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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Antrag der Antragstellerin,
2die Beklagte zu verpflichten, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Abschiebung der Antragstellerin solange auszusetzen ist, bis über das Klageverfahren 3 K 6582/17.A entschieden ist,
3ist nach dem Antragsbegehren entsprechend § 88 VwGO auszulegen. Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Bundesamts vom 18.10.2017. Vorläufiger Rechtsschutz gegen diesen Bescheid erfolgt durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Asylfolgeantrags als unzulässig durch Ziffer 1. des Bescheids sowie durch einen (hilfsweisen) Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 123 Abs. 1 VwGO zur Sicherung von Ansprüchen der Antragstellerin auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Der Auslegung des Antrags steht nicht entgegen, dass dieser von einem Rechtsanwalt gestellt ist: Die Frage, in welchem Verfahren einstweiliger Rechtsschutz anlässlich der Ablehnung eines Folgeantrags als unzulässig zu gewähren ist, ist nicht einfach zu beantworten. Vor allem hat sich die Rechtslage diesbezüglich in Folge der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des Asylgesetzes nach Inkrafttreten desIntegrationsgesetzes geändert.
4Bislang war vorläufiger Rechtschutz gegen drohende Abschiebungsmaßnahmen im Falle der Ablehnung eines Folgeantrags (§ 71 AsylG) nur dann in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) anlässlich der Entscheidung über den Folgeantrag – wie hier nicht – eine erneute Abschiebungsandrohung gemäß §§ 71 Abs. 4, 34 Abs. 1 AsylG erlassen hatte und dadurch das Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung) eröffnet war. Hatte das Bundesamt hingegen in Anwendung des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG keine erneute Abschiebungsandrohung verfügt, dann war das Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO (i. V. m. §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG) mangels Anfechtungsklage (gegen eine Abschiebungsandrohung) in der Hauptsache nicht eröffnet. Gegen die Ablehnung des Folgeantrags, d. h. die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, war in der Hauptsache allein eine Verpflichtungsklage statthaft. Vorläufiger Rechtsschutz gegen drohende Abschiebungsmaßnahmen wurde im letztgenannten Fall dementsprechend nach § 123 VwGO gewährt. Ziel eines solchen Antrags war die Verpflichtung des Bundesamts, eine Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG an die Ausländerbehörde zu unterlassen oder diese rückgängig zu machen bzw. die Ausländerbehörde davon in Kenntnis zu setzen, dass trotz der Mitteilung keine Abschiebungsmaßnahmen durchgeführt werden dürfen.
5Vgl. zum Ganzen Funke-Kaiser in: GK-AsylG, 113. Aktualisierungslieferung, Oktober 2017, § 71 AsylG, Rdn. 380 ff.; Marx, Kommentar zum Asylgesetz, 9. Aufl., 2017, § 71 AsylG, Rdn. 119 ff.
6Daran ist nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes zum 6. August 2016 für die Fallgestaltung, dass das Bundesamt keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen hat, nicht mehr festzuhalten.
7Denn die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar, die mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist.
8BVerwG, Urteil vom 14. 12. 2016 – 1 C 4.16 –, juris, Rdn. 15 ff.
9Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zum Folgeantrag die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageart betrachtet worden war, ist daran aufgrund der Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts durch das Integrationsgesetz nicht festzuhalten.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. 12. 2016 – 1 C 4.16 –, juris, Rdn. 17.
11Diese Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung. § 71 Abs. 4 AsylG verweist auf § 36 AsylG. Es liegt damit kein „sonstiger Fall“ im Sinne des § 38 Abs. 1 AsylG vor, bei dem eine Anfechtungsklage gemäß § 75 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung hätte.
12Ist nunmehr gegen die Ablehnung eines Folgeantrags nach § 71 AsylG in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft, dann muss wegen des Vorrangs des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO) vorläufiger Rechtsschutz gegen eine drohende Abschiebungsmaßnahme hinsichtlich der Ablehnung des Folgeantrags auch dann in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden, wenn das Bundesamt anlässlich der Entscheidung über den Folgeantrag keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen hat. Der (Hilfs-)Konstruktion eines gegen die Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 VwGO gerichteten Antrags nach § 123 VwGO bedarf es nicht mehr. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet sich in diesem Fall auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig. Wird diesem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprochen, dann dürfen aus der Ablehnung des Folgeantrags einstweilen keine Folgen mehr gezogen werden bzw. ist von einer vorläufigen Wirksamkeitshemmung auszugehen. Der betroffene Ausländer ist im Ergebnis zumindest so zu stellen, als sei über seinen Folgeantrag noch nicht entschieden. Damit scheidet insbesondere eine Abschiebung des Ausländers einstweilen aus. Das Bundesamt hat die zuständige Ausländerbehörde über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und die damit verbundenen Rechtsfolgen in Kenntnis zu setzen.
13Vgl. VG München, Beschluss vom 8. 5. 2017 – M 2 E 17.37375 –, juris, Rdn. 15; VG Dresden, Beschluss vom 11. 9. 2017 – 13 L 1004/17.A –, juris, Rdn. 18 ff.; VG Würzburg, Beschluss vom 10. 10. 2017 – W 8 E 17.33482 –, juris, Rdn. 9 f.
14Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG im Fall eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts nur in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG unwirksam wird, nicht hingegen in jenem des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG und somit nicht im vorliegenden Fall der Ablehnung eines Folgeantrags nach § 71 AsylG als unzulässig. Regelungsinhalt des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist, dass die dort genannten Unzulässigkeitsentscheidungen bereits durch einen erfolgreichen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO – nicht nur vorläufig, sondern endgültig – unwirksam werden und es hierzu nicht erst der Aufhebung in einem nachgelagerten Klageverfahren bedarf.
15Funke-Kaiser in: GK-AsylG, 113. Aktualisierungslieferung, Oktober 2017, § 37 AsylG, Rdn. 4; Marx, Kommentar zum Asylgesetz, 9. Aufl., 2017, § 37 AsylG, Rdn. 2 f.
16In Bezug auf den einstweiligen Rechtsschutz ergibt sich indes schon aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs zu einer vorläufigen Nichtvollziehbarkeit oder Wirksamkeitshemmung führt. Mit dieser vorläufigen Wirkung ist dem Rechtsschutzauftrag des einstweiligen Rechtschutzes auch erschöpfend Genüge getan.
17Vgl. VG München, Beschluss vom 8. 5. 2017 – M 2 E 17.37375 –, juris, Rdn. 16.
18Es besteht auch kein Anlass zu der Annahme, dass die Antragsgegnerin einer gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Ablehnung eines Folgeantrags von vornherein keine Beachtung schenken wird. Auch ist es dem Bundesamt unschwer möglich, die zuständige Ausländerbehörde über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu informieren. Sollte es in Einzelfällen dazu kommen, dass die aufschiebende Wirkung missachtet wird, so kann der betroffene Ausländer Maßnahmen zur Sicherung seiner Rechte durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO beantragen.
19Anders als hinsichtlich des Folgeantrags nach § 71 AsylG – der lediglich den Asylantrag und somit lediglich die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a GG und die Zuerkennung internationalen Schutzes nach §§ 3 ff., 4 AsylG umfasst (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG) – ist hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in der Hauptsache weiterhin eine (hilfsweise zu erhebende) Verpflichtungsklage statthaft.
20BVerwG, Urteil vom 14. 12. 2016 – 1 C 4.16 –, juris, Rdn. 20.
21Dies folgt daraus, dass das Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge zusätzlich festzustellen hat, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
22BVerwG, Urteil vom 14. 12. 2016 – 1 C 4.16 –, juris, Rdn. 18, 20.
23In Bezug auf § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hat sich das Bundesamt somit anlässlich einer Entscheidung über einen Folgeantrag sachlich mit dem Schutzbegehren zu befassen. Es darf sich nicht mit der Prüfung begnügen, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Vielmehr hat es – so ausdrücklich § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG – festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Stellt das Bundesamt fest, dass keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen oder trifft es entgegen § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG die vorgesehene Feststellungsentscheidung nicht, dann kann der betroffene Ausländer zusätzlich zu der gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig gerichteten Anfechtungsklage (hilfsweise) eine Verpflichtungsklage auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG erheben.
24Vgl. VG München, Beschluss vom 8. 5. 2017 – M 2 E 17.37375 –, juris, Rdn. 18.
25Für den vorläufigen Rechtsschutz gegen drohende Abschiebungsmaßnahmen anlässlich der Ablehnung eines Folgeantrags, den der Ausländer darauf stützt, dass entgegen der Entscheidung des Bundesamts nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, ergibt sich daraus Folgendes: Fehlt es – wie vorliegend – an einer erneuten Abschiebungsandrohung, dann ist insoweit für einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mangels Anfechtungsklage in der Hauptsache kein Raum. Gibt es keine erneute Abschiebungsandrohung, dann gibt es auch in der Hauptsache keine Anfechtungsklage gegen eine Abschiebungsandrohung, der Verweis gemäß §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG auf den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO „gegen die Abschiebungsandrohung“ geht ins Leere. Hinsichtlich der vom Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zu treffenden Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, ist in der Hauptsache – wie oben ausgeführt – nicht die Anfechtungsklage, sondern eine (hilfsweise zu erhebende) Verpflichtungsklage statthaft. Auch insoweit gibt es deshalb keine Anfechtungsklage, deren aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte. Scheidet mithin in den Fällen ohne erneute Abschiebungsandrohung hinsichtlich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO aus, muss vorläufiger Rechtsschutz insoweit durch einen Antrag nach § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gewährt werden. Zweck einer solchen Anordnung ist es, einen Anspruch des betroffenen Ausländers auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorläufig zu sichern. Zur Erreichung dieses Zweckes (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO) ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des betroffenen Ausländers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf. Auf die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG kann hingegen nicht abgestellt werden, da diese allein den Folgeantrag nach § 71 AsylG und nicht die Abschiebungsverbote betrifft.
26Die so verstandenen Anträge der Antragstellerin sind zulässig.
27Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 18. 10. 2017 ist unbegründet.
28Für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gegen eine Ablehnung eines Folgeantrags nach § 71 AsylG als unzulässig gilt der Prüfungsmaßstab der „ernstlichen Zweifel“. Für Fälle, in denen mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG kein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird, hat der Gesetzgeber durch die Regelungen in § 71 Abs. 4 i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG kraft einfachen Rechts für das gerichtliche Eilverfahren den Maßstab des Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG bestimmt. Das Verwaltungsgericht darf einstweiligen Rechtsschutz daher nur gewähren, wenn es ernstliche Zweifel daran hat, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen.
29BVerfG, Beschluss vom 16. 3. 1999 – 2 BvR 2131/95 –, juris, Rdn. 22.
30Daran ändert auch nichts, dass es vorliegend nicht um einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG „gegen die Abschiebungsandrohung“ geht: Der Verweis in § 71 Abs. 4 AsylG auf eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 AsylG gilt unabhängig davon, ob zugleich auch der Verweis in § 71 Abs. 4 AsylG auf § 36 Abs. 3 AsylG zur Anwendung kommt.
31Vgl. VG München, Beschluss vom 8. 5. 2017 – M 2 E 17.37375 –, juris, Rdn. 21.
32Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Ferner bleiben Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 71 Abs. 4 AsylG i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
33Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids. Das Bundesamt hat den Folgeantrag zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen (§§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
34Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG müssen sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten der Antragstellerin geändert haben (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine für sie günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO bestehen (Nr. 3). Eine im vorliegenden Fall allein geltend gemachte und in Betracht kommende Änderung der Sach- und Rechtslage (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) ist nicht gegeben. Dies erfordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen. Es genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe.
35Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. 3. 2000 – 2 BvR 39/98 –, juris, Rdn. 32 m. w. N.
36Die von der Antragstellerin geltend gemachte Änderung der politischen Situation in der Türkei ist jedoch nicht geeignet, eine günstigere Entscheidung für sie herbeizuführen. Sie wirkt sich auf die Antragstellerin nicht aus. Die Antragstellerin kann zum einen nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie nach dem Putschversuch verstärkt mit der PKK in Verbindung gebracht und daher verfolgt werde, weil die Behörden annähmen, sie stehe in Kontakt zu ihrem Sohn T. , der sich unter den kurdischen Guerillas in den Bergen Kurdistans befinde. Es ist weiterhin nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin von den türkischen Behörden mit der PKK in Verbindung gebracht wird. Nach den ausführlichen Feststellungen in den vorangegangenen, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren konnte der Antragstellerin bereits eine eigene Vorverfolgung wegen der möglichen Verbindung ihres Sohnes T. zur PKK nicht geglaubt werden. Substantiierte Angaben dazu, warum dies nunmehr anders sein sollte, hat die Antragstellerin nicht gemacht. Dass sie „von einem Bekannten“ erfahren habe, dass „die türkische Polizei nach ihr gefragt habe“, ist völlig vage und unsubstantiiert.
37Zum anderen führt die Tatsache, dass die Antragstellerin Kurdin ist, ebenfalls nicht dazu, dass sich der Putschversuch vom 15. 7. 2016 auf sie auswirkt.
38Kurden waren und sind – unabhängig vom Putschversuch – in der Türkei keinen landesweiten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, da sie zumindest in der Westtürkei grundsätzlich unbehelligt leben können, soweit sie nicht in strafrechtlich relevanter Weise für die PKK oder ihre Nachfolgeorganisationen aktiv geworden sind.
39Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. 4. 2005 – 8 A 273/04 –, juris.
40Eine solche Tätigkeit ist von der Antragstellerin nicht geltend gemacht worden. Dass die türkischen Behörden ihr eine Verbindung zur PKK zuschreiben, kann ihr nach den Feststellungen im vorangegangen Asylverfahren – wie oben erörtert – nicht geglaubt werden.
41Auch nach den neuesten Entwicklungen werden in die Türkei zurückkehrende Asylbewerber nicht allein aufgrund ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit inhaftiert, auch wenn die Einreisekontrollen nach dem Putschversuch im Juli 2016 generell verschärft wurden.
42Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an VG Karlsruhe vom 9. 5. 2017, S. 1/2; Schweizerische Flüchtlingshilfe an das VG Karlsruhe vom 17. 2. 2017, S. 3; Kamil Taylan an VG Karlsruhe vom 13. 1. 2017, S. 3.
43Auch der sinngemäß hilfsweise gestellte Antrag nach § 123 VwGO ist unbegründet. Zwar war es nach dem oben Gesagten rechtswidrig, dass sich das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid vom 18. 10. 2017 auch hinsichtlich der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG mit der bloßen Prüfung von Wiederaufnahmegründen begnügt hat und nicht die erforderliche Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG vorgenommen hat.
44Ein im Rahmen des § 123 Abs. 1 VwGO maßgeblicher Anordnungsanspruch folgt allein daraus aber nicht. Die Antragstellerin hat keine Tatsachen glaubhaft gemacht, wonach bei ihr die Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).
45Aus den vorgelegten ärztlichen Attesten des Facharztes für Allgemeinmedizin, Dr. E. , vom 3. 7. 2017 und des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. S. , vom 8. 9. 2017 lassen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein im vorliegenden Verfahren allein maßgebliches zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot entnehmen.
46Das Attest vom 3. 7. 2017 nimmt mit der Verschlechterung der gesundheitlichen Situation wegen der Abschiebung allein inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse in den Blick, die gegenüber der Ausländerbehörde geltend zu machen sind, und verhält sich nicht zu den konkreten Auswirkungen auf die Krankheiten bei einer Weiterbehandlung im Heimatland.
47Das Attest vom 8. 9. 2017, das sich ausschließlich zu psychischen Krankheiten verhält, ist in Umfang und Inhalt völlig unzureichend. Die psychische Erkrankung ist schon nicht hinreichend substantiiert konkretisiert und erst recht nicht nachgewiesen. Zur Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung an PTBS gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus dem Attest muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen.
48Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. 9. 2007 – 10 C 8.07 –, InfAuslR 2008, 142.
49Diese Grundsätze sind auch bei anderen psychischen Erkrankungen entsprechend anzuwenden, wenn die Unschärfen des jeweiligen Krankheitsbildes und seine vielfältigen Symptome es in vergleichbarer Weise wie bei der PTBS rechtfertigen, gewisse Mindestanforderungen an die vorzulegenden Atteste zu stellen.
50Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. 10. 2017 – 13 A 1807/17.A –, juris, Rdn. 25, und 21. 3. 2017 – 19 A 2461/14.A –, juris, Rdn. 17.
51So liegt es im vorliegenden Fall, in dem das Attest von einem „depressiven Störungsbild mit schweren Episoden“ sowie „Anhaltspunkten für eine posttraumatische Genese der Erkrankung“ spricht.
52Die eingereichte Bescheinigung vom 8. 9. 2017 lässt keine Anamnese erkennen. Sie zeigt nicht auf, dass und gegebenenfalls welche Befunde der behandelnde Arzt erhoben hat und welche konkrete Diagnose unter Angaben der ICD-10-Kennziffer überhaupt gestellt worden ist. Sie enthält auch keine genauen Angaben über die Art der vorgenommenen Behandlung. Der Arzt räumt ein, dass aufgrund des Fehlens kurdischsprachiger Psychotherapeuten eine psychotherapeutische Behandlung bisher nicht gelungen sei. Auch welche konkreten Weiterbehandlungen erforderlich sind, ergibt sich aus dem Attest nicht eindeutig, zumal die psychotherapeutische Behandlung bisher noch gar nicht begonnen hat. Das Attest ist völlig ohne Details hinsichtlich der Art und der Dauer der Behandlungsbedürftigkeit. Wegen der generellen Behandlungsmöglichkeiten – auch psychischer Krankheiten – in der Türkei, die westeuropäischen Standards entsprechen, nimmt das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug auf die zutreffenden Ausführungen, die das Bundesamt im angefochtenen Bescheid unter dem Punkt des Wiederaufgreifens im weiteren Sinn gemacht hat.
53Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).