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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Einstellung eines Beschlusses des Amtsgerichts X in die Datenbank NRWE.
3Der Kläger beantragte unter dem 14. Dezember 2022 die Veröffentlichung des Beschlusses des Amtsgerichts X vom 21. April 2011 – 10 F 102/11 – in der Datenbank NRWE. Der Antrag ist vom Direktor des Amtsgerichts X mit Bescheid vom 22. Februar 2023 zurückgewiesen worden, weil ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung von Entscheidungen dann ausscheide, wenn die angefragte Entscheidung ohne über den konkreten Sachverhalt hinausgehende inhaltliche Begründung geblieben sei. Dies sei bei der vom Kläger angefragten Entscheidung der Fall.
4Der Kläger hat am 4. März 2023 entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids vom 22. Februar 2023 Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim Oberlandesgericht Hamm gestellt. Das Oberlandesgericht Hamm hat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 18. Juli 2023 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt, das Verfahren an das Verwaltungsgericht Münster verwiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
5Ursprünglich hat der Kläger sinngemäß beantragt, den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Direktors des Amtsgerichts X vom 22. Februar 2023 zu verpflichten, den Beschluss des Amtsgerichts X vom 21. April 2011, Az. 10 F 102/11, in die Entscheidungsdatenbank NRWE des Landes Nordrhein-Westfalen einzustellen.
6Der Kläger trägt nunmehr im Wesentlichen vor, dass der Direktor des Amtsgerichts X noch gar keine Entscheidung über seinen Veröffentlichungsantrag getroffen habe, sondern über einen anderen Beschluss vom selben Tage im selben Verfahren (nämlich eine Anordnung in einem Gewaltschutzverfahren) entschieden habe. Er habe jedoch die Veröffentlichung des Ordnungsgeldbeschlusses vom 21. April 2011 in diesem Verfahren begehrt, was an der Verlinkung in seinem Veröffentlichungsantrag auch erkennbar gewesen sei.
7Der Kläger beantragt zuletzt,
8den Beklagten zu verpflichten, über seinen Veröffentlichungsantrag hinsichtlich des Ordnungsgeldbeschlusses des Amtsgerichts X vom 21. April 2011, Az. 10 F 102/11, in der Entscheidungsdatenbank NRWE des Landes Nordrhein-Westfalen zu entscheiden.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Veröffentlichung der genannten Gerichtsentscheidung habe. Unabhängig davon erweise sich das Veröffentlichungsbegehren als rechtsmissbräuchlich.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe
14A. Das Gericht entscheidet durch den Berichterstatter als Einzelrichter, weil die Kammer ihm den Rechtsstreit durch Beschluss vom 12. März 2025 gemäß § 6 Abs. 1 VwGO übertragen hat. Dieser Beschluss ist gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 VwGO unanfechtbar. Eine Rückübertragung auf die Kammer gemäß § 6 Abs. 3 VwGO kam bereits deshalb nicht in Betracht, weil sich die Prozesslage zwischenzeitlich nicht wesentlich verändert hat.
15Das Gericht konnte auch in der Sache mündlich verhandeln und entscheiden, obwohl der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Denn er wurde mit dem Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß zum Termin geladen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
16Das Gericht entscheidet ausschließlich über den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Bescheidung seines Veröffentlichungsantrags. Der darin zum Ausdruck kommende Übergang von einer Vornahmeklage zu einer Bescheidungsklage stellt eine gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässige Klageänderung dar.
17Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2006 – 6 B 47.06 –, juris Rn. 13; Urteil vom 8. Dezember 1988 – 3 C 45.87 –, juris Rn. 17.
18B. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.
19Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges folgt bereits aus dem Verweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Juli 2023. Dieser ist gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG für das erkennende Gericht bindend. Diese Bindungswirkung besteht grundsätzlich auch bei einem fehlerhaften Verweisungsbeschluss und kann nur bei extremen Rechtsverstößen durchbrochen werden. Das ist dann der Fall, wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechterdings nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2023 – 9 AV 1.23 –, juris Rn. 10 m. w. N.
21Ein solcher qualifizierter Rechtsverstoß liegt hier zweifellos nicht vor. Das Oberlandesgericht Hamm hat nachvollziehbar begründet, warum der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nach § 23 Abs. 1 EGGVG seiner Auffassung nach nicht eröffnet ist und sich dabei auch mit der Gegenauffassung in Literatur und Rechtsprechung auseinandergesetzt. Vor diesem Hintergrund war auch kein Raum mehr für die vom Kläger begehrte Vorabentscheidung über den Rechtsweg gemäß § 17a Abs. 3 GVG.
22C. Die Klage ist mangels Klagebefugnis des Klägers im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO bereits unzulässig.
23Der Kläger hat unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf (erneute) Bescheidung seines Veröffentlichungsantrages. Vielmehr ist dieser bereits beschieden, so dass ein ggf. ursprünglich bestehender Bescheidungsanspruch des Klägers jedenfalls erfüllt ist. Ein darüber hinaus gehendes subjektiv-öffentliches Recht steht dem Kläger nicht zu.
24I. Der Direktor des Amtsgerichts X hat den Veröffentlichungsantrag des Klägers vom 14. Dezember 2022 unter dem 22. Februar 2023 beschieden.
25Dabei kann offenbleiben, ob der Direktor des Amtsgerichts X bei seiner Entscheidung über den Veröffentlichungsantrag des Klägers über die Veröffentlichung des Beschlusses vom 21. April 2011 in dem Gewaltschutzverfahren 10 F 102/11 entscheiden wollte, wofür dessen erster Bericht an den Präsidenten des Landgerichts Y sprechen würde (vgl. Bl. 4 ff. BA 2), oder über den Ordnungsgeldbeschluss vom selben Tage im selben Verfahren, wofür der zweite Bericht an den Präsidenten des Landgerichts Y sprechen würde (vgl. Bl. 11 ff. BA 2).
26Denn der Bescheid vom 22. Februar 2023 ist dahingehend auszulegen, dass über den Ordnungsgeldbeschluss vom 21. April 2011 entschieden worden ist. Bei der Auslegung eines Verwaltungsakts ist in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB nicht der innere Wille der Behörde maßgebend, sondern der in der Erklärung zum Ausdruck kommende, also der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2013 – 5 C 16.12 –, juris Rn. 10 m. w. N.
28Nach dem insoweit maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont konnte für den Kläger kein Zweifel daran bestehen, dass der Bescheid vom 22. Februar 2023 seinen Veröffentlichungsantrag vom 14. Dezember 2022 vollumfänglich beschieden hat. Dieser bezog sich aber unstreitig allein auf den Ordnungsgeldbeschluss vom 21. April 2011, was wegen der Verlinkung in der E-Mail des Klägers auch nach außen hin erkennbar war. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Veröffentlichung eines anderen Beschlusses beschieden werden sollte, sind dem Bescheid hingegen nicht zu entnehmen. Weder die äußere Form noch die Begründung der Ablehnungsentscheidung lassen erkennen, dass ggf. nicht die Veröffentlichung des Ordnungsgeldbeschlusses vom 21. April 2011 beschieden werden sollte, so dass ein entsprechender innerer Wille des Direktors des Amtsgerichts X jedenfalls keinen Niederschlag in dem Bescheid gefunden hat. Anhaltspunkte für einen entsprechenden inneren Willen des Direktors des Amtsgerichts lassen sich lediglich dem Verwaltungsvorgang entnehmen, von dem der Kläger zum Zeitpunkt des Zugangs des Ablehnungsbescheids vom 22. Februar 2023 jedoch keine Kenntnis hatte, so dass er folgerichtig zunächst auch davon ausging, dass die Veröffentlichung des Ordnungsgeldbeschlusses abgelehnt worden war.
29II. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung seines Veröffentlichungsantrags zu.
30Ein entsprechender Anspruch scheitert bereits daran, dass die Pflicht der Gerichte bzw. Gerichtsverwaltungen zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen ausschließlich im öffentlichen Interesse besteht, ohne dabei subjektive Rechte des Einzelnen auf Veröffentlichung bestimmter Entscheidungen zu begründen.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 2022 – 4 E 908/22 –, juris Rn. 6 ff. m. w. N.
32Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ergibt sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. den Erlassen des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE (Az. 1544-JK 17) und der entsprechenden Verwaltungspraxis im Land Nordrhein-Westfalen.
33Denn Erlasse, die der Justizverwaltung ein Ermessen bezogen auf die jeweilige Einschätzung einräumen, ob an einer Gerichtsentscheidung ein öffentliches Interesse besteht und sie deshalb in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE einzustellen ist, begründen einen subjektiven Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nur dann, wenn die das Ermessen einräumende Verwaltungsvorschrift nicht ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit, sondern – zumindest auch – dem Interesse des durch die Regelung Begünstigten zu dienen bestimmt ist. Eine lediglich mittelbar-tatsächliche Begünstigung, ohne dass der verwaltungsinternen Regelung eine entsprechende Absicht zu entnehmen wäre, reicht zur Begründung eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung nicht aus.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 2022 – 4 E 908/22 –, juris Rn. 20 ff. m. w. N.
35Davon ausgehend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die hier in Rede stehenden Erlasse nicht nur den Interessen der Allgemeinheit, sondern zumindest auch den subjektiven Interessen eines bestimmten und von der Allgemeinheit abgrenzbaren Kreises Einzelner dienen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der genannte Erlass letztlich der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Rechtspflicht der Gerichte bzw. Gerichtsverwaltungen zur Publikation von Gerichtsentscheidungen dient. Wenn diese Rechtspflicht – wie bereits erwähnt – jedoch ausschließlich im öffentlichen Interesse liegt, kann nichts Anderes für den diese Rechtspflicht lediglich intern umsetzenden Erlass gelten.
36Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 3. Februar 2023 – 8 K 2355/21 –, juris Rn. 84 ff.
37Ausnahmsweise kann zwar aus Art. 3 Abs. 1 GG ein subjektives Recht auf eine erneute Entscheidung abgeleitet werden, wenn das begehrte Handeln der Verwaltung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr vertretbar oder in sonst willkürlicher Weise abgelehnt worden ist.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 2022 – 4 E 908/22 –, juris Rn. 11.
39Anhaltspunkte für eine solche willkürliche Ablehnung seitens des Beklagten sind hier jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr hat dieser nachvollziehbar dargelegt, dass der zur Veröffentlichung begehrte Beschluss keine über den konkreten Sachverhalt hinausgehende inhaltliche Begründung enthält und somit kein öffentliches Interesse an einer Veröffentlichung besteht.
40III. Vor diesem Hintergrund war dem Antrag des Klägers auf Beiziehung des Schreibens des Präsidenten des Landgerichts Y vom 9. September 2021 (Bl. 35 f. der Gerichtsakte im Verfahren 1 K 518/23) nicht nachzugehen.
41Das Gericht hat diesen Antrag nicht als Beweisantrag im Sinne des § 86 Abs. 2 VwGO verstanden, der dementsprechend auch nicht vorab in der mündlichen Verhandlung zu bescheiden war, weil es insofern bereits an der Angabe einer bestimmten Beweistatsache fehlte.
42Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2011 – 9 A 8.10 –, juris Rn. 2.
43Vielmehr dürfte es sich insofern um einen Beweisermittlungsantrag handeln, dem das Gericht im Rahmen seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) nicht nachgehen musste, weil das genannte Schreiben für die in diesem Verfahren allein streitentscheidende Frage, ob dem Kläger ein (erneuter) Anspruch auf Bescheidung seines Veröffentlichungsantrags zusteht, unerheblich ist. Dies gilt bereits deshalb, weil der Präsident des Landgerichts Y in dem Schreiben ankündigt, Anträge des Klägers zukünftig nicht mehr zu bescheiden, was der Direktor des Amtsgerichts X im Hinblick auf den hier streitgegenständlichen Veröffentlichungsantrag gerade nicht getan hat. Vielmehr hat er diesen aus inhaltlichen Gründen abgelehnt.
44D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
45Beschluss
46Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
472.500,00 Euro
48festgesetzt.
49Gründe
50Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Der im Verfahren auf Veröffentlichung einer Gerichtsentscheidung grundsätzlich anzusetzende Auffangstreitwert war im Hinblick auf die allein begehrte Bescheidung des Antrags des Klägers um die Hälfte zu reduzieren (vgl. Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).