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§§ 7a Abs. 5 Satz 2, 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV; § 8 Satz 3 TestVForderung der Rückerstattung ausgezahlter Beträge für die Abstrichkosten undder Sachkosten
Der Bescheid der Beklagten vom 00.00.0000 wird insoweit aufgehoben, als die Klägerin aufgefordert worden ist, Verwaltungskosten bezüglich der Sachkosten in Höhe von 10.199,19 Euro zurückzugewähren und einen über den Betrag von 1.516.863,50 Euro hinausgehenden Betrag an die Beklagte zu erstatten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin betrieb seit Dezember 2021 Teststellen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV a. F. an den Standorten Q1.--- T. , I.----, 0000 T1. (Teststellennummer 0000) sowie Q1.--- V. X1. e.V., T2. , 0000 B. (Teststellennummer 0000). Für den Betrieb der Teststelle erhielt die Klägerin die nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV a. F. erforderliche Beauftragung zur Durchführung von Leistungen nach § 4a TestV a. F., sowie zur Entnahme des Abstriches im Rahmen der Bestätigungsdiagnostik.
3Am 00.00.0000 erhielt die Klägerin nach erfolgreicher Registrierung bei der Beklagten die für ihre Abrechnung erforderliche individuelle BAS-ID und erfüllte damit die Voraussetzung für die Erbringung und Abrechnung von kostenlosen Bürgertestungen. Zur Durchführung des Testverfahrens setzte die Klägerin eine von ihr bezogene Software eines privaten Softwareanbieters ein.
4Die Klägerin reichte bei der Beklagten Leistungen zur Abrechnung für die Monate Dezember 2021 bis Januar 2022 und März 2022 bis Juni 2022 ein. Die geltend gemachten Abrechnungsbeträge betrugen im Einzelnen für Dezember 2021 für die Teststelle 0000 für 6.009 Fälle für Abstrichkosten 48.072,00 € und für Sachkosten 27.040,50 €, für die Teststelle 0000 für 5.768 Fälle für Abstrichkosten 46.144,00 € und für Sachkosten 25.956,00 €, für Januar 2022 für die Teststelle 0000 für 14.852 Fälle für Abstrichkosten 118.816,00 € und für Sachkosten 66.834,00 €, für die Teststelle 0000 für 15.475 Fälle für Abstrichkosten 123.800,00 € und für Sachkosten 69.637,50 €, nochmals für Januar 2022 für die Teststelle 0000 für 13.080 Fälle für Abstrichkosten 104.640,00 € und für Sachkosten 58.860,00 €, für die Teststelle 0000 für 14.255 Fälle für Abstrichkosten 114.040,00 € und für Sachkosten 64.147,50 €, für März 2022 für die Teststelle 0000 für 10.836 Fälle für Abstrichkosten 86.688,00 € und für Sachkosten 37.926,00 €, für die Teststelle 0000 für 14.679 Fälle für Abstrichkosten 117.432,00 € und für Sachkosten 51.376,50 €, für April 2022 für die Teststelle 0000 für 7.258 Fälle für Abstrichkosten 58.064,00 € und für Sachkosten 25.403,00€, für die Teststelle 0000 für 7.458 Fälle für Abstrichkosten 59.664,00€ und für Sachkosten 26.103,00 €, für Mai 2022 für die Teststelle 0000 für 4.340 Fälle für Abstrichkosten 34.720,00 € und für Sachkosten 15.190,00 €, für die Teststelle 0000 für 3.466 Fälle für Abstrichkosten 27.728,00 € und für Sachkosten 12.131,00 €, für Juni 2022 für die Teststelle 0000 für 5.359 Fälle für Abstrichkosten 42.872,00 € und für Sachkosten 18.756,50 €, für die Teststelle 0000 für 3.028 Fälle für Abstrichkosten 24.224,00 € und für Sachkosten 10.598,00 €.
5Von den geltend gemachten Beträgen erstattete die Beklagte Sachkosten (4,50 Euro pro Fall) und Abstriche (nichtärztliche Leistungen von 8 Euro pro Fall) nach § 4a TestV a. F. Für den Dezember 2021 erstattete sie für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 46.389,48 € und für Sachkosten 27.040,50 €, für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 44.58,96 € und für Sachkosten 25.956,00 €, für den Januar 2022 für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 114.657,44 € und für Sachkosten 66.834,00 €, für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 119.467,00€ und für Sachkosten 69.637,50 €, nochmal für Januar 2022 für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 100.977,60 € und für Sachkosten 58.860,00€, für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 110.048,60 € und für Sachkosten 64.147,50 €.
6Weiterhin erstattete sie Sachkosten von 3,50 pro Fall und Kosten für Abstriche von 8 Euro pro Fall von März 2022 bis Juni 2022. Im Einzelnen erstattete sie für März 2022 für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 83.652,92 € und für Sachkosten 37.926,00 €, für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 113.321,88 € und für Sachkosten 51.376,50 €, für April 2022 für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 56.031,76 € und für Sachkosten 25.403,00 €, für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 57.575,76 € und für Sachkosten 26.103,00 €, für Mai 2022 für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 33.852,00 € und für Sachkosten 15.190,00 €, für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 27.034,80 € und für Sachkosten 12.131,00 €, für Juni 2022 für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 41.800,20 € und für Sachkosten 18,756,50 €, für die Teststelle 0000 für Abstrichkosten 23.618,40 € und für Sachkosten 10.598,00 €. Insgesamt erstatte die Beklagte der Klägerin einen Gesamtbetrag von 1.482.917,30 €.
7Hinsichtlich der von der Klägerin zur Abrechnung gestellten Kosten für Abstriche behielt die Beklagte einen Verwaltungskostensatz für Dezember 2021 in Höhe von 3,5 % ein (für die Teststelle 0000 1.682,52 €, für die Teststelle 0000 1.615,04 €), für Januar 2022 in Höhe von 3,5 % ein (für die Teststelle 0000 4.158,56€, für die Teststelle 0000 4.333,00 €), nochmals für Januar 2022 in Höhe von 3,5 % ein (für die Teststelle 0000 3.662,40 €, für die Teststelle 0000 3.991,40 €), für März 2022 in Höhe von 3,5 % ein (für die Teststelle 0000 3.034,08 €, für die Teststelle 0000 4.110,12 €), für April 2022 in Höhe von 3,5 % ein (für die Teststelle 0000 2.032,24 €, für die Teststelle 0000 2.088,24 €), für Mai 2022 in Höhe von 2,5 % ein (für die Teststelle 0000 868,00 €, für die Teststelle 0000 693,20 €), für Juni 2022 in Höhe von 2,5 % ein (für die Teststelle 0000 1.071,80 €, für die Teststelle 0000 605,60 €).
8Die Beklagte stellte bei der nach § 7a Abs. 1 TestV durchzuführenden Plausibilitätsprüfung der Abrechnungen Differenzen zwischen der von der Klägerin an das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes gemeldeten und der bei ihr abgerechneten Zahl der erbrachten Leistungen fest. Zur vertieften Prüfung forderte die Beklagte die Klägerin zur Vorlage der Dokumentationen für den Juni 2022 auf. Auf Grund von Auffälligkeiten forderte die Beklagte auch die Dokumentationen für Dezember 2021 bis Mai 2022 sowie Juni 2022 nach.
9Die Beklagte forderte die Klägerin mit Bescheid vom 00.00.0000 auf, die ausgezahlten Vergütungen für die Monate Dezember 2021 bis Januar 2022 und März 2022 bis Juni 2022 zurückzugewähren und die ihr entstandenen Verwaltungskosten zu erstatten. Den Rückforderungsbetrag für die abgerechneten Leistungen sowie für angefallene Verwaltungskosten bezifferte sie mit 1.527.062,69 Euro.
10Dies begründete sie damit, dass die Leistungen zu Unrecht abgerechnet worden seien. Die Vergütung sei zu Unrecht gewährt worden, weil die Klägerin die Dokumentationspflichten nicht vollständig erfüllt habe. Sie habe keine schriftliche oder elektronische Bestätigung der Durchführung der Corona-Tests vorgelegt und damit gegen § 7 Abs. 5 Nr. 8 TestV verstoßen. Aufgrund der fehlenden Dokumentation sei nicht feststellbar, ob die von der Klägerin abgerechneten Tests tatsächlich durchgeführt worden seien. Die Klägerin habe lediglich eine Excel-Datei mit personenbezogenen Daten eingereicht. Laut Stellungnahme des Softwareanbieters der Klägerin sei der „Check-in“ der zu testenden Person mittels Einscannen eines QR-Codes an der Teststelle erfolgt, bevor der Test durchgeführt worden sei. Die Beklagte führte weiter aus, dass die von der Klägerin eingereichte Datei, in welcher der Softwareanbieter die Durchführung der Tests bescheinige, nicht der Dokumentationspflicht genüge. Vielmehr müsse jede einzelne getestete Person oder deren gesetzlicher Vertreter die Durchführung des Tests bestätigen.
11Die Erstattung der Verwaltungskosten begründete die Beklagte damit, dass sie nach § 8 Satz 2 TestV einen Anspruch auf Verwaltungskosten gegen den Leistungserbringer für die Erstellung einer Abrechnung, der Auszahlung der Vergütung und der durchzuführenden Abrechnungsprüfung habe. Werde im Rahmen der Abrechnungsprüfung festgestellt, dass der Leistungserbringer zu Unrecht Leistungen nach der TestV abgerechnet habe, müsse er auch die dafür angefallenen Verwaltungskosten ersetzen. Die Verwaltungskosten seien für die abgerechneten Bürgertestungen nach § 8 Satz 2 TestV von der Beklagten in Höhe von 33.946,20 Euro einbehalten worden. Die Verwaltungskosten für die erstatteten Sachkosten seien nach § 8 Satz 3 TestV vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) als Kostenträger in Höhe von 10.199,19 Euro unmittelbar an sie ausgezahlt worden, um unnötige Zahlungswege über den Leistungserbringer zu ersparen. Daher seien die für die Sachkosten angefallenen Verwaltungskosten als Schadensersatzanspruch zu erstatten. Die Klägerin sei von den Zahlungspflichten gegenüber der Beklagten dadurch befreit worden, dass sie die Verwaltungskosten für die abgerechneten Leistungen unmittelbar einbehalten habe bzw. unmittelbar vom BAS gezahlt worden sei. Dadurch, dass die Erstattungsnachweise nachträglich aufgehoben worden seien, habe die Klägerin einen Vermögensvorteil ohne Rechtsgrund erlangt.
12Die Klägerin hat am 00.00.0000 Klage gegen den Rückforderungsbescheid vom 00.00.0000 erhoben. Zur Begründung führt sie aus, der Rückforderungsbescheid sei willkürlich ergangen. Sie ist der Ansicht, die Auslegung des § 7 Abs. 5 Nr. 8 TestV sehe eine nachträgliche Bestätigung und Dokumentation nicht vor, sodass die Rückforderung der Beklagten rechtswidrig sei. Sie sei ihrer Dokumentationspflicht ausreichend nachgekommen. Bei der Anmeldung der getesteten Personen seien die jeweiligen Kontaktdaten aufgenommen und dokumentiert worden. Unmittelbar vor der Testung sei ein Abgleich mit einem amtlichen Ausweisdokument erfolgt. Sie habe die vorherige Zustimmung der getesteten Person oder ihres gesetzlichen Vertreters dokumentiert. Nach dem Test seien die Ergebnisse per Mail an die getestete Person oder ihren gesetzlichen Vertreter übermittelt worden, was ebenfalls dokumentiert worden sei. Diese Mail an die getestete Person mit dem Testergebnis sei als Bestätigung der Testdurchführung anzusehen. Soweit die Beklagte einen darüber hinaus gehenden Nachweis verlange, so sei dies von der Regelung des § 7 Abs. 5 Nr. 8 TestV nicht umfasst.
13Die Klägerin beantragt,
14den Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 00.00.0000 aufzuheben.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Die Beklagte ist der Ansicht, es bestehe kein Anspruch auf eine Vergütung nach der TestV, da die Dokumentationspflicht nicht vollständig durch die Klägerin erfüllt worden sei. Es sei erforderlich, dass die getestete Person, nachdem der Test durchgeführt worden sei, die Durchführung aktiv schriftlich oder elektronisch bestätige. Eine Terminbuchung, die Bestätigung einer Datenschutz- oder Einverständniserklärung oder der AGB, das „Einchecken“ in der Teststelle sowie das Abrufen des Testergebnisses würden eine solche Durchführungsbestätigung nicht darstellen. Es gebe in der TestV zwei selbstständige Pflichten. Das sei zunächst die Pflicht, nach § 7 Abs. 5 Nr. 5 TestV die personenbezogenen Daten der zu testenden Person vollständig aufzunehmen und die Richtigkeit der Angaben anhand von Ausweisdokumenten zu prüfen. Darüber hinaus gebe es die in § 7 Abs. 5 Nr. 8 TestV geregelte, Pflicht, sich die Durchführung der Testung von der Testperson bestätigen zu lassen. Die Erfüllung der erstgenannten Pflicht ersetze nicht die zweitgenannte.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
20I. Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Sie ist zwar zulässig (1.), jedoch nur zum Teil begründet (2.).
211. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Rechtstreit ist öffentlich-rechtlicher Natur und nicht verfassungsrechtlicher Art. Er ist nicht ausdrücklich einem anderen Gericht zugewiesen (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO). Die Voraussetzungen für eine abdrängende Sonderzuweisung zu den Sozialgerichten nach § 51 SGG liegen nicht vor. Zur Begründung schließt sich das Gericht den Ausführungen des Bundessozialgerichts an.
22Vgl. BSG, Beschluss vom 19. Juni 2023 – B 6 SF 1/23 R -, juris, Rn. 8 ff.; a. A. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2023 – OVG 9 L 8/23 –, juris, Rn. 6 ff.
23Dem geltend gemachten Erstattungsanspruch liegt dieselbe öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung zugrunde, sodass dieser Anspruch die Rechtsqualität des entsprechenden Leistungsanspruchs teilt.
24Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2022 – 6 B 15.21 –, juris, Rn. 8.
252. Die Klage ist zum Teil begründet. Der Rückforderungsbescheid vom 00.00.0000 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); im Übrigen ist er rechtmäßig.
26a) Die Forderung der Rückerstattung der ausgezahlten Beträge für die Abstrichkosten sowie der Sachkosten in Höhe von 1.482.917,30 € ist rechtmäßig.
27aa) Ermächtigungsgrundlage für die Rückforderung der ausgezahlten Beträge ist § 7a Abs. 5 Satz 2 TestV. Hiernach haben die Leistungserbringer und die sonstigen abrechnenden Stellen nach den §§ 7 und 13 TestV die abgerechnete und ausgezahlte Vergütung an die Kassenärztliche Vereinigung zurückzuerstatten, soweit im Rahmen der Prüfung nach Abs. 1, Abs. 1b oder Abs. 2 festgestellt wird, dass die Vergütung zu Unrecht gewährt wurde.
28bb) Der Rückforderungsbescheid ist formell rechtmäßig. Die Beklagte ist als Kassenärztliche Vereinigung zuständig für die Rückforderung (§ 7a Abs. 5 Satz 5 TestV). Die Klägerin wurde zwar vor ihrem Erlass nicht angehört (§ 28 Abs. 1 VwVfG NRW); allerdings hat sich ein etwaiger Anhörungsmangel nicht auf die (gebundene) Entscheidung ausgewirkt, weil offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 46 VwVfG NRW). Die gemäß § 7a Abs. 5 Satz 5 TestV erforderliche Bescheidform wurde gewahrt.
29cc) Die Rückforderung der ausgezahlten Beträge ist in materieller Hinsicht rechtmäßig.
30aaa) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7a Abs. 5 Satz 2 TestV sind erfüllt. Voraussetzung ist, dass im Rahmen der Prüfung nach Abs. 1, Abs. 1b oder Abs. 2 festgestellt wird, dass die Vergütung zu Unrecht gewährt wurde. Nach § 7a Abs. 5 Satz 3 TestV wurde eine Leistung zu Unrecht gewährt, wenn die abgerechneten Leistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht worden sind, die entsprechenden Dokumentationspflichten nicht vollständig erfüllt worden sind oder die geltend gemachten Kosten nicht den tatsächlichen Kosten entsprochen haben.
31Die Beklagte hat im Rahmen der von ihr durchgeführten Plausibilitätsprüfung zutreffend festgestellt, dass die Leistung zu Unrecht gewährt wurde. Die Klägerin hat ihre Dokumentationspflichten aus § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV nicht erfüllt.
32(1) § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV ist wirksam.
33(a) Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung – TestV) und damit auch für § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV ist Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG, § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 b) und Nr. 2, Satz 3 und 10 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 16. September 2022 gültigen Fassung i. V. m. § 24 Satz 3 Nr. 2, Satz 4 und 5 des Infektionsschutzgesetzes in der ab dem 31. März 2021 gültigen Fassung.
34Hiernach wird das Bundesministerium für Gesundheit, sofern der Deutsche Bundestag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSchG eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat, ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, dass nach Nr. 1 b) Versicherte Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit einem bestimmten Krankheitserreger oder auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen diesen Krankheitserreger haben und nach Nr. 2 Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, Anspruch auf Leistungen nach Nr. 1 haben.
35(b) Die formellen Voraussetzungen liegen vor. Insbesondere ist nach § 20i Abs. 3 Satz 2 SGB V das Bundesministerium für Gesundheit zuständiger Verordnungsgeber.
36(c) Auch die materiellen Voraussetzungen sind erfüllt.
37(aa) Die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor.
38§ 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 b) und Nr. 2 SGB V (a. F.) setzt voraus, dass der Deutsche Bundestag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSchG eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat. Der Bundestag hatte am 25. März 2020 eine solche epidemische Lage festgestellt und zuletzt am 25. August 2021 verlängert. Zum Zeitpunkt des 2. Dezember 2020, als die erste Version der Testverordnung in Kraft trat, lag die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vor. Die Verordnung galt gemäß § 20i Abs. 3 Satz 16 SGB V (a. F.) über den 25. November 2021 (Tag des Auslaufens der Feststellung der epidemischen Lage) hinaus. Seit der ab dem 17. September 2022 gültigen Fassung der Norm kommt es auf die Feststellung einer epidemischen Lage nicht mehr an.
39Mit §§ 1 - 5 der Testverordnung hat der Verordnungsgeber den Anspruch auf Testungen i.S.d. § 20i Abs. 3 Satz 2 SGB V geregelt. Nach § 20i Abs. 3 Satz 13 Nr. 2 SGB V ist das Bundesministerium für Gesundheit befugt, in der Rechtsverordnung das Nähere zu den zur Erbringung der in Satz 2 genannten Leistungen berechtigten Leistungserbringern, einschließlich der für die Leistungserbringung eingerichteten Testzentren und Impfzentren, zur Vergütung und Abrechnung der Leistungen und Kosten sowie zum Zahlungsverfahren zu regeln. Mit den §§ 6 ff. TestV regelt der Verordnungsgeber nähere Vorgaben zu den berechtigten Leistungserbringern, zur Vergütung und Abrechnung der Leistungen sowie zum Zahlungsverfahren. § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV enthält besondere Vorgaben zur Auftrags- und Leistungsdokumentation hinsichtlich der Abrechnungen der Leistungen und unterfällt damit dem Regelungsbereich des § 20i Abs. 3 Satz 13 Nr. 2 SGB V.
40(bb) § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV ist verhältnismäßig. Es wird ein legitimes Ziel verfolgt. Die Bestimmung soll dazu dienen, die Bewertung, ob die abgerechnete Testleistung tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht wurde, zu vereinfachen und die Kontrolle zu verstärken. Der Normgeber wollte eine betrügerische Abrechnung erschweren.
41Vgl. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/CoronavirusTestV_Juni_2021_mit_Begruendung.pdf
42Die Regelung ist geeignet, weil sie das Ziel zumindest fördert. Durch höhere Anforderungen an die Dokumentationspflichten werden Betrugshandlungen jedenfalls aufwändiger. Zwar kann auch mit dieser Regelung eine unberechtigte Inanspruchnahme von Leistungen nicht zwingend verhindert werden. Dies ist aber auch nicht erforderlich, da es lediglich auf die Förderung des Ziels ankommt. Die Hemmschwelle für eine unberechtigte Inanspruchnahme ist jedenfalls höher, da – zusätzlich zum Betrug – weitere Straftaten in Form von Urkundenfälschungen begangen werden müssten.
43Die Regelung ist auch erforderlich. Es ist kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Zwecks ersichtlich. Weniger Dokumentationspflichten sind nicht gleich effektiv. Eine andere Regelung, z. B. die Pflicht zur Dokumentation der Mitteilungen des Testergebnisses an die getesteten Personen, ist auch nicht gleich effektiv und zudem kein milderes Mittel. Es ist zum einen für die Abrechnungsstelle mit mehr Prüfaufwand verbunden und zum anderen auch mindestens genauso, wenn nicht sogar leichter zu fälschen. Es könnten beispielsweise bei einem Mitteilungsweg per Email massenhaft gefälschte Testergebnisse versendet werden.
44Die Regelung ist auch angemessen. Eine Regelung ist dann angemessen, wenn der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen. Die Forderung einer nachträglichen schriftlichen oder elektronischen Bestätigung durch die getestete Person ist für die Leistungserbringer kein unverhältnismäßiger Aufwand gegenüber dem Interesse der Abrechnungsstelle an der leichteren Überprüfung sowie der Erschwerung von Betrugshandlungen.
45(2) Die Klägerin hat ihre Dokumentationspflichten nicht vollständig erfüllt. Zur Erfüllung der Plicht aus § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV ist es erforderlich, dass eine nachträgliche schriftliche oder elektronische Bestätigung der getesteten Person oder ihres gesetzlichen Vertreters über die Durchführung des Tests vorliegt. Hieran fehlt es.
46(a) Es kann offen bleiben, was abschließend unter „nachträglicher schriftlicher oder elektronischer Bestätigung der getesteten Person“ zu verstehen ist. Jedenfalls reicht eine Email-Benachrichtigung durch die Teststelle gegenüber der getesteten Person nach der Durchführung der Testung nicht aus. Dies ergibt sich auf der Grundlage folgender Überlegungen:
47Nähere Regelungen zur Auslegung des Normtextes fehlen. Gemäß § 7 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 Nr. 1 TestV sollte die Kassenärztliche Bundesvereinigung „Näheres“ hierzu regeln. Diese hat – abgesehen von einer Bekräftigung der Erforderlichkeit einer schriftlichen oder elektronischen Bestätigung der getesteten Person oder ihres gesetzlichen Vertreters über die Durchführung des Tests – keine näheren Angaben zur Konkretisierung des § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV gemacht,
48vgl. https://www.kbv.de/media/sp/2022-07-15_KBV-Vorgaben_Pflichten_LE_TestV_29.06.2022.pdf, und https://www.kbv.de/media/sp/2022-04-14_KBV-Vorgaben_Pflichten_LE_TestV_11.04.2022.pdf),
49sodass dies nicht als Auslegungshilfe herangezogen werden kann.
50Ein eindeutiges Auslegungsergebnis ergibt sich allerdings unter Heranziehung der allgemeinen juristischen Auslegungskriterien. Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich der Richter nicht entgegenstellen darf. Dessen Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten Fall – auch unter gewandelten Bedingungen – möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen. In keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zu Grunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Die Eindeutigkeit der im Wege der Auslegung gewonnenen gesetzgeberischen Grundentscheidung wird nicht notwendig dadurch relativiert, dass der Wortlaut der einschlägigen Norm auch andere Deutungsmöglichkeiten eröffnet, soweit diese Deutungen offensichtlich eher fernliegen. Anderenfalls wäre es für den Gesetzgeber angesichts der Schwierigkeit, textlich Eindeutigkeit herzustellen, nahezu unmöglich, sein Regelungsanliegen gegenüber der Rechtsprechung über einen längeren Zeitraum durchzusetzen.
51Vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 –, juris, Rn. 66 m. w. N.
52Vergleichbares gilt für die Auslegung einer untergesetzlichen Rechtsvorschrift wie hier der TestV. Geht man auf dieser Grundlage vom Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV aus, so spricht dieser dafür, dass Bestätigungen über die Durchführung des Tests denklogisch erst nachträglich erfolgen können. Nach § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV zählen zur Auftrags- und Leistungsdokumentation die schriftliche oder elektronische Bestätigung der getesteten Person oder ihres gesetzlichen Vertreters über die Durchführung des Tests. Die Formulierung „Bestätigung […] über die Durchführung des Tests“ spricht dafür, dass das Ereignis, welches es zu bestätigen gilt, bereits eingetreten sein muss. Denn bei der Abgabe einer Erklärung, die die Bestätigung eines Ereignisses, welches noch nicht eingetreten ist, vorsieht, könnte der Erklärende sich nicht sicher sein, dass dieses Ereignis auch mit Gewissheit eintreten wird. Daneben stellt auch die Formulierung „Bestätigung der getesteten Person [Hervorhebung durch das Gericht]“ klar, dass die Person zum Zeitpunkt der Bestätigung bereits getestet worden sein muss. Andernfalls hätte der Verordnungsgeber nicht das hier verwendete, Vergangenheit ausdrückende Partizip Perfekt gebraucht, sondern die Wendung „Bestätigung der zu testenden Person“.
53Für eine solche Auslegung spricht auch der systematische Vergleich mit den anderen Nummern des § 7 Abs. 5 Satz 2 TestV, in welchen die weiteren Dokumentationspflichten einzeln aufgeführt werden. So regelt bereits Nr. 5, dass für jede durchgeführte Testung der Vorname, der Familienname, das Geburtsdatum und die Anschrift der getesteten Person, die Art der Leistung, der Testgrund nach den §§ 2 bis 4b TestV, der Tag, die Uhrzeit, das Ergebnis der Testung und der Mitteilungsweg an die getestete Person dokumentiert werden müssen. Daher spricht dies dafür, dass Nr. 8 eine darüber hinaus gehende Pflicht enthält.
54Dies zeigt auch der Sinn und Zweck der Regelung. Ein Vergleich zu vorherigen Versionen der Testverordnung zeigt, dass der Gesetzgeber die einzelnen Dokumentationspflichten eingefügt hat, um die Bewertung, ob die abgerechnete Testleistung tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht wurde, zu vereinfachen und die Kontrolle zu verstärken. So lautete § 7 Abs. 5 TestV in der Fassung vom 8. März 2021 sowie in der Fassung vom 25. Januar 2021: „Die nach § 6 Absatz 1 Satz 1 berechtigten Leistungserbringer haben die nach Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 6 Nummer 1 zu dokumentierenden Angaben und die für den Nachweis der korrekten Abrechnung notwendigen Auftrags- und Leistungsdokumentation bis zum 31. Dezember 2024 unverändert zu speichern oder aufzubewahren.“ Der Normgeber hat mit der Neueinführung des Satzes 2 zum § 7 Abs. 5 die Dokumentationspflichten in den Nummern 1 bis 8 einzeln benannt. Hierdurch wollte er eine betrügerische Abrechnung erschweren:
55„Mit dem neuen Satz 2 werden in einer nicht abschließenden Aufzählung die Dokumentationserfordernisse durch die Leistungserbringer und sonstigen abrechnenden Stellen benannt. Es gelten die entsprechenden Bestimmungen zur Vertraulichkeit und Datensicherheit. Nach Nummer 5 bis 8 ist jede Testung lokal personenbezogen zu dokumentieren. Zu erfassen sind der Vorname, der Familienname, das Geburtsdatum und die Anschrift der getesteten Person, die Art der Leistung, der Testgrund nach den §§ 2 bis 4b, der Tag, die Uhrzeit, das Ergebnis der Testung und der Mitteilungsweg an die getestete Person sowie die Bestätigung der getesteten Person oder ihres gesetzlichen Vertreters über die Durchführung des Tests. Bei einem positiven Testergebnis ist zusätzlich ein Nachweis der Meldung an das zuständige Gesundheitsamt zu dokumentieren.
56Die Angaben sind lokal zu dokumentieren und werden im Rahmen der Abrechnung nach Absatz 4 nicht an die Kassenärztlichen Vereinigungen übermittelt. Sie sind aber im Rahmen einer Prüfung nach § 7a Abs. 1 und 2 auf Verlangen der Kassenärztlichen Vereinigung vorzulegen. Sie können in diesem Zusammenhang dazu genutzt werden, zu bewerten, ob die abgerechnete Testleistung tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht wurde. Damit kann eine betrügerische Abrechnung erschwert werden.“
57Vgl. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/CoronavirusTestV_Juni_2021_mit_Begruendung.pdf
58Auch zeigt der Vergleich zur Auslegung von Dokumentationspflichten im Bereich von Abrechnungen der Apotheken, dass die Rechtsprechung bei massenmäßigen Abrechnungen eine enge Auslegung der Erfüllung der Dokumentationspflichten befürwortet. So stellt im Medizinsektor die Abrechnung erbrachter Leistungen das Kern-Element zur Kontrolle für die Leistungsträger dar und ist zu diesem Zweck streng formal geregelt und vom Leistungserbringer einzuhalten. Dabei kann ein Verstoß des Leistungserbringers gegen die Abrechnungsbestimmungen auch den vollständigen Ausfall des Entgelts zur Folge haben. So ist etwa im Bereich des Abrechnungsrechts von Apotheken-Leistungen (mit mehr als 500 Mio abgerechneten Rezepten/per anno) bei Verstößen gegen Abrechnungsvorschriften eine Reduzierung des vom Leistungserbringer (Apotheker) geltend gemachten Abrechnungsbetrages auf Null recht- und verfassungsmäßig. Vergütungsregelungen, die für eine routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungs- oder Leistungsfällen vorgesehen sind, sind streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregelungen auszulegen. Es würde zu einer erheblichen und mit den Erfordernissen einer Massenverwaltung nicht zu vereinbarenden Erschwerung des Abrechnungsverfahrens führen, wenn trotz des eindeutigen Wortlauts der maßgeblichen Regelungen eine nachträgliche Heilung des Verstoßes nach bereits erfolgter Abrechnung möglich wäre.
59Vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. Januar 2023 – L 4 KR 549/22 B ER -, juris, Rn. 45.
60Soweit die Klägerin einwendet, es sei nicht klar gewesen, wie genau die von § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV geforderte nachträgliche Bestätigung habe gestaltet sein sollen, führt dies nicht auf eine rechtlich beachtliche Unbestimmtheit der Regelung. Die entsprechenden Vorgaben der TestV sind – wie oben dargestellt – auslegungsfähig. Sofern sich aus dieser Auslegung ergibt, dass dem nachträglichen Bestätigungserfordernis auf unterschiedliche Weise hätte Rechnung getragen werden können, führt dies auf keine beanstandungswürdige Unbestimmtheit der Norm, sondern begünstigt den Normadressaten, dem damit mehrere Wege eröffnet sind, dem Dokumentationserfordernis gerecht zu werden.
61(b) Dieser so verstandenen Pflicht aus § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV zur Vorlage einer nachträglichen schriftlichen oder elektronischen Bestätigung ist die Klägerin nicht nachgekommen. Dies steht in tatsächlicher Hinsicht für das Gericht fest. Im Übrigen trüge die Klägerin hierfür gemäß § 7a Abs. 5 Satz 4 TestV auch die Darlegungs- und Beweislast.
62Es steht aufgrund des Akteninhalts und der Einlassung der Beteiligten – insbesondere der Klägerin – fest, dass die Klägerin eine ausdrückliche nachträgliche schriftliche oder elektronische Bestätigung der getesteten Person oder ihres gesetzlichen Vertreters über die Durchführung der Tests nicht vorgelegt hat. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ergänzend hierzu ausgeführt, dass die von ihr verwendete Software ein solches nicht vorgesehen habe.
63Die Terminbuchung, die Bestätigung einer Datenschutz- oder Einverständniserklärung oder der AGB oder das „Einchecken“ in der Teststelle entsprechen – wie oben ausgeführt – einer nachträglichen Bestätigung nicht. Auch die Zusendung des Ergebnisses der Testung per Email entspricht nicht den Anforderungen des § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV und ist insoweit keine nachträgliche Bestätigung der getesteten Person oder ihres gesetzlichen Vertreters über die Durchführung des Tests. Die Email wurde von der Leistungserbringerin, der Klägerin, versandt und ist daher schon keine Bestätigung der getesteten Person. Wenn der Leistungserbringer Emails mit Testergebnissen versendet, beweist dies für sich auch nicht die Durchführung des Tests, denn die Versendung der Emails ist auch ohne Testdurchführung möglich. Der Beweiswert ist daher ein anderer, wenn die Person selber tätig werden muss und aktiv etwas bestätigen muss, als wenn sie lediglich eine Email erhält.
64Das Gericht weist erneut – wie schon in der mündlichen Verhandlung – darauf hin, dass mit diesen Feststellungen kein Vorwurf gegenüber der Klägerin erhoben wird, sie habe tatsächlich nicht durchgeführte Testungen zu Unrecht gegenüber der Beklagten abgerechnet. Der Anspruch nach § 7 Abs. 1 TestV ist nicht erst dann ausgeschlossen, wenn dem Anspruchsteller betrügerisches Vorgehen nachgewiesen wird, sondern bereits dann, wenn die anspruchsbegründenden Dokumentationspflichten nicht eingehalten sind. Dies bedeutet, dass selbst für den Fall, dass zur Überzeugung des Gerichts feststünde, dass die abgerechneten Testungen tatsächlich ordnungsgemäß durchgeführt worden wären, ein Vergütungsanspruch ausgeschlossen und ein Erstattungsverlangen der Beklagten begründet wäre.
65(c) Die Erfüllung der Pflicht aus § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV ist auch nicht ausnahmsweise nicht „erforderlich“ nach § 7 Abs. 5 Satz 2 Hs. 1 TestV. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Wendung „soweit erforderlich“ im Zusammenhang mit der in Satz 3 eröffneten Befugnis der Kassenärztlichen Bundesvereinigung steht zu regeln, dass von einzelnen Angaben nach Satz 2 Nr. 1 bis 8 ganz oder teilweise abgesehen werden kann. Von dieser Befugnis hat diese allerdings keinen Gebrauch gemacht. So enthalten die Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 14. April 2022 und vom 1. September 2022 keine Ausnahmen zum Erfordernis nach § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 TestV.
66Selbst wenn eine inhaltliche Überprüfung der „Erforderlichkeit“ angezeigt wäre, führte dies vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Ein solches Verständnis könnte sich aus dem Wortlaut „soweit erforderlich“ und „insbesondere“ ergeben. Daher könnten Einzelfallausnahmen möglich erscheinen, wenn der Sinn und Zweck der Norm auch ohne die Erfüllung einer jeden einzelnen Dokumentationspflicht erfüllt ist. Der Zweck der Dokumentationspflicht ist, die Bewertung, ob die abgerechnete Testleistung tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht wurden, zu vereinfachen und die Kontrollmöglichkeiten zu verstärken. Eine einfache, schnelle und effektive Kontrolle kann im vorliegenden Fall jedoch nicht ohne die nachträgliche Bestätigung erfolgen. Die – wie oben bereits festgestellt – enge Auslegung der Dokumentationspflichten bei massenhaften Abrechnungen erfordert, dass eine Einzelfallabweichung nur in begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommt.
67Denkbar wäre demgegenüber, vom Erfordernis einer nachträglichen Bestätigung im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestVO abzusehen, wenn sonstige Erklärungen der getesteten Person dokumentiert sind, welche die tatsächliche Durchführung des Tests ähnlich überzeugend nachweisen wie die nachträgliche Bestätigung dieser Personen, z. B. anknüpfend an die zivilrechtliche Quittung im Sinne des § 368 BGB eine zwar vor der Durchführung des Tests, aber in unmittelbarem räumlich-zeitlichen Zusammenhang mit diesem abgegebene schriftliche Erklärung, dass sich die Person einem Test bei dem jeweiligen Leistungserbringer unterzieht bzw. unterzogen hat. Für eine solche Ausnahme spricht, dass die zivilrechtliche Quittung ebenso wie die hiesige Bestätigung den Empfang einer Leistung belegen soll, aber anders als diese Bestätigung nicht unbedingt erst nach der Leistungserbringung ausgestellt werden kann. Vielmehr hat der Schuldner einen Anspruch auf Erteilung der Quittung Zug-um-Zug gegen die Vornahme der Leistung, d.h. unter Umständen bereits vor oder zeitgleich mit der Leistungserbringung.
68Vgl. BeckOK BGB/Dennhardt, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 368 Rn. 6.
69Die Frage, ob vom Erfordernis nachträglicher Bestätigungen i. S. d. § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestVO ausnahmsweise abgesehen werden kann, wenn der Leistungserbringer sonstige Erklärungen der getesteten Personen dokumentiert, die diesen Bestätigungen gleichkommen, kann für den hier zu entscheidenden Fall aber letztlich dahinstehen. Die Klägerin hat keine solchen potentiellen Erklärungen beigebracht und verfügt über solche auch nicht. Insbesondere der Check-In durch die getesteten Personen ist keine geeignete Erklärung, da er sich nicht mit hinreichender Sicherheit den getesteten Personen zuordnen lässt und der erforderliche unmittelbare Zusammenhang mit der Testung nicht erwiesen ist. Auch im Übrigen ist ein Ausnahmefall hier weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
70(3) Soweit die Klägerin schriftsätzlich und auch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass ihr zahlreiche Teststellenbetreiber bekannt seien, die ebenfalls keine nachträgliche Bestätigung der getesteten Person eingeholt hätten, aber gleichwohl von der Beklagten die Vergütung nach der TestV erhalten hätten, kann dies in tatsächlicher Hinsicht dahinstehen. Die Gewährung der begehrten Vergütung lässt sich allein auf eine Verordnung stützen, die auf einer formellen gesetzlichen Grundlage ergangen ist. Die normierten Anspruchsvoraussetzungen liegen allerdings – wie ausgeführt – nicht vor. Weder der Beklagten noch dem Gericht stünde es zu, ohne gesetzliche Grundlage eine Vergütung zu bewilligen. Auch die Beklagte kann eine entsprechende Übung, die einen Anspruch der Testzentren begründen sollte, nicht begründen. Ungeachtet dessen wollte die Beklagte eine solche Übung auch nicht begründen. Wie der vorliegende Fall zeigt, ist die Beklagte im Rahmen der Überprüfung entsprechenden Auffälligkeiten nachgegangen und hat Anträge abgelehnt bzw. die entsprechenden Rückforderungsverfahren eingeleitet. Wie die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, führt sie in ihrem Zuständigkeitsbereich zahlreiche Rückforderungsverfahren mit zum Teil achtstelligen Rückforderungsbeträgen durch.
71(4) Soweit die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass sie sich auf ihren Softwareanbieter verlassen habe, ändert dies ebenfalls nichts am Ergebnis. Für die Einhaltung der Dokumentationspflichten ist allein die Klägerin zuständig.
72Auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ergibt sich nichts Abweichendes. Ein solcher Vertrauensschutz bestand nicht. Es ist Verantwortung der Klägerin als Teststellenbetreiberin, auf die Einhaltung der normierten Vorgaben zu achten. Im Übrigen hätte der Klägerin die maßgebliche Änderung der Rechtslage – Einführung des § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV mit Wirkung vom 1. Juli 2021 – auch auffallen müssen. Selbst einen Vertrauensschutz unterstellt, würde dieser im Übrigen nicht dazu führen, die normierte Anspruchsvoraussetzung für die Vergütung im Einzelfall zu suspendieren und von einer Rückforderung abzusehen.
73bbb) Die Beklagte hat die zulässige Rechtfolge gewählt. Nach § 7a Abs. 5 Satz 2 TestV haben die Leistungserbringer die abgerechnete und ausgezahlte Vergütung an die Kassenärztliche Vereinigung zurückzuerstatten. Ein Ermessen der Beklagten besteht nicht. Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Vorgehensweise der Beklagten hat das Gericht nicht. Solche ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass nur gegenüber der Klägerin ein Rückforderungsverfahren eingeleitet worden wäre. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung auf zahlreiche solcher Verfahren, teilweise mit Rückforderungssummen im achtstelligen Bereich verwiesen.
74b) Die Forderung der Verwaltungskosten hinsichtlich der gemäß § 8 Satz 2 TestV einbehaltenen Kosten in Höhe von 33.946,20 € ist rechtmäßig; hinsichtlich der Verwaltungskosten für Sachkosten (§ 8 Satz 3 TestV) in Höhe von 10.199,19 € rechtswidrig.
75aa) Die Forderung der Verwaltungskosten für abgerechnete Abstrichkosten in Höhe von 33.946,20 € ist rechtmäßig.
76Diese Kosten hat die Beklagte gemäß § 8 Satz 2 TestV als Verwaltungskostenersatz bis zum 30. April 2022 in Höhe von 3,5 Prozent und ab dem 1. Mai 2022 in Höhe von 2,5 Prozent des Gesamtbetrags der Abrechnungen abzüglich der Sachkosten nach § 11 TestV einbehalten.
77aaa) Die Beklagte hat einen Anspruch auf Forderung der Verwaltungskosten für abgerechnete Abstrichkosten in Höhe von 33.946,20 € aus § 7a Abs. 5 Satz 2 TestV i.V.m. § 8 Satz 2 TestV.
78Nach § 7a Abs. 5 Satz 2 TestV haben die Leistungserbringer und die sonstigen abrechnenden Stellen nach §§ 7 und 13 TestV die abgerechnete und ausgezahlte Vergütung an die L. W. zurückzuerstatten, soweit die L. W. im Rahmen der Prüfung nach den Absätzen 1 und 2 feststellt, dass die Vergütung zu Unrecht gewährt wurde.
79Die Vergütung wurde – wie oben ausgeführt – zu Unrecht gewährt.
80Zurückzuerstatten ist die „abgerechnete und ausgezahlte Vergütung“. Abgerechnet ist die Vergütung in Höhe des Betrags, der sich aus der Anwendung der §§ 9 bis 11 TestV ergibt (im vorliegenden Fall: 1.516.863,50 Euro). Dieser Betrag wurde im Rechtssinne auch an die Klägerin „ausgezahlt“. Zum einen wurden ihr 1.482.917,30 Euro überwiesen, zum anderen wurde sie in Höhe von 33.046,20 Euro (Verwaltungskosten hinsichtlich Abstrichkosten) durch Verrechnung von einer Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten freigestellt.
81Die Befreiung von der Verbindlichkeit, Verwaltungskosten für die abgerechneten Abstrichkosten nach § 8 Satz 2 TestV zu zahlen, ist als Auszahlung im Sinne der Norm zu sehen; jedenfalls ist ihr dies gleichzustellen. § 8 Satz 2 TestV regelt einen Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten, welcher sich gegen die Klägerin als Leistungserbringerin richtet. Dies ergibt sich daraus, dass die Verwaltungskosten „einbehalten“ werden und somit vom Auszahlungsanspruch des Leistungserbringers abgezogen werden. Dieser ist der Zahlungsverpflichtete. Ein solches Verständnis entspricht auch dem Willen des Verordnungsgebers, wie sich aus der Gesetzesbegründung zur Testverordnung ergibt:
82„§ 8 regelt, dass die L. einen prozentualen Aufwandsersatz erhalten, der ihnen durch die Beschaffung und Verteilung des zu verwendenden Vordrucks sowie für den zusätzlichen Arbeitsaufwand, der bei der Abrechnung von Leistungen mit Leistungserbringern und sonstigen abrechnenden Stellen nach dieser Verordnung entsteht. […] Sofern bei der L. W. für einen neuen Leistungserbringer ein Konto und ein Abrechnungsweg etabliert werden muss, beträgt der Verwaltungskostensatz 3,5 Prozent des Gesamtbetrags der jeweiligen Abrechnung abzüglich der Sachkosten nach § 11. Der jeweilige Verwaltungskostensatz ist von dem Gesamtbetrag der Abrechnung abzuziehen und mindert dadurch die an die Leistungserbringer auszuzahlende Vergütung.“
83Vgl. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/CoronavirusTestV_Juni_2021_mit_Begruendung.pdf).
84Die Voraussetzungen des § 8 Satz 2 TestV sind auch nicht dadurch entfallen, dass der Klägerin die beantragte Vergütung nicht zusteht. § 8 Satz 2 TestV knüpft an die tatsächliche Abrechnung von Leistungen von Leistungserbringern durch die Beklagte an. Dass der Vergütungsanspruch der Klägerin tatsächlich nicht bestanden hat, ist für die Frage des hierdurch entstandenen Abrechnungsaufwands, an den § 8 Satz 2 TestV anknüpft, unerheblich.
85bbb) Sofern § 7a Abs. 5 Satz 2 TestV nicht als ausreichende Ermächtigungsgrundlage für eine Erstattung für Verwaltungskosten hinsichtlich abgerechneter Abstrichkosten angesehen würde, ergäbe sich dieser in Höhe von 33.946,20 € jedenfalls aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch.
86In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es sich bei dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch um ein aus den Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts handelt, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen.
87Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2022 – 6 B 15.21 –juris, Rn. 12, und Urteil vom 15. Mai 2008 – 5 C 25.07 –, juris, Rn. 13.
88Der Anspruch setzt eine unmittelbare Vermögensverschiebung im Rahmen öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen zwischen zwei Rechtssubjekten voraus, d. h. dass mit der Vermögensminderung des einen Rechtssubjekts unmittelbar ein Vermögenszuwachs (oder eine Vermögensersparnis) des anderen verbunden sein muss. Die Vermögensverschiebung kann sowohl durch Leistung als auch in sonstiger Weise erfolgen. Schließlich muss die Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund erfolgt oder der Rechtsgrund später weggefallen sein.
89Die Voraussetzungen für einen solchen Erstattungsanspruch liegen vor. Die Klägerin hat einen unmittelbaren Vermögensvorteil erhalten. Die Klägerin wurde – wie oben ausgeführt – von der Verbindlichkeit nach § 8 Satz 2 TestV, Verwaltungskosten in Höhe von 33.946,20 € als Aufwendungsersatz an die Beklagte zu zahlen, befreit. Diesen Vermögensvorteil hat die Klägerin durch Tätigwerden der Beklagten erlangt. Die Befreiung von der Zahlungsverbindlichkeit erfolgte ohne Rechtsgrund, weil der Anspruch der Klägerin auf Abrechnung gem. § 7 Abs. 1 TestV nicht bestand, da die Vergütung nach § 7a Abs. 5 Satz 2 TestV zu Unrecht gewährt wurde. Die Verrechnung nach § 8 Satz 2 TestV geht hiernach ins Leere; der hierdurch begründete Anspruch der Beklagten ist – wie oben ausgeführt – aber nicht untergegangen.
90bb) Die Forderung der Verwaltungskosten für abgerechnete Sachkosten in Höhe von 10.199,19 € ist rechtswidrig.
91aaa) Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückerstattung der Verwaltungskosten für abgerechnete Sachkosten in Höhe von 10.199,19 € aus § 7a Abs. 5 Satz 2 TestV.
92Die Klägerin hat die Verwaltungskosten für die Sachkosten nicht als „Vergütung“, auch nicht in Form einer Befreiung von einer eigenen Zahlungspflicht, erhalten. Die Verwaltungskosten für Sachkosten wurden gemäß § 8 Satz 3 TestV in Höhe von 2 % der abgerechneten Sachkosten (10.199,19 €) durch das Bundesamt für Soziale Sicherung an die Beklagte ausgezahlt.
93§ 8 Satz 3 TestV bestimmt, dass den Kassenärztlichen Vereinigungen für die Abrechnung der Sachkosten nach § 11 TestV Verwaltungskosten in Höhe von 2 Prozent des Gesamtbetrags der Abrechnungen durch das Bundesamt für Soziale Sicherung erstattet werden. Der Wortlaut für sich enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass Satz 3 genauso wie Satz 2 eine eigene Zahlungspflicht der Klägerin bestimmt. Das BAS ist nicht zur Erfüllung einer Zahlungspflicht der Klägerin gegenüber der Beklagten tätig geworden.
94Auch die Begründung zur TestV spricht dafür, dass Satz 3 ein (eigenständiger) Aufwandsersatzanspruch der Beklagten gegen das BAS ist:
95„Satz 3 bestimmt, dass den L. W1. für die Abrechnungen der Sachkosten nach §11 2 Prozent Verwaltungskosten durch das Bundesamt für Soziale Sicherung erstattet werden. Dies deckt neben der reinen Abrechnung auch den Aufwand für ggf. umfangreiche Nachfragen, die Betreuung, den Service und die Versendung von Formularen von einer hohen Zahl an im Gesundheitswesen tätige Institutionen ab.“
96Vgl. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/CoronavirusTestV_Sept-2021_mit_Begruendung.pdf).
97bbb) Ein Rückerstattungsanspruch der Verwaltungskosten für abgerechnete Sachkosten in Höhe von 10.199,19 € ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Die Klägerin ist nicht von einer eigenen Zahlungsverbindlichkeit befreit worden. Wie oben ausgeführt, ergibt sich aus § 8 S. 3 TestV keine eigene Zahlungspflicht der Klägerin.
98ccc) Ein Schadensersatzanspruch der Beklagten auf Erstattung der Verwaltungskosten für abgerechnete Sachkosten in Höhe von 10.199,19 € besteht nicht. Weder hat die Beklagte eine normative Grundlage für einen solchen Anspruch dargelegt noch ist dieser ersichtlich. Selbst wenn eine solche bestünde, fehlt es an einem Schaden der Beklagten. Sie hat für die Abrechnung der Sachkosten durch das BAS Verwaltungskosten erhalten (§ 8 Satz 3 TestV). Dass die Beklagte diese ihr erstatteten Beträge an das BAS zurückerstatten müsste – was einen Schaden ggf. begründen könnte –, hat die Beklagte weder vorgetragen noch – auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung – eine gesetzliche Verpflichtung hierfür benennen können. Eine solche ist auch für das Gericht nicht ersichtlich. Letztlich versucht die Beklagte – worauf ihre Einlassung sowohl im streitgegenständlichen Bescheid, in der Klageerwiderung und in der mündlichen Verhandlung hindeutet –, einen vermeintlichen Schaden des BAS zu liquidieren. Für eine solche prozessstandschaftliche Wahrnehmung eines fremden Rechts fehlt es allerdings an normativen Anknüpfungspunkten.