko wägen muss, entgegen. Dies haben die Fachgerichte zu beachten, wenn sie beurteilen, ob eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, ob sie nicht mutwillig erscheint und ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich ist (vgl. insgesamt BVerfG, Beschluss vom 18. November 2009 – 1 BvR 2455/08 –, NJW 2010, S. 988 [989]).
33Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Erwägungen zur Bedeutung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe der Rechtsschutzgleichheit bei der Prüfung der Mutwilligkeit einer beabsichtigten Rechtsverfolgung oder ‑verteidigung im Verfahren wegen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Bundesverfassungsgericht unter gewissen Voraussetzungen auch eine Versagung von Prozesskostenhilfe für das Betreiben eines ruhenden Verfahrens unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gebilligt. So werde ein sein Kostenrisiko vernünftig abwägender Bürger, der die Prozesskosten aus eigenen Mitteln finanzieren müsse, ein Verfahren nicht weiter betreiben, solange dieselbe Rechtsfrage bereits in anderen Verfahren in der Revisionsinstanz (sogenannte unechte Musterverfahren) anhängig ist. Er könne auf diesem Wege – im Falle einer in seinem Sinne positiven Entscheidung des Revisionsgerichts – vom Ausgang dieser Verfahren profitieren, ohne selbst einem weiteren Kostenrisiko zu unterliegen. Gehe das Revisionsverfahren hingegen aus Sicht des Betroffenen negativ aus, sei er nicht gehindert, sein Rechtsschutzziel im eigenen Verfahren weiter zu verfolgen. Das Abwarten der Entscheidung des Revisionsgerichts sei auch nicht etwa deswegen unzumutbar, weil der Antragsteller beim Ruhen seines eigenen Verfahrens keinen Einfluss auf die Entscheidung des Revisionsgerichts in den dort bereits anhängigen Verfahren nehmen könne. Letzteres gelte nämlich auch, wenn sein eigenes Verfahren zeitgleich fortgeführt werden würde. Aus verfassungsrechtlicher Sicht reiche es aus, wenn dem Betroffenen nach dem Ergehen der „Musterentscheidungen“ noch alle prozessualen Möglichkeiten offen stünden, umfassenden gerichtlichen Schutz zu erlangen. Solange ein Betreiben des Verfahrens in zumutbarer Weise zurückgestellt beziehungsweise das Verfahren auch formell zum Ruhen gebracht werden könne, sei es nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte davon ausgingen, dass eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich sei. Seien die unechten Musterverfahren zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits beim Revisionsgericht anhängig, gelte dies regelmäßig auch für die Klageerhebung selbst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. November 2009 – 1 BvR 2455/08 –, juris, Rn. 9 ff.).
34c) Unter Zugrundelegung dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe begegnen alle tragenden Erwägungen der beiden angefochtenen Entscheidungen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
35aa) Soweit das Verwaltungsgericht die fehlende Erfolgsaussicht der von der Beschwerdeführerin erhobenen Klage auf die noch andauernde Bindungswirkung des ersten Bescheides über die Zuerkennung lediglich des Merkzeichens „B“ und auf die noch nicht erfolgte Zuerkennung des Merkzeichens „Bl“ gestützt hat, liegt dem eine von dem Verfassungsgerichtshof wegen § 53 Abs. 2 VerfGHG nicht überprüfbare Rechtsauffassung von der Bindungswirkung der Entscheidung über das Merkzeichen zugrunde. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass es für den Ausgang des bei ihm geführten Verfahrens auf das Ergebnis des vor dem Sozialgericht wegen des Merkzeichens „Bl“ betriebenen Verfahrens als vorgreifliche Tatsache ankomme. Das ergibt sich bereits aus den Gründen des Aussetzungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 6. Juni 2017, soweit dort nämlich von dem rechtskräftigen Abschluss des vorgreiflichen Verfahrens die Rede ist. Dementsprechend hängt die Aussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung auf Erfolg nach der auch vom Oberverwaltungsgericht nicht beanstandeten und hier nicht zu überprüfenden rechtlichen Würdigung des Verwaltungsgerichts von einer ungeklärten Tatsache ab, nämlich vom Ausgang des sozialgerichtlichen Verfahrens. Dann aber hätte das Verwaltungsgericht nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zugleich die beantragte Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg versagen dürfen.
36Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu der mangelnden Aussicht auf Erfolg leiden insofern unter einem Widerspruch. So richtig es nämlich sein mag, für den hinsichtlich der Prozesskostenhilfebewilligung maßgebenden Sach- und Verfahrensstand auf den Entscheidungszeitpunkt abzustellen, so unzutreffend ist es nach der eigenen rechtlichen Würdigung des Verwaltungsgerichts, die Erfolgsaussicht der Klage bezogen auf diesen entscheidungserheblichen Zeitpunkt allein unter Hinweis auf die von ihm angenommene Bindungswirkung des noch nicht wirksam abgeänderten Bescheides zu verneinen. Denn das Verwaltungsgericht selbst hat durch die auf § 94 VwGO gestützte Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit ebenfalls befunden, dass der Fall nicht zur Entscheidung reif ist, sondern die Entscheidungsreife erst nach einem rechtskräftigen Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens eintreten wird. Wenn und solange das Verwaltungsgericht an dieser Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit festhält, damit eine gegenwärtige Entscheidungsreife verneint und eine Abhängigkeit des Erfolges von einem ungewissen Umstand bejaht, kann es nicht zugleich die Aussicht auf Erfolg im Verfahren der Prozesskostenhilfebewilligung verneinen, sondern muss sich an seiner die Hauptsache betreffenden rechtlichen Würdigung festhalten lassen. Das gilt jedenfalls, wenn und solange nicht die Erfolgsaussicht in dem als vorgreiflich angesehenen Verfahren beim Sozialgericht mit hinreichender Sicherheit verneint werden kann. Daran fehlt es hier schon deshalb, weil das Sozialgericht seinerseits der Beschwerdeführerin Prozesskostenhilfe bewilligt und dementsprechend die Erfolgsaussicht in dem bei ihm geführten Verfahren bejaht hat, zumal das Verwaltungsgericht keine anderslautende eigene Prognose des Ausgangs des nach seiner Ansicht vorgreiflichen Verfahrens beim Sozialgericht unternommen hat.
37bb) Soweit das Verwaltungsgericht weiter ausgeführt hat, die Beschwerdeführerin habe den Beklagten bitten können, mit der Bescheidung ihres Abänderungsantrages bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag wegen des Merkzeichens „Bl“ zuzuwarten, lässt sich den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht entnehmen, inwiefern es die Bereitschaft des Landschaftsverbandes zu einer Mitwirkung in diesem Sinne aufgeklärt hat. Dementsprechend erscheint es durchaus möglich, dass die Behauptung der Beschwerdeführerin, der Landschaftsverband habe ein Zuwarten abgelehnt, zutrifft, und dass die vom Verwaltungsgericht angenommene Möglichkeit, die Rechte der Beschwerdeführerin ohne weiteres Klageverfahren zu wahren, tatsächlich nicht eröffnet war. In dieser Situation hätte ein bemittelter Rechtsuchender indessen nicht ohne weiteres auf Rechtsschutz verzichtet, sondern – wie die Beschwerdeführerin – Klage erhoben.
38cc) Soweit das Verwaltungsgericht die Beschwerdeführerin auf die Inanspruchnahme ihres Sohnes zur Unterstützung bei einer Klageerhebung ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts verwiesen hat, kann das schon deshalb keinen Bestand haben, weil nicht feststeht, dass ersatzweise der Sohn zu entsprechenden Unterstützungsleistungen selbst in der Lage war und sich hierzu auch bereitgefunden hätte. Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerdeführerin insofern auf eine kostengünstigere Möglichkeit für die Erlangung des verfassungsrechtlich garantierten Rechtsschutzes verwiesen, ohne das tatsächliche Bestehen dieser Möglichkeit ausreichend aufzuklären.
39dd) Soweit sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht darauf abgestellt haben, dass die Beschwerdeführerin persönlich eventuell unter Inanspruchnahme der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts, jedenfalls ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts habe Klage erheben können, mag das zwar grundsätzlich richtig sein. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Mutwilligkeit ist jedoch von ausschlaggebender Bedeutung, ob ein bemittelter Rechtsuchender in der Lage der Beschwerdeführerin unter vernünftiger Abwägung aller Gesichtspunkte und darunter auch der entstehenden Kosten von der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts abgesehen hätte. Dem steht zum einen die wirtschaftliche Bedeutung des Blindengeldes entgegen. Zum anderen ist die Komplexität der hier bestehenden Rechtslage mit zwei ineinander verschränkten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unter eigener Beteiligung der Beschwerdeführerin nicht nur in einem, sondern in beiden Verfahren zu bedenken. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin nicht nur wegen ihrer nach dem Akteninhalt anzunehmenden mangelnden Sach- und Fachkunde, sondern auch und insbesondere aufgrund ihrer Sehbehinderung nur sehr eingeschränkt in der Lage war und ist, ihre Interessen selbst umfassend wahrzunehmen und die diese betreffenden Vorgänge selbst zu prüfen. Mit Rücksicht auf all diese Gesichtspunkte hätte auch eine bemittelte Rechtsuchende in der Lage der Beschwerdeführerin einen Rechtsanwalt hinzugezogen und diesen nicht nur mit der Führung eines Verfahrens, sondern mit der Führung der beiden erforderlichen Verfahren beauftragt.
40Die Beschwerdeführerin kann auch nicht unter Bezugnahme auf die oben erwähnte Entscheidung der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. November 2009 auf eine Wahrnehmung ihrer Rechte ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts verwiesen werden. So richtig es grundsätzlich sein mag, dass ein bemittelter Rechtsuchender im Falle einer zur bloßen Rechtswahrung im Hinblick auf laufende Fristen erhobenen, dann aber ruhenden Klage, deren Erfolg zudem von dem Ausgang eines anderen Verfahrens abhängt, unter Umständen von der kostenträchtigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts absehen wird, so wenig trägt diese allgemeine Erwägung doch den Besonderheiten des vorliegenden Falles Rechnung. Denn hier ging es nicht nur um die Einleitung bzw. Führung zweier rechtlich ineinander verschränkter Verfahren, sondern die betroffene Person war und ist aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ihre Rechte selbst und ohne fremde Hilfe wahrzunehmen. Das war auch den mit der Sache befassten Gerichten aufgrund des Inhalts der Gerichtsakten von Beginn an bekannt. Ferner handelte es sich hier nicht um das bloße Abwarten des Ausgangs eines Musterverfahrens in dem die eigenen Rechte betreffenden Prozess, sondern es ging darum, beide Klageverfahren einzuleiten, sodann das nach Auffassung des Verwaltungsgerichts vorgreifliche Verfahren vor dem Sozialgericht voranzutreiben und schließlich dessen Ausgang im Prozess vor dem Verwaltungsgericht zu berücksichtigen. Zur sachgerechten Bewältigung dieser deutlich anspruchsvolleren Lage hätte sich auch ein bemittelter Rechtsuchender in der ohnehin hilfsbedürftigen Lage der Beschwerdeführerin auch wegen des vorliegenden, vorläufig ruhenden Verfahrens einer sach- und fachkundigen Person ihres Vertrauens, also eines Rechtsanwalts, bedient.
41ee) Soweit das Oberverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin schließlich auf die mit § 44 SGB X einhergehende Möglichkeit verwiesen hat, einen in Bestandskraft erwachsenen Ablehnungsbescheid des Landschaftsverbandes nach einem Erfolg im sozialgerichtlichen Verfahren wegen nachträglich eingetretener Rechtswidrigkeit zu ihren Gunsten und mit Wirkung auch für die Vergangenheit abändern zu lassen, begegnet das schon mit Blick auf die Frist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X durchgreifenden Bedenken.
42Aber auch ohne Rücksicht auf die dem Rechtsuchenden sicher nicht ohne weiteres vertrauten Einzelheiten der Anwendung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X stehen grundsätzliche Erwägungen einer solchen Verweisung entgegen: Maßgebend ist, ob eine vernünftig denkende, bemittelte Partei auch unter Berücksichtigung der Kosten von einer Klage abgesehen und auf die später eventuell bestehende Möglichkeit einer Abänderung nach § 44 SGB X vertraut hätte. Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden, denn der die Rechte der Beschwerdeführerin betreffende Bescheid ist nach der dem Aussetzungsbeschluss zugrunde liegenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts eventuell rechtswidrig. Auch mit Rücksicht auf vernünftige Kostenerwägungen kann einem Rechtsuchenden indessen nicht zugemutet werden, unter Umständen rechtswidrige staatliche Maßnahmen unter Verweis auf eine keineswegs sichere Möglichkeit eines Rechtsschutzes in der Zukunft vorläufig hinzunehmen. Hinzu kommt, dass aus der Sicht eines vernünftigen, bemittelten Rechtsuchenden der Weg über § 44 SGB X, selbst wenn er nach einer anwaltlichen Beratung bekannt gewesen sein sollte, keineswegs als ebenso geeignet wie der hier ergriffene Primärrechtsschutz erscheinen musste. Denn ein Absehen von einer Klage und ein Beschreiten des Weges über § 44 SGB X hätte durchaus mit einer erheblichen Verzögerung des Rechtsschutzes verbunden sein können, weil erst nach Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens ein erneuter Abänderungsantrag hätte gestellt werden können und danach bis zu einem eventuell nötigen gerichtlichen Rechtsschutz erneut ein Verwaltungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen. Schließlich hätte ein vernünftiger, bemittelter Rechtsuchender schon mit Rücksicht auf die ungewisse Verfahrensdauer, die mit § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X verbundenen Unsicherheiten und das damit einhergehende Risiko eines (teilweisen) Ausfalls der Leistung nicht von einer Klageerhebung abgesehen.
433. a) Die Entscheidung über die Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Gewährung von Rechtsschutzgleichheit beruht auf § 61 Abs. 1 VerfGHG.
44b) Der Verfassungsgerichtshof hebt gemäß § 61 Abs. 2 VerfGHG beide angegriffenen Entscheidungen auf und verweist die Sache zur neuerlichen Bescheidung des Prozesskostenhilfeantrages der Beschwerdeführerin unter Beachtung der vorstehenden Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurück. Zum einen begegnen beide Entscheidungen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Zum anderen ist eine umfassende Prüfung auch aller übrigen Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen geboten, wie sie nach der Systematik der Verwaltungsgerichtsordnung das erstinstanzliche Gericht leisten soll.
45c) Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 63 Abs. 4 VerfGHG.