Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW bzw. § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW sind auf Wettvermittlungsstellen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Normen bereits existierten, anwendbar; ihrer Anwendbarkeit steht kein formeller Bestandsschutz entgegen.
Das in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte Abstandsgebot zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe – gleiches gilt (erst recht) für das in § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte geringere Abstandsgebot zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe für Wettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bereits bestanden und über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben – verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Das Merkmal „öffentlich“ in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW bezieht sich allein auf Schulen und nicht auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.
Nur örtliche (d. h. topographische) Besonderheiten können auf der Rechtsfolgenseite einen atypischen Fall i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW begründen, so dass weder etwaige Vorkehrungen zur Vermeidung von Anreizwirkungen bzw. Einschränkungen der Außengestaltung der Wettvermittlungsstelle noch eine Umgestaltung des Betriebskonzeptes noch eine Anpassung der Öffnungszeiten der Wettvermittlungsstelle (vor dem Hintergrund der Öffnungszeiten der jeweils entgegenstehenden Einrichtung) einen atypischen Fall begründen können.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldnerinnen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin zu 1., eine in Malta ansässige Limited, die über eine bundesweite Konzession für die Veranstaltung und den Vertrieb von Sportwetten verfügt, ist Veranstalterin von Sportwetten. Sie wendet sich gegen die mit Bescheid des Beklagten vom 26. September 2022 erfolgte Versagung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle für Sportwetten am Standort N.------straße 40-42, M. durch die Klägerin zu 2. als Wettvermittlerin.
3Mit Bescheid vom 23. Mai 2012 erteilte der Kreis T. Frau G. Z. auf deren Antrag die Baugenehmigung zur Nutzungsänderung des Grundstücks N.------straße 40-42, M. als Ladenlokal für Sportwetten (Vergnügungsstätte) ohne Alkoholausschank.
4Zum 30. Januar 2018 zeigte der Betriebsvorgänger der Klägerin zu 2. bei der Stadt M. die Aufnahme eines Gewerbes mit dem Gegenstand Sportwettvermittlung im streitgegenständlichen Geschäftslokal an. Bereits zuvor waren dort Gewerbe mit demselben Gewerbegegenstand angezeigt worden.
5Unter dem 10. März 2020 erstattete die Klägerin zu 2. eine gewerberechtliche Anmeldung zum Betrieb einer Vermittlungsstelle für Sportwetten unter der Anschrift N.------straße 42, M. . Als Beginn der Tätigkeit gab sie den 10. März 2020 an.
6Die Klägerin zu 1. beantragte mit Schreiben vom 31. Januar 2020 bei der Bezirksregierung Münster die Erlaubnis zum Betrieb der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle.
7In der Folgezeit führte die Bezirksregierung Münster Ermittlungen unter anderem zur Frage durch, ob in der Umgebung des beabsichtigten Standorts öffentliche Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 2 Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages (Ausführungsgesetz NRW Glücksspielstaatsvertrag – AG GlüStV NRW) vorhanden sind; in diesem Zusammenhang wurde auch eine Stellungnahme der Stadt M. eingeholt.
8Diese führte in einem Schreiben vom 8. Oktober 2020 gegenüber der Bezirksregierung Münster unter anderem aus, dass sich mit dem M1. M. e. V., ansässig in der N.------straße 29, M. , eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe in einer Entfernung von ca. 90 Metern Luftlinie zu der beantragten Wettvermittlungsstelle befinde. Der Verein habe nach Auskunft des ersten Vorsitzenden derzeit ca. 330 Mitglieder, davon ca. 300 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Der Trainingsbetrieb finde täglich von montags bis freitags von ca. 16:00 Uhr bis 21:30 Uhr statt.
9In der Folge holte die Bezirksregierung Münster weitere Auskünfte über den M1. M. e. V. ein. In einem Gespräch teilte der Vorsitzende des Vereins, Herr B. , mit, dass täglich ca. 100 Minderjährige im Verein trainierten und dies ca. 80 % der Nutzer der Einrichtung seien. Dieser übersandte ferner die Satzung des M1. M. e. V. (im Folgenden: Vereinssatzung).
10Nach dem von der Bezirksregierung zum Verwaltungsvorgang genommenen Ausdruck des Internetauftritts des Vereins wird dort unter anderem ausgeführt:
11„2004 wurde das soziale Sportprojekt M1. M. e. V. von Z1. B. B. ins Leben gerufen. Der Grundgedanke war und ist, Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Alternative zur Langeweile und Gewalt zu bieten. (…)“
12Mit an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1. und an die Klägerin zu 2. gerichtetem Anhörungsschreiben vom 30. Juni 2022 teilte der Beklagte mit, dass er nach Prüfung des Vorgangs beabsichtige, den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Vermitteln von Sportwetten in der Wettvermittlungsstelle N.------straße 40-42, M. abzulehnen, und räumte gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme ein.
13Mit Schriftsatz vom 25. August 2022 nahmen die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1. inhaltlich Stellung. Sie machten im Wesentlichen geltend, die Klägerin zu 2. genieße als Betreiberin der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle Bestandsschutz, so dass die normativen Mindestabstandsregelungen nicht anwendbar seien. Diese seien zudem mit Unions- und Verfassungsrecht unvereinbar. Im Übrigen stünden die Trainingsräumlichkeiten des M1. M. e. V. der Erlaubniserteilung nicht im Wege, da es sich hierbei nicht um eine öffentliche Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne der gesetzlichen Regelung handele. Aufgrund dessen beantragten die Prozessbevollmächtigten in diesem Schriftsatz für die Klägerin zu 1. höchst vorsorglich eine Abweichung von den Mindestabstandsvorgaben des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW. Die Erteilung einer Ausnahme von der Mindestabstandsregelung sei aufgrund des schwerwiegenden Eingriffs in die Berufsfreiheit zwingend geboten, da angesichts der konkreten Sachverhaltskonstellation keine Gefahren für Kinder und Jugendliche bestünden.
14Mit an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1. und an die Klägerin zu 2. gerichtetem Bescheid vom 26. September 2022 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin zu 1. auf Erteilung der Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift N.------straße 40-42, M. ab (Ziffer 1), setzte für diese Entscheidung eine Gebühr in Höhe von insgesamt 375,- Euro fest (Ziffer 2), erlegte die Gebühr der Klägerin zu 1. auf (Ziffer 3), und kündigte an, die Gebühr mit einem gesonderten Bescheid anzufordern (Ziffer 4). Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus:
15Der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle in Nordrhein-Westfalen setze gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV sowie § 13 Abs. 1 Satz 1 AG GlüStV NRW eine behördliche Erlaubnis voraus. Bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens könne die beantragte Erlaubnis im vorliegenden Fall nicht erteilt werden. Der Erlaubniserteilung stehe entgegen, dass die Räumlichkeiten des M1. M. e. V. als Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe entgegen § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW innerhalb des für die Wettvermittlungsstelle geltenden gesetzlichen Mindestabstands lägen und keine hinreichenden Gründe für eine Abweichung vom Mindestabstand bestünden.
16Ein formeller oder materieller Bestandsschutz – wie von Klägerseite geltend gemacht – bestehe nicht. Eine Wettvermittlungsstelle werde erst dann formell legal betrieben und genieße Bestandsschutz, wenn für sie eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erteilt worden sei. Dies sei hier nicht der Fall. Aus der bloßen Duldung bereits bestehender Wettvermittlungsstellen könne kein Vertrauen in deren Fortbestand hergeleitet werden. Vielmehr habe das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 – klargestellt, dass auch vor dem Hintergrund der Unmöglichkeit, bis Oktober 2020 eine Veranstaltererlaubnis zu erhalten, kein mit dem Schutzbedürfnis von Bestandsspielhallen vergleichbarer Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei.
17Die vorgebrachten verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken gegen die Mindestabstandsregelungen seien nicht gerechtfertigt. Diese dienten allgemein den Belangen des Spieler- und Jugendschutzes und der Spiel- und Wettsuchtbekämpfung. Ziel der Abstände zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sei insbesondere der Schutz von Minderjährigen als besonders vulnerabler Gruppe und die Vermeidung einer Gewöhnung von Minderjährigen an Glücksspielstätten.
18Es sei höchstrichterlich geklärt, dass der Gesetzgeber befugt sei, aus Gründen des Jugend- und Spielerschutzes Mindestabstände zu Schulen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie anderen Glücksspielstätten festzulegen. Im Rahmen der normativen Ausgestaltung bestehe ein gesetzgeberischer Beurteilungsspielraum, der vorliegend nicht überschritten werde. Die Behauptung, es fehle eine vom Europäischen Gerichtshof geforderte wissenschaftliche Grundlage für die Einführung der Abstandsregelung, sei unzutreffend. Auch wenn bei einer Betrachtung der glücksspielassoziierten Probleme Automaten- und Casinospiele am gefährlichsten seien, gehe von Sportwetten ebenfalls ein erhöhtes Gefahrenrisiko aus.
19Der abweichende Mindestabstand zu Lotto-Annahmestellen begründe ebenfalls keine verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken. Lotto-Annahmestellen hätten ein völlig anderes Gepräge als Wettvermittlungsstellen, da sie Versorgungseinrichtungen für Güter des wiederkehrenden Bedarfs seien, in denen die Vermittlung von – hinsichtlich der Spielsuchtgefährdung überwiegend wenig relevanten – Lotterieprodukten nur ein Nebengeschäft darstelle.
20Auch finde keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der stationären Wettvermittlung gegenüber Wettmöglichkeiten im Internet statt. Die Eignung von Mindestabständen als Beitrag zum Zweck, die Gewöhnung von Minderjährigen an Glücksspielangebote in ihrem Lebensumfeld zu verhindern, könne diesen nicht abgesprochen werden.
21Der gesetzlich vorgegebene Mindestabstand der Wettvermittlungsstelle zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe belaufe sich hier gemäß § 13 Abs. 15 i. V. m. Abs. 13 AG GlüStV NRW auf 100 Meter, da eine Baugenehmigung für die Nutzung des Ladenlokals für die Vermittlung von Sportwetten bereits im Jahr 2012 und damit sieben Jahre vor dem Stichtag des 19. Mai 2019 vorgelegen habe. Für die Messung des tatsächlichen Abstands verweise § 13 Abs. 13 Satz 3 AG GlüStV NRW auf § 5 Abs. 6 AG GlüStV NRW, wonach für die Messung die Luftlinie zwischen dem Eingang der Wettvermittlungsstelle und der Grenze des Grundstücks, auf dem sich die Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe befinde, maßgeblich sei. In einer Entfernung von 65 Metern befänden sich unter der Anschrift N.------straße 29, M. die Räumlichkeiten des M1. M. e. V. Hierbei handele es sich um eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW, die der Erteilung der beantragten glücksspielrechtlichen Erlaubnis entgegenstehe.
22Zwar beziehe sich das Attribut „öffentlich“ nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW – anders als noch im Anhörungsschreiben vom 30. Juni 2022 vertreten – nicht auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Allein dieses weitere Begriffsverständnis entspreche dem Sinn und Zweck der Mindestabstandsregelung. Jedoch wäre auch dieses Merkmal gegeben. Die Zugänglichkeit der Einrichtungen des M1. M. e. V. für die Öffentlichkeit sei nicht durch die Satzung ausgeschlossen. Die Stellung eines Mitgliedsantrags erweise sich nicht als wirkliche Hürde für die Nutzung der Vereinssportstätten. Die in der Satzung vorgesehene Möglichkeit, Mitgliedsanträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen, sei – wie ein Vergleich mit der Mustervereinssatzung des Bundesministeriums der Justiz zeige – üblich und werde angesichts der großen Mitgliederzahl offenbar kaum genutzt.
23Der Einordnung des Vereins als Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe stehe auch nicht entgegen, dass er sich nicht vorwiegend an Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren richte. Dass der Gesetzgeber Grundschulen nicht von der Mindestabstandsregelung ausgenommen habe, spreche dafür, dass er auch Kinder unter 12 Jahren als von einem Gewöhnungseffekt gefährdet betrachte. Für die Frage, ob sich der Verein vorwiegend an Kinder und Jugendliche richte, sei nicht in erster Linie auf die Satzung abzustellen, in der die Jugendarbeit jedoch auch als Vereinszweck festgelegt ist, sondern auf das tatsächliche Vereinsleben. Danach lege der Verein seinen Schwerpunkt deutlich auf Kinder- und Jugendarbeit. Dies ergebe sich unter anderem aus der Selbstbeschreibung auf seiner Internetseite, dem Kursangebot und der Tatsache, dass etwa 300 von 330 Vereinsmitgliedern Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren seien. Von den 23 Kursen, die auf der Internetseite des Vereins aufgelistet seien, richteten sich 13 ausdrücklich an Kinder und Jugendliche verschiedenen Alters, sechs an Jugendliche und Erwachsene, einer an „Juniors“ und nur vier ausschließlich an Erwachsene. Dass auch Erwachsene vertreten seien, schließe die Einstufung des Vereins als Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung nicht aus.
24Im Rahmen der Ermessensausübung seien im vorliegenden Fall auch keine Gründe ersichtlich, die Anlass zu einer Unterschreitung der gesetzlichen Mindestabstände gegeben könnten. Gemäß § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW dürfe die zuständige Behörde zwar unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes im Einzelfall von der Maßgabe zum Mindestabstand abweichen. Als Ausnahmegründe kämen nach § 5 Abs. 3 der Verordnung über die Annahme- und Wettvermittlungsstellen des Landes Nordrhein-Westfalen – AnVerVO NRW – insbesondere folgende Sachverhalte in Betracht: 1. bauplanungsrechtliche Vorgaben der Standortgemeinden, 2. städtebauliche Besonderheiten hinsichtlich des jeweiligen Standortes und der Lage sowie 3. die minimale Unterschreitung des Abstandsgebotes. Im vorliegenden Fall sei keiner der drei genannten Ausnahmegründe gegeben. Insbesondere weise das Umfeld der Wettvermittlungsstelle und der Sportstätten des M1. M. e.V. städtebauliche Besonderheiten nicht in einem Ausmaß auf, das eine Abweichung rechtfertigen könne. Vor dem Hintergrund der geringen fußläufigen Entfernung von deutlich unter 100 Metern scheine es nahezu unvermeidbar, dass die minderjährigen Vereinsmitglieder die an exponierter Stelle an der Kreuzung N.------straße /V.-----straße befindliche Wettvermittlungsstelle auf ihrem Weg zu den Sportstätten oder nach Hause wahrnähmen und sich an ihre Präsenz und Verfügbarkeit gewöhnten. Dies zu verhindern, sei jedoch Zweck der Mindestabstandsregelung.
25Auf Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 2., dass sich die Halle des M1. M. e. V. trotz der Adresse N.------straße 29 nicht direkt an der N.------straße , sondern in einem Gebäudekomplex rückseitig der Bebauung der N.------straße an der L. Straße befinde, führte die Bezirksregierung Münster am 19. Oktober 2022 eine Ortsbesichtigung im Umfeld der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle durch. Dabei stellte sie unter anderem fest, dass die Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 2. zutrafen. Nach einer erneuten Berechnung beliefen sich der Abstand zwischen dem Eingang der Wettvermittlungsstelle, der – von der Straße aus gesehen – auf der linken Gebäudeseite auf der Höhe etwa eines Drittels der Gebäudefassade liege, und der nächstgelegenen Stelle des Hallengrundstücks auf 80 Meter sowie die Geh- und Radfahrentfernung vom Ausgang des Hallengrundstücks bis zur Wettvermittlungsstelle auf 180 Meter. Betreten werden könne das Hallengrundstück über eine Zufahrt zur Straße B1. C. auf der Höhe des Gartens des Hauses mit der Hausnummer 7. Von dort aus bis zur N.------straße befinde sich ein Fuß- und Radweg (L. Straße), der an dem Grundstück der Halle vorbeiführe. Wegen der Beschreibung der örtlichen Gegebenheiten wird im Übrigen auf Blatt 263 bis 268 des Verwaltungsvorgangs und die dortigen Lichtbilder Bezug genommen. In einem Gespräch bot der Mitarbeiter der Klägerin zu 2. Herr D. P. ferner an, den Eingang der Wettvermittlungsstelle auf die Gebäuderückseite zu verlegen.
26Mit an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1. und an die Klägerin zu 2. gerichtetem Schreiben vom selben Tag unterrichtete die Bezirksregierung Münster diese von dem Ergebnis der Ortsbesichtigung und davon, dass sie im Ergebnis – nach erneuter Betrachtung der Möglichkeit einer Abweichung vom Mindestabstand – die Erlaubniserteilung weiter ablehne. Auf dem Weg von und zur Vereinshalle kämen Kinder und Jugendliche, die südlich und westlich der Halle wohnten, entweder direkt an der Wettvermittlungsstelle vorbei oder könnten sie jedenfalls vom Beginn des Fahrradwegs an der N.------straße , der zur Vereinshalle führt, sehen. Die von Herrn P. angebotene Verlegung des Eingangs der Wettvermittlungsstelle auf die Gebäuderückseite ändere an der Beurteilung nichts. Der Abstand beliefe sich dann auf 87 Meter und unterschreite den Mindestabstand ebenfalls nicht nur minimal. Im Übrigen sei bei einer Verlegung des Eingangs die Einsehbarkeit für die Öffentlichkeit nach § 13a Abs. 1 AG GlüStV NRW nicht mehr gewährleistet.
27Die Klägerin zu 1. hat gegen diesen Bescheid am 26. Oktober 2022, die Klägerin zu 2. am 27. Oktober 2022 Klage erhoben. Die Klage der Klägerin zu 2. ist zunächst unter dem Aktenzeichen 9 K 2952/22 geführt worden. Mit Beschluss vom 3. August 2023 sind die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden und werden seitdem gemeinsam unter dem hiesigen Aktenzeichen geführt.
28Die Klägerinnen tragen zur Begründung im Wesentlichen vor:
29Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid der Beklagten, der sich ausschließlich auf die fehlende Einhaltung eines Mindestabstands zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe stütze, sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Die Rechtswidrigkeit folge aus mehreren, selbständig tragenden Gründen:
30Erstens könne die Nichteinhaltung von Mindestabständen nicht Wettvermittlungsstellen – wie der hier streitgegenständlichen – entgegengehalten werden, die formell legal betrieben worden seien, bevor die Mindestabstände in Kraft getreten seien, das heißt Wettvermittlungsstellen, denen eine Sportwettvermittlungserlaubnis bei Betriebsaufnahme hätte erteilt werden müssen, wenn der Beklagte hiervon nicht unionsrechtswidrig abgesehen hätte. Die Klägerin zu 2. genieße insoweit formellen Bestandsschutz mit der Folge, dass die Mindestabstandsregelungen auf sie nicht anwendbar seien. Bereits hieraus folge, dass den Klägerinnen ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Erlaubnis, jedenfalls aber ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neuverbescheidung zustehe. Die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle sei bereits seit Jahren formell und materiell legal betrieben worden. Die Betriebsaufnahme sei vor Inkrafttreten der Vorschrift des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW erfolgt. Zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme am streitgegenständlichen Standort habe das nordrhein-westfälische Landesausführungsgesetz noch keine Mindestabstände zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe normiert. Mindestabstände zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe habe der Landesgesetzgeber erst am 14. Dezember 2019 mit Wirkung zum 1. Januar 2020 normiert. Die zuvor in der Glücksspielverordnung geregelten Mindestabstände hätten nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen nicht eingehalten werden müssen, da sie nicht auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage beruht hätten und daher die Berufsausübungsfreiheit der Wettbürobetreiber nach Art. 12 Abs. 1 GG verletzt hätten. Der Wettvermittlungsstelle hätte daher damals eine Erlaubnis erteilt werden können und müssen, da zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme noch keine Mindestabstände normiert gewesen seien. Zu einer Erlaubniserteilung habe es zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme allerdings deshalb nicht kommen können, weil zum damaligen Zeitpunkt (bis Oktober 2020) keine Konzessionen an Sportwettveranstalter hätten erteilt werden können. Konzessionen an Sportwettveranstalter seien nach der gesetzlichen Konzeption aber zwingende Voraussetzung für die Erteilung einer Sportwettvermittlungserlaubnis. Aus diesem Grund sei der Betrieb seinerzeit nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen formell legal gewesen. Dem Betreiber eines Wettbüros habe nicht deshalb der Bestandsschutz abgesprochen werden dürfen, weil er über keine Wettvermittlungserlaubnis verfügt habe, da er eine solche Erlaubnis über einen längeren Zeitpunkt (und zwar allein wegen der dem Beklagten zurechenbaren unionsrechtswidrigen Durchführung des Sportwettkonzessionsverfahrens) nicht habe erhalten können. Auf die zum damaligen Zeitpunkt bestehende Unmöglichkeit, eine Sportwettkonzession zu erhalten, hätten die Klägerinnen keinerlei Einfluss gehabt. Es habe sich vielmehr um eine Folge der unionsrechtswidrigen Durchführung des Sportwettkonzessionsverfahrens durch die bundesweit zuständige Konzessionsbehörde gehandelt. Dem Wettbürobetreiber habe daher nicht zum Vorwurf gemacht werden dürfen, über keine Wettvermittlungserlaubnis zu verfügen. Würde man einem Wettbüro, das formell legal Sportwetten vermittelt habe, nunmehr nachträglich in das Gesetz aufgenommene Abstandsvorgaben entgegenhalten, unterliefe man den Bestandsschutz.
31Zweitens sei die in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Mindestabstandsregelung generell – unabhängig von dem hier in Rede stehenden konkreten Einzelfall – sowohl verfassungs- als auch unionsrechtswidrig. Die Frage der Verfassungs- und Unionsrechtskonformität sei von der Rechtsprechung bislang nicht geklärt. Sie werde auch durch die Rechtsprechung zu entsprechenden Abstandsregelungen im Recht der Spielhallen nicht präjudiziert. Zwar habe die Rechtsprechung Abstandsregelungen zwischen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und Spielhallen als verfassungskonform bewertet. Diese Rechtsprechung sei jedoch auf Wettvermittlungsstellen nicht übertragbar, da zum einen Sportwetten – und zwar auch nach Auffassung des Gesetzgebers – eine geringere Gefährlichkeit als Spielhallen zukomme und zum anderen Sportwetten bereits außerhalb der Wettvermittlungsstellen durch Lottoannahmestellen und das Internet – und zwar nach geltendem Recht legal – omnipräsent seien, so dass Kinder und Jugendliche ihnen auch unabhängig von stationären Wettvermittlungsstellen ohnehin ausgesetzt seien.
32Die Mindestabstandsregelung verstoße gegen Art. 3 und 12 GG, da für eine Ungleichbehandlung mit Annahmestellen des staatlichen Lotterieanbieters, an denen ebenfalls ODDSET-Wetten angeboten würden, keine sachgerechten Gründe vorlägen.
33Für eine – wie hier – vorliegende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit verlange das Unionsrecht einen Gefahrennachweis; ein solcher liege nicht vor. Im Gegenteil ergebe eine Evaluierung der Regulierung der vergangenen zehn Jahre einen Rückgang der Prävalenz trotz im gleichen Zeitraum entstandener Vervielfachung des Sportwettmarkts.
34Ferner habe der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 – C-148/15 – judiziert, dass eine Beschränkung der Grundfreiheit zwingend den Nachweis vorhandener Rechtfertigungsgründe durch wissenschaftliche Erkenntnisse und Untersuchungen voraussetze. Mit Urteil vom 14. Juni 2017 – C-685/15 – habe der Europäische Gerichtshof diese Rechtsprechung auch für das Glücksspielrecht bestätigt. Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Danach obliege den zuständigen Behörden das Darlegungs- und Nachweiserfordernis für Rechtfertigungsgründe, die den Nachweis der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit begründen. Wissenschaftliche Belege, insbesondere für den Gewöhnungseffekt und die besondere Suchtgefährlichkeit von stationären Wettvermittlungsstellen, sei der Beklagte jedoch schuldig geblieben.
35Auch sei das Mindestabstandserfordernis insoweit inkohärent, als der Internetvertrieb, der die gefährlichere Betriebsform darstelle, keinen entsprechenden Beschränkungen unterliege.
36Darüber hinaus ergebe sich die Inkohärenz der in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelten Mindestabstandsregelung aber auch daraus, dass das Ausführungsgesetz NRW Glücksspielstaatsvertrag keinen Mindestabstand von Bestandsspielhallen zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe normiere (vgl. §§ 16 Abs. 3, 18 Abs. 1 AG GlüStV NRW), obwohl Bestandsspielhallen sogar den weitaus größten Teil der Spielhallen in Nordrhein-Westfalen darstellten und der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit entsprechenden empirischen Erkenntnissen davon ausgehe, dass von Geldspielgeräten in Spielhallen die größten Gefahren ausgingen. So seien im Jahr 2020 nach Angaben der Deutschen Suchthilfestatistik 68,8 % der Patienten in stationären Suchteinrichtungen mit glücksspielkorrelierten Diagnosen wegen Geldspielgeräten in Spielhallen behandelt worden, 12,7 % der Patienten seien mit glücksspielkorrelierten Diagnosen wegen Geldspielgeräten in Gaststätten behandelt worden, und lediglich 3,9 % der Patienten seien mit glücksspielkorrelierten Diagnosen wegen Sportwetten behandelt worden. Da danach Spielhallen sowie auch andere Örtlichkeiten, in denen Geldspielgeräte aufgestellt seien, ein erheblich größeres Gefahrenpotential als Sportwetten aufwiesen, liege ein rechtfertigender Grund für die Ungleichbehandlung gegenüber Wettvermittlungsstellen, die sogar als Bestandsbetriebe von Rechts wegen mit einer – wenn auch reduzierten – Mindestabstandsvorgabe konfrontiert seien, auch wegen der vergleichbaren Außenwirkung („Reiz des Verbotenen“) nicht vor. Im Ergebnis würde Bestandsspielhallen, die das gefährlichste terrestrische Glücksspielangebot vorhielten, ein geradezu grenzenloser Bestandsschutz gewährt und das geringere Jugendschutzniveau, das § 33i GewO vorgesehen habe, auf ewig zementiert. Demgegenüber würden den deutlich weniger gefährlichen Sportwettbüros Mindestabstandsregelungen nahezu flächendeckend entgegengehalten. Der Zweck des Mindestabstandsgebots werde somit durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik in einem anderen Bereich mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial unterlaufen. Dies verstoße gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot.
37Auch sei die in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Abstandsregelung nicht geeignet, die mit ihr vom Gesetzgeber verfolgten Ziele zu erreichen. Ausweislich der Gesetzesbegründung solle sie „helfen, einen Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern“. Dazu sei sie jedoch nicht in der Lage. Grund sei, dass Kinder und Jugendliche weniger durch die bloße Existenz von Wettvermittlungsstellen im allgemeinen Straßenbild als vielmehr durch die – legale – Werbung für Sportwettanbieter in Fernsehen, Internet und Medien an den Sportwettmarkt gewöhnt würden. Im Rahmen von Fernsehübertragungen würden Kinder und Jugendliche fast minütlich mit Werbung und Markennamen zahlreicher Sportwettanbieter konfrontiert. Gleiches gelte auch für einschlägige Informationsportale für Sportnachrichten im Internet und in Printmagazinen. Beispielsweise fänden sich alleine auf der Internetseite sowie in der Printausgabe des „Kicker Sportmagazin“ an etlichen Stellen Namen von Sportwettanbietern sowie aktuelle Quoten für Wetten auf Sportereignisse. Vor diesem Hintergrund könne ein – wie auch immer gearteter – Gewöhnungseffekt von Kindern und Jugendlichen durch eine Mindestabstandsregelung bereits nicht mehr verhindert werden. Auch hier zeige sich im Übrigen wieder die fehlende Vergleichbarkeit zur Situation bei Spielhallen: Bei Letzteren habe es zur Zeit der Einführung der Mindestabstände nahezu keine erlaubte Werbung für vergleichbare Onlineangebote gegeben, so dass bei Spielhallen der beschriebene Gewöhnungseffekt für Kinder und Jugendliche allein durch die Existenz der stationären Spielhallen habe eintreten können. Bei Sportwetten sei das komplette Gegenteil der Fall.
38Die Mindestabstandsregelung sei im Übrigen auch nicht erforderlich, weil qualitative Anforderungen an das Angebot sowie die Auswahl der Anbieter sich als mildere Mittel darstellten. Darüber hinaus beständen bereits sinnvolle normative Vorgaben zum Jugendschutz, wie etwa das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, was einen wirksamen Jugendschutz gewährleiste. Dessen Einhaltung (effektiv) zu kontrollieren und Marktteilnehmern, die das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche missachteten, den Betrieb zu untersagen, dürfte ein deutlich geeigneteres und zugleich milderes Mittel sein als die hier in Rede stehende Mindestabstandsregelung.
39Verstoße die Mindestabstandsregelung nach § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW nach alledem gegen Verfassungs- und Unionsrecht, sei sie unanwendbar und könne den Klägerinnen im Erlaubnisverfahren nicht entgegengehalten werden.
40Für den Fall, dass das Gericht erwäge, die entscheidungserheblichen verfassungs- und unionsrechtlichen Fragen anders zu beurteilen als die Klägerinnen, beantragte die Klägerin zu 2., das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten Normenkontrolle bzw. dem Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vorzulegen.
41Drittens könnten – unabhängig von dem vorstehend Ausgeführten – die Trainingsräumlichkeiten des M1. M. e. V. der Erlaubniserteilung nicht entgegenstehen. Hierbei handele es sich nicht um eine öffentliche Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW.
42Es liege bereits keine „öffentliche“ Einrichtung im Sinne der Vorschrift vor. Hierfür sei erforderlich, dass die Einrichtung grundsätzlich für die Allgemeinheit zugänglich sei, das heißt für einen nicht näher bestimmten oder abgegrenzten Personenkreis. Nach § 6 Abs. 1 der Vereinssatzung seien hingegen nur Mitglieder berechtigt, die Einrichtungen und Anlagen des Vereins zu benutzen. Zwar könne an sich jede natürliche Person Vereinsmitglied werden, die einen schriftlichen Aufnahmeantrag an einen Trainer oder den Vorstand richte (§ 3 Abs. 1 und 2 der Satzung). Jedoch könne der Vorstand die Aufnahme eines Interessenten ohne Angaben von Gründen ablehnen (§ 3 Abs. 3 der Satzung). Insofern könne entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die Rede davon sein, dass die Vereinsmitgliedschaft keine nennenswerte Hürde für die Nutzung der Einrichtung darstelle. Im Übrigen komme es auch nicht darauf an, weil die Mitglieder des M1. M. e. V. weiterhin einen klar abgegrenzten Personenkreis darstellten, auch wenn sich die Anzahl erhöhe, und nur diesen die Vereinsräumlichkeiten zugänglich seien. Nach Ansicht der Klägerin zu 2. stehe der Einordnung als „öffentlich“ bereits entgegen, dass der Verein in privater Trägerschaft sei.
43Darüber hinaus seien Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne der Vorschrift nach dem Willen des Gesetzgebers nur solche Einrichtungen, die vorwiegend von Kindern oder Jugendlichen aufgesucht würden. Nicht jeder Sportverein könne als öffentliche Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW eingeordnet werden, nur weil sich in dem Verein – unvermeidlich – auch Kinder und Jugendliche körperlich betätigten. Reguläre Sportvereine dienten nicht vorwiegend der Kinder- und Jugendbetreuung, sondern der körperlichen Ertüchtigung der Bevölkerung insgesamt. Im Sinne einer restriktiven Auslegung müsse die Einrichtung – hier der Sportverein – vorwiegend von Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren aufgesucht werden. Denn nur dieses Jugendalter könne suchtwissenschaftlich gesehen einen behaupteten Gewöhnungseffekt überhaupt befürchten lassen. Dies sei nach dem Vereinszweck und dem Nutzungskonzept des M1. M. e. V. nicht der Fall.
44Nach § 2 Abs. 1 der Vereinssatzung sei Zweck des Vereins primär die Förderung der Sportarten Taekwondo und Kick-Thaiboxen. Die Jugendarbeit durch sportliche Übungen und Leistungen stehe als sekundärer Aspekt neben der Förderung des Sports. Die Zielsetzung des M1. M. e. V. sei nur unter anderem die Jugendarbeit im Sport und diene demnach jedenfalls nicht vorwiegend Kindern oder Jugendlichen. Damit unterscheide sich der vom Beklagten benannte Kampfsportverein nicht von jedem anderen Sportverein.
45Aus dem Stundenplan der Trainingsräumlichkeiten ergebe sich zudem, dass die Altersgruppen von 5 bis 8 Jahren (montags 15:30 bis 16:30 Uhr, dienstags 16:30 bis 17:00 Uhr und freitags 16:00 bis 17:00 Uhr) und von 9 bis 12 Jahren (montags 17:00 bis 18:00 Uhr, dienstags 17:00 bis 18:00 Uhr, donnerstags 17:00 bis 18:00 Uhr und freitags 17:00 bis 18:00 Uhr) zusammen einen großen Anteil der Tanz- und Kampfsportangebote der Einrichtung ausmachten. Gegenüber diesen Altersgruppen unter 12 Jahren würden deutlich weniger Kurse für Jugendliche ab 13 Jahren angeboten. Darüber hinaus gebe es Kurse entweder für Jugendliche und Erwachsene zusammen, wobei der Anteil an jugendlichen Teilnehmern unklar sei, sowie die Kurse „Lady Kickboxen“ und „Lady Body-Fitness“, bei denen von erwachsenen Frauen als Teilnehmerinnen auszugehen sei. Insgesamt erschienen Angebote für Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren eher als die Minderheit.
46Eine etwaige Anerkennung des M1. M. e. V. als Träger der freien Jugendhilfe ändere an der Bewertung nichts. Diese beziehe sich nur auf die Jugendabteilung des Vereins, die hier jedoch, da es insoweit allein auf die Mitglieder zwischen 12 und 18 Jahren ankomme, nicht den überwiegenden Teil des Vereinslebens ausmache.
47Nach Ansicht der Klägerin zu 2. müsse die Einrichtung sogar ausschließlich zur Nutzung durch Kinder und Jugendliche bestimmt sein, was hier nicht der Fall sei. Dies folge aus dem Erlass zur Änderung des Erlasses zur Annahme- und Vermittlungsstellenverordnung und der Losverfahrensverordnung vom 24. März 2020. Danach seien nur solche Jugendmusikschulen als öffentliche Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe anzusehen, die ausschließlich zur Nutzung durch Kinder und Jugendliche bestimmt seien. Dies müsse auch für private Sportvereine gelten.
48Die Klägerin zu 2. führt weiter aus, dass nach richtiger Berechnung die Entfernung zwischen der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle und den Räumlichkeiten des M1. M. e. V. zudem mindestens 110,3 Meter betrage. Die Grenze des Grundstücks der Einrichtung dürfe entgegen § 5 Abs. 6 Satz 2 AG GIüStV nicht maßgeblich für die Messung sein, da dies rechtswidrig den Abstand zur Wettvermittlungsstelle verkürzen würde. Denn dabei bliebe unberücksichtigt, ob sich an der Grenze überhaupt ein Zugangspunkt zur Einrichtung befinde oder eventuell physische Hindernisse vorhanden seien. Die Grundstücksgrenze als Bezugspunkt führe zu willkürlichen Ergebnissen. Dies könne allein schon wegen des schwerwiegenden Eingriffs in die Berufs- sowie die Dienstleistungsfreiheit der Wettvermittler nicht hingenommen werden. Zudem betrage der Fußweg vom Eingang der Wettvermittlungsstelle zum Eingang des M1. M. e. V. etwa 155 Meter, was ebenfalls Berücksichtigung finden müsse.
49Viertens erweise sich der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid als ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte nicht von der naheliegenden Möglichkeit einer Abweichung von den Mindestabstandsvorgaben nach § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW Gebrauch gemacht habe. Angesichts des mit einer Ablehnung der beantragten Erlaubnis verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die Berufsfreiheit sei eine Erteilung unter einer Auflage zwingend geboten. Beispielsweise stellten Anpassungen bei der Außengestaltung der Wettvermittlungsstelle oder Anpassungen der Öffnungszeiten ein gleich geeignetes, milderes Mittel dar. Insoweit liege ein Ermessensfehler des Beklagten vor, weil dieser sich nicht näher mit der Frage der Erteilung einer Ausnahme auseinandergesetzt habe. Der Beklagte habe – rechtsfehlerhaft – lediglich ausgeführt, dass Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Falles, in dem Abweichungen von der gesetzlichen Vorgabe zum Mindestabstand in Betracht kämen, nicht ersichtlich seien.
50Die Klägerin zu 1. beantragt,
51den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 26. September 2022 zu verpflichten, die beantragte Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift N.------straße 40-42, M. zu erteilen,
52hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 26. September 2022 zu verpflichten, den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift N.------straße 40-42, M. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
53die Festsetzung der Kosten für den Ablehnungsbescheid aufzuheben.
54Die Klägerin zu 2. beantragt,
55den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 26. September 2022 zu verpflichten, die von der Klägerin zu 1. beantragte Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift N.------straße 40-42, M. zu erteilen.
56Der Beklagte beantragt,
57die Klage abzuweisen.
58Unter Wiederholung der Begründung des angefochtenen Ablehnungsbescheides macht der Beklagte darüber hinaus im Wesentlichen ergänzend geltend:
59Erstens sei die streitbefangene Wettvermittlungsstelle – anders, als die Klägerinnen meinen – nicht aus Bestandsschutzgründen von der Anwendung der Mindestabstandsregelung befreit. Die Argumentation der Klägerseite, die Erlaubnis sei aus Bestandsschutzgründen bereits deshalb zu erteilen, weil die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle vor der Einführung des derzeitigen glücksspielrechtlichen Erlaubnisverfahrens bereits (legal) betrieben worden sei, gehe fehl. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen habe im Beschluss vom 29. März 2017 – 4 B 919/16 – lediglich festgestellt, dass Wettbürobetreiber seinerzeit durch eine Untersagungsverfügung nicht daran hätten gehindert werden können, Sportwetten an im Ausland konzessionierte Anbieter zu vermitteln. Diese Feststellung habe aber nur „bis zur Änderung der Sach- und Rechtslage“ gelten sollen. Rechtsfolge des damaligen Fehlens eines transparenten und diskriminierungsfreien Erlaubnisverfahrens sei lediglich gewesen, dass ein Einschreiten gegen unerlaubte Wettvermittlung zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich gewesen sei. Ein Bestandsschutz könne daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Die Einführung des Konzessionierungs- und Erlaubnisverfahrens im Jahr 2020 begründe nunmehr eine Änderung der Rechtslage, so dass sich die Klägerinnen nicht mehr auf die Rechtsprechung aus dem Jahr 2017 berufen könnten.
60Zweitens seien die von der Klägerseite aufgeworfenen unions- und verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzlichen Mindestabstände, die hinreichend bestimmt normiert seien, ebenfalls nicht begründet. Die mit der Abstandsregelung verfolgten Ziele könnten eine Einschränkung von Grundrechten und Grundfreiheiten rechtfertigen. Die Rechtsprechung habe sich in der Vergangenheit bereits mit Mindestabständen zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigt und diese gebilligt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das Mindestabstände zwischen Spielhallen und öffentlichen Schulen sowie Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe gebilligt habe (Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 –), könne auf Sportwettvermittlungsstellen übertragen werden. Auch wenn sich aus Studien ergebe, dass spielsüchtige Menschen, die sich in (stationäre) Behandlung begäben, häufiger Spielhallen als Wettvermittlungsstellen aufgesucht hätten – diese Daten bezögen sich auch nur auf Spielsüchtige, die sich in (statistisch erfasste) stationäre Behandlung begeben hätten, und seien daher hinsichtlich der Beurteilung der Gefährlichkeit von stationären Wettvermittlungsstellen insgesamt nicht hinreichend aussagekräftig –, bedeute dies nicht, dass von Wettvermittlungsstellen keine Spielsuchtgefahr ausgehe. Die von Sportwetten ausgehenden Gefährdungen seien zumindest vergleichbar mit den von Geldspielgeräten ausgehenden Gefährdungen; möglicherweise seien sie in Bezug auf (sportinteressierte) Kinder und Jugendlichen, auf die Sportwetten attraktiver wirken könnten als Geldspielgeräte, sogar noch höher. Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber sei vor diesem Hintergrund (ohne Verstoß gegen höherrangiges Recht) jedenfalls befugt gewesen, für Wettvermittlungsstellen, die sich nicht auf § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW berufen könnten, und Spielhallen, die sich nicht auf § 18 Abs. 1 AG GlüStV NRW berufen könnten, einen identischen Mindestabstand vorzugeben. Darüber hinaus sei die von der Klägerseite selbst angeführte Bestandsschutzregelung des § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW, durch die für Wettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt hätten, der Mindestabstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe von 350 Metern auf 100 Meter abgesenkt werde, eine weitere Klausel zugunsten der Sportwettwirtschaft. Der vom Gesetzgeber gewählte Stichtag des 22. Mai 2019 sei keinesfalls willkürlich, sondern darin begründet, dass an diesem Tag die Verbändebeteiligung zur Einführung des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages – AG GlüStV NRW – eingeleitet worden und die Absicht, Mindestabstände von 350 Metern vorzugeben, bekannt geworden sei.
61Auch der Hinweis der Klägerseite auf die Privilegierung von Bestandsspielhallen, die von der Mindestabstandsregelung zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ausgenommen seien (§§ 18 Abs. 1, 16 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW), obwohl von ihnen eine größere Gefahr als von Sportwettbüros ausgehe, führe nicht weiter. Sie betreffe nur Spielhallen, für die eine Erlaubnis nach § 33i GewO, die den Betreibern einen gewissen Vertrauensschutz vermitteln könne, bis zum 1. Dezember 2012 bereits erteilt worden sei. Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für eine Erlaubnis nach § 33i GewO seien bereits früher Belange zu prüfen gewesen, die heute im Rahmen einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zu prüfen seien, wie etwa die Vereinbarkeit der Lage der Spielhalle mit Gesichtspunkten des Jugendschutzes. Dies sei bei Sportwettvermittlungsstellen, die über keine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügten, die einen gewissen Vertrauensschutz vermitteln könne, anders. Eine verfassungs- und/oder unionsrechtswidrige (inkohärente) Ungleichbehandlung zwischen Bestandswettvermittlungsstellen und Bestandsspielhallen liege nach alledem nicht vor.
62Auch seien die Mindestabstandsregelungen – anders als die Klägerseite meine – geeignet zur Verfolgung der mit ihnen gesetzgeberisch verfolgten Ziele. Die Abstandsregelungen zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe verfolgten – wie bereits ausgeführt – zwei Ziele:
63Sie sollten zum einen dem Schutz von Minderjährigen als besonders vulnerable Personen vor den – auch von der Rechtsprechung bejahten – Gefahren des Glücksspiels bzw. dazu, eine Gewöhnung von Minderjährigen an die Sportwettvermittlungsstellen zu vermeiden, dienen. Dafür, dass Sportwetten ein erhöhtes Suchtpotential aufwiesen, ließen sich in der wissenschaftlichen Literatur hinreichende Belege finden, etwa im Forschungsbericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus Januar 2020 „Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland – Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends“. Weitere Studien zur Eignung gerade der Abstandsvorschriften zum Schutz von Minderjährigen müssten nicht erstellt werden. Unionsrecht bzw. die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Glücksspielrecht erfordere nicht, dass der Gesetzgeber eine wissenschaftliche Untersuchung zu den Gefahren, denen mit den glücksspielrechtlichen Restriktionen entgegengewirkt werde solle, sowie zu deren Geeignetheit und Erforderlichkeit vorlege. Der vom Gesetzgeber negativ beurteilte Gewöhnungseffekt (Mere-Exposure-Effekt) sei im Übrigen nachweisbar. Zwar sei die reine Bekanntheit eines Produkts noch kein hinreichender Indikator für die reale Nutzung desselben, jedoch zeigten Studien zum Mere-Exposure-Effekt, dass allein die Vertrautheit, die sich durch häufige Konfrontation mit einem Objekt aufbaue, zu einer positiveren Bewertung desselben führe. Die regelmäßige Konfrontation von Minderjährigen mit Wettvermittlungsstellen in ihrem Lebensumfeld trage damit zu einer positiveren Bewertung von Sportwetten durch Minderjährige bei, was der Gesetzgeber zum Anlass nehmen könne, diesen Gewöhnungseffekt durch die Mindestabstandsregelung zu bekämpfen. Im Übrigen werde zahlreichen Passanten schon durch die massive Werbung der Klägerin zu 1. in den Medien klar sein, dass in dem mit ihrem Namen versehenen Ladenlokalen die in den Medien beworbenen Sportwetten vor Ort angeboten würden, so dass die stationären Wettvermittlungsstellen so zusätzlich von dem von der Medienwerbung ausgehenden Mere-Exposure-Effekt profitierten.
64Die Normierung von Mindestabständen zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erweise sich dazu als geeignet. Hinsichtlich des Schutzes von Kindern und Jugendlichen sei zwar der klägerische Hinweis nicht unzutreffend, dass diese auch im Rahmen von Mediennutzung mit Werbung von Glücksspielunternehmen konfrontiert seien. Der Unterschied liege aber darin begründet, dass sich der Kontakt mit Wettvermittlungsstellen dort, wo Minderjährige diese auf ihrem Weg zu Kinder- und Jugendeinrichtungen passierten, anders als der Medienkonsum nur schlecht durch Erziehungsberechtigte regulieren lasse. Die Präsenz terrestrischer Wettvermittlungsstellen im Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen vermöge auf diese – insbesondere, wenn sie sportinteressiert und nicht medienaffin seien – einen zusätzlichen Reiz auszuüben. Wettvermittlungsstellen könnten Kindern und Jugendlichen als natürliche, unproblematische Freizeitangebote sowie als Orte, wo sich die in den Medien beworbenen Sportwetten in der Realität manifestierten, erscheinen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 –), dass für Spielhallen geltende Abstandsgebote dem Eintritt eines Gewöhnungseffekts gegenüber Kinder und Jugendlichen entgegenwirken sollten und damit der möglichst frühzeitigen Vorbeugung von Spielsucht dienten, sei wegen insoweit bestehender ähnlicher Gefahrentendenz auf Wettvermittlungsstellen übertragbar. Dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber sowohl für Spielhallen als auch für Wettvermittlungsstellen (grundsätzlich) einen Mindestabstand von 350 Metern normiert habe, stehe mit höherrangigem Recht in Einklang. Die Abstandsregelungen wirkten insofern der Gewöhnung von Kindern und Jugendlichen an die Wettvermittlungsstellen entgegen, als letztere durch die Regelungen erst in einer gewissen Entfernung von Stätten betrieben werden könnten, die von (vulnerablen) Kindern und Jugendlichen frequentiert würden. Qualitative Anforderungen an das Wettangebot stellten ebenso wenig wie ein Zutrittsverbot für Minderjährige ein milderes Mittel dar, da sie die Präsenz der Vermittlungsstätten im Umfeld der Aufenthaltsorte der Kinder und Jugendlichen nicht berührten. Von Annahmestellen gehe angesichts ihres völlig anderen Gepräges als Versorgungseinrichtungen für Güter des wiederkehrenden Bedarfs keine vergleichbare Gewöhnungswirkung wie von Wettvermittlungsstellen aus, so dass auch vor diesem Hintergrund keine Zweifel an der Eignung der normierten Abstandsregelungen angezeigt seien.
65Zum anderen solle mit den Mindestabstandsregelungen die Verfügbarkeit bzw. Griffnähe der Sportwettbüros reduziert werden. Dass sich durch die Mindestabstände die Anzahl möglicher Standorte von Wettvermittlungsstellen verringere, liege auf der Hand.
66Die Abstandsregelungen stellten sich auch als angemessen dar. Die verfolgten Ziele des Schutzes der Gesundheit und der freien Persönlichkeitsentfaltung von Kindern und Jugendlichen stellten besonders hochrangige Rechtsgüter dar, die weitgehende Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit erlaubten. Der dem Gesetzgeber zukommende Prognose- und Beurteilungsspielraum sei vorliegend nicht überschritten.
67Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Wettvermittlungsstellen gegenüber Gaststätten, in denen Geldspielgeräte aufgestellt seien, liege nicht vor. Gaststätten dienten vorrangig dem Konsum von Speisen und Getränken. Das Glücksspielangebot in einer Gaststätte stelle nur ein Nebengeschäft dar. Ebenso verhalte es sich hinsichtlich Spielbanken. Spielbanken seien eigenständigen Restriktionen unterworfen. Darüber hinaus könnten in Nordrhein-Westfalen maximal sechs Spielbanken zugelassen werden. Unionsrechtliche und verfassungsrechtliche Bedenken könnten sich auch nicht daraus ergeben, dass die Regelungen für Wettvermittlungsstellen von denen für Lotto-Annahmestellen abwichen. Soweit dort – aufgrund der Vorgaben des § 29 Abs. 6 GlüStV nur noch bis zum 30. Juni 2024 – Sportwetten angeboten würden (ODDSET), handele es sich nicht um Live-Wetten, von denen eine besondere Spielsuchtgefahr ausgeht. Monitore, auf denen Sportwettbewerbe verfolgt werden könnten und die auf Minderjährige eine besondere Anziehungskraft ausüben könnten, und Wett-Terminals seien in Annahmestellen untersagt. Vor diesem Hintergrund überzeugten die – die Entscheidung nicht tragenden – Bedenken, dass Mindestabstände gegenüber Schulen und anderen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche nicht auch für Gaststätten mit Geldspielgeräten und Lotto-Annahmestellen, in denen Sportwetten vermittelt würden, vorgegeben würden, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom 21. März 2023 – 23 CS 22.2677 – geäußert habe, nicht. Zweck dieser Mindestabstände sei es nicht primär, Minderjährige oder potentiell Spielsüchtige von Sportwetten abzuhalten. Diesen Zweck verfolge der Gesetzgeber primär mittels anderer Vorschriften, z. B. mittels des Spielverbots für Minderjährige und der Vorgabe, alle Geldspielgeräte, auch die in Gaststätten, an das Spielersperrsystem anzuschließen (vgl. § 8 i. V. m. § 2 Abs. 4 GlüStV). Vielmehr dienten die Abstände gegenüber Einrichtungen für Kinder und Jugendliche wesentlich dazu, der Gewöhnung an die Präsenz von Glücksspielstätten im Lebensumfeld entgegenzuwirken. Gaststätten und Ladenbetriebe mit Lotto-Angeboten einschließlich Sportwettangeboten erschienen aber anders als Spielhallen und Wettvermittlungsstellen nicht in erster Linie als Glücksspielstätten, sondern als Gaststätten bzw. als Läden für Waren des wiederkehrenden Bedarfs. Soweit es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im genannten Beschluss für unionsrechtswidrig gehalten habe, dass in Bayern keinerlei Mindestabstände für Spielhallen gegenüber Einrichtungen für Kinder- und Jugendliche vorgesehen seien, lasse sich dies auf die nordrhein-westfälische Rechtslage nicht übertragen. Hier seien Mindestabstände durchaus vorgesehen, die nur bei einer beschränkten Anzahl von mit Vertrauensschutz ausgestatteten vor 2012 bestandenen Spielhallen nicht gälten.
68Drittens stelle im vorliegenden Fall die Trainingshalle des M1. M. e. V. eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne von § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW dar, zu der die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle den rechtlich erforderlichen Abstand unterschreite. Den Klägerinnen sei nicht dahingehend zu folgen, dass keine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne des Gesetzes vorliege, weil der Vereinszweck nach der Satzung primär die Förderung des Sports Taekwondo und Kick-Thaiboxen und die Jugendarbeit nur ein sekundärer Aspekt sei. Nach § 2 Abs. 1 der Vereinssatzung sei die Jugendarbeit ein gleichwertiger Vereinszweck. Aus dem Internetauftritt und aus den speziell für Jugendliche und Kinder angebotenen Gruppen-Trainings ergebe sich, dass die Jugendförderung in der Realität der vorrangige Vereinszweck ist. Es handele sich hier nicht um einen normalen Kampfsportverein, sondern um einen Verein mit besonderer und quantitativ vorrangiger Ausrichtung auf die Jugendarbeit.
69Die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 2. vorgenommene Messung sei nicht maßgeblich. Sie setze nicht – wie vom Gesetz vorgegeben – an der Grundstücksgrenze des Trainingsgeländes an, sondern am Eingang der Trainingshalle.
70Viertens lägen Gründe dafür, im Ermessenswege eine Ausnahme vom Mindestabstand zuzulassen, hier nicht vor. Dass die Mindestabstandsregelung als Soll-Regelung eng auszulegen sei, sei vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 – bestätigt worden. Nur in atypischen Fällen sei eine Abweichung in Betracht zu ziehen und dabei seien die besonderen Anforderungen des Kinder- und Jugendschutzes neben städtebaulichen Besonderheiten und einer eventuell nur minimalen Unterschreitung des Abstandsgebots zu berücksichtigen.
71Auch seien von der Klägerseite unterbreitete Vorschläge für eine Anpassung des Geschäftsbetriebs und der Außengestaltung mit den geltenden Vorschriften nicht vereinbar. Änderungen des Betriebskonzepts könnten die Gewöhnung schutzbedürftiger Personen an die Präsenz der Wettvermittlungsstelle in ihrem Umfeld nicht verhindern. Das Ziel der Mindestabstandsregelung könne daher damit nicht erreicht werden. Ließe man eine Abweichung vom Mindestabstandsgebot im Falle einer Anpassung der Außengestaltung der Wettvermittlungsstelle zu, könne das gesetzgeberische Ziel, den Eintritt eines Gewöhnungseffekts bei Kindern und Jugendlichen hinsichtlich der Existenz stationärer Wettvermittlungsstellen in ihrem Lebensumfeld zu vermeiden, nicht mehr verfolgt werden. Eine Wettvermittlungsstelle werde – auch wegen der „omnipräsenten“ Werbung der Klägerin zu 1. – immer als Einrichtung erkennbar sein, in der die Abgabe von Sportwetten möglich sei. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die klägerseits vorgeschlagenen Austauschmittel auf jede Wettvermittlungsstelle, die den Mindestabstand des § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht einhalte, anwendbar seien. Würde man die klägerseits angebotenen Austauschmittel für hinreichend halten, um einen atypischen Fall i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW zu begründen, so würde dies dem Soll-Charakter der Mindestabstandsregelung nicht gerecht und würde das gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehren. Auch begründeten die klägerseits angebotenen Austauschmittel keine besonderen örtlichen Verhältnisse i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW.
72Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie des Verfahrens 9 K 2952/22 und den Inhalt der jeweils von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
73E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
74A. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet. Ziffer 1 des Ablehnungsbescheids des Beklagten vom 26. September 2022 ist in der Sache rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Die Klägerinnen haben weder einen Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten, die beantragte Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift N.------straße 40-42, M. zu erteilen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO (dazu unter I.), noch haben die Klägerinnen einen Anspruch auf die – von der Klägerin zu 1. ausdrücklich hilfsweise beantragte, von der Klägerin zu 2. als Minus zu ihrem Vornahmeantrag ebenfalls begehrte – Verpflichtung des Beklagten, den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift N.------straße 40-42, M. neu zu bescheiden, § 113 Abs. 5 Satz 2 (dazu unter II.). Die von der Klägerin zu 1. angefochtene Gebührenfestsetzung unter Ziffer 2 des Bescheids des Beklagten vom 26. September 2022 verletzt diese (jedenfalls) nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (dazu unter III.).
75I. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten, die beantragte Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift N.------straße 40-42, M. zu erteilen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
76Da im Rahmen der hier vorliegenden Verpflichtungsklage mangels einer anderweitigen Regelung im einschlägigen materiellen Recht der allgemeine Grundsatz, dass auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist, greift, finden vorliegend die Regelungen des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag 2021 – GlüStV 2021) vom 29. Oktober 2020, in Kraft getreten nach seinem § 35 Abs. 1 Satz 1 am 1. Juli 2021,
77die parlamentarische Zustimmung zu diesem Glücksspielstaatsvertrag erfolgte in Nordrhein-Westfalen auf der Sitzung des nordrhein-westfälischen Landtags vom 28. April 2021, vgl. die Bekanntmachung des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glückspielwesens in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag 2021 – GlüStV 2021) vom 28. April 2021, GV. NRW. 2021 S. 459,
78sowie des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages (Ausführungsgesetz NRW Glücksspielstaatsvertrag – AG GlüStV NRW) vom 13. November 2012, GV. NRW. 2012 S. 524, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 vom 23. Juni 2021, GV. NRW. 2021 S. 772, Anwendung.
79Vgl. insoweit auch VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 90.
80Die Genehmigungsbedürftigkeit des Betriebs einer Wettvermittlungsstelle in Nordrhein-Westfalen folgt aus §§ 21a Abs. 1 Satz 2 Hs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 AG GlüStV NRW.
81Vgl. zur Verfassungs- sowie Unionsrechtskonformität des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts für das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten etwa BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 –, juris, Rn. 72; OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 54 f.; VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 92 ff., m. w. N.
82Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AG GlüStV NRW bedarf die Vermittlung von Sportwetten im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 4 des Glücksspielstaatsvertrags 2021 in einer stationären Vertriebsstelle im Sinne des § 3 Abs. 6 des Glücksspielstaatsvertrags 2021 (Betreiben einer Wettvermittlungsstelle) der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrags 2021 sowie nach § 4 und der weiteren Vorschriften dieses Gesetzes, d. h. des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages. Nach § 13 Abs. 2 AG GlüStV NRW wird die Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle durch einen Vermittler dem Inhaber der Veranstaltererlaubnis für Sportwetten und dem Vermittler erteilt (Satz 1); den Erlaubnisantrag kann nur der Veranstalter stellen (Satz 2). Gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 3 AG GlüStV NRW sind die Bezirksregierungen zuständig für die Erteilung von Erlaubnissen für die Vermittlung von Wetten durch Wettvermittlungsstellen im Sinne von § 13 AG GlüStV NRW.
83§ 3 GlüStV 2021 regelt auf der Ebene des Glücksspielstaatsvertrages 2021 im Einzelnen die Begriffsbestimmungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 liegt ein Glücksspiel vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt; gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 hängt die Entscheidung über den Gewinn in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist. Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021 sind Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele. Sportwetten sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 4 GlüStV 2021 Wetten zu festen Quoten auf einen zukünftigen Vorgang während eines Sportereignisses, auf das Ergebnis eines Sportereignisses oder auf das Ergebnis von Abschnitten von Sportereignissen; ein Sportereignis ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 5 GlüStV 2021 ein sportlicher Wettkampf zwischen Menschen nach definierten Regeln. Nach § 3 Abs. 6 GlüStV 2021 sind Wettvermittlungsstellen in die Vertriebsorganisation von Sportwettveranstaltern eingegliederte Vertriebsstellen entweder des Wettveranstalters oder von Vermittlern, die Wettverträge ausschließlich im Auftrag eines Wettveranstalters vermitteln.
84Sportwetten werden auf der landesrechtlichen Ebene des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages in Teil 4 (§§ 13 – 13b AG GlüStV NRW) geregelt, wobei § 13 AG GlüStV NRW einzelne Erlaubniserteilungsvoraussetzungen regelt. Gemäß § 13 Abs. 13 AG GlüStV NRW soll zu anderen Wettvermittlungsstellen ein Mindestabstand von 100 Metern nicht unterschritten werden (Satz 1); die Wettvermittlungsstelle soll nicht in räumlicher Nähe zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden, dabei soll regelmäßig ein Mindestabstand von 350 Metern zu Grunde gelegt werden (Satz 2); § 5 Abs. 6 AG GlüStV NRW gilt entsprechend (Satz 3); die für die Erlaubnis zuständige Behörde darf unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes im Einzelfall von der Maßgabe zum Mindestabstand abweichen (Satz 4); bauplanungsrechtliche Anforderungen bleiben unberührt (Satz 5).
85Nach § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW i. V. m. § 13 Abs. 15 Satz 1 AG GlüStV NRW findet für Wettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben, § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW mit der Maßgabe Anwendung, dass regelmäßig ein Mindestabstand von 100 Metern zu Grunde gelegt werden soll.
86Die hier streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift N.------straße 40-42, M. bestand zwar bereits am 22. Mai 2019 und verfügte zu diesem Zeitpunkt auch über eine bestandskräftige Baugenehmigung,
87unter dem 23. Mai 2012 hatte der Kreis T. als Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung des Gebäudes auf dem Grundstück N.------straße 40-42, M. als Ladenlokal für Sportwetten (Vergnügungsstätte) erteilt; seitdem – jedenfalls aber seit dem 30. Januar 2018 – besteht dort eine Wettvermittlungsstelle,
88so dass für sie lediglich der in § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte Mindestabstand von 100 Metern zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe Anwendung findet.
89§ 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW bzw. § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW sind auf Wettvermittlungsstellen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Normen bereits existierten, anwendbar; ihrer Anwendbarkeit steht – anders, als die Klägerin zu 1. vorträgt – insbesondere kein formeller Bestandsschutz des Wettvermittlers, der Klägerin zu 2., als Betreiber der hier streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle entgegen (dazu im Einzelnen unter 1.). Das in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte Abstandsgebot – gleiches gilt (erst recht) für das in § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte geringere Abstandserfordernis für privilegierte Wettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bereits bestanden und über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben – verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (dazu im Einzelnen unter 2.).
90Vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 175 ff.
91Die Anwendung von § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW auf den hier vorliegenden Einzelfall ergibt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die unter der Anschrift N.------straße 40-42, M. ansässige, streitbefangene Wettvermittlungsstelle nicht erfüllt sind, da die genannte Norm hier einer Erlaubniserteilung entgegensteht (dazu im Einzelnen unter 3.).
921. § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW bzw. § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW sind auf Wettvermittlungsstellen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Normen bereits existierten, anwendbar; ihrer Anwendbarkeit steht – anders, als die Klägerin zu 1. vorträgt – insbesondere kein formeller Bestandsschutz der Betreiberin der hier streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle, der Klägerin zu 2., entgegen. Unabhängig davon, dass sich für die Argumentation der Klägerin zu 1. bereits im Wortlaut von § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW keinerlei Anhaltspunkte finden, kann sich der Wettvermittler – etwa im Wege einer einschränkenden Auslegung dieser Normen aufgrund von Verfassungs- und/oder Unionsrecht – auch bereits nicht auf formellen Bestandsschutz berufen. Für die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle bestand zu keinem Zeitpunkt eine gewerberechtliche bzw. glücksspielrechtliche Erlaubnis; die Wettvermittlungsstelle verfügte lediglich über eine Baugenehmigung. Darüber hinaus bestand vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Mindestabstandsregelungen zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe,
93durch Artikel 2 des Umsetzungsgesetzes zum Dritten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrags in Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 2019 (GV. NRW. 2019 S. 911) wurde mit § 13 Abs. 4 Sätze 2-4 AG GlüStV NRW a. F. mit Wirkung zum 14. Dezember 2019 für Wettvermittlungsstellen ein Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe auf der Ebene des formellen Gesetzes erstmals normativ eingeführt, ohne damals Bestandswettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügten, im Rahmen des Mindestabstand zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu privilegieren (vgl. § 13 Abs. 14 AG GlüStV NRW a. F.); durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 vom 23. Juni 2021 (GV. NRW. 2021 S. 772) wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2021 der Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie von Wettvermittlungsstellen zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in § 13 Abs. 13 Sätze 2-4 AG GlüStV NRW n. F. verankert, wobei nunmehr erstmals Bestandswettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügten, auch im Rahmen des Mindestabstands zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe dergestalt privilegiert wurden, als für sie nunmehr in § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW n. F. ein verminderter Mindestabstand von lediglich 100 Metern zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe normiert wurde,
94kein Anspruch auf Erteilung einer gewerberechtlichen bzw. glücksspielrechtlichen Erlaubnis. Zwar konnten Wettvermittlungserlaubnisse in Nordrhein-Westfalen bis Oktober 2020 weder mit Aussicht auf Erfolg beantragt noch erteilt werden, weil die Wettveranstalter in der Vergangenheit aus tatsächlichen Gründen keine Konzessionen nach § 10a Abs. 2 GlüStV 2012 erlangen konnten. Hierdurch wurde die absehbare Regulierung des Wettvermittlungsmarktes jedoch damals lediglich insofern zugunsten der Wettvermittler verzögert, als deren Wettvermittlungstätigkeit bis zu einer,
95im Oktober 2020 eingetretenen, da seit diesem Zeitpunkt eine realistische Möglichkeit besteht, Erlaubnisse zur Veranstaltung von Sportwetten in einem ordnungsgemäßen Verfahren zu erlangen, die ihrerseits Voraussetzung für die jetzt gleichfalls mögliche Erteilung von Wettvermittlungserlaubnissen sind, vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 31 f.,
96Änderung der Sach- und Rechtslage,
97vgl. OVG Münster, Urteil vom 23. Januar 2017 – 4 A 3244/06 –, juris, Rn. 37 (vgl. auch Rn. 67); OVG Münster, Beschluss vom 29. März 2017 – 4 B 919/16 –, juris, Rn. 61,
98nicht untersagt werden konnte bzw. geduldet werden musste.
99Vgl. dazu, dass die behördliche Duldung des Betriebs einer formell illegalen – ohne die erforderliche glücksspielrechtliche Erlaubnis betriebenen – Wettvermittlungsstelle keine (auch nur vorübergehende) formelle Legalisierung der Wettvermittlungsstelle bewirken kann, etwa OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 44 f.; OVG Münster, Beschluss vom 26. September 2019 – 4 B 256/18 –, juris, Rn. 7 f., m. w. N.
100Ein subjektiv-öffentlicher Anspruch auf Erteilung einer gewerberechtlichen bzw. glücksspielrechtlichen Erlaubnis, der allein – wenn überhaupt –,
101zweifelhaft erscheint dies deshalb, weil grundsätzlich formeller Bestandsschutz das Innehaben einer entsprechenden Erlaubnis (und nicht nur die Erfüllung der Voraussetzungen eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf Erteilung der jeweiligen Erlaubnis) voraussetzen dürfte,
102ggf. formellen Bestandsschutz vermitteln könnte, bestand demgegenüber damals nicht.
103Vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 102 ff.; VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 136 ff. (142 ff.).
104Unabhängig davon wurde mit § 10a des Ersten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 – GlüStV 2012 – privaten Wettvermittlungsstellen eine (zum Zwecke der Erprobung einer besseren Erreichung der Ziele des § 1 dieses Vertrags bereits nach dem Wortlaut des § 10a Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 von vornherein nur befristete) Möglichkeit eröffnet, eine Erlaubnis für das Veranstalten von Sportwetten zu erhalten, wobei § 10a Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2012 normierte, dass die Länder die Zahl der Wettvermittlungsstellen zur Erreichung der Ziele des § 1 dieses Vertrags begrenzen. Auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens in Nordrhein-Westfalen wurde die Absicht des Normgebers, entsprechende Konzessionen an Private nur im Rahmen einer befristeten Erprobung zu erteilen, an mehreren Stellen deutlich.
105Vgl. LT-Drs. 16/17, S. 40 („Die Vorschrift setzt die Vorgaben des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages zur Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten durch Konzessionäre im Rahmen einer zeitlich befristeten Experimentierklausel um.“), S. 41 („Es kommt hinzu, dass Wettvermittlungsstellen untrennbar mit der befristeten Erprobung des Konzessionsmodells nach der Experimentierklausel des § 10a Glücksspieländerungsstaatsvertrag verbunden sind. Daher sind die hierauf bezogenen Regelungen in besonderem Maße der Vorläufigkeit und Veränderbarkeit, die jeder Erprobung anhaftet, ausgesetzt.“) und S. 42 („Sätze 2 bis 4 des Absatzes 3 geben dem Verordnungsgeber auf, auch den Umstand zu berücksichtigen, dass die Konzessionen im Rahmen einer befristeten Erprobung erteilt werden und daher das Experiment rückholbar bleiben muss.“).
106Abschließend sei zusätzlich noch darauf hingewiesen, dass die – für die normunterworfenen Klägerinnen erkennbare – Absicht des nordrhein-westfälischen Normgebers, Wettvermittlungsstellen materiell-rechtlich einem Abstand zu öffentlichen Schulen und (zu) Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu unterwerfen, bereits mit der entsprechenden normativen Anordnung in § 22 Abs. 1 der – mittlerweile aufgehobenen – Glücksspielverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen – GlüSpVO NRW – a. F., wonach die Erlaubnis zum Vermitteln von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen nur erteilt werden durfte, wenn die Wettvermittlungsstelle einen Mindestabstand von 200 Metern Luftlinie u. a. zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht unterschreitet, deutlich wurde,
107normiert bereits durch Artikel 1 der Verordnung zur Änderung der Glücksspielverordnung Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2013 (GV. NRW. 2013 S. 138),
108so dass der von der Klägerin zu 1. geltend gemachte formelle Bestandsschutz auch bereits aus diesem Grund nicht entstehen kann. Dass § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW a. F. nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in formell-rechtlicher Hinsicht nicht auf einer hinreichenden gesetzlichen Eingriffsermächtigung (vgl. Art. 80 Abs. 1 GG) beruht haben dürfte,
109vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29. März 2017 – 4 B 919/16 –, juris, Rn. 29 ff.,
110ändert an der Erkennbarkeit der Absicht des nordrhein-westfälischen Normgebers, Wettvermittlungsstellen in materiell-rechtlicher Hinsicht einem Abstand zu öffentlichen Schulen und (zu) Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu unterwerfen, nichts.
1112. Das in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte Abstandsgebot – gleiches gilt (erst recht) für das in § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte geringere Abstandserfordernis für privilegierte Wettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bereits bestanden und über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben – verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Ein Verstoß liegt weder gegen Verfassungs- (dazu im Einzelnen unter a)) noch gegen Unionsrecht (dazu im Einzelnen unter b)) vor.
112a) § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Die genannte Norm verstößt weder gegen Art. 12 Abs. 1 GG (dazu unter aa)) noch gegen Art. 14 Abs. 1 GG (dazu unter bb)) noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG (dazu unter cc)).
113Die Klägerin zu 1. als juristische Personen kann sich zunächst auf die Grundrechte der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) berufen.
114Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Vorliegend kann sich die Klägerin zu 1., die ihren Sitz in Malta, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, hat, auf die für sie ihrem Wesen nach anwendbaren Grundrechte berufen. Die Erstreckung der Grundrechtsberechtigung auf juristische Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellt eine aufgrund des Anwendungsvorrangs der Grundfreiheiten im Binnenmarkt (Art. 26 Abs. 2 AEUV) und des allgemeinen Diskriminierungsverbots aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV) vertraglich veranlasste Anwendungserweiterung des deutschen Grundrechtsschutzes dar.
115Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2011 – 1 BvR 1916/09 –, juris, Rn. 68 ff.
116Die hier in Rede stehende Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sind ihrem Wesen nach auch auf die Klägerin zu 1. anwendbar. Juristische Personen können sich über Art. 19 Abs. 3 GG sowohl auf die Gewährleistung der Berufsfreiheit als auch auf die Eigentumsfreiheit als auch auf den Gleichheitssatz berufen.
117Vgl. etwa Enders, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 56. Edition, Stand 15. August 2023, Art. 19 GG Rn. 42, m. w. N. aus der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts.
118aa) Das Abstandsgebot des § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Der durch diese normative Regelung bewirkte Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Veranstalter und Vermittler von Sportwetten (dazu unter aaa)) ist durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt bzw. verhältnismäßig (dazu unter bbb)).
119Vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 20. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 66 ff. (Rn. 69 ff.).
120aaa) Durch das in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Abstandsgebot zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe wird in die Berufsausübungsfreiheit der Veranstalter und Vermittler von Wettvermittlungsstellen eingegriffen. Sowohl der Sportwettenveranstalter, die Klägerin zu 1., als auch der Sportwettenvermittler, die Klägerin zu 2., unterfallen dem Schutzbereich der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Art. 12 Abs. 1 GG schützt neben der freien Berufsausübung auch das Recht, einen Beruf frei zu wählen. Unter Beruf ist dabei jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient. Der Schutz der Berufsfreiheit ist nicht auf traditionelle oder gesetzlich fixierte Berufsbilder beschränkt, sondern erfasst auch Berufe, die aufgrund der fortschreitenden technischen, sozialen oder wirtschaftlichen Entwicklung neu entstanden sind.
121Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2007 – 1 BvR 2186/06 –, juris, Rn. 66; Wolff, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl. 2022, Art. 12 GG Rn. 4, m. w. N. aus der Rspr.
122Der Schutzbereich der Berufsfreiheit umfasst mithin auch die Veranstaltung sowie das Vermitteln von Sportwetten.
123bbb) Der durch § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW bewirkte Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
124In das durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit darf nur auf hinreichend bestimmter gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden. Der Eingriff muss zur Erreichung eines legitimen Eingriffsziels geeignet sein und darf nicht weitergehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern; ferner müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen.
125Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 120 ff., m. w. N. aus der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts.
126§ 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW genügt dem Bestimmtheitsgrundsatz (dazu unter aaaa)). Darüber hinaus ist die Norm auch durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt bzw. verhältnismäßig (dazu unter bbbb)).
127aaaa) § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW genügt dem verfassungsrechtlichen Gebot der hinreichenden Bestimmtheit von Normen. Insoweit reicht es aus, wenn sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen.
128Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 125.
129Die Begriffe der „öffentlichen Schulen“ sowie der „Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“,
130das Attribut „öffentlichen“ bezieht sich dabei nur auf den Begriff „Schulen“, nicht auch auf den Begriff „Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ (siehe dazu unter A. I. 3. b) bb)),
131sind mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden auslegungsfähig und damit hinreichend bestimmbar. Insoweit § 13 Abs. 13 Satz 2 Hs. 1 AG GlüStV NRW regelt, dass die Wettvermittlungsstelle nicht „in räumlicher Nähe“ zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden soll, wird dies durch § 13 Abs. 13 Satz 2 Hs. 2 AG GlüStV NRW jedenfalls dadurch hinreichend konkretisiert, dass regelmäßig ein Mindestabstand von 350 Metern zu Grunde gelegt werden soll, wobei gemäß § 13 Abs. 13 Satz 3 AG GlüStV NRW zur Berechnung des Mindestabstands § 5 Abs. 6 AG GlüStV NRW Anwendung findet. Für (privilegierte) Wettvermittlungsstellen, die bereits am 22. Mai 2019 bestanden haben und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben, normiert § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW hinreichend konkret einen (verringerten) regelmäßigen Mindestabstand von 100 Metern.
132Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 162, zum Begriff der räumlichen Nähe im Spielhallenrecht des Landes Berlin (§ 2 Abs. 1 Satz 4 SpielhG Berlin).
133bbbb) Der durch § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW bewirkte Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ist auch durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt bzw. verhältnismäßig.
134Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 69 ff.
135Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dabei von Relevanz, dass diese Norm nicht in die Freiheit der Berufswahl eingreift (es ist in Nordrhein-Westfalen auch unter Geltung des normativen Abstandsregimes nach wie vor möglich, den Beruf des Veranstalters bzw. Vermittlers von Sportwetten zu ergreifen; eine Kontingentierung wird durch die Norm nicht bewirkt), sondern in die Freiheit der Berufsausübung. Es handelt sich mit anderen Worten um einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung, der in seiner Intensität einem Eingriff in die Freiheit der Berufswahl auch nicht nahekommt.
136Vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 191.
137Regelungen, die in die Freiheit der Berufsausübung eingreifen, sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind. Die Freiheit der Berufsausübung kann beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen.
138Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 – 1 BvR 596/56 –, juris, Rn. 74.
139Das in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Abstandsgebot dient einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck (dazu unter aaaaa)), zu dessen Verfolgung es geeignet (dazu unter bbbbb)) und erforderlich (dazu unter ccccc)) ist; schließlich stellt sich das Abstandsgebot auch als angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne dar (dazu unter ddddd)).
140aaaaa) Das in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Abstandsgebot von Wettvermittlungsstellen zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe dient einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck.
141Nach dem Willen des nordrhein-westfälischen Landesgesetzgebers soll der Abstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vor allem helfen, einen Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern und Minderjährige als besonders vulnerable Personen vor den Gefahren des Glücksspiels schützen.
142Vgl. LT-Drs. 17/6611, S. 36: „(…) Der Abstand zu öffentlichen Schulen und Kinder- und Jugendeinrichtungen soll helfen, einen Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht am 7. März 2017 (1 BvR 1314/12) zum Spielhallengesetz Berlin entschieden, dass ein Mindestabstand von Spielhallen zu Kinder- und Jugendeinrichtungen zur Vermeidung eines solchen Gewöhnungseffekts zulässig ist. Nichts anderes gilt entsprechend für Wettvermittlungsstellen (…) Die Mindestabstände dienen außerdem dazu, die Verfügbarkeit zu begrenzen und auf diese Weise durch eine faktisch zahlenmäßige Begrenzung der Entstehung von Spielsucht entgegen zu wirken. Diese Art der Begrenzung berücksichtigt, dass nunmehr grundsätzlich eine zahlenmäßig unbeschränkte Erteilung von Sportwettkonzessionen rechtlich möglich ist. Die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht stellt ein legitimes Ziel für die Berufsfreiheit einschränkende Regelungen dar (BVerfG, 1 BvR 1314/12, Rn. 122). Damit soll das Abstandsgebot zur Verhinderung und Bekämpfung von Spielsucht dazu beitragen, dass ein Spieler auf dem Weg von einer Wettvermittlungsstelle zur nächsten „auf andere Gedanken“ kommt (Abkühlungsphase).“; vgl. LT-Drs. 17/12978, S. 84 f.: „(…) Durch die Gesamtheit der Mindestabstände wird der Auftrag aus § 21a Absatz 1 Satz 1 GlüStV 2021 zur Begrenzung der Anzahl der Wettvermittlungsstellen umgesetzt. Ziel ist allgemein die Reduzierung der Verfügbarkeit sowie der Griffnähe dieser Glücksspielform zu reduzieren (sic). Im Hinblick auf die Abstände untereinander soll zusätzlich ein Abkühleffekt beim Spieler erzielt werden. Die Abstände zu öffentlichen Schulen und zu Kinder- und Jugendeinrichtungen dienen daneben dem Schutz von Minderjährigen als besonders vulnerable Personen vor den Gefahren des Glücksspiels (…)“
143Die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht und weiterer negativer Begleiterscheinungen des Spiel- und Wettbetriebs stellt grundsätzlich ein legitimes Ziel für die Berufsfreiheit einschränkende Regelungen dar. Gleiches gilt für den präventiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den entsprechenden Suchtgefahren bzw. vor der Gefahr der Entstehung einer entsprechenden Sucht. Spielsucht kann zu schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen, ihre Familien und die Gemeinschaft führen. Die in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW enthaltene Abstandsregelung von Wettvermittlungsstellen gegenüber öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe soll der möglichst frühzeitigen Vorbeugung von Spielsucht und damit einem legitimen verfassungsrechtlichen Ziel dienen.
144Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 122, 133 ff. (Abstandsgebote von Spielhallen); vgl. dazu, dass in einer Lage, in der der Staat zugleich auf Teilen des Spielmarktes selbst wirtschaftend tätig ist, die suchtpräventiv ausgerichtete staatliche Regulierung in einem Glücksspielsegment nicht durch eine fiskalische Ausrichtung der Regulierung in einem anderen Glücksspielsegment konterkariert werden darf (was in der Bundesrepublik Deutschland nicht der Fall ist), BVerfG a. a. O., Rn. 122 ff.
145Mit dem Schutz der Bevölkerung allgemein bzw. von Kindern und Jugendlichen im Besonderen vor den Gefahren der Entwicklung einer Glücksspielsucht wird (sogar) ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel verfolgt, das selbst eine – hier nach den obigen Ausführungen nicht vorliegende – objektive Berufswahlbeschränkung zu rechtfertigen vermögen würde.
146Vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –, juris, Rn. 99; BVerwG, Urteil vom 5. April 2017 – 8 C 16.16 –, juris, Rn. 34; OVG Münster, Beschluss vom 20. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 67 f.
147Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Abstandsgebot, auch soweit es sich auf sog. Bestandsspielhallen bezieht, nicht lediglich dem Schutz zukünftiger Generationen von Kindern und Jugendlichen bzw. Schülern vor einer (erstmaligen) Gewöhnung an die Existenz terrestrischer Wettvermittlungsstellen dient, sondern auch dem Schutz der gegenwärtigen Generation von Kindern und Jugendlichen bzw. Schülern vor einer (weiteren) Gewöhnung an die Existenz terrestrischer Wettvermittlungsstellen.
148bbbbb) Das in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Abstandsgebot von Wettvermittlungsstellen zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ist geeignet, die verfassungsrechtlich legitimen Ziele der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht bzw. des präventiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor der Entstehung entsprechender Suchtgefahren zu verfolgen. Die Geeignetheit kann bereits dann bejaht werden, wenn mit Hilfe des eingesetzten Mittels der gewünschte Erfolg zumindest gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Dem Gesetzgeber kommt hierbei ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu. Es ist vornehmlich seine Sache, unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will.
149Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 149; BVerfG, Beschluss vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –, juris, Rn. 112; Ruffert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 56. Edition, Stand 15. August 2023, Art. 12 GG Rn. 90.
150Der präventive Schutz von Kindern und Jugendlichen davor, eine Suchtabhängigkeit bzgl. Sportwetten zu entwickeln, kann durch das in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Abstandsgebot zumindest gefördert werden. Durch das Abstandsgebot wird zumindest mit dazu beigetragen, die Gefahr des Eintritts eines Gewöhnungseffekts an die Existenz von stationären Wettvermittlungsstellen im öffentlichen Raum bei Kindern und Jugendlichen insoweit zu verringern, als Kinder und Jugendliche im unmittelbaren räumlichen Umfeld öffentlicher Schulen, deren Besuch sie sich schon aus Rechtsgründen nicht entziehen können (vgl. zur Schulpflicht in Nordrhein-Westfalen §§ 34 ff. SchulG), sowie im unmittelbaren räumlichen Umfeld von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht mehr mit der Existenz entsprechender Wettvermittlungsstellen konfrontiert werden und diese bzw. deren Besuch damit insoweit nicht mehr als ggf. – für Erwachsene – (scheinbar) gesellschaftlich akzeptiert bzw. „normal“ wahrnehmen. Durch den einzuhaltenden Mindestabstand von Wettvermittlungsstellen zu Schulen, die Kinder und Jugendliche zur Erfüllung ihrer Schulpflicht zwangsläufig und täglich aufsuchen müssen, sowie zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sind Wettvermittlungsstellen in geringerem Maße Bestandteil der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen bzw. werden von diesen seltener im Alltag von außen wahrgenommen. Dass Kindern und Jugendlichen bereits gemäß § 6 Abs. 1 JuSchG die Anwesenheit in öffentlichen Spielhallen oder ähnlichen vorwiegend dem Spielbetrieb dienenden Räumen – wie Wettvermittlungsstellen – nicht gestattet werden darf, ändert nichts daran, dass das in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Abstandsgebot geeignet ist, Kindern und Jugendlichen insoweit einen weitergehenden (vorgelagerten) Schutz vor der Entwicklung einer entsprechenden Glücksspielabhängigkeit zu vermitteln, als diese durch die rechtliche Existenz des Abstandsgebots – unabhängig von einem Betreten der Wettvermittlungsstellen – bereits vom öffentlichen Straßenraum aus in ihrem Alltag seltener Wettvermittlungsstellen wahrnehmen.
151Dass Kinder und Jugendliche in ihrem Alltag – insbesondere durch die Medien (Internet, Fernsehen, Radio, Printmedien etc.) bei entsprechendem Medienkonsum – de facto, was im Ergebnis dahinstehen kann, nach wie vor massiver Werbung für Glücksspiel, insbesondere auch für Sportwetten, ausgesetzt sein mögen,
152§ 5 GlüStV 2021 regelt Zulässigkeit und Grenzen der Werbung für Glücksspiele, wobei gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021 Art und Umfang der Werbung für öffentliches Glücksspiel den Zielen des § 1 GlüStV nicht zuwiderlaufen darf; nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GlüStV 2021 darf sich Werbung nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten; gemäß § 5 Abs. 2 Satz 5 GlüStV 2021 sind Minderjährige, soweit möglich, als Empfänger von Werbung auszunehmen,
153ändert nichts an der prinzipiellen Geeignetheit des in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelten Abstandsgebots, den Eintritt eines Gewöhnungseffektes an die Existenz stationärer Wettvermittlungsstellen im öffentlichen Raum bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern und Minderjährige als besonders vulnerable Personen insoweit vor den Gefahren des Glücksspiels schützen.
154Vgl. LT-Drs. 17/6611, S. 36; LT-Drs. 17/12978, S. 84 f.
155Dabei ist maßgeblich in den Blick zu nehmen, dass das Abstandsgebot Kinder und Jugendliche zumindest teilweise auch in einer Gruppensituation – hier insbesondere bei ihrem gemeinsamen Schulweg bzw. der gemeinsamen Freizeitgestaltung – schützt und damit einen maßgeblichen Beitrag leisten kann, das Entstehen einer Gruppendynamik hinsichtlich der (für sie nach § 6 Abs. 1 JuSchG illegalen) Nutzung von und der Gewöhnung an Sportwetten in terrestrischen Einrichtungen zu verhindern. Hinzu kommt, dass Kinder und Jugendliche dem Umfeld schulischer Einrichtungen schon aufgrund der Schulpflicht (§§ 34 ff. SchulG) zwingend ausgesetzt sind und es insoweit – anders als durch Verbot, Regulierung und Überwachung des Medienkonsums – gerade nicht in der Hand der Erziehungsberechtigten liegt, sicherzustellen, dass das Wettangebot nicht als alltäglich – und damit in gewissem Sinn als sozial üblich und ungefährlich – wahrgenommen wird. Das Angebot der Wettvermittlungsstellen betrifft zudem einen für Kinder und Jugendliche typischerweise besonders relevanten und attraktiven Lebensbereich, da es sich auf Sportereignisse bezieht, welche schon im Falle eigener sportlicher Aktivitäten der Kinder und Jugendlichen erheblichen Bezug zu ihrem Alltag aufweisen. Damit geht eine besondere Gefahr der Bagatellisierung und Unterschätzung der Gefahren des Glücksspielangebots von Wettvermittlungsstellen einher.
156Vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 7. Februar 2022 – 2 K 1838/21 –, juris, Rn. 39.
157Auch kann die normative Regelung in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW einen Schutz auch jüngerer Kinder davor bewirken, dass sie im Umfeld ihrer Schule und/oder einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe mit stationären Wettvermittlungsstellen konfrontiert werden und diese als Angebot einer Freizeitbetätigung für Erwachsene wahrnehmen können.
158Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 6.15 –, juris, Rn. 60 (zu Abstandsgeboten für Spielhallen).
159Die Geeignetheit der Abstandsregelung des § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW zur (präventiven) Verhinderung des Eintritts eines Gewöhnungseffekts an die Existenz terrestrischer Wettvermittlungsstellen bei Kindern und Jugendlichen wird ferner nicht durch die Argumentation der Klägerin zu 1. zum – nach ihrer Auffassung im Falle der Konfrontation von Minderjährigen mit der bloßen Existenz stationärer Wettvermittlungsstellen im öffentlichen Straßenbild gerade nicht stattfindenden – sog. Mere-Exposure-Effekt,
160sog. Effekt der Darbietungshäufigkeit; die frühere Konfrontation mit einem Reiz (mere exposure) ist bereits eine hinreichende Bedingung dafür, dass dieser Reiz bei einer späteren Begegnung positiver bewertet wird, vgl. etwa die Angaben im Lexikon der Psychologie unter spektrum.de (https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/mere-exposure-effekt/9583; zuletzt abgerufen am 7. November 2023),
161entkräftet. Zwar weist die Klägerin zu 1. in rechtlicher Hinsicht zutreffend darauf hin, dass nach § 13a Abs. 1 Satz 3 AG GlüStV NRW von der äußeren Gestaltung der Wettvermittlungsstelle keine Werbung für den Wettbetrieb oder die angebotenen Wetten ausgehen darf und gemäß § 13a Abs. 1 Satz 4 AG GlüStV NRW kein zusätzlicher Anreiz für den Wettbetrieb durch eine besonders auffällige äußere Gestaltung geschaffen werden darf. Dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, dass stationäre Wettvermittlungsstellen für Minderjährige – etwa durch Wahrnehmung des Logos des Wettveranstalters – auch als solche wahrnehmbar sind. Es ist zusätzlich darauf hinzuweisen, dass schon von Rechts wegen gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 AG GlüStV NRW Wettvermittlungsstellen zur Kriminalitäts- und Suchtprävention so zu gestalten sind, dass sie gut einsehbar sind. Das Anbringen oder Aufstellen von Sichtschutz ist verboten; das Verkleben und das Bekleben von Glasscheiben gilt als Sichtschutz, soweit dadurch die Einsehbarkeit nicht nur unwesentlich erschwert wird, § 13a Abs. 1 Satz 2 AG GlüStV NRW.
162In faktischer Hinsicht ergibt sich im Übrigen im vorliegenden Einzelfall aus der von dem Beklagten gefertigten Fotografie der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle (Bl. 265 des Verwaltungsvorgangs 9 K 2936/22), dass diese für den durchschnittlichen Betrachter – sei er minderjährig, sei er volljährig – eindeutig, etwa durch den rot-weißen Schriftzug „U. “, als solche erkennbar ist.
163Unabhängig davon kann der genannte Effekt der Darbietungshäufigkeit – worauf der Beklagte zutreffend hinweist – bereits dadurch eintreten, dass Minderjährige die Wettvermittlungsstelle passieren und (von außen) sehen, dass in der (nach § 13a Abs. 1 AG GlüStV NRW zwingend) einsehbaren Wettvermittlungsstelle Sportwetten vermittelt werden bzw. (erwachsene) Spieler an Sportwetten teilnehmen. Der (für das Gericht nach allgemeinen Erfahrungssätzen plausible) Eintritt des Mere-Exposure-Effekts im Falle etwa schulpflichtiger Minderjähriger,
164der Mere-Exposure-Effekt ist nicht auf Werbung beschränkt, was sich etwa aus der unter https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/mere-exposure-effekt/9583 (zuletzt abgerufen am 7. November 2023) beschriebenen Versuchsanordnung mit chinesischen Schriftzeichen ergibt,
165kann auch nicht durch die Argumentation der Klägerin zu 1. entkräftet werden, die notwendige Bedingung für das Eintreten dieses Effekts, dass stationäre Wettvermittlungsstellen von den Kindern und Jugendlichen im Falle ihrer erstmaligen Exposition zumindest als neutral empfunden werden, sei nicht gegeben, weil davon auszugehen sei, dass die meisten,
166angemerkt sei an dieser Stelle im Übrigen, dass die Klägerin zu 1. damit selbst einräumt, dass auch nach ihrer Argumentation dies nicht auf alle Kinder und Jugendlichen zutrifft,
167Kinder und Jugendlichen durch ihre Erziehungsberechtigten, ihre Schulen und das sonstige soziale Umfeld zumindest ansatzweise darüber aufgeklärt seien, dass Glücksspiel und Sportwetten neben dem Vergnügen auch Suchtgefahren in sich bergen. Die Klägerin zu 1. bedient sich bei dieser Argumentation nunmehr selbst einer pauschalen Unterstellung, die zur Überzeugung des erkennenden Gerichts zumindest weitestgehend nicht zutrifft. Es kann nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht unterstellt werden, dass minderjährige Personen – dies gilt in besonderem Maße für Grundschulkinder, aber auch für Jugendliche – von ihren Erziehungsberechtigten, Lehrern bzw. sonstigen Personen stets über die Gefahren von sportwettenassoziierter Glücksspielsucht aufgeklärt sind. Zudem beachtet die Argumentation der Klägerin zu 1. nicht, dass aus pädagogischer Sicht Erziehungsberechtigte und sonstige erwachsene Bezugspersonen gegenüber Jugendlichen ggf. auch gerade bewusst vor einer expliziten (zumindest wiederholten) Warnung vor der Teilnahme an Sportwetten bzw. Glücksspiel Abstand nehmen mögen, um zu verhindern, dass für Jugendliche, die sich altersgemäß von ihren Eltern zu lösen bzw. abzugrenzen versuchen, Sportwetten bzw. Glücksspiel gerade den „Reiz des (von den Erwachsenen) Verbotenen bzw. Missbilligten“ entwickeln. Zusammengefasst ist die Annahme des nordrhein-westfälischen Landesgesetzgebers, der Abstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe könne bzw. solle vor allem helfen, einen Gewöhnungseffekt bzgl. der Existenz stationärer Wettvermittlungsstellen bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern und Minderjährige als besonders vulnerable Personen vor den Gefahren des Glücksspiels schützen,
168vgl. LT-Drs. 17/6611, S. 36; LT-Drs. 17/12978, S. 84 f.,
169mit anderen Worten den Eintritt des beschriebenen Mere-Exposure-Effekts zu verhindern helfen, für das erkennende Gericht plausibel und in ihren tatsächlichen Grundlagen nicht durch den Vortrag der Klägerin zu 1. erschüttert.
170Schließlich wird die Geeignetheit der Abstandsregelung des § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW zur (präventiven) Verhinderung des Eintritts eines Gewöhnungseffekts an die Existenz terrestrischer Wettvermittlungsstellen bei Kindern und Jugendlichen auch nicht durch die Argumentation der Klägerin zu 1. infrage gestellt, dass die „gerichtliche Aufarbeitung“ der Abstandsregelung Jahre dauern dürfte und damit die Herstellung eines regulierten Zustands erheblich aufzuhalten drohe. Es steht der Klägerin zu 1. – genau wie anderen Rechtsschutzsuchenden – vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG frei, Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen; genauso steht es ihnen frei, auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zu verzichten bzw. erhobene Klagen zurückzunehmen. Der Umstand, dass das Prozessgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in Anspruch genommen wird, vermag aber auf der Hand liegend nicht die materielle Rechtslage bzw. die Beurteilung ihrer Verfassungskonformität zu verändern. Im Übrigen steht es der zuständigen Behörde unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO frei, die sofortige Vollziehung eines belastenden Verwaltungsaktes anzuordnen.
171ccccc) Das in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Abstandsgebot ist zur Erreichung des verfolgten verfassungsrechtlich legitimen Ziels der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht bzw. des präventiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor der Entstehung einer entsprechenden Sucht auch erforderlich.
172Die Bejahung der Erforderlichkeit verlangt, dass der verfolgte Zweck nicht gleich effektiv durch ein anderes, den Grundrechtsträger weniger stark belastendes bzw. milderes Mittel erreicht werden kann. Auch bei der Beurteilung der Erforderlichkeit steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu.
173Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 153; Ruffert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 56. Edition, Stand 15. August 2023, Art. 12 GG Rn. 91.
174Ausgehend davon, dass durch das Abstandsgebot gerade die Gefahr verringert werden soll, dass Kinder und Jugendliche durch die Konfrontation mit der Existenz terrestrischer Wettvermittlungsstellen im öffentlichen Raum das Angebot entsprechenden Glücksspiels als alltäglich und selbstverständlich wahrnehmen, ist die Erforderlichkeit des Abstandsgebots nicht deshalb zu verneinen, weil Kindern und Jugendlichen gemäß § 6 Abs. 1 JuSchG der Zutritt zu einer Wettvermittlungsstelle (als vorwiegend dem Spielbetrieb dienender Raum) verboten ist.
175Das Abstandsgebot verfolgt im Vergleich zum für Kinder und Jugendliche geltenden Zutrittsverbot nach § 6 Abs. 1 JuSchG nämlich einen zusätzlichen, weitergehenden Schutzzweck: Kinder und Jugendliche sollen durch das Abstandsgebot, wie bereits ausgeführt, bereits davor geschützt werden, Wettvermittlungsstellen in ihrem Lebensumfeld (in der Nähe von öffentlichen Schulen und von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe) als alltäglich bzw. als (vermeintlich) sozial akzeptiertes Unterhaltungsangebot für Erwachsene wahrzunehmen; der Eintritt eines Gewöhnungseffekts soll verhindert werden.
176Vgl. LT-Drs. 17/6611, S. 36; LT-Drs. 17/12978, S. 84 f.
177Auf diese Weise soll vorgelagert ein zusätzlicher präventiver Schutz für Kinder und Jugendliche verfolgt werden, (ggf. auch erst im späteren Verlauf ihres Lebens, etwa nach Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn das Zutrittsverbot des § 6 Abs. 1 JuSchG für sie nicht mehr gilt und sie Wettvermittlungsstellen betreten dürfen) eine sportwettenbezogene Glücksspielabhängigkeit zu entwickeln.
178Betreiber von Wettvermittlungsstellen, die Verstöße gegen § 6 Abs. 1 JuSchG zulassen, sind von Rechts wegen im Übrigen unzuverlässig (§ 13 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AG GlüStV NRW, § 4a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) GlüStV 2021), so dass ein behördliches Einschreiten gegen derartige Betreiber bereits nach gegenwärtiger Rechtslage möglich ist und auch aus diesem Grund kein milderes Mittel im Vergleich zum Abstandsgebot zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe darstellt.
179ddddd) Das in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Abstandsgebot erweist sich auch als angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne. Im Rahmen einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der den Eingriff rechtfertigenden Gründe andererseits wahrt die genannte Abstandsregelung die Grenze der Zumutbarkeit und belastet die Betroffenen nicht übermäßig. Das Abstandsgebot ist vielmehr nicht nur – was zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG bereits ausreichen würde, da es sich dabei, wie bereits ausgeführt, um einen bloßen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung handelt, der in seiner Intensität einem Eingriff in die Freiheit der Berufswahl auch nicht nahekommt – durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, sondern dient darüber hinausgehend, insoweit als es darauf abzielt, das Risiko für die Entstehung von Glücksspielsucht bei Kindern und Jugendlichen präventiv zu reduzieren, sogar einem überragend wichtigen Rechtsgut (Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG).
180Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07 u. a. –, juris, Rn. 247; OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 67 f.
181Kinder haben ein aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitetes, gegen den Staat gerichtetes Recht auf Unterstützung und Förderung bei ihrer Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft; der Staat muss diejenigen Lebensbedingungen sichern, die für ihr gesundes Aufwachsen erforderlich sind. Diese im grundrechtlich geschützten Entfaltungsrecht der Kinder wurzelnde besondere Schutzverantwortung des Staates erstreckt sich auf alle für die Persönlichkeitsentwicklung wesentlichen Lebensbedingungen. Daher ist der Staat auch insoweit, als die Pflege- und Erziehungspflicht in den Händen der Eltern liegt, gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 2 GG gegenüber dem Kind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass es sich in der Obhut seiner Eltern tatsächlich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit entwickeln kann.
182Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 971/21 –, juris, Rn. 46.
183Der präventive Schutz der Bevölkerung allgemein und von Kindern und Jugendlichen im Besonderen vor der Gefahr der Entwicklung einer Glücksspielsucht unterfällt darüber hinaus auch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Unter den Schutzbereich des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit fällt nicht nur die Gesundheit im somatischen Sinne, sondern auch die Gesundheit im psychischen Sinne,
184vgl. etwa Lang, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 56. Edition, Stand 15. August 2023, Art. 2 GG Rn. 185,
185die sich im Übrigen aufgrund vielfältiger empirischer Wechselwirkungen (Psychosomatik, psychischer Umgang mit Schmerz und somatischer Krankheit, somatische Folgen psychischer Erkrankungen) oft auch nicht voneinander trennen lassen.
186Glücksspielsucht stellt (auch in Form der Abhängigkeit von Sportwetten) eine – insbesondere auch bei Minderjährigen – äußerst gravierende Erkrankung dar: Es handelt sich bei ihr nach nunmehriger wissenschaftlicher Erkenntnis um eine Verhaltenssucht. Pathologisches Glücksspielverhalten ist ein Syndrom psychopathologischer Störungen auf der Verhaltens-, kognitiven und emotionalen Ebene. Im Falle einer exzessiven Nutzung von Glücksspielen kann es zu schwerwiegenden Problemen psychischer, sozialer oder finanzieller Art bis hin zur Glücksspielsucht kommen. Bei fortgeschrittener Symptomatik sind oft auch Angehörige mitbetroffen. Vielfältige negative Folgen für Angehörige von Suchtkranken sind wissenschaftlich belegt. Neben den psychischen, sozialen und finanziellen Folgen lassen sich auch medizinische Folgen für Angehörige nachweisen. Man spricht auch von der verborgenen Sucht, da es den Betroffenen häufig gelingt, ihre Abhängigkeitserkrankung unter Umständen über mehrere Jahre geheim zu halten.
187Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 24, m. w. N.
188Komorbiditäten wie Alkoholabhängigkeit oder (weitere) psychische Störungen sind darüber hinaus auch bei Glücksspielsüchtigen verbreitet.
189Vgl. BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 26.
190Die Teilnahme an Glücksspielen ist auch unter Jugendlichen verbreitet. Zur Vulnerabilität von Jugendlichen für das Entstehen glücksspielbedingter Probleme gibt es verschiedene Erklärungsansätze, zum Beispiel: Eine besondere Experimentierfreudigkeit bzw. ein ausgeprägtes Risikoverhalten als „normale“ Entwicklungsstufe bei Jugendlichen, eine hohe Verführbarkeit bei Jugendlichen durch verbreitete Glücksspielangebote im Internet, aber auch – was im vorliegenden Verfahren gerade in Rede steht – im öffentlichen Raum (Wettbüros, Sportsbars etc.) verbunden mit einer (nur) scheinbar hohen Akzeptanz in der Gesellschaft.
191Vgl. BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 27, m. w. N.
192Das Ausmaß glücksspielassoziierter Probleme – bezogen auf die unterschiedlichen Glücksspielarten insgesamt – korrespondiert soziodemografisch u. a. – neben den weiteren Merkmalen männliches Geschlecht, maximal Hauptschulabschluss, Erwerbslosigkeit und Migrationshintergrund – auch mit einem Alter unter 25 Jahren.
193Vgl. BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 89 ff.
194Darüber hinaus kann auch für jede einzelne Glücksspielart der jeweilige Anteil problematischer bzw. pathologischer Spieler ermittelt werden. Dabei zeigt sich, dass Automaten- und Casinospiele als am gefährlichsten einzustufen sind: Knapp 10 % aller Automaten- und Casinospieler weisen ein mindestens problematisches Spielverhalten auf; 14,8 % spielen auffällig bzw. risikoreich. Sportwetten haben jedoch ebenfalls ein erhöhtes Gefahrenrisiko: Sie weisen ebenfalls einen höheren Anteil an mindestens problematischen Spielern auf; das Risiko bei Sportwetten, auffällig zu spielen, ist signifikant erhöht. Lotterien (die Lotterie Keno ausgenommen) weisen insgesamt das geringste Gefährdungspotential auf.
195Vgl. BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 89 ff., 160 f.
196Sportwetten weisen darüber hinaus die höchsten sog. GABS-Werte auf (GABS = Gambling Attitudes and Beliefs Scale, erhebt Einstellungen und Überzeugungen zum Glücksspiel, die Rückschlüsse auf kognitive Verzerrungen zulassen). Der mittlere Skalenwert sinkt mit zunehmendem Alter ab, so dass insbesondere junge Befragte relativ hohe kognitive Verzerrungen aufweisen.
197Vgl. BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 92.
198Schließlich ist auch das sog. Korrespondenzspielverhalten von Personen, die Sportwetten spielen, erhöht. Personen, die Sportwetten spielen, nehmen deutlich häufiger zusätzlich an Automatenspielen teil als Lotteriespieler (17,4 % versus 7,0 %), was das Risiko erhöht, dass Teilnehmer an Sportwetten zusätzlich noch glücksspielbedingte Probleme in Bezug auf das Spielen an Automaten entwickeln.
199Vgl. BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 80.
200Vor dem Hintergrund der soeben beschriebenen Schwere der Entwicklung einer auf Sportwetten bezogenen Glücksspielsucht bzw. vor dem Hintergrund des soeben beschriebenen Ausmaßes der Gefahr der Entwicklung einer auf Sportwetten bezogenen Glücksspielsucht für die Bevölkerung insgesamt, insbesondere aber auch für Minderjährige, stellt sich der durch § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW bewirkte Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Veranstalter und Vermittler entsprechender Wettvermittlungsstellen als zumutbar dar. Die Norm hat nicht zur Folge, dass der Betrieb von Wettvermittlungsstellen vollständig untersagt wäre, sondern führt lediglich dazu, dass diese nicht in räumlicher Nähe der genannten Einrichtungen betrieben werden dürfen.
201§ 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW ist nach alledem mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
202bb) Die Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG führt – soweit ihr Schutzbereich hier überhaupt eröffnet ist – hinsichtlich der beruflichen Nutzung des Eigentums jedenfalls nicht zu einem weitergehenden Schutz der Veranstalter und Vermittler von Sportwetten als die Berufsfreiheit.
203Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 169 (zur insoweit vergleichbaren Frage von Abstandsgeboten im Spielhallenrecht).
204Im Übrigen würden die Mindestabstandsregelungen jedenfalls zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen.
205cc) Das zwischen Wettvermittlungsstellen auf der einen Seite und öffentlichen Schulen sowie Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe auf der anderen Seite normierte Abstandsgebot verletzt auch nicht – wie im Folgenden im Einzelnen begründet wird – Art. 3 Abs. 1 GG.
206Vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 82.
207aaa) Dadurch, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrags – AG GlüStV NRW –,
208vgl. einerseits dazu, dass für sog. Bestandswettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben, § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW mit der Maßgabe Anwendung findet, dass regelmäßig ein Mindestabstand von 100 Metern zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu Grunde gelegt werden soll, § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW; vgl. andererseits dazu, dass für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages – AG GlüStV NRW – am 1. Dezember 2012 bestehende sog. Bestandsspielhallen, für die eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt worden ist, die Abstandsregelung des § 16 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW, wonach eine Spielhalle nicht in räumlicher Nähe zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden soll, wobei regelmäßig der Mindestabstand nach § 16 Abs. 3 Satz 1 AG GlüStV NRW [350 Meter] zu Grunde gelegt werden soll, nicht gilt, § 18 Abs. 1 AG GlüStV NRW,
209unterschiedliche Abstandsregelungen für Bestandsspielhallen und Bestandswettvermittlungsstellen geschaffen hat, verstößt er nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
210Vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 84 ff.; VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 289 ff.
211Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Anforderungen, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind, oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern.
212Vgl. BVerfG, Urteil vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 171.
213Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat sich bei der unterschiedlichen Behandlung der Bestandsspielhallen und Bestandswettvermittlungsstellen auf tragfähige sachliche Gründe gestützt. Die Unterschiedlichkeit der Behandlung der Bestandsspielhallen und Bestandswettvermittlungsstellen rechtfertigt sich aus der insoweit bestehenden unterschiedlichen Schutzwürdigkeit bzw. – anders ausgedrückt – daraus, dass Betreiber von Bestandsspielhallen – anders als Betreiber von Bestandswettvermittlungsstellen – sich auf eine unter Vertrauensschutzgesichtspunkten erhöhte verfassungsrechtliche Schutzposition bzw. Schutzwürdigkeit berufen können. Von Rechts wegen maßgeblich ist in diesem Zusammenhang nicht, dass sich – wie bereits ausgeführt – Automaten- und Casinospiele, betrachtet man den jeweiligen statistischen Anteil pathologischer Spieler, als (noch) gefährlicher als Sportwetten, die allerdings ebenfalls ein erhöhtes Gefahrenrisiko aufweisen, darstellen.
214Vgl. BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 89 ff., 160 f.
215Die Frage der Gefährlichkeit der jeweiligen Glücksspielart ist verfassungsrechtlich vielmehr lediglich im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das jeweilige Freiheitsgrundrecht (Art. 12 Abs. 1 GG) relevant.
216Maßgeblich ist in dem hier inmitten stehenden Zusammenhang der Prüfung der Vereinbarkeit der unterschiedlichen Behandlung von Bestandsspielhallen und Bestandswettvermittlungsstellen mit Art. 3 Abs. 1 GG vielmehr, dass Betreiber von Bestandsspielhallen gegenüber Betreibern von Bestandswettvermittlungsstellen sich in erhöhtem Maße auf – dogmatisch aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten – Vertrauensschutz berufen können bzw. insoweit eine erhöhte Schutzposition aufweisen. Das Spielhallengewerbe unterliegt bereits seit 1960 – über eine nach Baurecht erforderliche Baugenehmigung hinaus – einer zunächst bundesrechtlich in § 33i GewO normierten besonderen Erlaubnispflicht. Die Erteilung der Erlaubnis hing von Anfang an auch davon ab, dass im jeweiligen Einzelfall hinsichtlich der Lage des Betriebs und der zu verwendenden Räume keine Bedenken bestanden. Es handelt(e) sich insoweit um eine sowohl an die Person als auch an den Raum gebundene Erlaubnis.
217Vgl. Artikel 1 des Vierten Bundesgesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung vom 5. Februar 1960, BGBl. I S. 61; BT-Drs, 3/318, S. 16; OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 84.
218Nachdem das Recht der Spielhallen durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) mit Wirkung zum 1. September 2006 in die Gesetzgebungskompetenz der Länder übergegangen war (vgl. Art. 70 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG), ist das Erlaubniserfordernis nunmehr auf landesrechtlicher Ebene in § 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW, wonach die Errichtung und der Betrieb einer Spielhalle der Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrags 2021 und nach diesem Gesetz bedürfen, normiert.
219Vgl. auch § 21 Abs. 1 Satz 1 AG GlüStV NRW, wonach dieses Gesetz im Land Nordrhein-Westfalen § 33i der Gewerbeordnung ersetzt.
220Die Übergangsregelung des § 18 Abs. 1 AG GlüStV NRW dient damit, wie das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zutreffend ausgeführt hat,
221vgl. OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 88,
222der Überleitung des gewerberechtlich bereits seit langem kontrollierten Spielhallengewerbes in ein neues Regelungsgefüge unter Berücksichtigung des an die gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33i GewO anknüpfenden Vertrauensschutzes des Spielhallenbetreibers. Die entsprechende gewerberechtliche Erlaubnis vermittelt den Betreibern von Bestandsspielhallen eine verfassungsrechtlich schutzwürdige Position; diesem Umstand hat der Landesgesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 18 Abs. 1 AG GlüStV NRW Rechnung getragen. Dass für die Erteilung der Erlaubnis nach § 33i GewO materiell-rechtlich ggf. geringere Anforderungen hinsichtlich des Schutzes von Jugendlichen vor dem Betrieb von Spielhallen einzuhalten waren, vermag das Vorhandensein einer erhöhten formell-rechtlichen Schutzposition – allein auf diese kommt es in diesem Zusammenhang an – der Betreiber von Bestandsspielhallen nicht in Zweifel zu ziehen.
223Demgegenüber verfügten Betreiber von Bestandswettvermittlungsstellen über keine gewerberechtliche Erlaubnis, die ihnen eine vergleichbar verfassungsrechtlich schutzwürdige Position einräumt. Der den Betreibern von Bestandswettvermittlungsstellen zu gewährende Vertrauensschutz knüpft allein an eine bestandskräftige Baugenehmigung an.
224Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 90.
225Einen Erlaubnistatbestand für Sportwetten kannte das Recht – außer bei öffentlichen Pferderennen und anderen öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde, vgl. hierzu die §§ 1, 2 des Rennwett- und Lotteriegesetzes – in der Vergangenheit zunächst nicht. Die Bundesländer erlaubten auf landesgesetzlicher Grundlage lediglich die Veranstaltung von Lotterien und Wetten durch den Staat oder von ihm beherrschte Unternehmen in Privatrechtsform (staatliches Sportwettmonopol). Nach § 5 des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland vom 13. Februar 2004 (Lotteriestaatsvertrag – LoStV), der nach seinem § 18 Satz 1 am 1. Juli 2004 in Kraft trat,
226die parlamentarische Zustimmung zu diesem Staatsvertrag erfolgte in Nordrhein-Westfalen durch Artikel 1 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland (Lotteriestaatsvertrag – LoStV) und dem Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen vom 22. Juni 2004, GV. NRW. 2004 S. 315,
227hatten die Länder im Rahmen der Zielsetzungen des § 1 dieses Staatsvertrags die ordnungsrechtliche Aufgabe, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen (Abs. 1); auf gesetzlicher Grundlage konnten die Länder diese Aufgabe selbst, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, erfüllen (Abs. 2); anderen als den in § 5 Abs. 2 LoStV genannten durfte nur die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts erlaubt werden (Abs. 4).
228Vgl. zu alledem BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –, juris, Rn. 2 ff.
229Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 28. März 2006 judiziert hatte, dass das damals bestehende staatliche Monopol für Sportwetten mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar ist, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist, und feststellte, dass ein verfassungsmäßiger Zustand sowohl durch eine konsequente Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols erreicht werden kann, die sicherstellt, dass es wirklich der Suchtbekämpfung dient, als auch durch eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltungen durch private Wettunternehmen, und dem Gesetzgeber vor diesem Hintergrund aufgab, den Bereich der Sportwetten bis zum 31. Dezember 2007 neu zu regeln,
230vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –, juris,
231hielten die Bundesländer mit dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland – GlüStV 2008 –,
232die parlamentarische Zustimmung zu diesem Staatsvertrag erfolgte in Nordrhein-Westfalen durch Artikel 1 des Gesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30. Oktober 2007, GV. NRW. 2007 S. 445,
233an dem staatlichen Monopol zunächst fest.
234Vgl. § 10 GlüStV 2008, nach dessen Absatz 1 Satz 1 die Länder zur Erreichung der Ziele des § 1 dieses Staatsvertrags die ordnungsrechtliche Aufgabe hatten, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen, wobei die Länder diese öffentliche Aufgabe nach dessen Absatz 2 auf gesetzlicher Grundlage selbst, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, erfüllen können, und nach dessen Absatz 5 anderen als den in § 10 Abs. 2 GlüStV 2008 Genannten nur die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts dieses Staatsvertrags erlaubt werden konnte.
235Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 20. Juni 2013 judiziert hatte, dass das staatliche Sportwettenmonopol wegen systematischer Verstöße der Monopolträger gegen die Grenzen zulässiger Werbung die unionsrechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit verletzte bzw. nicht den unionsrechtlichen Kohärenzanforderungen genügte,
236vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 –, juris, m. w. N. auch aus der Rspr. des Europäischen Gerichtshofs; EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-316/07 u. a. –, juris; EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08 –, juris,
237wurde erstmalig mit § 10a des Ersten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland – GlüStV 2012 – vom 15. Dezember 2011,
238die parlamentarische Zustimmung zu diesem Staatsvertrag erfolgte in Nordrhein-Westfalen durch Artikel 1 des Gesetzes zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 13. November 2012, GV. NRW. 2012 S. 524,
239privaten Wettvermittlungsstellen die (zum Zwecke der Erprobung einer besseren Erreichung der Ziele des § 1 dieses Vertrags bereits nach dem Wortlaut des § 10a Abs. 1 Satz 1 von vornherein nur befristete) Möglichkeit eröffnet, eine Erlaubnis für das Veranstalten von Sportwetten zu erhalten, wobei § 10a Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2012 normierte, dass die Länder die Zahl der Wettvermittlungsstellen zur Erreichung der Ziele des § 1 dieses Vertrags begrenzen. Auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens in Nordrhein-Westfalen wurde die Absicht des Normgebers, entsprechende Konzessionen an Private nur im Rahmen einer befristeten Erprobung zu erteilen, an mehreren Stellen deutlich.
240Vgl. LT-Drs.16/17, S. 40 ff.
241In der Folgezeit konnten Wettanbieter jedoch zunächst keine Konzessionen nach § 10a GlüStV 2012 erlangen und konnten daher Vermittlungserlaubnisse (auch) in Nordrhein-Westfalen nicht erteilt werden.
242Vgl. dazu etwa im Einzelnen VGH Kassel, Beschluss vom 16. Oktober 2015 – 8 B 1028/15 –, juris.
243Angesichts dieser Gesetzeshistorie mussten den Betreibern von Bestandswettvermittlungsstellen – auch wenn sie über eine Baugenehmigung verfügten – von vornherein bewusst sein, dass das von ihnen betriebene Gewerbe mittelfristig einem gesetzlichen Regelungsregime unterworfen werden würde, von dem der Fortbestand abhängen würde. Diese unter Vertrauensschutzgesichtspunkten geminderte verfassungsrechtliche Schutzposition begründet den sachlichen Grund für die Unterschiedlichkeit der Behandlung der Bestandsspielhallen (§ 18 Abs. 1 AG GlüStV NRW) und Bestandswettvermittlungsstellen (§ 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW).
244Vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 102 ff.
245Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass vor dem soeben geschilderten Hintergrund der verfassungsrechtlich zumindest erheblich geminderten Schutzposition der Betreiber von Bestandswettvermittlungsstellen § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW im Übrigen eine Privilegierung der Betreiber dieser Wettvermittlungsstellen darstellt, zu deren Einräumung der Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet gewesen wäre bzw. die er aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zwingend hätte einräumen müssen. Schon allein aus diesem Grund bestehen gegen die zeitliche Anknüpfung an den Stichtag 22. Mai 2019 in § 13 Abs. 15 AG GlüStV NRW für die Anwendbarkeit dieser Privilegierung der Bestandswettvermittlungsstellen keine Bedenken.
246bbb) Auch ein Vergleich zwischen Wettvermittlungsstellen und Spielhallen, denen nach der Regelung durch den nordrhein-westfälischen Gesetzgeber des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrags – AG GlüStV NRW – jeweils kein Bestandsschutz zugebilligt wird, ergibt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
247Insoweit liegt von vornherein keine Ungleichbehandlung i. S. v. Art. 3 Abs. 1 GG vor, da (nicht privilegierte) Wettvermittlungsstellen, die die Voraussetzungen des § 13 Abs. 15 Satz 1 Hs. 1 AG GlüStV NRW nicht erfüllen,
248das heißt am 22. Mai 2019 nicht bestanden und/oder zu diesem Zeitpunkt nicht über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügten,
249gemäß § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW regelmäßig einen Mindestabstand von 350 Metern zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einhalten müssen, und (nicht privilegierte) Spielhallen, die die Voraussetzung des § 18 Abs. 1 GlüStV NRW nicht erfüllen,
250das heißt am 1. Dezember 2012 nicht bestanden und/oder über keine Erlaubnis nach § 33i GewO verfügten,
251gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 AG GlüStV NRW ebenfalls regelmäßig einen Mindestabstand von 350 Metern zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einhalten müssen. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber war zu der Gleichbehandlung von (nicht privilegierten) Wettvermittlungsstellen und (nicht privilegierten) Spielhallen auch befugt bzw. die normierte Gleichbehandlung lag innerhalb seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums – es handelt sich bei Wettvermittlungsstellen und Spielhallen angesichts des bei beiden Glücksspielstätten erhöhten Gefahrenpotentials jedenfalls nicht um wesentlich ungleiche Sachverhalte, deren Gleichbehandlung wiederum Art. 3 Abs. 1 GG verletzen könnte. Ob es auch innerhalb seines Gestaltungsspielraums gelegen hätte, (nicht privilegierte) Spielhallen im Vergleich zu (nicht privilegierten) Wettvermittlungsstellen im Hinblick darauf, dass – wie bereits ausgeführt – von Geldspielgeräten in Spielhallen gegenüber Wettvermittlungsstellen noch größere Spielsuchtgefahren ausgehen, einer verschärften bzw. größeren Abstandsregelung zu unterwerfen, kann dahinstehen.
252Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 4.16 –, juris, Rn. 28; VGH Bayern, Beschluss vom 21. März 2023 – 23 CS 22.2677 –, juris, Rn. 69.
253Verpflichtet dazu war der nordrhein-westfälische Gesetzgeber jedenfalls nicht.
254Vgl. im Übrigen zur abweichenden landesrechtlichen Rechtslage in Bayern, nach der lediglich Wettvermittlungsstellen, nicht jedoch Spielhallen einen Mindestabstand zu Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen einhalten müssen, was nach der Rspr. des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs voraussichtlich zu einem Verstoß gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot führt, VGH München, Beschluss vom 21. März 2023 – 23 CS 22.2677 –, juris, Rn. 71; dass in Nordrhein-Westfalen faktisch eine große Zahl von Bestandsspielhallen, die keinen Mindestabstand zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einhalten müssen, bestehen mag und die faktische Situation im Ergebnis insofern vergleichbar mit derjenigen in Bayern sein mag, wie die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1. in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben, ist irrelevant, da die normative Rechtslage – allein auf diese kommt es in diesem Zusammenhang an – in Nordrhein-Westfalen anders als in Bayern ist.
255ccc) Dadurch, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrags – AG GlüStV NRW – Annahmestellen (§ 5 AG GlüStV NRW), die gemäß § 29 Abs. 6 GlüStV 2021, § 13b Abs. 1 AG GlüStV NRW bis zum 30. Juni 2024 übergangsweise bestimmte Sportwetten im Nebengeschäft vermitteln dürfen, unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 Satz 3 AG GlüStV NRW die Unterschreitung des Mindestabstands von 200 Metern Luftlinie zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erlaubt hat,
256Annahmestellen können gemäß § 5 Abs. 5 Satz 3 AG GlüStV NRW einen Mindestabstand von 200 Metern Luftlinie zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe unterschreiten, wenn zusätzliche Vorkehrungen zur Vermeidung von Anreizwirkungen auf Kinder und Jugendliche getroffen werden,
257während Wettvermittlungsstellen keine entsprechende Privilegierung genießen, hat er nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.
258Die Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich bereits dadurch gerechtfertigt, dass gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 AG GlüStV NRW nicht mehr Annahmestellen unterhalten werden dürfen, als zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots im Sinne von § 10 Abs. 1 GlüStV 2021 erforderlich sind, wobei es gemäß § 1 Satz 2 der Verordnung über die Annahme- und Wettvermittlungsstellen des Landes Nordrhein-Westfalen – AnVerVO NRW – für in der Regel jeweils 3.500 Einwohnerinnen und Einwohner einer Gemeinde, unabhängig von der Einwohnerzahl ihres Einzugsgebietes, jeweils eine Annahmestelle geben darf, wohingegen eine entsprechende zahlenmäßige Begrenzung für Wettvermittlungsstellen fehlt.
259Vgl. auch VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 219 ff., 274 ff.
260Darüber hinaus dürfen gemäß § 13b Abs. 2 Satz 5 AG GlüStV NRW die äußere Gestaltung, die Einrichtung und der Betrieb der Annahmestelle durch die Sportwettvermittlung nach ihrem Wesen und Gesamtbild nicht verändert werden.
261Vgl. auch VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 220.
262Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof,
263vgl. VGH München, Beschluss vom 21. März 2023 – 23 CS 22.2677 –, juris, Rn. 80, 82,
264(im Zusammenhang mit dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot) geäußert hat, dass fraglich sei, ob die (auch im bayerischen Landesrecht enthaltene) Abstandsregelung für Wettvermittlungsstellen insoweit mit Unionsrecht vereinbar sei, als Annahmestellen, die bis zum 30. Juni 2024 übergangsweise bestimmte Sportwetten im Nebengeschäft vermitteln dürfen, nach bayerischem Landesrecht keiner Abstandsregelung unterworfen sind, und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, dass (Lotto-)Annahmestellen in Schreibwarenläden usw., die von Minderjährigen betreten werden können und in denen Süßigkeiten, Schulhefte, Comics usw. erhältlich sind, einen größeren Anziehungseffekt auf diese haben dürften („Reiz des Verbotenen“) als Wettvermittlungsstellen, in denen sich Kinder und Jugendliche gemäß § 6 Abs. 1 JuSchG nicht aufhalten dürfen, teilt das erkennende Gericht diese Bedenken nicht. Maßgeblich für die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zwischen Wettvermittlungsstellen und Annahmestellen ist nämlich – zusätzlich zu den soeben bereits erwähnten, jeweils selbständig tragenden Gesichtspunkten – auch, dass von außen (vom öffentlichen Straßenraum aus) betrachtet – etwa auf dem alltäglichen Schulweg – Annahmestellen nicht primär als Glücksspielstätten erscheinen, sondern vielmehr als Orte, an denen verschiedene alltägliche Einkäufe (Post, Schreibwaren) erledigt werden können. Objektiver Zweck der Mindestabstandsregelung von Wettvermittlungsstellen zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ist gerade die Verhinderung eines insoweit eintretenden Gewöhnungseffekts. Maßgeblich für die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zwischen Wettvermittlungsstellen und Annahmestellen ist demgegenüber nicht, wie die Wahrnehmbarkeit des jeweiligen Glücksspielgutes (bzw. der angebotenen Sportwetten) sich für minderjährige Personen innerhalb der Annahmestelle darstellt.
265ddd) In dem Umstand, dass Buchmacher, die den Abschluss von Pferdewetten anbieten (§ 2 Rennwett- und Lotteriegesetz), und deren Örtlichkeit, in der die Wetten entgegengenommen und vermittelt werden (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 Rennwett- und Lotteriegesetz), im Gegensatz zu Wettvermittlungsstellen keinen Abstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einhalten müssen, liegt ebenfalls kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
266Insoweit liegt der sachliche Grund, der die Ungleichbehandlung gegenüber Wettvermittlungsstellen sachlich rechtfertigt, bereits darin, dass Pferdewetten im Verhältnis zum gesamten Glücksspielbereich in quantitativer Hinsicht eine nur sehr untergeordnete Rolle spielen und sich auf ein enges und deshalb leicht überschaubares Sportgeschehen beziehen.
267Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2011 – 8 C 12.10 –, juris, Rn. 45; VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 279 ff.; vgl. ferner auch VG Karlsruhe, Beschluss vom 7. Februar 2022 – 2 K 1838/21 –, juris, Rn. 43.
268eee) In dem Umstand, dass Spielbanken im Gegensatz zu Wettvermittlungsstellen keinen Abstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einhalten müssen, liegt ebenfalls kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
269Insoweit liegt der sachliche Grund, der die Ungleichbehandlung gegenüber Wettvermittlungsstellen sachlich rechtfertigt, bereits darin, dass Spielbanken im Vergleich zu Wettvermittlungsstellen in signifikant geringerem Maße im Alltag verankert sind.
270Vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 225 ff., 283 f.; VG Karlsruhe, Beschluss vom 7. Februar 2022 – 2 K 1838/21 –, juris, Rn. 44.
271Gemäß § 20 GlüStV 2021 ist die Anzahl der Spielbanken in den Ländern zur Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV 2021 zu begrenzen. Gemäß § 2 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken im Land Nordrhein-Westfalen – SpielbG NRW – bedürfen die Errichtung und der Betrieb von öffentlichen Spielbanken der Konzessionierung nach diesem Gesetz (Abs. 1); im Land Nordrhein-Westfalen werden unter Berücksichtigung des öffentlichen Kanalisierungsauftrags gemäß § 1 Nummer 2 SpielbG NRW vier Spielbanken zugelassen, zwei weitere Spielbanken können zugelassen werden (Abs. 2 Satz 1). Derzeit werden in Nordrhein-Westfalen nur vier Spielbanken betrieben (Aachen, Dortmund (Hohensyburg), Duisburg, Bad Oeynhausen).
272fff) In dem Umstand, dass Gaststätten, in denen Geldspielgeräte aufgestellt sind, im Gegensatz zu Wettvermittlungsstellen keinen Abstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einhalten müssen, liegt ebenfalls kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
273Insoweit liegt der sachliche Grund, der die Ungleichbehandlung gegenüber Wettvermittlungsstellen sachlich rechtfertigt, bereits darin, dass bei einer Betrachtung der jeweiligen Örtlichkeiten von außen die Verknüpfung mit Glücksspielangeboten bei Gaststätten jedenfalls weitaus geringer ausgeprägt ist als bei Wettvermittlungsstellen. Der (auch von außen wahrgenommene) Schwerpunkt der gewerblichen Tätigkeit von Gaststätten liegt nicht im Aufstellen und Bereithalten von Spielgeräten, sondern im entgeltlichen Anbieten von Speisen und Getränken.
274Vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 285 ff.; VG Karlsruhe, Beschluss vom 7. Februar 2022 – 2 K 1838/21 –, juris, Rn. 45.
275Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof,
276vgl. VGH München, Beschluss vom 21. März 2023 – 23 CS 22.2677 –, juris, Rn. 80 f.,
277(im Zusammenhang mit dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot) geäußert hat, dass bedenklich erscheine, dass für das Automatenspiel in Gaststätten weder ein Abstandsgebot noch sonstige Beschränkungen gelten, und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, dass der Zutritt zu Gaststätten für Minderjährige, anders als der Zutritt zu Wettvermittlungsstellen und Spielhallen (vgl. § 6 Abs. 1 JuSchG), nicht generell verboten ist, sondern Jugendlichen ab 16 Jahren zwischen 5.00 Uhr und 24.00 Uhr auch ohne Begleitung personensorgeberechtigter oder erziehungsbeauftragter Personen grundsätzlich gestattet werden kann (vgl. § 4 Abs. 1 JuSchG), sodass sie das Automatenspiel Erwachsener dort zumindest beobachten könnten, wodurch insoweit der Jugendschutz im Bereich des Automatenspiels in Gaststätten geringer ausgeprägt als in Wettvermittlungsstellen oder Spielhallen sei, teilt das erkennende Gericht diese Bedenken nicht. Maßgeblich für die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zwischen Wettvermittlungsstellen und Gaststätten, in denen Geldspielgeräte aufgestellt sind, ist nämlich nicht – worauf die Klägerin zu 1. abstellt –, wie die Wahrnehmbarkeit des jeweiligen Glücksspielgutes sich für minderjährige Personen innerhalb der Gaststätte darstellt; maßgeblich ist vielmehr, dass von außen (vom öffentlichen Straßenraum aus) betrachtet – etwa auf dem alltäglichen Schulweg – Gaststätten – im Gegensatz zu Wettvermittlungsstellen und Spielhallen – nicht primär als Glücksspielstätten erscheinen, sondern vielmehr als Ort, an dem in erster Linie gegessen und getrunken werden kann. Objektiver Zweck der Mindestabstandsregelung von Wettvermittlungsstellen zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ist gerade die Verhinderung eines insoweit eintretenden Gewöhnungseffekts.
278ggg) Der Umstand, dass Glücksspielangebote bzw. Sportwetten nach dem Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020 – GlüStV 2021 – unter im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen auch online legal angeboten werden dürfen, stellt ebenfalls keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar.
279Zwar können Sportwetten auch online über das Internet gespielt werden. Aus § 21 Abs. 7 Satz 1 GlüStV 2021, der regelt, dass eine Erlaubnis für die Vermittlung von Sportwetten im Internet nur unter den Voraussetzungen des § 4a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, b und d, Nr. 2 Buchstabe a und c sowie Nummer 3 Buchstabe b bis e GlüStV 2021 erteilt werden darf, folgt, dass Sportwetten im Internet (unter im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen) erlaubnisfähig sind. Allerdings ist das gesamte Online-Glücksspiel eine gänzlich andere, mit dem stationären Glücksspiel generell nicht vergleichbare Glücksspielkategorie. Im Vergleich zum stationären Glücksspiel stellt sich das Online-Glücksspiel damit als aliud dar.
280Vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 367.
281Unabhängig davon unterliegen Sportwetten im Internet bzw. generell Glücksspielangebote im Internet einem eigenständigen Rechtsregime, um den Spieler- und Jugendschutz auch in diesem Bereich zu gewährleisten. So sieht der Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020 – GlüStV 2021 – etwa ein zentrales, spielformübergreifendes Spielersperrsystem vor (vgl. §§ 8-8d GlüStV 2021), das vor übermäßigen finanziellen Ausgaben durch die Möglichkeit einer Selbst- und/oder Fremdsperre schützen soll. Gemäß § 6a Abs. 1 GlüStV 2021 müssen Veranstalter und Vermittler von öffentlichen Glücksspielen im Internet für jeden Spieler ein anbieterbezogenes Spielkonto einrichten (Satz 1); die Ermöglichung der Spielteilnahme ohne Spielkonto ist unzulässig (Satz 2). Nach § 6a Abs. 2 GlüStV 2021 hat sich ein Spieler zur Einrichtung des Spielkontos mit Angaben zu Vornamen, Nachnamen, Geburtsnamen, Geburtsort und Wohnsitz beim Veranstalter oder Vermittler zu registrieren (Satz 1); Veranstalter und Vermittler, bei denen die Registrierung erfolgt, müssen die Richtigkeit der Angaben überprüfen (Satz 2); die Überprüfung hat durch geeignete und zuverlässige Verfahren zu erfolgen (Satz 3). Der Ausschluss Minderjähriger und gesperrter Spieler muss jederzeit durch geeignete technische Verfahren zur Identifizierung und Authentifizierung sichergestellt sein (§ 6e Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021). Spieler sind im Rahmen der Spielteilnahme unmittelbar über die Risiken und möglichen sozialen Folgen des Glücksspiels aufzuklären, § 6e Abs. 5 Satz 1 GlüStV 2021. Informationen zur Glücksspielsucht sind zur Verfügung zu stellen, § 6e Abs. 5 Satz 2 GlüStV 2021; der direkte Aufruf der Internetdomains von unabhängigen Beratungsinstitutionen ist zu ermöglichen, § 6e Abs. 5 Satz 3 GlüStV 2021. Darüber hinaus sind Spieler bei allen öffentlichen Glücksspielen im Internet – mit Ausnahme von Lotterien, die nicht häufiger als zweimal pro Woche veranstaltet werden, und von Lotterien in Form des Gewinnsparens, vgl. § 6c Abs. 9 GlüStV 2021 – bei der Registrierung dazu aufzufordern, ein individuelles monatliches anbieterübergreifendes Einzahlungslimit festzulegen, § 6c Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GlüStV 2021. Das anbieterübergreifende Einzahlungslimit darf grundsätzlich 1.000,- Euro im Monat nicht übersteigen, § 6c Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021. Ist das anbieterübergreifende Einzahlungslimit erschöpft, darf eine weitere Einzahlung des Spielers nicht erfolgen, § 6c Abs. 1 Satz 8 Hs. 1 GlüStV 2021. Darüber hinaus ist den Spielern zu jeder Zeit die Möglichkeit einzuräumen, zusätzliche anbieterbezogene tägliche, wöchentliche oder monatliche Einsatz-, Einzahlungs- und Verlustlimits einzurichten, § 6c Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021; ist ein Einsatz- oder Verlustlimit ausgeschöpft, darf eine weitere Spielteilnahme nicht ermöglicht werden, § 6c Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 GlüStV 2021. Gemäß § 6i GlüStV 2021 müssen Veranstalter von Online-Casinospielen, Online-Poker und virtuellen Automatenspielen im Internet sowie Veranstalter und Vermittler von Sportwetten im Internet auf eigene Kosten ein auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhendes, auf Algorithmen basierendes automatisiertes System zur Früherkennung von glücksspielsuchtgefährdeten Spielern und von Glücksspielsucht einsetzen; Einzelheiten sind in der Erlaubnis zu berücksichtigen (§ 6i Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021). Das System zur Spielsuchtfrüherkennung hat jedenfalls die auf dem Spielkonto zu erfassenden Daten auszuwerten und ist regelmäßig zu aktualisieren, § 6i Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021; es ist im Sozialkonzept nach § 6 GlüStV 2021 zu berücksichtigen, § 6i Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021; im Sozialkonzept sind Maßnahmen festzulegen, die zu ergreifen sind, wenn das System zur Spielsuchtfrüherkennung einen möglicherweise glücksspielsuchtgefährdeten Spieler identifiziert, § 6i Abs. 1 Satz 4 GlüStV 2021; die Maßnahmen sind durchzuführen, § 6i Abs. 1 Satz 5 GlüStV 2021.
282Diese Regelungen erschweren den Zugang zu den angebotenen Glücksspielen im Internet für Kinder und Jugendliche erheblich; dass manche ältere Jugendliche ggf. – was dahinstehen kann – in der Lage sein könnten, sie technisch zu umgehen, ändert an dieser Feststellung nichts.
283Vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 367 ff.
284Unabhängig davon können die Eltern als Inhaber der Personen- und Vermögenssorge die Nutzung des Internets durch ihre minderjährigen Kinder zumindest bis zu einem gewissen – den Beginn der Schulpflicht übersteigenden – Alter entweder generell verbieten oder doch zumindest gewisse Internetseiten – im hier interessierenden Zusammenhang etwa auch Internetseiten, die die Möglichkeit der Teilnahme an Online-Glücksspiel bieten – für Kinder sperren, wohingegen die Eltern gerade nicht verhindern können, dass ihre Kinder auf ihrem aufgrund der Schulpflicht zwingend zu absolvierenden Schulweg in Kontakt mit im räumlichen Umfeld der Schule befindlichen Wettvermittlungsstellen gelangen.
285Vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 370; VG Karlsruhe, Beschluss vom 7. Februar 2022 – 2 K 1838/21 –, juris, Rn. 47.
286§ 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW ist nach alledem mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
287b) Das in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte Abstandsgebot – gleiches gilt (erst recht) für das in § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte geringere Abstandserfordernis für privilegierte Wettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bereits bestanden und über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben – verstößt auch nicht gegen Unionsrecht. Ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Dienstleistungs- bzw. die Niederlassungsfreiheit nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – liegt nicht vor.
288Vgl. dazu, dass zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Niederlassungsfreiheit keine höheren Voraussetzungen gelten als zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit, etwa BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 –, juris, Rn. 38; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, juris, Rn. 31; vgl. auch Art. 62 AEUV, der die – dem Recht der Niederlassungsfreiheit nach Artikel 49 ff. zugehörigen – Bestimmungen der Artikel 51 bis 54 AEUV auf das im Kapitel 3 geregelte Sachgebiet der Dienstleistungsfreiheit für anwendbar erklärt; vgl. dazu, dass die (subsidiäre) Dienstleistungsfreiheit anders als die (speziellere) Niederlassungsfreiheit, zu der sie systematisch in enger Beziehung steht, keine dauerhafte Ortsveränderung und Eingliederung in die Rechts- und Wirtschaftsordnung eines anderen Mitgliedstaates verlangt, etwa Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 57 AEUV Rn. 1.
289Die Dienstleistungsfreiheit ist in Art. 56 ff. AEUV geregelt. Gemäß Art. 56 Abs. 1 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Dienstleistungen im Sinne der Verträge sind gemäß Art. 57 Abs. 1 AEUV Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Die Dienstleistungsfreiheit findet gemäß Art. 57 Abs. 3 AEUV Anwendung, wenn keine – für die Eröffnung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit erforderliche – dauerhafte Niederlassung vorliegt, und erfasst damit – anders als die Niederlassungsfreiheit – gerade vorübergehende Tätigkeiten.
290Vgl. etwa Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Auflage 2022, Art. 49 AEUV Rn. 30, 43.
291Die Niederlassungsfreiheit ist in Art. 49 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – geregelt. Gemäß Art. 49 AEUV sind Beschränkungen der Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten (Abs. 1 Satz 1); das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedsstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats ansässig sind (Abs. 1 Satz 2); vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 AEUV, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen (Abs. 2).
292Vorliegend liegt mit dem in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelten Abstandsgebot ein Eingriff (jedenfalls) in den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit vor (dazu unter aa)); dieser Eingriff ist jedoch unionsrechtlich gerechtfertigt (dazu unter bb)).
293aa) Ein Eingriff (jedenfalls) in den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit der Klägerin zu 1. liegt hier vor. Tätigkeiten, die darin bestehen, den Nutzern gegen Entgelt die Teilnahme an einem Geldspiel zu ermöglichen, stellen Dienstleistungen im Sinne von Art. 56 AEUV dar.
294Vgl. etwa (noch unter Geltung von Art. 49 EGV) EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08 –, juris, Rn. 40.
295Nach ständiger Rechtsprechung fallen solche Dienstleistungen daher in den Anwendungsbereich von Art. 56 AEUV, wenn der Leistungsanbieter in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig ist, in dem die Leistung angeboten wird (sog. grenzüberschreitender Sachverhalt). Art. 46 AEUV verlangt insoweit (nur), dass der Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist als der Leistungsempfänger.
296Vgl. etwa (noch unter Geltung von Art. 49 EGV) EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08 –, juris, Rn. 41 ff.
297Die Klägerin zu 1. die – als Inhaberin einer Veranstaltererlaubnis für Sportwetten – am streitgegenständlichen Standort N.------straße 40-42, M. eine Wettvermittlungsstelle betreiben will, hat ihren Sitz in Malta, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, so dass auch ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt. Mittelbar wird damit auch in Rechte des Wettvermittlers, der Klägerin zu 2., eingegriffen, da dieser das Sportwettenangebot der Klägerin zu 1. vermitteln will.
298Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, juris, Rn. 31.
299bb) Der Eingriff in den Schutzbereich (jedenfalls) der Dienstleistungsfreiheit ist jedoch unionsrechtlich gerechtfertigt.
300Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist rechtmäßig, wenn die beschränkende Regelung mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar ist (dazu unter aaa)), wenn sie des Weiteren aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt (dazu unter bbb)) sowie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten (dazu unter ccc)), und wenn sie schließlich nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (dazu unter ddd)).
301Vgl. allgemein etwa EuGH, Urteil vom 30. November 1995 – C-55/94 –, juris, Rn. 37: „Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich jedoch, dass nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (…)“; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, juris, Rn. 32.
302Die Prüfung, ob mitgliedstaatliche Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit geeignet sind, die Verwirklichung des von dem fraglichen Mitgliedstaat geltend gemachten Ziels oder der von ihm geltend gemachten Ziele zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist, hat dabei gesondert für jede einzelne Beschränkung als solche zu erfolgen.
303Vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-316/07 u. a. –, juris, Rn. 93; EuGH, Urteil vom 6. März 2007 – C-338/04 u. a. –, juris, Rn. 49; BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 –, juris, Rn. 40.
304Schließlich darf die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht das unionsrechtliche Kohärenzgebot verletzen (dazu unter eee)).
305aaa) Das durch § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte Abstandsgebot ist mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar, da es gleichermaßen auf das Betreiben von Wettvermittlungsstellen bzw. Veranstalten von Sportwetten durch Inländer bzw. inländische juristische Personen wie auf das Betreiben von Wettvermittlungsstellen bzw. Veranstalten von Sportwetten durch Ausländer bzw. ausländische juristische Personen Anwendung findet.
306bbb) Das Abstandsgebot ist auch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses sind etwa die Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen.
307Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 8. September 2009 – C-42/07 –, juris, Rn. 56.
308Zu zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zählen auch die – hier vom Landesgesetzgeber mit § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW verfolgten – Ziele der Bekämpfung der Spielsucht sowie der Jugendschutz.
309Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08 –, juris, Rn. 105, 111.
310Nach dem Willen des nordrhein-westfälischen Landesgesetzgebers soll der Abstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe – wie oben im Rahmen der Rechtfertigung des Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG bereits ausgeführt – nämlich vor allem helfen, einen Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern und Minderjährige als besonders vulnerable Personen vor den Gefahren des Glücksspiels schützen.
311Vgl. LT-Drs. 17/6611, S. 36; LT-Drs. 17/12978, S. 84 f.
312ccc) Das durch § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte Abstandsgebot ist geeignet, die Verwirklichung des mit ihm verfolgten Zieles des präventiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor dem Eintritt eines Gewöhnungseffekts bzgl. der Existenz von stationären Wettvermittlungsstellen in ihrem alltäglichen Umfeld bzw. des präventiven Schutzes vor dem Entstehen einer sportwettenbezogenen Glücksspielsucht zu gewährleisten bzw. zu fördern.
313Wie das Gericht bereits im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des mit § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW bewirkten Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ausgeführt hat, kann der präventive Schutz von Kindern und Jugendlichen davor, eine Suchtabhängigkeit bzgl. Sportwetten zu entwickeln, durch diese Normen zumindest gefördert werden. Durch das Abstandsgebot wird zumindest mit dazu beigetragen, die Gefahr des Eintritts eines Gewöhnungseffekts an die Existenz von stationären Wettvermittlungsstellen im öffentlichen Raum bei Kindern und Jugendlichen insofern zu verringern, als Kinder und Jugendliche im unmittelbaren räumlichen Umfeld öffentlicher Schulen, deren Besuch sie sich schon aus Rechtsgründen nicht entziehen können (vgl. zur Schulpflicht in Nordrhein-Westfalen §§ 34 ff. SchulG), sowie im unmittelbaren räumlichen Umfeld von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht mehr mit der Existenz entsprechender Wettvermittlungsstellen konfrontiert werden und diese bzw. deren Besuch damit insoweit nicht mehr als ggf. – für Erwachsene – (scheinbar) gesellschaftlich akzeptiert bzw. „normal“ wahrnehmen. Durch den einzuhaltenden Mindestabstand von Wettvermittlungsstellen zu Schulen, die Kinder und Jugendliche zur Erfüllung ihrer Schulpflicht zwangsläufig und täglich aufsuchen müssen, sowie zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sind Wettvermittlungsstellen in geringerem Maße Bestandteil der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen bzw. werden von diesen seltener im Alltag von außen wahrgenommen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die Begründung im Rahmen der Rechtfertigung des Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG Bezug genommen.
314ddd) Das durch § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte Abstandsgebot geht schließlich auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung des mit ihm verfolgten Zieles des Schutzes vor der Entstehung der Spielsucht bzw. der Stärkung des Jugendschutzes erforderlich ist.
315Zu beachten ist im Rahmen dieser Erforderlichkeits- bzw. Verhältnismäßigkeitsprüfung, dass die Regelung der Glücksspiele zu den Bereichen gehört, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. In Ermangelung einer Harmonisierung des betreffenden Gebiets durch die Europäische Union ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in diesen Bereichen im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben. Allein der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, kann keinen Einfluss auf die Beurteilung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben. Diese sind allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und auf das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen.
316Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08 –, juris, Rn. 46; EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-316/07 u. a. –, juris, Rn. 91; EuGH, Urteil vom 8. September 2009 – C-42/07 –, juris, Rn. 57 f., m. w. N.
317Angesichts dessen, dass – wie bereits im Rahmen der Rechtfertigung des Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ausgeführt – Sportwetten insofern ein erhöhtes Gefahrenrisiko haben, als sie einen höheren Anteil an mindestens problematischen Spielern aufweisen und das Risiko bei Sportwetten, auffällig zu spielen, signifikant erhöht ist, Spieler von Sportwetten die höchsten sog. GABS-Werte aufweisen und schließlich auch das sog. Korrespondenzspielverhalten von Personen, die Sportwetten spielen, erhöht ist, geht der mit § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW verbundene Eingriff (jedenfalls) in die Dienstleistungsfreiheit nicht über das hinaus, was zur Erreichung des Zieles des Schutzes vor der Entstehung der sportwettenassoziierten Spielsucht bzw. der Stärkung des Jugendschutzes erforderlich ist.
318Soweit im Übrigen von der Klägerin zu 1. geltend gemacht wird, der Beklagte sei seiner Verpflichtung, durch eine wissenschaftliche Untersuchung zu belegen und nachzuweisen, dass eine Gefahrenlage überhaupt bestehe (Gefahrennachweis) und welche Maßnahmen zu ihrer Abwehr geeignet und erforderlich seien, nicht nachgekommen, so folgt das Gericht dieser Argumentation nicht. Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof selbst judiziert,
319vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-316/07 u. a. –, juris, Rn. 107,
320dass die betreffenden nationalen Behörden, um ein staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien mit dem Ziel rechtfertigen zu können, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, nicht unbedingt in der Lage sein müssen, eine vor Erlass der genannten Maßnahme durchgeführte Untersuchung vorzulegen, die ihre Verhältnismäßigkeit belegt. Gilt dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs selbst für den – im Vergleich zur hier in Rede stehenden Abstandsregelung des § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW – deutlich weitergehenden Eingriff eines staatlichen Monopols, so muss dies für die hier in Rede stehenden Abstandsregelungen, die die Möglichkeit des Betriebs einer terrestrischen Wettvermittlungsstelle durch private Erlaubnisnehmer grundsätzlich unberührt lassen und nur Abstandsgebote zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe normieren, erst recht gelten.
321Soweit die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang u. a. auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 – C-148/15 – verweist, verhält sich dieses Urteil nicht zur vorliegend in Rede stehenden Dienstleistungsfreiheit, sondern zur Warenverkehrsfreiheit. Unabhängig davon wird im genannten Urteil vom Europäischen Gerichtshof auch ausgeführt, dass ein nationales Gericht, wenn es eine nationale Regelung darauf prüft, ob sie zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt ist, mit Hilfe statistischer Daten, auf einzelne Punkte beschränkter Daten oder „anderer Mittel“ objektiv prüfen muss, ob die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Beweise „bei verständiger Würdigung“ die Einschätzung erlauben, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung der verfolgten Ziele geeignet sind, und ob es möglich ist, diese Ziele durch Maßnahmen zu erreichen, die den freien Warenverkehr weniger einschränken.
322Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 – C-148/15 –, juris, Rn. 36.
323Auch der Europäische Gerichtshof erkennt also in seiner Rechtsprechung an, dass vorliegende Erkenntnisse – seien es relevante wissenschaftliche Untersuchungen,
324die im Übrigen auch nicht durch den Staat als solchen durchgeführt bzw. beauftragt worden sein müssen, auf die sich der Staat zur Eingriffsrechtfertigung jedoch berufen kann,
325seien es „andere Mittel“ – einer verständigen Würdigung nach allgemeinen Erfahrungssätzen durch die jeweils zuständigen nationalen Gerichte unterliegen können.
326Soweit die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang ferner auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Juni 2017 – C-685/15 – rekurriert, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Rechtsstreit, der diesem Vorabentscheidungsverfahren zu Grunde lag, Verwaltungsstrafen, die die Landespolizeidirektion Oberösterreich wegen des Betriebs von Geldspielautomaten ohne Erlaubnis verhängt hatte, betraf, mithin also – anders als im vorliegenden Sachverhalt – Sanktionsrecht in Rede stand, so dass die Ausführungen von daher zumindest nicht ohne Weiteres auf den hier vorliegenden Sachverhalt übertragbar sind. Im Übrigen versteht das erkennende Gericht die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs auch anders als (offenbar) die Klägerin zu 1. Soweit der Europäische Gerichtshof im genannten Urteil ausführt, dass die nationalen Gerichte nach dem Unionsrecht eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen eine restriktive Regelung erlassen worden ist und durchgeführt wird, auf der Grundlage der „Beweise“ vornehmen müssen, die die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vorgelegt haben, um das Vorliegen von Zielen, mit denen sich eine Beschränkung einer vom Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleisteten Grundfreiheit rechtfertigen lässt, und deren Verhältnismäßigkeit darzutun, versteht das erkennende Gericht diesen vom Europäischen Gerichtshof unter Verwendung des Begriffs „Beweise“,
327in der englischen Sprachfassung: „evidence“; in der französischen Sprachfassung: „éléments de preuve“,
328aufgestellten abstrakten Rechtssatz nicht dergestalt, dass damit – wie oben bereits ausgeführt – eine lebensnahe Sachverhaltswürdigung vorliegender Erkenntnisse, die die Einschränkung einer europarechtlichen Grundfreiheit zu begründen geeignet sind, durch die nationalen Gerichte ausgeschlossen ist, und auch nicht dergestalt, dass zur Rechtfertigung von Eingriffen in nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäische Union gewährleistete Grundfreiheiten zwingend wissenschaftliche Untersuchungen,
329welcher methodischen Güte und mit welchem methodischen Ansatz auch immer,
330durchgeführt werden müssen, wenn die Erkenntnisse, die die Einschränkung einer europarechtlichen Grundfreiheit zu begründen geeignet sind, etwa allgemeinkundig sind oder sich nach allgemein anerkannten Erfahrungssätzen geradezu aufdrängen.
331Vgl. im Übrigen auch explizit EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-316/07 u. a. –, juris, Rn. 107: „Um ein staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien (…) mit dem Ziel rechtfertigen zu können, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, müssen die betreffenden nationalen Behörden nicht unbedingt in der Lage sein, eine vor Erlass der genannten Maßnahme durchgeführte Untersuchung vorzulegen, die ihre Verhältnismäßigkeit belegt.“, vgl. auch Rn. 70 ff. dieses Urteils; diese in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit eines staatlichen Monopols ergangene Rechtsprechung ist auf eine – wie hier – in Streit stehende bloße Beschränkung grundsätzlich erlaubten Glücksspielangebots durch Private, einen vergleichsweise milderen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit, im Wege des Erst-Recht-Schlusses übertragbar.
332So verhält es sich jedoch vorliegend: Dass das in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Abstandsgebot von Wettvermittlungsstellen zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe – wie oben im Rahmen der Rechtfertigung des Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG bereits ausgeführt – dazu geeignet ist, die Gefahr des Eintritts eines Gewöhnungseffekts an die Existenz terrestrischer Wettvermittlungsstellen bei Kindern und Jugendlichen zumindest zu verringern und den (präventiven, vorgelagerten) Schutz Minderjähriger als besonders vulnerable Personen vor den Gefahren entsprechenden Glücksspiels bzw. der Entwicklung einer (sportwettenbezogenen) Glücksspielsucht zumindest zu verstärken,
333vgl. LT-Drs. 17/6611, S. 36; LT-Drs. 17/12978, S. 84 f.,
334liegt für einen durchschnittlichen Betrachter und auch für das erkennende Gericht, das zur Beurteilung insoweit auch nicht auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen ist, geradezu auf der Hand, so dass es weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen insoweit nicht bedarf. Dass die Geeignetheit der Abstandsregelung des § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW zur (präventiven) Verhinderung des Eintritts eines Gewöhnungseffekts an die Existenz terrestrischer Wettvermittlungsstellen bei Kindern und Jugendlichen ferner nicht durch die Argumentation der Klägerin zu 1. zum – nach ihrer Auffassung im Falle der Konfrontation von Minderjährigen mit der bloßen Existenz stationärer Wettvermittlungsstellen im öffentlichen Straßenbild gerade nicht stattfindenden – sog. Mere-Exposure-Effekt entkräftet wird, hat das Gericht bereits unter A. I. 2. a) aa) bbb) bbbb) bbbbb) ausgeführt; hierauf wird Bezug genommen.
335eee) § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW verletzt schließlich auch nicht das unionsrechtliche Kohärenzgebot. Das Kohärenzgebot erfordert, dass eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit – ebenso wie ihre Anwendung in der Praxis – geeignet ist, kohärent und systematisch zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele (hier: des Spieler- und Jugendschutzes) beizutragen. Das Kohärenzgebot präzisiert die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit der beschränkenden Regelung dabei in zweifacher Hinsicht: Zum einen verlangt es, dass der jeweilige Mitgliedstaat der Europäischen Union die unionsrechtlich legitimen Ziele tatsächlich verfolgt. Er darf nicht scheinheilig legitime Ziele vorgeben, in Wahrheit aber andere – namentlich fiskalische – Ziele anstreben, die die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht zu rechtfertigen vermögen, sog. Erfordernis der Binnenkohärenz (dazu im Einzelnen unter aaaa)). Zum anderen darf das mit dem Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit verfolgte Ziel nicht durch eine mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen konterkariert werden (dazu im Einzelnen unter bbbb)). Verlangt wird damit allerdings weder eine Uniformität der Regelungen noch eine Optimierung der Zielverwirklichung. Das gewinnt Bedeutung namentlich in Mitgliedstaaten wie der Bundesrepublik Deutschland, zu deren Verfassungsgrundsätzen eine bundesstaatliche Gliederung in Bund und Bundesländer mit jeweils eigener Gesetzgebungskompetenz gehört (vgl. Art. 20, 23 Abs. 1 Satz 3, 28 Abs. 1, Art. 79 Abs. 2, 3 GG).
336Doch führt es zur Inkohärenz der jeweiligen Regelung, wenn die zuständigen Behörden in einem anderen Glücksspielbereich eine der jeweiligen Regelung zuwiderlaufende Politik betreiben oder dulden und dies zur Folge hat, dass das mit der jeweiligen Regelung verfolgte Ziel mit ihm nicht mehr wirksam verfolgt werden kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn in anderen Glücksspielsektoren mit gleich hohem oder höherem Suchtpotential – auch wenn für sie andere Hoheitsträger desselben Mitgliedsstaats zuständig sind – Umstände durch entsprechende Vorschriften herbeigeführt oder, wenn sie vorschriftswidrig bestehen, strukturell geduldet werden, die – sektorenübergreifend – zur Folge haben, dass die in Rede stehende Regelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nicht beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung aufgehoben wird.
337Vgl. zum Vorstehenden insgesamt BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 –, juris, Rn. 40 ff., m. w. N. aus der Rspr. auch des Europäischen Gerichtshofs; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, juris, Rn. 35; vgl. auch EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – C-156/13 –, juris, Rn. 33 ff., unter Hinweis darauf, dass die (interne) Verteilung der Zuständigkeit zwischen dem der Europäischen Union angehörenden Gesamtstaat und einzelnen Bundesländern unionsrechtlich unter dem Schutz von Art. 4 Abs. 2 EUV steht; vgl. auch EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08 –, juris, Rn. 55 ff.; vgl. im Übrigen zur vergleichbaren Frage eines Konsistenzgebotes auf der Ebene des nationalen Verfassungsrechts BVerfG, Beschluss vom 20. März 2009 – 1 BvR 2410/08 –, juris, Rn. 17; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 6.15 –, juris, Rn. 51.
338Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass die Dienstleistungsfreiheit durch die – vorliegend nicht in Rede stehende – Errichtung eines staatlichen Monopols ungleich stärker beschränkt wird als – wie vorliegend – durch Regelungen, die durch die Normierung von Abstandsgeboten zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe lediglich bestimmte Standorte für Wettvermittlungsstellen ausschließen bzw. die Ansiedlung von Wettvermittlungsstellen damit lediglich beschränken bzw. steuern.
339Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, juris, Rn. 35.
340aaaa) Soweit das Kohärenzgebot verlangt, dass der jeweilige Mitgliedstaat der Europäischen Union (hier: die Bundesrepublik Deutschland) das unionsrechtlich legitime Ziel des präventiven Schutzes von Minderjährigen vor der Gefahr des Eintritts eines Gewöhnungseffekts an die Existenz stationärer Wettvermittlungsstellen im öffentlichen Raum tatsächlich – und nicht nur vordergründig, während er in Wahrheit fiskalische Ziele anstrebt – verfolgt (sog. Erfordernis der Binnenkohärenz), so ist dieser Anforderung mit der Abstandsregelung in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW offensichtlich Rechnung getragen. Ungeachtet dessen, dass sich das Erfordernis der Binnenkohärenz nach höchstrichterlicher Rechtsprechung allein auf den Monopolsektor beziehen soll,
341vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 –, juris, Rn. 41, m. w. N. aus der Rspr. des Europäischen Gerichtshofs,
342ist nämlich offensichtlich fernliegend, dass der Gesetzgeber mit der Mindestabstandsregelung zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Wahrheit eine Verlagerung der Wettnachfrage der Kunden von privaten zu staatlichen Wettangeboten unter dem bloßen Deckmantel des Kinder- und Jugendschutzes anstrebt. Zur weiteren Begründung wird im Übrigen auf die bereits erfolgten Ausführungen im Rahmen der Prüfung der Geeignetheit des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG zur Verwirklichung des mit ihm verfolgten legitimen Ziels verwiesen.
343Das Kohärenzgebot wird in diesem Zusammenhang auch nicht dadurch verletzt, dass in anderen Bundesländern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland im Einzelnen landesrechtlich divergierende Regeln bezüglich des Mindestabstands gelten,
344vgl. etwa § 7 Abs. 4 Satz 1 Landesglücksspielgesetz Rheinland-Pfalz – LGlüG –, wonach eine Erlaubnis zum Vermitteln von Sportwetten in einer Wettvermittlungsstelle nur erteilt werden darf, wenn die Wettvermittlungsstelle einen Mindestabstand von 250 Metern Luftlinie zu einer anderen Wettvermittlungsstelle oder einer öffentlichen oder privaten Einrichtung, die überwiegend von Minderjährigen besucht wird, nicht unterschreitet, wobei nach § 7 Abs. 4 Satz 2 LGlüG die zuständige Behörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem nach Satz 1 festgesetzten Mindestabstand zulassen kann; vgl. ferner § 8 Abs. 3 des Hessischen Glücksspielgesetzes – HGlüG –, wonach die Erlaubnis zum Betreiben von Wettvermittlungsstellen auf Antrag nur erteilt werden darf, wenn u. a. (Nr. 2) die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Wettvermittlungsstelle den Zielen des § 1 des Glücksspielstaatsvertrages 2021 nicht entgegenstehen, wobei gemäß § 8 Abs. 4 HGlüG die Lage der Erlaubniserteilung insbesondere dann nicht nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 HGlüG entgegensteht, wenn die Wettvermittlungsstelle 1. außerhalb von Kleinsiedlungsgebieten, reinen Wohngebieten oder allgemeinen Wohngebieten nach den §§ 2 bis 4 der Baunutzungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2017 (BGBl. I S. 3786) betrieben werden soll und 2. in mindestens 250 Meter fußläufigem Abstand zu bestehenden Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstätten sowie zu bestehenden Schulen der Mittelstufe (Sekundarstufe I) und Oberstufe (Sekundarstufe II) liegt oder die für die Erlaubnis zuständige Behörde unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes im Einzelfall eine Ausnahme von diesem Mindestabstand zulässt,
345da das Kohärenzgebot, wie bereits ausgeführt, weder eine Uniformität der Regelungen noch eine Optimierung der Zielverwirklichung verlangt.
346Vgl. etwa auch VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 372.
347Unabhängig davon haben die Bundesländer,
348vgl. zur Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer für den Bereich der Sportwetten BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –, juris, Rn. 155; vgl. zur Gesetzgebungskompetenz der Länder für Abstandsgebote zwischen Spielhallen und Einrichtungen, die ihrer Art nach oder tatsächlich vorwiegend von Kindern oder Jugendlichen aufgesucht werden, BVerfG, Urteil vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 97 ff.,
349mit dem Abschluss und der Ratifizierung des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020 in sehr weitgehendem Umfang gerade inhaltlich übereinstimmende normative Regeln auf dem Gebiet des Glücksspielrechts normiert.
350bbbb) Auch bestehen in der Bundesrepublik Deutschland keine normativen Regelungen oder behördlicherseits strukturell geduldete Umstände für andere Glücksspielbereiche mit gleich hohem oder höherem Glücksspielpotential als das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten in stationären Wettvermittlungsstellen, die zur Teilnahme an diesen anderen Spielen ermuntern (sog. Politik der Angebotsausweitung) und – sektorenübergreifend – zur Folge haben, dass die in Rede stehende Regelung des § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nicht beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung aufgehoben wird.
351Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08 –, juris, Rn. 67 ff.; vgl. auch VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 355 ff.
352Das Kohärenzgebot in einem föderalen EU-Mitgliedstaat wie der Bundesrepublik Deutschland verlangt, wie bereits ausgeführt, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung,
353vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 –, juris, Rn. 42; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, juris, Rn. 35,
354der das erkennende Gericht folgt, weder eine Uniformität der Regelungen noch eine Optimierung der Zielverwirklichung, bzw. der jeweilige Mitgliedstaat ist nicht verpflichtet, in sämtlichen Glücksspielsektoren dieselbe Politik zu verfolgen.
355Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, juris, Rn. 35.
356aaaaa) Vor diesem Hintergrund wird das Kohärenzgebot zunächst nicht dadurch verletzt, dass Glücksspiele im Internet – etwa auch Sportwetten im Internet – unter bestimmten Voraussetzungen nach dem Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020 – GlüStV 2021 – bzw. nach dem nordrhein-westfälischen Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages unter rechtlich näher definierten Voraussetzungen erlaubnisfähig sind. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen im Rahmen der Vereinbarkeit des § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW mit Art. 3 Abs. 1 GG unter A. I. 2. a) cc) ggg) Bezug genommen. Unabhängig davon ist auch in keiner Weise ersichtlich, dass die grundsätzliche Entscheidung der Bundesländer im Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020, den Betrieb von Online-Glücksspielen für private Erlaubnisnehmer unter im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen zu öffnen, sektorenübergreifend zur Folge hat, dass die hier in Rede stehende Regelung des § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles, einen Gewöhnungseffekt an die Existenz terrestrischer Wettvermittlungsstellen bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern und Minderjährige als besonders vulnerable Personen vor den Gefahren des Glücksspiels zu schützen,
357vgl. LT-Drs. 17/6611, S. 36; LT-Drs. 17/12978, S. 84 f.,
358nicht mehr tatsächlich beitragen kann.
359bbbbb) Schließlich wird das Kohärenzgebot auch nicht dadurch verletzt, dass der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber für Bestandsspielhallen kein Abstandsgebot zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe normiert hat (vgl. § 18 Abs. 1 AG GlüStV NRW), wohingegen er für Bestandswettvermittlungsstellen einen Mindestabstand von 100 Metern zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe normiert hat (vgl. § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW).
360Vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 80 f.
361Die inhaltlich differierenden in den jeweiligen Glücksspielsektoren anwendbaren Regelungen beruhen insoweit darauf, dass sich Betreiber von Bestandsspielhallen im Gegensatz zu Betreibern von Bestandswettvermittlungsstellen in erhöhtem Maße auf Vertrauensschutz berufen können. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die bereits erfolgten Ausführungen im Rahmen der Vereinbarkeit der unterschiedlichen Abstandsregelungen für Bestandsspielhallen und Bestandswettvermittlungsstellen mit Art. 3 Abs. 1 GG unter A I. 2. a) cc) aaa) Bezug genommen. Unabhängig davon kann auch nicht festgestellt werden, dass der Umstand, dass in dem Glücksspielsektor der Bestandsspielhallen keine Abstandsgebote zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe gelten, zur Folge hat, dass die vorliegend in Rede stehende Regelung des § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW nicht mehr zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles, einen Gewöhnungseffekt an die Existenz terrestrischer Wettvermittlungsstellen – nicht: an die Existenz terrestrischer Spielhallen – bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern und Minderjährige als besonders vulnerable Personen vor den Gefahren des Glücksspiels zu schützen,
362vgl. LT-Drs. 17/6611, S. 36; LT-Drs. 17/12978, S. 84 f.,
363beitragen kann.
364Abschließend sei – ohne dass diesem Umstand noch entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt – auch darauf verwiesen, dass vorgelagert auch bereits keine Rede davon sein kann, dass in der Bundesrepublik Deutschland normative Regelungen oder behördlicherseits strukturell geduldete Umstände für andere Glücksspielbereiche mit gleich hohem oder höherem Glücksspielpotential als das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten in stationären Wettvermittlungsstellen (namentlich das Spielen an Geldspielgeräten u. a. in Spielhallen und Schank- und Speisewirtschaften),
365vgl. dazu, dass, wie bereits ausgeführt, Automaten- und Casinospiele, vergleicht man für jede einzelne Glücksspielart den jeweiligen Anteil problematischer bzw. pathologischer Spieler, als am gefährlichsten einzustufen sind, BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 89 ff., 160 f.,
366existieren, die zur Teilnahme an diesen anderen Spielen ermuntern. Vielmehr ist die Rechtslage insoweit in der Vergangenheit verschärft worden: Während § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit – SpielV – a. F. noch normierte, dass in Schankwirtschaften, Speisewirtschaften, Beherbergungsbetrieben und Wettannahmestellen der konzessionierten Buchmacher nach § 2 des Rennwett- und Lotteriegesetzes höchstens drei Geld- oder Warenspielgeräte aufgestellt werden dürfen, normiert § 3 Abs. 1 Satz 1 SpielV n. F. mit Wirkung zum 10. November 2019 nunmehr,
367vgl. dazu Artikel 5 der Sechsten Verordnung zur Änderung der Spielverordnung vom 4. November 2014, BGBl. I S. 1678,
368dass in Schankwirtschaften, Speisewirtschaften, Beherbergungsbetrieben, Wettannahmestellen der konzessionierten Buchmacher nach § 2 des Rennwett- und Lotteriegesetzes sowie (zusätzlich) in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen, in denen alkoholische Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, höchstens zwei Geld- oder Warenspielgeräte aufgestellt werden dürfen. Darüber hinaus wurde in Nordrhein-Westfalen durch Artikel 2 des Gesetzes zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 13. November 2012, GV. NRW. 2012, S. 524 mit Wirkung zum 1. Dezember 2012 in § 16 Abs. 3 des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrags – AG GlüStV NRW – erstmals ein Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zwischen Spielhallen untereinander (Satz 1 Hs. 2) sowie erstmals ein Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zwischen Spielhallen und öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe normiert (Satz 2).
369Vgl. hierzu etwa LT-Drs. 16/17, S. 43 f. (Gesetzentwurf der Landesregierung: Gesetz zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland), in dem der gesetzgeberische Handlungsbedarf für diesen Bereich klar diagnostiziert und begründet wird; vgl. ferner LT-Drs. 16/1245, S. 49 ff. (Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/17), in dem u. a. ausgeführt wird, dass die Vermeidung einer zu hohen Dichte von Spielhallenbetrieben der Verbesserung der Sucht- und Kriminalprävention dient und die Heraufsetzung des vorgesehenen Mindestabstands hierzu einen zusätzlichen Beitrag leistet.
370Der Gesetzgeber hat damit zuletzt eine tendenziell eher restriktivere Politik in Bezug auf das Spiel an Geldspielgeräten, namentlich auch in Spielhallen, verfolgt.
371§ 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW stellt sich nach alledem als unionsrechtskonform dar.
372Im Ergebnis ist das in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW geregelte, sich nach der Luftlinie (§ 13 Abs. 13 Satz 3 i. V. m. § 5 Abs. 6 AG GlüStV NRW),
373vgl. dazu, dass auch die Bemessung der Entfernung nach der Luftlinie im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers steht, etwa BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 153 (zur insoweit vergleichbaren Frage der Entfernung zwischen zwei Spielhallen); BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 8 B 32.17 –, juris, Rn. 3 (zur insoweit vergleichbaren Frage der Entfernung zwischen zwei Spielhallen); OVG Münster, Beschluss vom 10. Februar 2020 – 4 B 1253/18 –, juris, Rn. 25 (zur insoweit vergleichbaren Frage der Entfernung zwischen zwei Spielhallen),
374bemessende Abstandserfordernis zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe auf die Klägerinnen anwendbar und stellt sich auch als verfassungs- und unionsrechtskonform dar.
375Vgl. so im Ergebnis auch VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3201/21 –, juris; VG Minden, Urteil vom 16. Februar 2023 – 3 K 990/22 –, juris; VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris.
376Zu diesem Ergebnis kommt das erkennende Gericht auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin zu 1. in anderen ähnlich gelagerten Verfahren vor dem erkennenden Gericht vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen, u. a. der – jeweils im Auftrag der Klägerin zu 1. erstellten – Gutachten von Prof. Dr. Armin Hatje von Juni 2018 und Juli 2020.
3773. Die Anwendung von § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW auf den hier vorliegenden Einzelfall ergibt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die unter der Anschrift N.------straße 40-42, M. ansässige, streitbefangene Wettvermittlungsstelle nicht erfüllt sind, da die genannte Norm hier einer Erlaubniserteilung entgegensteht.
378Das erkennende Gericht legt dabei im Rahmen der Gesetzesauslegung zu Grunde, dass der Verwendung des Wortes „regelmäßig“ in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW (sowie auch der Verwendung des Wortes „soll“ in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW) neben der – sich auch auf § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW beziehenden – Abweichungsmöglichkeit nach § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW, die nur unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes eröffnet ist, keine weitere Bedeutung zukommt, da ansonsten das Erfordernis besonderer örtlicher Verhältnisse in § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW leerlaufen würde.
379Zwar erfüllt die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle die Voraussetzungen der Privilegierung nach § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW, so dass sie nur einen Mindestabstand von 100 Metern Luftlinie zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einzuhalten hat (dazu unter a)). Diesen Mindestabstand von 100 Metern Luftlinie unterschreitet die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle jedoch gegenüber den unter der Anschrift N.------straße 29, M. gelegenen Trainingsräumlichkeiten des M1. M. e. V., einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW (dazu unter b)), nicht (dazu unter c)). Auf der Rechtsfolgenseite liegen besondere örtliche Verhältnisse i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW, die eine Abweichung von dem Mindestabstand ermöglicht hätten, nicht vor; die vom Beklagten vorgenommene Ermessensausübung stellt sich nicht als ermessensfehlerhaft i. S. v. §§ 114 VwGO, 40 VwVfG NRW dar (dazu unter d)).
380a) Die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle erfüllt die Voraussetzungen der Privilegierung nach § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW, so dass sie nur einen Mindestabstand von 100 Metern Luftlinie gegenüber öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einzuhalten hat. Nach dieser Norm findet für Wettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben, § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW mit der Maßgabe Anwendung, dass regelmäßig ein Mindestabstand von 100 Metern zu Grunde gelegt werden soll. Die unter der Anschrift N.------straße 40-42, M. ansässige, streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle bestand am 22. Mai 2019 und verfügte zu diesem Zeitpunkt auch über eine bestandskräftige Baugenehmigung. Für die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle war bereits unter dem 23. Mai 2012 seitens des Kreises T. eine Baugenehmigung erteilt worden.
381b) Bei dem M1. M. e. V. und damit seinen Trainingsräumlichkeiten handelt es sich um eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW (dazu unter aa)). Das Merkmal „öffentlich“ in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW bezieht sich allein auf Schulen und nicht auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe (dazu unter bb)).
382aa) Der M1. M. e.V. stellt eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW dar.
383Der Rechtsbegriff der „Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe“ ist weder im nordrhein-westfälischen Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages noch im Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland definiert.
384Nach der in dem Erlass des Ministeriums des Innern des Beklagten vom 4. Mai 2023 – 13.38.07.03-2 –, S. 15 f. vertretenen Rechtsauffassung sind Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe i. S. d. AG GlüStV NRW Institutionen, die dem vorübergehenden Aufenthalt von vorwiegend Kindern und/oder Jugendlichen und nicht dem Wohnen dienen und die von Kindern und/oder Jugendlichen selbständig aufgesucht und verlassen werden können, ohne dass es einer (erziehungsberechtigten) Begleitperson bedarf; umfasst seien danach beispielsweise Einrichtungen der Erziehungshilfe, offene Jugendeinrichtungen/offene Treffs/Jugendzentren, weitere Einrichtungen von Trägern der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit (z. B. Jugendkunst- sowie Jugendmusikschulen, Jugendwerkstätten, Jugendbildungsstätten, Jugendberatungsstellen, Jugendherbergen, Jugendzeltplätze) und Jugendbüchereien, d. h. Büchereien, die ausschließlich für Kinder und/oder Jugendliche eingerichtet worden sind; nicht umfasst seien beispielsweise Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätze (da keine Institution) sowie Einrichtungen über Tag und Nacht (Heimerziehung) und sonstige betreute Wohnformen in öffentlicher oder freier Trägerschaft.
385Im Gesetzentwurf der Landesregierung zum Umsetzungsgesetz zum Dritten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrags in Nordrhein-Westfalen (LT-Drs. 17/6611) war Folgendes ausgeführt:
386„Der Abstand zu öffentlichen Schulen und Kinder- und Jugendeinrichtungen soll helfen, einen Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern. (…) Dabei sind unter Kinder- und Jugendeinrichtungen solche zu verstehen, die ihrer Art nach – wie Schulen – oder tatsächlich – wie Kinder- und Jugendbüchereien, Jugendclubs – vorwiegend von Kindern oder Jugendlichen aufgesucht werden.“
387LT-Drs. 17/6611, S. 36 (zu § 13 Abs. 4 AG GlüStV NRW in der Fassung vom 3. Dezember 2019); vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 114: „Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne dieser Vorschrift sind entsprechend dem Regelungszweck Einrichtungen, die regelmäßig von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden. Hierunter fallen insbesondere Schulen, die nicht ausschließlich der Erwachsenenbildung dienen, unabhängig von der jeweiligen Trägerschaft.“
388Bei systematischer (dazu unter aaa)) und teleologischer Auslegung (dazu unter bbb)) handelt es sich bei dem M1. M. e. V. um eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW. Es handelt sich bei ihm auch dann um eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, wenn man – wie die Klägerin zu 1., anknüpfend an die oben genannten Definitionen – verlangt, dass die Einrichtung sich vorwiegend der Kinder- und Jugendhilfe widmet bzw. sie dem vorübergehenden Aufenthalt von vorwiegend Kindern und Jugendlichen dient und tatsächlich vorwiegend von Kindern und Jugendlichen aufgesucht wird (dazu unter ccc)). Ohne dass es hierauf ankäme, wird der Verein im Übrigen vonseiten des Jugendamtes des Kreises T. als Träger der freien Jugendhilfe angesehen (dazu unter ddd)).
389aaa) Eine systematische Auslegung spricht dafür, dass der M1. M. e. V. unter den Begriff der Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW fällt. Mit dieser Formulierung greift die Regelung den Rechtsbegriff der „Kinder- und Jugendhilfe“ aus dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) auf. Das Achte Buch Sozialgesetzbuch trägt den amtlichen Titel „Kinder- und Jugendhilfe“.
390Vgl. Artikel 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz – KJHG) vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163; vgl. die Bekanntmachung der Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 11. September 2012, BGBl. I S. 2022.
391Nach § 2 Abs. 1 SGB VIII umfasst die Jugendhilfe Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien. Leistungen der Jugendhilfe sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII unter anderem Angebote der Jugendarbeit, zu deren Schwerpunkten nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII auch die Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit gehört. Angesichts dessen können Vereine – wie der M1. M. e. V. –, die Jugendarbeit im Sport leisten, auch Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe i. S. d. Achten Buches Sozialgesetzbuch sein. Die Ansicht der Klägerin zu 2., dass Sportvereine per se keine Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sein könnten, hat vor diesem Hintergrund keinen normativen Rückhalt.
392bbb) Unabhängig von einer konkreten Anerkennung des M1. M. e. V. als Träger der freien Jugendhilfe spricht auch eine teleologische Auslegung dafür, dass der Verein eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW darstellt.
393Wie bereits ausgeführt, bezweckt die Mindestabstandsregelung in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW insbesondere den Schutz von Kindern und Jugendlichen als besonders vulnerable Personen vor den Gefahren des Glücksspiels und verfolgt damit ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel, das selbst eine – hier nach den obigen Ausführungen nicht vorliegende – objektive Berufswahlbeschränkung zu rechtfertigen vermögen würde. Auf der anderen Seite wird mit dem Abstandsgebot lediglich in die Berufsausübungsfreiheit der Veranstalter und Vermittler von Sportwettvermittlungsstellen, nicht jedoch in deren Berufswahlfreiheit eingegriffen; der Eingriff kommt in seiner Intensität einem Eingriff in die Freiheit der Berufswahl auch nicht nahe.
394Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 –, juris, Rn. 132 und Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –, juris, Rn. 99; BVerwG, Urteil vom 5. April 2017 – 8 C 16.16 –, juris, Rn. 34; OVG NRW, Beschluss vom 20. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 67 f.
395ccc) Es handelt sich bei dem M1. M. e. V. und damit dessen Trainingsräumen um eine Einrichtung, die sich vorwiegend der Kinder- und Jugendhilfe widmet bzw. die dem vorübergehenden Aufenthalt von vorwiegend Kindern und Jugendlichen dient und tatsächlich vorwiegend von Kindern und Jugendlichen aufgesucht wird.
396Für die Beurteilung der Frage, ob eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW vorliegt, sind in erster Linie – wie der Gesetzgeber es auch in dem oben zitierten Gesetzentwurf der Landesregierung zum Umsetzungsgesetz zum Dritten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrags in Nordrhein-Westfalen (LT-Drs. 17/6611) zum Ausdruck gebracht hat – die tatsächlichen Gegebenheiten in den Blick zu nehmen.
397Die Trainingsräume des M1. M. e. V. dienen dem vorübergehenden Aufenthalt von vorwiegend Kindern und Jugendlichen. Der Verein widmet sich damit vorwiegend der Kinder- und Jugendhilfe.
398Für die Beurteilung der Frage, ob sich eine Einrichtung vorwiegend an Kinder und Jugendliche richtet, kommt es nicht allein auf den satzungsmäßigen Vereinszweck an, sondern auf eine Gesamtschau, bei der insbesondere auch auf das in sonstiger Weise zum Ausdruck kommende Selbstverständnis des Vereins sowie auf das tatsächliche Vereinsleben abzustellen ist. Eine rein formale Betrachtung anhand des satzungsmäßigen Vereinszwecks würde dem Normzweck des Minderjährigenschutzes nicht gerecht. Auch ein Verein, der sich etwa – allgemein gehalten – die Sportförderung zum Zweck gesetzt hat, kann sich zur Verfolgung dieses Zwecks des Mittels der Jugendarbeit bedienen. Einen solchen Verein von vornherein nicht als Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe einzustufen, obwohl er womöglich regelmäßig von zahlreichen Kindern und Jugendlichen aufgesucht würde, würde das Regelungsziel der Vermeidung eines Gewöhnungseffekts bei Kindern und Jugendlichen untergraben.
399Zweck des Vereins ist nach § 2 Abs. 1 der Vereinssatzung „die Förderung des Sports Taekwondo und Kick-Thaiboxen, die Pflegung (sic) und Betreuung der Jugendarbeit durch sportliche Übungen und Leistungen, die Förderung der gesellschaftlichen Begegnung auf philosophisch-ethischer Grundlage, sowie die internationale Begegnung auf dieser Grundlage.“ Die Jugendarbeit stellt somit einen von vier – nicht ausdrücklich mit einer Rangordnung versehenen – Vereinszwecken dar. Präzisiert wird der Vereinszweck durch die Selbstdarstellung des Vereins auf seinem Internetauftritt. Hier heißt es unter anderem:
400„2004 wurde das soziale Sportprojekt M1. M. e. V. von Z1. B. B. ins Leben gerufen. Der Grundgedanke war und ist, Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Alternative zur Langeweile und Gewalt zu bieten. (…) Mit Taekwondo, Hip-Hop Dance und Kick-Thaiboxen-K1 ermöglicht M1. M. e. V. einen Ausweg aus Langeweile und Gewalt. Beides Dinge, die den Alltag vieler junger Menschen beherrschen. Mädchen und Jungen können bereits ab 5 Jahren mitmachen. Neben der sicherlich angenehmen Begleiterscheinung des sportlichen Erfolges steht aber vor allem das soziale und integrative Engagement im Vordergrund.“
401Abrufbar unter https://M2. -M3. .de/ueber-uns/ (zuletzt abgerufen am 7. November 2023).
402Danach handelt es sich bei der Jugendarbeit nicht bloß um einen untergeordneten Vereinszweck. Vielmehr stellt der Verein diese nach seinem Selbstverständnis in den Vordergrund seiner Arbeit. Dass er sich dabei auch an junge Erwachsene richtet – zu denen Kinder und Jugendliche durch Zeitablauf zwangsläufig werden – ändert an der besonderen Bedeutung der Jugendarbeit im M1. M. e. V. nichts.
403Bestätigt wird dies durch das tatsächliche Vereinsleben. Angesichts der Mitgliederzahl von 300 Kindern und Jugendlichen und der Angabe des Vereinsvorsitzenden, dass täglich ca. 100 Kinder und Jugendliche in den Räumlichkeiten trainierten, handelt es sich um eine Einrichtung, die nicht nur regelmäßig, sondern vorwiegend von Kindern und Jugendlichen aufgesucht wird. Hierfür spricht – unabhängig von der absoluten Zahl der Vereinsmitglieder – bereits das Verhältnis von minderjährigen zu volljährigen Vereinsmitgliedern: Laut Stellungnahme der Stadt M. vom 8. Oktober 2020 sind nach Auskunft des Vereinsvorsitzenden etwa 300 von 330 Mitgliedern minderjährig. In einem Gespräch mit dem Beklagtenvertreter, das dieser in einer E-Mail vom 21. April 2022 zusammengefasst hat, gab der Vereinsvorsitzende an, dass im M1. M. e. V. täglich ca. 100 Minderjährige trainierten und dass dies ca. 80 % aller Nutzer der Einrichtung seien. Darüber hinaus richtet sich die Mehrzahl der angebotenen Kurse an Kinder und Jugendliche. Von den 17 wöchentlich stattfindenden Terminen,
404vgl. zu den Trainingszeiten https://M4. –M5.de/; zuletzt abgerufen am 7. November 2023),
405richten sich lediglich fünf an Jugendliche und Erwachsene: dreimal „Taekwondo Jugendlichen & Erwachsenen (Wettkampf) Training“
406(„Dieser Kurs richtet sich hauptsächlich an Jugendlichen ab 13 Jahre sowie Erwachsenen.“, vgl. https://M4. -M5. .de/abteilungen/taekwondo/; zuletzt abgerufen am 7. November 2023)
407und zweimal „Lady Kickboxen“
408(„Dieser Kurs richtet sich ausschließlich an Jugendlichen ab 14 Jahre sowie Erwachsenen“, vgl. https://M6. -M7. .de/abteilungen/lady-kickboxen/; zuletzt abgerufen am 7. November 2023).
409Alle übrigen 12 Kurse richten sich ausschließlich an Kinder und/oder Jugendliche. Solche, die sich ausschließlich an Erwachsene richten, werden hingegen nicht angeboten.
410Soweit die Klägerseite in diesem Zusammenhang geltend macht, eine restriktive Auslegung der Vorschrift – dahingehend, dass es sich bei den Kindern und Jugendlichen, die die Einrichtung aufsuchten, vorwiegend um Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren handeln müsse, weil nur dieses Jugendalter suchtwissenschaftlich gesehen einen behaupteten Gewöhnungseffekt überhaupt befürchten lassen könne – sei aufgrund des Eingriffs in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) geboten, sieht das Gericht keinerlei Anlass für eine derartige restriktive Auslegung des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW. Die Norm schützt ausdrücklich nicht nur Einrichtungen der Jugendhilfe, sondern der Kinder- und Jugendhilfe, ohne hierbei eine altersmäßige Einschränkung vorzunehmen. Hinzu kommt – wie der Beklagte zu Recht anführt –, dass der Gesetzgeber in nicht zu beanstandender Weise unter 12-Jährige dadurch in den Schutzzweck des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW eingeschlossen hat, dass er öffentliche Schulen in die Vorschrift aufgenommen hat, ohne etwa Grundschulen auszuschließen. Dies entspricht dem mit der Vorschrift bezweckten weitgehenden Minderjährigenschutz. Hinsichtlich der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht wird im Übrigen auf die Ausführungen unter A. I. 3. b) aa) bbb), insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses eines bloßen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit auf der einen Seite und des Minderjährigenschutzes als überragend wichtigem Gemeinwohlziel auf der anderen Seite, verwiesen.
411Soweit die Klägerseite zur Begründung darauf verweist, dass nur ein Alter ab 12 Jahren suchtwissenschaftlich gesehen einen behaupteten Gewöhnungseffekt überhaupt befürchten lassen könne, vermag dies nicht zu überzeugen. Bereits die als Quelle angeführte Studie,
412Duven u. a., Problematisches Glücksspielverhalten bei Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz, S. 13; abrufbar unter https://www.unimedizin-mainz.de/fileadmin/kliniken/verhalten/Dokumente/Broschuere_KIJU-RLP.pdf (zuletzt abgerufen am 7. November 2023),
413enthält diese Erkenntnis weder auf der angegebenen Seite noch an anderer Stelle. Die Studie kann im Übrigen bereits nach ihrem Design nicht zu dem von den Klägerinnen angegebenen Ergebnis kommen. Für die Studie wurden lediglich 12- bis 18-jährige Kinder und Jugendliche befragt. Eine Aussage darüber, dass im Vergleich dazu ein Gewöhnungseffekt bei unter 12-jährigen Kindern nicht zu befürchten sei, kann die Studie angesichts dessen von vornherein nicht treffen.
414Auch die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 2. in der mündlichen Verhandlung betonte Ansicht, eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW liege nur dann vor, wenn diese ausschließlich von Kindern und Jugendlichen genutzt werde, findet nach den obigen Ausführungen keine Stütze im Gesetz. Unerheblich ist insbesondere, dass nach der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 2. in Bezug genommenen Erlasslage hinsichtlich Jugendmusikschulen nur solche als öffentliche Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe anzusehen sind, die ausschließlich zur Nutzung durch Kinder und Jugendliche bestimmt sind. Ebenso unerheblich ist, dass – was die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1. in der mündlichen Verhandlung ergänzend anführten – im Erlass des Ministeriums des Innern des Beklagten vom 4. Mai 2023 – 13.38.07.03-2 – die beispielhafte Aufzählung von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe lediglich „klassische“ Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen umfasse. Unabhängig von der Tatsache, dass die genannte Aufzählung ausdrücklich nur beispielhaft ist, geben die Erlasse als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften lediglich das Normverständnis des Beklagten wieder, ohne dass das Gericht hieran gebunden ist. Zu einer Entscheidung über die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 2. in der mündlichen Verhandlung weiter aufgeworfenen Frage, ab welchem Verhältnis von minderjährigen zu erwachsenen Mitgliedern eines Sportvereins keine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe mehr vorliege, war das Gericht nicht berufen. Diese stellte sich aufgrund des streitgegenständlichen Sachverhalts nicht.
415ddd) Der Verein M1. M. e. V. wird im Übrigen – ohne dass es für die Entscheidung darauf ankäme – vonseiten des zuständigen Jugendamtes des Kreises T. als Träger der freien Jugendhilfe i. S. v. § 75 SGB VIII anerkannt. Mit Schreiben vom 26. September 2023 teilte dieses mit, dass der Verein Mitglied im Kreissportbund T. e. V. sei und daher über die Sportjugend NRW,
416vgl. Bekanntmachung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28. Mai 1990 – IV B 2 – 6104.0, wonach als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII i. V. m. § 25 des Ersten Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes – AG-KJHG – unter anderem öffentlich anerkannt ist: „Sportjugend NRW im Landessportbund Nordrhein-Westfalen e. V., Sitz Duisburg (am 20. Oktober 1971): Die Anerkennung erstreckt sich auch auf die Jugendabteilungen der gegenwärtig und zukünftig dem Landessportbund Nordrhein-Westfalen e. V. als Mitglied bzw. ggfs. mittelbar über einen Mitgliedsverband angehörenden Sportfachverbände (Landesfachverbände und regionale Fachverbände) und der ihm gegenwärtig und zukünftig zugehörenden Stadt- und Kreissportbünde sowie auf die Jugendabteilungen der gegenwärtig und zukünftig einem der Sportfachverbände angeschlossenen Sportvereine.“,
417ohne Prüfung der Kriterien automatisch über eine Anerkennung gemäß § 75 SGB VIII verfüge. Soweit die Klägerin zu 1. meint, eine etwaige Anerkennung umfasse nur die Jugendabteilung des Vereins, die – da für die Betrachtung nur die Mitglieder zwischen 12 und 18 Jahren maßgeblich seien – nicht den überwiegenden Teil des Vereinslebens ausmache, ist eine solche altersbezogene Einschränkung nach den obigen Ausführungen nicht mit dem Gesetz vereinbar.
418bb) Das Merkmal „öffentlich“ in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW bezieht sich allein auf Schulen und nicht auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Hierfür sprechen eine grammatische (dazu unter aaa)), eine historische (dazu unter bbb)) wie auch eine teleologische Auslegung der Norm (dazu unter ccc)).
419aaa) Bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW folgt, dass sich das Merkmal „öffentlich“ in der Vorschrift nur auf Schulen und nicht auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bezieht.
420So auch Erlass des Ministeriums des Innern des Beklagten vom 4. Mai 2023, Az. 13-38.07.03-2, Nr. 4.2; LT-Drs. 17/12978, S. 80; so wohl auch VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 – 3 K 3201/21 –, juris, Rn. 81.
421Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation.
422Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 4. September 2009 – 2 BvR 2520/07 –, juris, Rn. 14.
423Dem möglichen Wortsinn sind hier durch die Syntax des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW klare Grenzen gezogen. Die Norm spricht von räumlicher Nähe „zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ und nicht etwa „zu öffentlichen Schulen und (zu) öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ oder „zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“. Bei der zweiten Formulierung bezieht sich das Attribut „öffentlich“ durch seine jeweilige Verwendung vor dem Bezugswort eindeutig auf beide Begriffe. Die letzte Formulierung kann sowohl dahingehend verstanden werden, dass sich das Attribut „öffentlich“ ausschließlich auf Schulen bezieht als auch dahingehend, dass es sich auf Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bezieht. Bei der erstgenannten Formulierung, der des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW, ist jedoch durch die Wiederholung der Präposition „zu“ der Bezug des Attributs „öffentlich“ klar auf das Wort „Schulen“ begrenzt. Der Satz kann auch als „in räumlicher Nähe zu öffentlichen Schulen und in räumlicher Nähe zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ gelesen werden. Ein Verständnis des Wortlauts dahingehend, dass sich das Merkmal „öffentlich“ auch auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bezieht, ist bei dem vorliegenden Satzbau ausgeschlossen.
424bbb) Diese Wortlautauslegung wird durch die Normhistorie bestätigt. In der Vorgängerfassung (vgl. § 13 Abs. 4 Satz 2 AG GlüStV NRW in der Fassung vom 3. Dezember 2019 (GV. NRW. S. 911)) findet sich noch die Formulierung „zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“. In § 22 Abs. 1 Glücksspielverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (GlücksspielVO NRW – GlüSpVO NRW) in der Fassung vom 29. März 2013 (GV. NRW. S. 138), in dem der Mindestabstand von Wettvermittlungsstellen zu Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zunächst – bis zum Inkrafttreten der Änderung des Ausführungsgesetzes NRW Glücksspielstaatsvertrag in der Fassung vom 3. Dezember 2019 – ausschließlich geregelt war, war hingegen noch von einem Mindestabstand „zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ die Rede. Nach dieser Normfassung bezog sich das Merkmal „öffentlich“ unbestreitbar auch auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Die Änderungen in den Nachfolgeregelungen – erst durch Streichen des Wortes „öffentliche“ und schließlich durch Hinzufügen des Wortes „zu“ vor „Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“, das den Bezug zum Attribut „öffentlich“ unterbricht – sprechen dafür, dass der Gesetzgeber sich bewusst von einer Beschränkung des Anwendungsbereichs des Mindestabstands auf „öffentliche“ Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe abgekehrt hat.
425Daran ändert nichts, dass der Gesetzgeber dies in den jeweiligen Gesetzesbegründungen nicht ausdrücklich kenntlich gemacht hat. In der Begründung von Gesetzentwürfen sollten zwar die Zielsetzung und Erforderlichkeit des Entwurfs und seiner Einzelvorschriften sowie die Änderungen zur geltenden Rechtslage dargestellt werden (§ 37 (Abs. 1) Nr. 1 und 6 Neufassung Gemeinsame Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen (GGO) – Bekanntmachung des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 19. Dezember 2014). Gleichwohl enthalten Gesetzesbegründungen nicht immer Ausführungen zu allen Erwägungen, die Grundlage für die beabsichtigte Einführung, Änderung oder Streichung einer Norm waren. Allerdings lassen die in der Gesetzesbegründung zur aktuellen Fassung verwendeten Formulierungen darauf schließen, dass die sprachlichen Änderungen der Norm eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers hin zu einem weiteren Anwendungsbereich des Mindestabstands zu Wettvermittlungsstellen waren. In der Gesetzesbegründung zur Vorgängerfassung (§ 13 Abs. 4 Satz 2 AG GlüStV NRW in der Fassung vom 3. Dezember 2019) wird ausgeführt:
426„Der Abstand zu öffentlichen Schulen und Kinder- und Jugendeinrichtungen soll helfen, einen Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht am 7. März 2017 (1 BvR 1314/12) zum Spielhallengesetz Berlin entschieden, dass ein Mindestabstand von Spielhallen zu Kinder- und Jugendeinrichtungen zur Vermeidung eines solchen Gewöhnungseffektes zulässig ist. Nichts anderes gilt entsprechend für Wettvermittlungsstellen. Dabei sind unter Kinder- und Jugendeinrichtungen solche zu verstehen, die ihrer Art nach - wie Schulen - oder tatsächlich - wie Kinder- und Jugendbüchereien, Jugendclubs - vorwiegend von Kindern oder Jugendlichen aufgesucht werden.“
427Vgl. LT-Drs. 17/6611, S. 36.
428Hier wie auch in der Gesetzesbegründung zur derzeit gültigen Norm,
429„Absatz 13 enthält nunmehr die bislang in Absatz 4 geregelten Mindestabstände zu anderen Wettvermittlungsstellen, zu öffentlichen Schulen und zu Kinder- und Jugendeinrichtungen. (…) Die Abstände zu öffentlichen Schulen und zu Kinder- und Jugendeinrichtungen dienen daneben dem Schutz von Minderjährigen als besonders vulnerable Personen vor den Gefahren des Glücksspiels.“
430Vgl. LT-Drs. 17/12978, S. 84 f.
431greift der Gesetzgeber jeweils den geänderten Normtext („zu öffentlichen Schulen und Kinder- und Jugendeinrichtungen“ bzw. „zu öffentlichen Schulen und zu Kinder- und Jugendeinrichtungen“) auf. Dass der Gesetzgeber in der Begründung zur derzeit gültigen Fassung an anderen Stellen noch die Formulierung „zu öffentlichen Schulen und Kinder- und Jugendeinrichtungen“ gebraucht,
432vgl. etwa im allgemeinen Teil der Begründung LT-Drs. 17/12978, S. 77,
433führt zu keiner anderen Bewertung. Zum einen kann diese Formulierung – wie oben beschrieben – ohne Weiteres so verstanden werden, dass sich das Attribut „öffentlich“ nur auf Schulen bezieht. Zum anderen findet sich in der Gesetzesbegründung zwar regelmäßig der Begriff „öffentliche Schulen“, wenn dieser nicht im Zusammenhang mit Kinder- und Jugendeinrichtungen genannt wird,
434z. B.: „Eine Ausnahme besteht – entsprechend des Schutzzweckes – bei öffentlichen Schulen, wo die Grenze des Schulgeländes maßgeblich ist.“ (LT-Drs. 17/12978, S. 77) oder „Der Mindestabstand zu öffentlichen Schulen dient dem Minderjährigenschutz.“ (ebd., S. 80),
435jedoch an keiner Stelle der Begriff „öffentliche Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ oder „öffentliche Kinder- und Jugendeinrichtungen“, wenn von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe allein die Rede ist,
436vgl. stattdessen z. B.: „Diese Ausnahmevorschrift findet auch Anwendung auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.“ (LT-Drs. 17/12978, S. 80).
437Ebenso dürfte – worauf es hier mangels Anwendung der Normen nicht ankommt – unschädlich sein, dass in der Regelung zum Mindestabstand bei Spielhallen die Formulierung „zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ beibehalten wurde (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW in der derzeit geltenden Fassung sowie in den Fassungen vom 3. Dezember 2019 sowie vom 13. November 2012) und in den Normen zur Abstandsregelung bei Annahmestellen (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 4 GlüSpVO NRW in der Fassung vom 8. März 2013 (GV. NRW. S. 138), § 16 Abs. 1 Satz 4 GlüSpVO NRW in der Fassung vom 17. Dezember 2009 (GV. NRW. S. 963) und § 15 Abs. 1 Satz 4 GlüSpVO NRW in der Fassung vom 24. Juni 2009 (GV. NRW. S. 395)) zunächst die Formulierung „zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ verwendet wurde und nunmehr in § 5 Abs. 5 Satz 3 AG GlüStV NRW die Formulierung „zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“. Wie oben dargestellt, lässt auch dieser Wortlaut eine Auslegung dahingehend zu, dass sich das Merkmal „öffentlich“ allein auf Schulen bezieht.
438Auf die inkonsistente Verwendung der beiden Formulierungen in den derzeit geltenden Regelungen dürfte auch die teils uneinheitliche Verwendung in der Gesetzesbegründung zurückzuführen sein. Bei der weiteren Verwendung der Formulierung „zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ dürfte es sich – ohne dass es sprachlich einer Änderung bedürfte, um klarzustellen, dass sich auch dort das Merkmal „öffentlich“ nicht auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bezieht – um ein bloßes Redaktionsversehen handeln.
439ccc) Auch eine teleologische Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass sich das Merkmal „öffentlich“ nicht auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bezieht. Eine Auslegung des Begriffs dahingehend, dass sich dieser nur auf Einrichtungen von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bezieht – so die Klägerin zu 2. – oder dass die Einrichtung jedenfalls der Allgemeinheit zugänglich sein muss, lässt sich mit dem Normzweck nicht vereinbaren.
440Ebenso wenig, wie es bei Schulen – auf die sich das Merkmal „öffentlich“ unstreitig bezieht – darauf ankommt, ob sie sich in öffentlicher oder privater Trägerschaft befinden,
441vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 114; so auch Erlass des Ministeriums des Innern des Beklagten vom 4. Mai 2023 – 13.38.07.03-2 –, S. 15,
442kann dies bei Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe der Fall sein.
443Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. August 2022 – 7 A 1558/21 –, juris, Rn. 7 f.
444Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber Leistungen von Trägern der freien Jugendhilfe und von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe grundsätzlich als gleichrangig und gleichwertig erachtet,
445vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII; Herbe, in: BeckOGK, 1. April 2023, § 3 SGB VIII, Rn. 1,
446ist der Begriff der Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW im Lichte des glücksspielrechtlichen Regelungszusammenhangs auszulegen, der sich an den Zwecken des Minderjährigenschutzes und der Verringerung der Verfügbarkeit von Wettvermittlungsstellen orientiert.
447Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, dass vom Gesetzgeber des landesrechtlichen Abstandsgebots eine Differenzierung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in Anknüpfung an die Trägerschaft der in Rede stehenden Einrichtungen beabsichtigt gewesen und in der Sache gerechtfertigt sein könnte.
448Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. August 2022 – 7 A 1558/21 –, juris, Rn. 10.
449Soweit die Klägerinnen den Begriff dahingehend verstehen, dass die Einrichtung grundsätzlich für die Allgemeinheit zugänglich sein muss, d. h. für einen nicht näher bestimmten oder abgegrenzten Personenkreis, bieten der Normzweck und die Gesetzessystematik für eine derartige Auslegung keinen Raum.
450Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe richten sich bereits ihrem Wortsinn, aber auch ihrem Zweck nach nicht an die Allgemeinheit, sondern nur an eine Teilmenge der Allgemeinheit, nämlich die der Kinder und Jugendlichen. Damit ist verbunden, dass diese Einrichtungen nicht zwingend auch zur Nutzung durch Erwachsene – als Teil der Allgemeinheit – offenstehen. Auch wenn man den Begriff der Allgemeinheit ausschließlich auf Kinder und Jugendliche beziehen will, d. h. ein nicht näher bestimmter oder abgegrenzter Personenkreis von Kindern und Jugendlichen, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Mit Ausnahme etwa von offenen Jugendtreffs und Jugendzentren sind die meisten Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht ohne weiteres für die so verstandene Allgemeinheit zugänglich. Vielmehr besteht für den Zugang zu Einrichtungen wie z. B. Jugendkunst- sowie Jugendmusikschulen, Jugendwerkstätten, Jugendbildungsstätten, Jugendherbergen und Jugendzeltplätze in der Regel ein – der Stellung eines Mitgliedsantrags vergleichbares – Erfordernis, das vor der konkreten Nutzung zu erfüllen ist, etwa in Form einer Anmeldung oder Reservierung. Für den Zugang zu Einrichtungen, in denen Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII angeboten werden, muss diese Hilfe in der Regel zunächst nach Durchlaufen eines Verwaltungsverfahrens behördlich bewilligt werden. Auch der Zugang zu solchen Einrichtungen – insbesondere denjenigen in privater Trägerschaft – kann im Einzelfall verwehrt werden – sei es etwa auf Grundlage der Privatautonomie, des Hausrechts oder eines Kapazitätsmangels oder wenn eine Hilfe zur Erziehung nicht bewilligt wird.
451Dem Argument der Klägerinnen, es liege keine öffentliche Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe vor, wenn der Zugang nur einem klar abgegrenzten Personenkreis möglich sei, auch wenn sich dessen Anzahl erhöhe, kann nicht gefolgt werden. Gegen eine derartige Auslegung spricht in systematischer Hinsicht, dass dadurch an Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe unterschiedliche Anforderungen gestellt würden. Auch die Schüler stellen – parallel zu den (minderjährigen) Mitgliedern eines Vereins – einen klar abgegrenzten Personenkreis dar. In beiden Fällen sind die Anzahl und die Identität der zugangsberechtigten Personen zwar Schwankungen unterworfen. Gleichwohl lässt sich zu jedem Zeitpunkt der Kreis der zugangsberechtigten Personen genau bestimmen. Für solch gegensätzliche Auslegungen des Begriffs der Öffentlichkeit sind auch angesichts der gemeinsamen Regelungszwecke der Abstandsgebote zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe keine Gründe ersichtlich.
452Zu keinem anderen Ergebnis führt ferner die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 2. in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Ansicht, Einrichtungen in privater Trägerschaft könnten bereits deshalb nicht vom Anwendungsbereich der Norm erfasst sein, weil andernfalls ein Wettbewerber die Möglichkeit hätte, durch Gründung eines Vereins, der sich an Kinder und Jugendliche richte, die Erlaubniserteilung für einen Konkurrenzbetrieb zu verhindern. Es versteht sich von selbst, dass diese (sehr theoretische) Möglichkeit keine einschränkende Interpretation des Begriffes der Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erlaubt, zumal mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren der Entwicklung einer Glücksspielsucht ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel verfolgt wird.
453c) Die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle wahrt den Mindestabstand von 100 Metern zu den unter der Anschrift N.------straße 29, M. gelegenen Trainingsräumlichkeiten des M1. M. e. V. nicht.
454Nach § 13 Abs. 13 Satz 3 i. V. m. § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 AG GlüStV NRW ist für die Berechnung des Mindestabstands die Luftlinie zwischen dem Eingang der Wettvermittlungsstelle und der Grenze des Grundstücks der Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe maßgeblich. Diese beträgt nach – infolge des Ortstermins vom 19. Oktober 2022 korrigierter – Messung des Beklagten 79,9 Meter.
455Soweit die Klägerin zu 2. dem mit der Begründung entgegentritt, nicht die Grenze des Grundstücks der Einrichtung, sondern deren Eingang müsse der relevante Bezugspunkt der Messung sein, da ein Abstellen auf die Grundstücksgrenze den Abstand rechtswidrig und willkürlich verkürze, weil dabei unberücksichtigt bleibe, ob sich dort überhaupt ein Zugangspunkt zur Einrichtung befinde oder eventuell physische Hindernisse vorhanden seien, dringt sie damit nicht durch.
456Das Abstellen auf den nächstgelegenen Punkt des Grundstücks der Schule oder Einrichtung und nicht deren Haupt- oder nächstgelegenen Eingang ist nicht willkürlich. Vielmehr verfolgt der Gesetzgeber damit einen sachlichen und vernünftigen Grund. Bei der Berechnung des Mindestabstands hat der Landesgesetzgeber bewusst die Luftlinie zwischen dem Eingang der Wettvermittlungsstelle zur Grenze des Grundstücks der Einrichtung als maßgeblich bestimmt, damit auch bei großen Schulhöfen, die ebenfalls von den Schülern genutzt werden, der Schutzzweck nicht nur eingeschränkt verwirklicht wird.
457Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 114, mit Verweis auf LT-Drs. 17/12978, S. 80, wonach darüber hinaus diese Ausnahmevorschrift auch auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe Anwendung findet; VG Minden, Urteil vom 16. Februar 2023 – 3 K 990/22 –, juris, Rn. 96.
458Diese Pauschalierung ist gleichermaßen bei Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe gerechtfertigt. Auch hier können Außengelände vorhanden sein, die von Kinder und Jugendlichen benutzt werden. Würde insoweit auf den Eingang der Einrichtung und nicht den nächstgelegenen Punkt des Grundstücks abgestellt, würde der Schutzzweck – ohne ersichtlichen Grund für eine andere Handhabung als bei Schulen – nur eingeschränkt verwirklicht.
459d) Ein Ermessensfehler des Beklagten liegt nicht vor.
460Auf der Rechtsfolgenseite der Norm begegnet die Entscheidung des Beklagten, dass im Rahmen der Ermessensausübung (im Ergebnis) keine Gründe bzw. keine besonderen örtlichen Verhältnisse ersichtlich sind, die Anlass zu einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstands (von 100 Metern) geben, keinen rechtlichen Bedenken. Ein Anspruch auf Abweichung vom Mindestabstandsgebot unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls steht den Klägerinnen nicht zu. Das Ermessen des Beklagten war insoweit im hier vorliegenden Einzelfall nicht auf Null reduziert. Die vom Beklagten im streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid sowie in seinem Schreiben vom 19. Oktober 2022 vorgenommene Ermessensausübung stellt sich nicht als ermessensfehlerhaft i. S. v. §§ 114 VwGO, 40 VwVfG NRW dar.
461Besondere örtliche Verhältnisse i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW, die Anlass zu einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstands (von 100 Metern Luftlinie) geben, liegen nicht vor (dazu unter aa)). Die übrigen von den Klägerinnen angebotenen Einschränkungen des Betriebs sowie der Außengestaltung der Wettvermittlungsstelle begründen von vornherein keine besonderen örtlichen Verhältnisse i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW, die Anlass zu einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstands (von 100 Metern Luftlinie) geben könnten (dazu unter bb)).
462aa) Besondere örtliche Verhältnisse i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW, die Anlass zu einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstands (von 100 Metern) geben, liegen nicht vor. Nach dieser Norm,
463das erkennende Gericht legt im Rahmen der Gesetzesauslegung zu Grunde, dass § 13 Abs. 13 Sätze 3-5 AG GlüStV NRW auch auf privilegierte Bestandswettvermittlungsstellen i. S. v. § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW Anwendung finden können (so der Sache nach auch OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 107); ferner geht das Gericht davon aus, dass § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW als lex specialis gegenüber § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GlüStV 2021 abschließend regelt, unter welchen Voraussetzungen vom Mindestabstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe abgewichen werden kann; vgl. insoweit auch VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 173,
464darf die für die Erlaubnis zuständige Behörde unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes im Einzelfall von der Maßgabe zum Mindestabstand abweichen. Insoweit – und nur insoweit – steht der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten Ermessen offen. Dem Zweck dieser Ermächtigung (§§ 114 VwGO, 40 VwVfG NRW) entspricht es allerdings, wenn sich die Behörde bei ihren Entscheidungen von der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW leiten lässt und grundsätzlich nur in atypischen Fällen, in denen dies nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip überhaupt erwägenswert ist, eine Unterschreitung des Mindestabstands in Betracht zieht.
465Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 107 f.; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 10. Februar 2020 – 4 B 1253/18 –, juris, Rn. 33 ff. (dort zum Mindestabstand von Spielhallen untereinander); vgl. auch VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 127: „Aufgrund der gesetzlichen Formulierung, dass der Mindestabstand nicht unterschritten werden "soll" und die Behörde von diesem abweichen "darf", liegt eine durch den Landesgesetzgeber intendierte Entscheidung vor. Ausnahmen sind nur restriktiv zugelassen. Nur wenn ein wichtiger Grund der vorgesehenen Handhabung entgegensteht, also in atypischen Fällen, darf die Behörde anders verfahren als im Gesetz vorgesehen ist.“
466Die Abweichungsmöglichkeit hat der Landesgesetzgeber nämlich (nur) für Fälle vorgesehen, in denen örtlichen Besonderheiten Rechnung getragen werden soll, deren Vernachlässigung ggf. Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Abstandsregelung aufkommen lassen könnte.
467Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 10. Februar 2020 – 4 B 1253/18 –, juris, Rn. 38 (dort zum Mindestabstand von Spielhallen untereinander); vgl. allerdings dazu, dass selbst ein Luftlinienabstandserfordernis von 500 Metern ohne Abweichungsmöglichkeit verfassungsmäßig sein kann, aus dem Spielhallenrecht BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris (in Bezug genommen von OVG Münster, Beschluss vom 10. Februar 2020 – 4 B 1253/18 –, juris, Rn. 36 ff.); schon vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass zu einer extensiven Auslegung der Ausnahmeregelung des § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW.
468Im Rahmen der Ermessensentscheidung sind auch die besonderen Anforderungen des Kinder- und Jugendschutzes, denen der Mindestabstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe dient, zu berücksichtigen.
469Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 111 f.; vgl. auch Ministerium des Innern des Beklagten, Erlass vom 4. Mai 2023 – 13.38.07.03-2 –, S. 16 f.
470Ob im Zusammenhang dieser Ermessensausübung entsprechend bzw. analog § 5 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung über die Annahme- und Wettvermittlungsstellen des Landes Nordrhein-Westfalen – AnVerVO NRW – insbesondere auch bauplanungsrechtliche Vorgaben der Standortgemeinden (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AnVerVO NRW), städtebauliche Besonderheiten hinsichtlich des jeweiligen Standortes und der Lage (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AnVerVO NRW) und die minimale Unterschreitung des Abstandsgebots (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AnVerVO NRW) berücksichtigt werden können,
471so OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 109 ff.; Ministerium des Innern des Beklagten, Erlass vom 4. Mai 2023 – 13.38.07.03-2 –, S. 16; § 5 Abs. 3 Satz 2 AnVerVO NRW bezieht sich nach seinem Wortlaut nur auf das Mindestabstandsgebot des § 13 Abs. 13 Satz 1 AG GlüStV NRW, d. h. das Mindestabstandsgebot der Wettvermittlungsstellen untereinander,
472bzw. ob insoweit die Voraussetzungen einer Analogie vorliegen, kann im vorliegenden Einzelfall auf sich beruhen.
473Zweifelhaft erscheint möglicherweise auch, was im hier vorliegenden Einzelfall jedoch ebenfalls dahinstehen kann, ob das auf der verordnungsrechtlichen Ebene des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AnVerVO NRW geregelte Kriterium der – wie auch immer rechtssicher zu bestimmenden – „minimalen Unterschreitung des Abstandsgebotes“, die auf der (höherrangigen) formellgesetzlichen Ebene des § 13 Abs. 13, Abs. 15 i. V. m. § 5 Abs. 6 AG GlüStV NRW normierten – konkret bestimmbaren – Abstandsgebote einzuschränken vermag, was der Rechtssicherheit als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) abträglich wäre.
474Vorliegend begründen nämlich weder – hier nicht vorliegende – bauplanungsrechtliche Vorgaben der Standortgemeinde (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AnVerVO NRW) noch – hier im Ergebnis nicht vorliegende – städtebauliche Besonderheiten hinsichtlich des jeweiligen Standortes und der Lage (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AnVerVO NRW),
475vgl. dazu Ministerium des Innern des Beklagten, Erlass vom 4. Mai 2023 – 13-38.07.03-2 –, S. 7: „Städtebauliche Besonderheiten hinsichtlich des jeweiligen Standortes und der Lage sind Besonderheiten, die sich aus dem Bau von Straßen, Wegen und Gebäuden oder aus einem den Städtebau prägenden Gelände ergeben. Der Weg zu einer anderen Wettvermittlungsstelle kann, trotz Unterschreitung des Mindestabstandes von 350 Metern Luftlinie, aufgrund der städtebaulichen Anforderungen wesentlich länger sein, zum Beispiel aufgrund von Bahnlinien, Flussverläufen, Sackgassen, Höhenunterschieden. In diesem Fällen können die Bezirksregierungen im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens eine Ausnahme vom Mindestabstand zulassen.“; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 109 f.: „(…) etwa Geländehindernisse wie Bahnlinien oder Flussläufe, die die fußläufige Erreichbarkeit atypisch erschweren (…)“,
476noch eine – hier bei dem in Rede stehenden Abstand von 79,9 Metern nicht vorliegende – minimale Unterschreitung des Abstandsgebots (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AnVerVO NRW) besondere örtliche Verhältnisse im Umfeld des hier in Rede stehenden Standortes bzw. einen atypischen Fall, der den Beklagten dazu veranlassen könnte, eine Unterschreitung des Mindestabstands von 100 Metern in Betracht zu ziehen.
477Insbesondere liegen hier im Ergebnis keine städtebaulichen Besonderheiten hinsichtlich des jeweiligen Standortes und der Lage (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AnVerVO NRW) vor, die zur Annahme eines atypischen Falls führen könnten.
478Zwar stellte der Beklagte im Ortstermin am 19. Oktober 2022 fest, dass die maßgebliche Trainingshalle – anders als zuvor angenommen – nicht direkt an der N.------straße , sondern in einem Gebäudekomplex rückseitig der Bebauung der N.------straße an der L. Straße liegt und sich in der Umgebung des aufgrund der Rechtslage maßgeblichen Messpunkts des Grundstücks der Vereinsräumlichkeiten kein Zugang zum Grundstück und zur Vereinshalle befindet.
479Vgl. in diesem Zusammenhang Erlass des Ministeriums des Innern des Beklagten vom 4. Mai 2023 – 13-38.07.03-2 –, S. 14 f.: „Damit ist auch klar, dass jeweils der am nächsten an dem Eingang der Wettvermittlungsstelle liegende Punkt des (Schul-) Grundstücks der Messung zu Grunde zu legen ist unabhängig davon, ob hier auch ein Zugang besteht“.
480Ob eine vertiefte Prüfung einer Abweichung durch den Beklagten im vorliegenden Einzelfall überhaupt angezeigt war, bedarf keiner Entscheidung. Der Beklagte weist in den Ausführungen in seinem an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1. und die Klägerin zu 2. gerichteten Schreiben vom 19. Oktober 2022 darauf hin, dass eine Ausnahmesituation, die eine Erlaubniserteilung rechtfertige, weiter nicht vorliege. Hierzu führt der Beklagte beanstandungsfrei aus, dass für Jugendliche, die in den westlich und südlich der Sporthalle liegenden Wohngebieten wohnten, der Fuß- und Fahrradweg L. Straße den Weg von der Vereinshalle zu ihren Wohnstandorten in Richtung auf die N.------straße kanalisiere; dort, wo der Fahrradweg die N.------straße erreiche, sei die Wettvermittlungsstelle gut zu erkennen; Jugendliche, die in Richtung Süden führen, kämen sogar unmittelbar an der Wettvermittlungsstelle vorbei. Hiermit hat der Beklagte seine Ermessenserwägungen im Ablehnungsbescheid vom 26. September 2022, dass es vor dem Hintergrund der – wenngleich zunächst falsch gemessenen – geringen fußläufigen Entfernung und der exponierten Lage der Wettvermittlungsstelle nahezu unvermeidbar sei, dass die minderjährigen Vereinsmitglieder die Wettvermittlungsstelle auf ihrem Weg zu den Sportstätten oder nach Hause wahrnähmen und sich an ihre Präsenz und Verfügbarkeit gewöhnten, in zulässiger Weise ergänzt. Die nachgeschobenen Gründe lagen schon bei Erlass des Ablehnungsbescheids vom 26. September 2022 vor, veränderten diesen nicht in seinem Wesen und beeinträchtigten die Klägerinnen nicht in ihrer Rechtsverteidigung,
481vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 46.12 –, juris, Rn. 32.
482Vor diesem – zur Überzeugung des erkennenden Gerichts nach gerichtlicher Auswertung der vorhandenen Messungen des Beklagten, der gefertigten Lichtbilder des Beklagten und des Vermerks über die vom Beklagten durchgeführte Ortsbesichtigung sowie nach gerichtlicher Auswertung von (allgemeinkundigen),
483vgl. dazu, dass allgemeinkundige Tatsachen, die allen Beteiligten bekannt sind oder über die sie sich durch Benutzung allgemein zugänglicher Erkenntnisquellen unschwer informieren können und von denen sie wissen, dass sie erheblich sein können, den Beteiligten nicht mitgeteilt werden müssen und das Gericht sie ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs verwerten kann, Breunig, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, 66. Edition, Stand 1. Juli 2023, § 108 VwGO Rn. 39,
484Luftbildaufnahmen unter Google Maps, vom Beklagten zutreffend zu Grunde gelegten – Hintergrund ist angesichts des Ziels der Mindestabstandsregelung in § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW, den Eintritt eines Gewöhnungseffekts bei Kindern und Jugendlichen an die Existenz stationärer Wettvermittlungsstellen (in ihrem alltäglichen Lebensumfeld um öffentliche Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe herum) zu vermeiden, vorliegend kein Raum für die Annahme eines atypischen Falls i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW, der wegen Vorliegens besonderer örtlicher Verhältnisse eine Abweichung vom Mindestabstandserfordernis erlauben würde. Der Beklagte hat dementsprechend sein Ermessen im streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid fehlerfrei ausgeübt.
485Nichts anderes folgt daraus, dass laut Schreiben des Beklagten vom 19. Oktober 2022 die fußläufige Entfernung knapp 180 Meter,
486hier bezieht sich der Beklagte offenbar auf die fußläufige Gehwegentfernung von 177,9 Metern zwischen dem Eingang der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle und dem Eingang des Grundstücks, auf dem sich die Räumlichkeiten des M1. M. e. V. befinden,
487betrage. Weiterer Ausführungen hierzu bedurfte es nicht, da besondere örtliche Verhältnisse ersichtlich nicht vorliegen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass, da der Gesetzgeber die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle von einem nach der Luftlinie bemessenen Mindestabstand zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe abhängig machen darf, dies auch dann gilt, wenn die tatsächliche Wegstrecke im Einzelfall mehr als das Doppelte des nach der Luftlinie bemessenen Mindestabstands (hier: 100 Meter nach § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW) beträgt.
488Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 8 B 32.17 –, juris, Rn. 3 (dort zur vergleichbaren Frage des Mindestabstands zwischen Spielhallen untereinander nach baden-württembergischem Recht).
489Dementsprechend hat der Beklagte ermessensfehlerfrei die gegenüber der maximalen Luftlinienentfernung (100 Meter nach § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW) nur moderat längere Fußwegentfernung zwischen Eingang der Wettvermittlungsstelle und Eingang des Vereinsgrundstücks (177,9 Meter und damit knapp 180 Meter) für sich genommen (ebenfalls) nicht als atypisch bewertet, zumal der Fußweg hier noch nicht einmal durch Geländehindernisse wie etwa Bahnlinien, Flüsse oder Sackgassen erschwert wird. Ungeachtet aller weiteren Fragen ist nämlich – wie bereits ausgeführt – höchstrichterlich geklärt, dass die fußläufige Erreichbarkeit selbst dann noch nicht atypisch erschwert ist, wenn die tatsächliche Wegstrecke im Einzelfall mehr als das Doppelte des nach der Luftlinie bemessenen Mindestabstands (hier: 100 Meter nach § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW) beträgt.
490Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 8 B 32.17 –, juris, Rn. 3 (in Bezug genommen von OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 120 f. (dort zum Mindestabstand zwischen einer Wettvermittlungsstelle und einer Schule); vgl. in diesem Zusammenhang im Übrigen dazu, dass selbst ein Luftlinienabstandserfordernis von 500 Metern ohne Abweichungsmöglichkeit verfassungsmäßig sein kann, aus dem Spielhallenrecht BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 153.
491Im Übrigen ist für die Frage des Vorliegens eines – hier zu verneinenden – atypischen Falles vorliegend weder auf die fußläufige Entfernung zwischen dem Eingang der Wettvermittlungsstelle und dem Eingang des Zugangs zum Vereinsgrundstück noch auf die fußläufige Entfernung zwischen dem Eingang der Wettvermittlungsstelle und dem Eingang der Vereinsräumlichkeiten abzustellen. Dies folgt daraus, dass der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber bewusst bei der Berechnung des Mindestabstands die Luftlinie zwischen dem Eingang der Wettvermittlungsstelle und der Grenze des Grundstücks der Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe als maßgeblich bestimmt hat, damit auch bei großen Schulhöfen – oder wie hier Grundstücken von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe –, die ebenfalls von den Schülern bzw. Kindern und Jugendlichen benutzt werden, der Schutzzweck nicht nur eingeschränkt verwirklicht wird.
492Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 122 f. (dort zum Mindestabstand zwischen einer Wettvermittlungsstelle und einer Schule); vgl. auch den Gesetzentwurf der nordrhein-westfälischen Landesregierung zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrages, LT-Drs. 17/12978, S. 80: „Eine Ausnahme von der Maßgeblichkeit der Eingänge ist für die Abstände zu Schulen vorgesehen. Hierbei ist die Entfernung zwischen dem Eingang der Annahmestelle und der Grenze des Grundstücks maßgeblich. Hintergrund ist der abweichende Schutzzweck dieses Mindestabstands. Der Mindestabstand zu öffentlichen Schulen dient dem Minderjährigenschutz. Diese sollen nicht in größerem Umfang als erforderlich mit Spielstätten und Glücksspielen in Berührung kommen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf öffentliche Schulen, weil sich die Minderjährigen und deren Eltern vor dem Hintergrund der Schulpflicht dem Besuch nicht entziehen können. Der Eingang von Schulgebäuden befindet sich regelmäßig nicht unmittelbar an der Grundstücksgrenze. Vielmehr sind häufig größere Schulhöfe, Parkplätze oder Schulsportanlagen vorhanden, welche ebenfalls von den Schülerinnen und Schülern genutzt werden. Bei einer Messung ab dem Eingang würde dies unberücksichtigt bleiben und der Schutzzweck nur eingeschränkt verwirklicht. Diese Ausnahmevorschrift findet auch Anwendung auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.“
493bb) Die übrigen von den Klägerinnen angebotenen Einschränkungen der Wettvermittlungsstelle begründen von vornherein keine besonderen örtlichen Verhältnisse i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW, die Anlass zu einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstands (von 100 Metern Luftlinie) geben könnten. Soweit die Klägerin zu 1. – ungeachtet der hier vorliegenden örtlichen bzw. topographischen Situation – vorträgt, eine Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis unter einer Auflage, dass das Betriebskonzept der Wettvermittlungsstelle bei der Außengestaltung oder Wahrnehmbarkeit sowie hinsichtlich des vorgehaltenen Angebotes angepasst werde, sei angesichts des mit der Erlaubnisablehnung verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in ihre Berufsfreiheit zwingend geboten,
494ein Gewöhnungseffekt ließe sich, so die Klägerin zu 1. weiter, leicht durch Einschränkungen bei der Außengestaltung unterbinden, da in diesem Fall die Möglichkeit verhindert sei, die Wettvermittlungsstelle jemals „in Betrieb“ beobachten zu können,
495so vermag diese Argumentation bereits von vornherein nicht zum Vorliegen eines atypischen Falles i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW zu führen. Nach dieser Norm darf die für die Erlaubnis zuständige Behörde unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes im Einzelfall von der Maßgabe zum Mindestabstand abweichen. Wie sich danach schon aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW ergibt, können nur örtliche, d. h. topographische, Besonderheiten auf der Rechtsfolgenseite einen atypischen Fall begründen, so dass weder etwaige Vorkehrungen zur Vermeidung von Anreizwirkungen bzw. eine Einschränkung der Außengestaltung noch eine Anpassung des Angebots der Wettvermittlungsstelle,
496diese Umstände stellen sämtlich keine örtlichen Besonderheiten im Sinne der Norm dar,
497einen atypischen Fall begründen können.
498Vgl. VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 129 ff.
499Daher begründet der Vorschlag des Mitarbeiters der Klägerin zu 2., Herrn D. P. , den Eingang der Wettvermittlungsstelle auf die Gebäuderückseite zu verlegen, ebenso wenig einen atypischen Fall. Wie der Beklagte in seinem Schreiben vom 19. Oktober 2022 diesbezüglich zudem beanstandungsfrei ausführt, belaufe sich der Abstand vom Hallengrundstück zum Eingang der Wettvermittlungsstelle dann immer noch auf 87 Meter,
500vgl. die Messung des Beklagten von 86,3 Metern,
501wobei die daraus resultierende Mindestabstandsunterschreitung im Umfang von 13 Metern nicht nur minimal sei. Hinzu komme – was im Ergebnis dahinstehen kann –, dass bei einer Verlegung des Eingangs der Wettvermittlungsstelle auf die Gebäuderückseite die Einsehbarkeit für die Öffentlichkeit nicht mehr gewährleistet sei (vgl. § 13a Abs. 1 AG GlüStV NRW).
502Soweit die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang wiederum einen „schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit“ geltend macht, ist darauf zu verweisen, dass es sich bei § 13 Abs. 13 Satz 2, Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW – wie bereits unter A I. 2. a) aa) ausgeführt – lediglich um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit handelt, der in seiner Intensität einem Eingriff in die Freiheit der Berufswahl auch nicht nahekommt, wohingegen auf der anderen Seite mit dem Schutz der Bevölkerung allgemein bzw. von Kindern und Jugendlichen im Besonderen vor den Gefahren der Entwicklung einer Glücksspielsucht (sogar) ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel verfolgt wird, das selbst eine – hier nicht vorliegende – objektive Berufswahlbeschränkung zu rechtfertigen vermögen würde. § 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW privilegiert darüber hinaus,
503ohne dass dies im Übrigen – wie bereits im Rahmen der Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG unter A I. 2. a) cc) aaa) im Einzelnen ausgeführt – verfassungsrechtlich zwingend gewesen wäre,
504Wettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bereits bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben, und trägt so Vertrauensschutzgesichtspunkten der Betreiber dieser sog. Bestandswettvermittlungsstellen Rechnung.
505Vor dem Hintergrund der divergierenden verfassungsrechtlichen Positionen hat der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber mit § 13 Abs. 13, Abs. 15 AG GlüStV NRW bereits abstrakt-generell eine – verfassungskonforme – Abwägung zwischen den verfassungsrechtlichen Positionen der Veranstalter und Vermittler von Sportwetten aus Art. 12 Abs. 1 GG und dem – wie bereits ausgeführt – in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten Schutz der Bevölkerung allgemein bzw. von Kindern und Jugendlichen im Besonderen vor den Gefahren der Entwicklung einer Glücksspielsucht getroffen. Darüberhinausgehend ist eine restriktive Auslegung der Vorschrift des § 13 Abs. 13 AG GlüStV NRW, um der Berufsfreiheit der Veranstalter und Vermittler von Sportwetten angemessen Rechnung zu tragen, daher nicht mehr angezeigt.
506Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die von der Klägerseite im Gegenzug für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis angebotenen Maßnahmen auch verfassungsrechtlich kein milderes, gleich geeignetes Mittel gegenüber der Versagung der Erlaubnis für die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle im räumlichen Umfeld der Trainingshalle des M1. M. e. V. – einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe i. S. v. § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW – darstellen. Dies gilt auch für die von der Klägerin zu 1. ins Spiel gebrachte – nicht näher präzisierte – Anpassung des Betriebskonzepts und der Außengestaltung sowie der Öffnungszeiten der Wettvermittlungsstelle. Soweit diese darauf gerichtet sein sollen, zu verhindern, dass die Wettvermittlungsstelle „im Betrieb“ beobachtet wird, würde diese Maßnahme jedenfalls nicht verhindern, dass minderjährige Vereinsmitglieder die Wettvermittlungsstelle als solche wahrnehmen, auch wenn dort dann zu dem jeweiligen Zeitpunkt keine Spieler Sportwetten platzieren sollten. Anpassungen der Außengestaltung der Wettvermittlungsstelle wiederum verhindern – wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zutreffend ausgeführt hat – nicht, dass Schüler wahrnehmen können, wie Erwachsene die Wettvermittlungsstelle betreten, so dass die Teilnahme an Sportwetten in einer Wettvermittlungsstelle Schülern als (scheinbar) sozial akzeptierte Freizeitbeschäftigung von Erwachsenen erscheinen kann.
507II. Vor dem Hintergrund des unter I. ausgeführten haben die Klägerinnen auch keinen Anspruch auf die – von der Klägerin zu 1. ausdrücklich hilfsweise beantragte, von der Klägerin zu 2. als Minus zu ihrem Vornahmeantrag ebenfalls begehrte – Verpflichtung des Beklagten, den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift N.------straße 40-42, M. neu zu bescheiden, da der Beklagte sein Ermessen, wie unter A. I. 3. c) bereits ausgeführt, jedenfalls mit dem ergänzenden Schreiben vom 19. Oktober 2022 fehlerfrei ausgeübt hat bzw. ein atypischer Fall, der dem Beklagten Anlass zu weiteren Ermessenserwägungen gegeben hätte, hier nicht vorliegt.
508III. Die unter Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids vom 26. September 2022 erfolgte Gebührenfestsetzung verletzt die Klägerin zu 1. jedenfalls nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung i. H. v. 375,- Euro ist die hier maßgebliche,
509vgl. dazu, dass sich die für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit maßgebliche Sach- und Rechtslage nach dem jeweils heranzuziehenden materiellen Fachrecht beurteilt, wobei dies bei der Anfechtungsklage im Allgemeinen und vorbehaltlich abweichender Regelungen des materiellen Rechts – die hier nicht vorliegen – die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist, BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2006 – 5 B 90.05 –, juris, Rn. 6,
510Tarifstelle 17.5.1 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung vom 3. Juli 2001 (GV. NRW. S. 262) – AVerwGebO NRW a. F. – i. V. m. § 15 Abs. 2 des – nach seinem § 1 hier anwendbaren – Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. August 1999 – GebG NRW. Nach der genannten Tarifstelle wird für die Entscheidung über die Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle eine Gebühr in Höhe von 500,- Euro bis 5.000,- Euro je Erlaubnisjahr erhoben. Der Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid darauf hingewiesen, dass er lediglich die Mindestgebühr für ein Erlaubnisjahr i. H. v. 500,- Euro zu Grunde gelegt habe. Diese Handhabung dürfte zwar objektiv rechtswidrig sein, da sich die Mindestgebühr von 500,- Euro auf ein einzelnes Erlaubnisjahr bezieht, wohingegen im Verwaltungsverfahren die Erteilung einer sich auf einen längeren Zeitraum beziehenden Erlaubnis antragsgegenständlich war. Die Handhabung des Beklagten verletzt die Klägerin zu 1. jedoch jedenfalls nicht in ihren subjektiven Rechten. Die Gebühr i. H. v. 500,- Euro hat der Beklagte dann gemäß § 15 Abs. 2 Hs. 1 GebG, wonach sich die vorgesehene Gebühr u. a. dann um ein Viertel ermäßigt, wenn ein Antrag – wie vorliegend – aus anderen Gründen als wegen Unzuständigkeit abgelehnt wird, rechtsfehlerfrei um 125,- Euro – was ¼ von 500,- Euro entspricht – ermäßigt.
511B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Fragen verfassungs- und unionsrechtlicher Art aufwirft.
512C. Der von der Klägerin zu 2. beantragten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG bedurfte es nicht, weil aufgrund der bejahten Verfassungsmäßigkeit des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG nicht vorliegen. Anlass zum Aussetzen des Verfahrens und zur Vorlage des Verfahrens an den Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Unterabs. 1 AEUV bestand schon angesichts der hier bejahten Europarechtskonformität der streitgegenständlichen Regelungen nicht. Als erstinstanzliches Gericht, gegen dessen Urteil Rechtsmittel gegeben sind, ist das erkennende Gericht auch nicht gemäß Art. 267 Unterabs. 3 AEUV zur Vorlage verpflichtet.