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21 Abs. 2 GlüStV 2021 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
21 Abs. 2 GlüStV 2021 regelt – bei i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW möglicher verfassungs- und unionsrechtskonformer Auslegung – keine vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unzulässige bzw. vor dem Hintergrund des von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufgestellten Kohärenzgebots unionsrechtlich unzulässige Privilegierung von Spielhallen und Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen.
21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) ist grundsätzlich so zu verstehen, dass die Glücksspielstätte (Spielhalle/Spielbank bzw. Wettvermittlungsstelle), die über die in zeitlicher Hinsicht frühere glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis an die in zeitlicher Hinsicht nachfolgende Glücksspielstätte (Spielhalle/Spielbank bzw. Wettvermittlungsstelle) ausschließt.
Wenn eine Wettvermittlungsstelle zeitlich vor Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis an eine Spielhalle/Spielbank hingegen offensichtlich die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erfüllte und aus vom Sportwettveranstalter bzw. Sportwettvermittler nicht zu vertretenden Gründen nur deshalb keine glücksspielrechtliche Erlaubnis für sie erlangt werden konnte, weil (für den Zeitraum bis Oktober 2020) Sportwettveranstalter faktisch keine Konzessionen erhalten konnten, so kann § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 der Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die Wettvermittlungsstelle nicht entgegengehalten werden.
Die zur Annahme eines gemeinsamen Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 erforderliche Nähebeziehung liegt jedenfalls bei in geschlossener Bauweise unmittelbar aneinandergrenzenden Grundstücken auch dann vor, wenn eine Möglichkeit, im Gebäudeinnern zwischen den verschiedenen Glücksspielstätten zu wechseln, nicht besteht, sondern zum Wechsel der öffentliche Straßenraum betreten werden muss.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin zu 1., eine in Malta ansässige Limited, die über eine bundesweite Konzession für die Veranstaltung und den Vertrieb von Sportwetten verfügt, ist Veranstalterin von Sportwetten. Sie wendet sich – ebenso wie die Klägerin zu 2. – gegen die mit Bescheid des Beklagten vom 25. August 2021 erfolgte Versagung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle für Sportwetten am Standort F. Straße 77, H. (Westfalen) durch die Klägerin zu 2. als Wettvermittlerin. Unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen) befindet sich eine Spielhalle.
3Unter dem 18. Mai 1988 erteilte die Stadt H. (Westfalen) der GM-Gaststätten- und Unterhaltungs GmbH eine Baugenehmigung zum Umbau und zur Nutzungsänderung einer Bar in eine Spielhalle unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen).
4Unter dem 11. Dezember 2001 erstattete Frau H1. F1. gegenüber der Stadt H. (Westfalen) eine gewerberechtliche Anmeldung zum Betrieb einer Spielhalle unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen) ab dem 11. Dezember 2001. Unter Nummer 28 des Anmeldeformulars wurde die Frage, ob eine Erlaubnis vorliegt, bejaht und auf eine Erlaubnis vom 6. Dezember 2001, ausgestellt von der Stadt H. (Westfalen), Bezug genommen. Nach den von der Klägerseite nicht bestrittenen Angaben des Beklagten wurde die Spielhalle ab diesem Zeitpunkt durchgehend mit einer gewerbe- bzw. glücksspielrechtlichen Erlaubnis betrieben.
5Unter dem 17. Oktober 2013 erteilte die Stadt H. (Westfalen) Frau H2. L1. auf deren Antrag eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Teils einer (damals) vorhandenen Gaststätte als Wettannahmestelle für Sportwetten. Als Grundstück, auf das sich die Baugenehmigung beziehen sollte, wurde textlich – irrtümlich – die F. Straße 75 (anstelle der zutreffenden Hausnummer 77) in H. (Westfalen) angegeben.
6Unter dem 19. Mai 2016 erteilte die Stadt H. (Westfalen) der L. GbR eine – bis zum 30. Juni 2017 befristete – glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen). Gleichfalls unter dem 19. Mai 2016 erteilte die Stadt H. (Westfalen) der L. GbR eine (unbefristete) gewerberechtliche Erlaubnis gemäß § 33i Abs. 1 GewO zum Betrieb einer Spielhalle unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen).
7Unter dem 21. Juni 2016 erteilte die Stadt H. (Westfalen) sowohl Herrn B1. L. als auch Frau I. E. – jeweils mit gesondertem Erlaubnisbescheid – eine – jeweils bis zum 30. Juni 2017 befristete – glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen). Gleichfalls unter dem 21. Juni 2016 erteilte die Stadt H. (Westfalen) sowohl Herrn B1. L. als auch Frau I. E. – jeweils mit gesondertem Erlaubnisbescheid – eine (unbefristete) gewerberechtliche Erlaubnis gemäß § 33i Abs. 1 GewO zum Betrieb einer Spielhalle unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen).
8Unter dem 27. Juni 2017 erteilte die Stadt H. (Westfalen) Herrn B. L. eine – bis zum 30. Juni 2021 befristete – glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen).
9Die Klägerin zu 1. beantragte mit am 4. Februar 2020 bei der Bezirksregierung Münster eingegangenem Schreiben die Erlaubnis zum Betrieb mehrerer Wettvermittlungsstellen, darunter auch die im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen).
10Unter dem 5. Februar 2021 führte der Beklagte eine Ortsbesichtigung des Umfelds der F. Straße 77, H. durch. Ausweislich der Ortsbesichtigung wurden folgende Feststellungen getroffen: „Richtige Hausnummer ist 77. Eingang rechts an der Straßenseite, ein Drittel der Länge von rechter Seitenwand entfernt. Einsehbarkeit ist durch Schaufenster gegeben. Hausnummer 75 enthält eine Spielhalle, anderer Gebäudecharakter, aber geschlossene Bauweise; Tür zu Tür Entfernung ca. 25 m, U. -Schild von Spielhallentür erkennbar. Dazwischen ist mit Hausnummer 77a eine Tür, die nicht zu WVSt. (Anmerkung des Gerichts: Wettvermittlungsstelle) zu führen scheint.“
11Mit an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1. gerichtetem Schreiben vom 18. März 2021 teilte der Beklagte mit, dass er nach Prüfung des Vorgangs beabsichtige, den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Vermitteln von Sportwetten in der Wettvermittlungsstelle F. Straße 77, H. (Westfalen) abzulehnen, und räumte gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme ein.
12Unter dem 22. Juni 2021 erteilte die Stadt H. (Westfalen) der L. & E. GbR eine – bis zum 31. Dezember 2028 befristete – glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle unter der Adresse F. Straße 75, H. (Westfalen).
13Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2021 nahmen die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1. zum Anhörungsschreiben des Beklagten vom 18. März 2021 inhaltlich Stellung. Sie machten im Wesentlichen geltend, ein Verstoß gegen das Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020 – GlüStV 2021 – liege hier nicht vor. Der Umstand allein, dass die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle in geschlossener Bauweise neben einem Gebäude liege, in dem sich eine Spielhalle befinde, reiche zur Bejahung eines Gebäudekomplexes im Sinne der Norm nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen nicht aus.
14Mit Bescheid vom 25. August 2021 – gerichtet an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1. sowie an die Klägerin zu 2. – lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin zu 1. auf Erteilung der Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Adresse F. Straße 77, H. ab (Ziffer 1), setzte für die Entscheidung eine Gebühr in Höhe von insgesamt 375,- Euro fest (Ziffer 2), erlegte die Gebühr der Klägerin zu 1. auf (Ziffer 3), und setzte fest, dass die Gebühr mit gesondertem Bescheid angefordert wird (Ziffer 4). Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus:
15Der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle in Nordrhein-Westfalen setze gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 sowie § 13 Abs. 1 Satz 1 AG GlüStV NRW eine behördliche Erlaubnis voraus. Die vorliegende Baugenehmigung ersetze eine glücksspielrechtliche Erlaubnis nicht und verleihe auch keinen Schutz vor einer Versagung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis. Aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. März 2017 – 4 B 919/16 – könne auch kein Bestandsschutz für die Wettvermittlungsstelle hergeleitet werden. In dem genannten Beschluss habe das Oberverwaltungsgericht lediglich festgestellt, dass der Wettbürobetreiber seinerzeit durch eine Untersagungsverfügung nicht daran habe gehindert werden können, Sportwetten an im Ausland konzessionierte Anbieter zu vermitteln; diese Feststellung habe aber ausdrücklich nur „bis zur Änderung der Sach- und Rechtslage“ gelten sollen. Dieser Beschluss habe maßgeblich auf der Erwägung beruht, dass für private Sportwettvermittler ein Erlaubnisverfahren, das transparent, diskriminierungsfrei und gleichheitsgerecht ausgestaltet sei und praktiziert werde, seinerzeit nicht bestanden habe. Seit diesem Beschluss sei jedoch eine für die rechtliche Beurteilung erhebliche Änderung der Rechtslage dadurch eingetreten, dass die Länder der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2020 zu einem offenen Konzessionierungsverfahren ohne Begrenzung der Anzahl der Konzessionen übergegangen seien, und das Erlaubnisverfahren auch in Nordrhein-Westfalen sei dementsprechend neugestaltet worden.
16In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens könne die beantragte Erlaubnis im vorliegenden Fall nicht erteilt werden. Der Erlaubnis stehe wegen der im Nachbarhaus betriebenen Spielhalle das Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 entgegen. Nach dieser Norm dürften Sportwetten in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich eine Spielhalle oder eine Spielbank befinde, nicht vermittelt werden. Der Begriff des Gebäudekomplexes sei dabei nicht vornehmlich anhand des Baurechts, sondern nach dem Zweck des § 1 Satz Nr. 1 GlüStV 2021, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, auszulegen. Entscheidend sei, ob die räumliche Nähe und die äußere Gestaltung des Baukomplexes die Gefahr in sich bergen würden, den nach der Zielsetzung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 unerwünschten Anreiz zu bieten, sich weiterem Glücksspiel zuzuwenden. Eine wirksame Spielsuchtprävention könne nur durch eine räumliche Entzerrung unterschiedlicher Glücksspielgelegenheiten gelingen. Ein Gebäudekomplex könne danach bereits dann vorliegen, wenn zwei Gebäude durch eine geschlossene Bauweise miteinander verbunden seien. Im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen einschränkenden Auslegung der Vorschrift anhand ihres Schutzzwecks seien aneinandergebaute Gebäude jedoch nur dann als Gebäudekomplex zu werten, wenn zwischen den benachbarten Glücksspielstätten eine gewisse Griffnähe bestehe. Die Annahme eines Gebäudekomplexes setze allerdings nicht die Möglichkeit voraus, im Innern von einer Spielstätte zur andern wechseln zu können. Gemeinsame Zugänge sprächen vielmehr bereits für das Vorliegen eines Gebäudes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021. Demnach könne es für einen Gebäudekomplex gerade nicht auf einen gemeinsamen Zugang zu Spielhalle und Wettvermittlungsstelle ankommen.
17Gemessen an diesem Maßstab werde das Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 vorliegend durch die Kombination von Spielhalle und Wettvermittlungsstelle in den Häusern F. Straße 75 und 77, H. verletzt. Die erforderliche Griffnähe sei hier gegeben. Die Eingänge zwischen den beiden Glücksspielstätten seien nur ca. 25 Meter voneinander entfernt. Der Eingang zur Spielhalle wende sich dabei nicht etwa von der F. Straße ab; vielmehr sei er schräg angeordnet und habe eine Ausrichtung sowohl zur quer verlaufenden J.----straße als auch zur F. Straße. Zusätzlich könne aufgrund der deutlichen Sichtbarkeit beider Spielstätten von der F. Straße aus – aufgrund ihrer Außenwerbung an den zwei zur F. Straße gelegenen Fenstern und der darüber angebrachten Leuchtreklame sei die Spielhalle als neben der Wettvermittlungsstelle gelegene Einrichtung von der belebten F. Straße aus gut zu erkennen, was in abgeschwächter Form auch für die Wettvermittlungsstelle gelte – auch ortsunkundigen Personen die Existenz der jeweils anderen Einrichtung nicht verborgen bleiben. Für spiel- und wettsuchtgefährdete Besucher schaffe diese räumliche Nähe und Sichtbarkeit einen besonderen Anreiz zur Auswahl dieser Lokalität. Insofern sei gerade die Gefahrenlage, vor der das Trennungsgebot schützen wolle, hier existent. Eine abweichende Einschätzung ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschlüsse vom 4. September 2015 – 4 B 247/15 – und vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –; jeweils im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes). Die Fragen, ob das Wechseln von einer Glücksspielstätte in eine andere kurzläufig ohne Verlassen des Gebäudes möglich sei oder ob der jeweilige Spieler die andere Spielstätte im Blick habe, wenn er die eine verlasse, würden lediglich als denkbare Kriterien für das Vorhandensein der notwendigen Griffnähe genannt. Im Übrigen sei die Frage, ob die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 vorgelegen hätten, vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in den genannten Beschlüssen aus dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren ausdrücklich offengelassen worden. Vor dem Hintergrund zwischenzeitlich zu der Rechtsfrage ergangener obergerichtlicher Rechtsprechung in anderen Ländern (etwa OVG Saarlouis, Beschluss vom 5. September 2018 – 1 B 205/18 – und VGH Mannheim, Urteil vom 4. Juli 2019 – 6 S 1354/18 –) sprächen im vorliegenden Fall jedenfalls mehr Kriterien für als gegen das Vorliegen eines Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021. Im Übrigen bestehe mit dem gemeinsamen zweiten Rettungsweg auch eine funktionale Verbindung zwischen Spielhalle und Wettvermittlungsstelle im Gebäudeinneren.
18Ob ein Verstoß gegen das Trennungsgebot nach § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 zwangsläufig zulasten der Wettvermittlungsstelle gehe, wofür der Wortlaut der Norm spreche, sei in der Rechtsprechung umstritten. Der Ansatz des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, das im Beschluss vom 29. April 2019 – 4 B 1464/14 – darauf abgehoben habe, dass die Sportwettvermittlung drei Jahre vor der Spielhalle bestanden habe, und das daher die einseitige Anwendung des Trennungsgebots zulasten der älteren Sportwettvermittlung abgelehnt habe, spreche vorliegend dafür, die beantragte Erlaubnis für die Wettvermittlungsstelle zu versagen. Die Spielhalle habe nämlich bereits im Jahr 1988 eine Baugenehmigung erhalten, wohingegen die Wettvermittlungsstelle erst im Jahr 2013 eine Baugenehmigung erhalten habe. Auch habe der jetzige Betreiber der Wettvermittlungsstelle erst im Jahr 2017 den Betrieb aufgenommen und damit ein Jahr nach Aufnahme des Spielhallenbetriebs durch ihren jetzigen Betreiber.
19Die Klägerin zu 1. hat gegen diesen Bescheid am 3. September 2021 Klage erhoben.
20Die Klägerin zu 2. hat gegen den diesen Bescheid am 20. September 2021 unter dem Aktenzeichen 9 K 3004/21 Klage erhoben.
21Mit Beschluss vom 26. Juni 2023 sind die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden und werden seitdem gemeinsam unter dem hiesigen Aktenzeichen geführt.
22Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin zu 1. im Wesentlichen geltend: Es bestehe ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Erlaubnis, jedenfalls aber ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
23Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 25. August 2021, der sich ausschließlich auf die Verletzung des Trennungsgebotes nach § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 stütze, sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Die Rechtswidrigkeit folge aus mehreren selbständig tragenden Gründen.
24Erstens stehe dem Anspruch auf Erteilung der begehrten glücksspielrechtlichen Erlaubnis das Trennungsgebot bereits grundsätzlich nicht entgegen, weil § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 sowohl unionsrechts- als auch verfassungswidrig sei. Losgelöst von konkreten Fragen des hier in Rede stehenden Einzelfalls sei die Konstruktion des Trennungsgebots in gleich mehreren Hinsichten mit höherrangigem Recht unvereinbar. Die Norm, die die Vermittlung von Sportwetten in einem Gebäude oder Gebäudekomplex verbiete, in dem sich eine Spielhalle oder eine Spielbank befinde, führe zu einer unzulässigen Privilegierung von Spielhallen und Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen. Aus der Norm folge nämlich einzig und allein ein Verbot der Vermittlung von Sportwetten, nicht jedoch ein Verbot des Betreibens einer Spielhalle oder einer Spielbank. Zwar werde diese Thematik von den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 dahingehend konkretisiert, dass die Wettvermittlung nur durch eine erlaubte Spielhalle oder Spielbank gesperrt werden könne und eine erlaubte Wettvermittlungsstelle wiederum die Erlaubniserteilung für eine später hinzutretende Spielhalle oder Spielbank sperren könne. Auch dieser Umstand ändere jedoch nichts an der rechtswidrigen Privilegierung von Spielhallen und Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen. Sowohl § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 als auch die entsprechende Erläuterung würden nämlich verkennen, dass es – da bis zu diesem Zeitpunkt keine Konzessionen an Sportwettveranstalter hätten erteilt werden können – bis Oktober 2020 rechtlich ausgeschlossen gewesen sei, eine Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle zu erhalten, während seit Jahren flächendeckend Erlaubnisse für Spielhallen erteilt worden seien. Für einen Verstoß gegen § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 spiele es nämlich keine Rolle, ob die Wettvermittlungsstelle in zeitlicher Hinsicht bereits früher betrieben worden sei als die später erlaubte Spielhalle. Nach gefestigter Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sei allerdings in einer derartigen Konstellation der Betrieb der Wettvermittlungsstelle zu dem Zeitpunkt, als die jeweilige Spielhalle noch nicht betrieben worden sei, formell legal gewesen. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen habe nämlich entschieden, dass dem Sportwettbetreiber nicht alleine deshalb die Betätigung habe untersagt werden dürfen, weil er über keine Wettvermittlungserlaubnis verfügt habe. Untersagungsverfügungen seien seinerzeit rechtswidrig gewesen; ebenso habe dem Wettbürobetreiber in sonstiger Hinsicht nicht zum Vorwurf gemacht werden dürfen, über keine Wettvermittlungserlaubnis zu verfügen. Insbesondere habe dem Betreiber der Wettvermittlungsstelle nicht zugemutet werden können, die Erteilung einer Wettvermittlungserlaubnis abzuwarten. Der so gewährte Bestandsschutz werde durch § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 konterkariert, da einer formell legalen Wettvermittlungsstelle eine in zeitlicher Hinsicht erst nachträglich genehmigte Spielhalle in selben Gebäude oder Gebäudekomplex entgegengehalten werden könne. Dass Wettvermittlungsstellen de facto das Fehlen einer Erlaubnis entgegengehalten werden könne, obwohl deren Betreiber auf die in der Vergangenheit bestehende Unmöglichkeit, eine Konzession zu erhalten, keinen Einfluss gehabt hätten, führe zu einer verfassungs- und unionsrechtswidrigen Privilegierung von Spielhallen und Spielbanken.
25Diese Privilegierung der Spielhallen und Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen sei im unionsrechtlichen Sinne inkohärent: Sowohl der Bundesgesetzgeber als auch fast alle Landesgesetzgeber gingen in Übereinstimmung mit medizinischen, psychologischen und pädagogischen Erkenntnissen davon aus, dass von Geldspielgeräten in Spielhallen, Gaststätten und Spielbanken die größten Gefahren für Spieler und Jugend ausgingen. Innerhalb dieser Aufstellorte gingen nach entsprechenden Untersuchungen die größten Gefahren von Geldspielgeräten in Spielhallen aus. Im Jahr 2020 seien nach Angaben der Deutschen Suchthilfestatistik 68,8 % der Patienten mit glücksspielkorrelierten Diagnosen in stationären Suchteinrichtungen im Zusammenhang mit Geldspielgeräten in Spielhallen behandelt worden; 12,7 % der Patienten seien wegen einer Spielsucht im Zusammenhang mit Geldspielgeräten in Gaststätten behandelt worden. Dahingegen hätten lediglich 3,9 % der behandelten Patienten ein problematisches Spielsuchtverhalten im Zusammenhang mit Sportwetten aufgewiesen. Angesichts des danach erheblich größeren Gefährdungspotentials von Spielhallen sei für die Schlechterbehandlung von Wettvermittlungsstellen durch § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 kein rechtfertigender Grund ersichtlich. Die Ansiedlung von Betrieben mit dem gefährlichsten terrestrischen Glücksspielangebot – nämlich Spielhallen – werde durch diese Norm langfristig ermöglicht. Die Privilegierung der gefährlicheren Spielhallen im Vergleich zu den ungefährlicheren Wettvermittlungsstellen verstoße gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot.
26Des Weiteren verstoße § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 auch gegen das Bestimmtheitsgebot. Dies folge daraus, dass diese Norm nicht nur die Wettvermittlung im selben Gebäude, sondern auch im selben Gebäudekomplex verbiete. Der Begriff des Gebäudekomplexes sei nicht hinreichend konkretisiert, auch nicht unter Berücksichtigung der Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag. Ein Blick in die Rechtsprechung verschiedener Obergerichte erhelle, dass zur Auslegung dieses Begriffes völlig unterschiedliche Auffassungen vertreten würden.
27Auch sei das Trennungsgebot spätestens mit der Legalisierung von virtuellen Automatenspielen im Internet als unverhältnismäßig zu bewerten:
28Zunächst sei das Trennungsgebot nicht mehr dazu geeignet, den mit ihm verfolgten Zweck zu verfolgen. Angesichts dessen, dass im Internet Automatenspiel und Sportwetten nebeneinander verfügbar seien, sei das Trennungsgebot nicht zur Vermeidung einer übermäßigen Ausnutzung des Spieltriebs bzw. zur Spielsuchtprävention geeignet. Im Internet sei es für Spieler mit einem Klick möglich, zwischen den jeweiligen Spielformen Automatenspiel und Sportwetten zu wechseln; daran ändere auch die fünfminütige Wartefrist nichts. Selbst bei direkt nebeneinanderliegenden Betrieben würden Spieler im stationären Bereich weitaus stärker geschützt, weil ein Spieler insoweit in einen anderen physischen Betrieb wechseln, sich dort erneut verifizieren und mit der Spielerschutzdatei OASIS abgleichen müsse. Vor dem Hintergrund, dass im Internet ein einfacher und schneller Wechsel zwischen den Glücksspielformen Automatenspiel und Sportwetten möglich sei, könne das für den stationären Bereich normierte Trennungsgebot seine Zielsetzung nicht mehr erreichen. Dies werde auch durch folgende Überlegung deutlich: Kunden einer Wettvermittlungsstelle könnten mit ihrem Smartphone Automatenspiele spielen, während sie parallel stationär Sportwetten platzierten. Dadurch laufe das stationäre Trennungsgebot völlig ins Leere.
29Auch stelle sich das Trennungsgebot nicht als erforderlich dar, da qualitative Anforderungen an das Angebot das mildere Mittel seien. Mit dem Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bestünden beispielsweise bereits wichtige und sinnvolle Vorgaben zum Jugendschutz. Auch der Spielerschutz sei durch den Anschluss an das Spielersperrsystem OASIS gewährleistet. Die Einhaltung dieser Vorgaben zu kontrollieren und Untersagungen gegenüber Betrieben auszusprechen, die diese Vorgaben nicht einhielten, stelle sich als milderes Mittel gegenüber dem Trennungsgebot dar.
30Dadurch, dass die Norm des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 nach alledem unionsrechts- und verfassungswidrig sei, sei sie unanwendbar und könne der von ihr – der Klägerin zu 1. – beantragten Erlaubnis nicht entgegengehalten werden.
31Zweitens läge vorliegend selbst dann, wenn man § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 als unionsrechts- und verfassungskonform ansehe, im hier vorliegenden Einzelfall kein Verstoß gegen das Trennungsgebot vor. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sei das Kriterium des Gebäudekomplexes bei der aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen einschränkenden Auslegung nämlich nicht bereits durch den Umstand erfüllt, dass sich eine Spielhalle sowie eine Wettvermittlungsstelle in zwei unterschiedlichen, in geschlossener Bauweise nebeneinanderliegenden Gebäuden befänden; vielmehr seien weitere Anhaltspunkte für einen örtlichen Zusammenhang, wie etwa eine direkte Verbindung im Gebäudeinneren, die von den Spielern benutzt werden könne, erforderlich, um die nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen geforderte Vergleichbarkeit mit Angeboten innerhalb desselben Geschäftslokals bejahen zu können. Hieran fehle es im vorliegenden Einzelfall. Der Beklagte habe seine Rechtsauffassung im streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid, dass die Wettvermittlungsstelle gegen § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 verstoße, nahezu ausschließlich auf den Umstand gestützt, dass die Wettvermittlungsstelle in geschlossener Bauweise neben einem Gebäude liege, in dem sich eine Spielhalle befinde. Dies widerspreche diametral der bereits geschilderten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, etwa im Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –. Vorliegend fehle es an der danach erforderlichen Griffnähe zwischen streitgegenständlicher Wettvermittlungsstelle und Spielhalle. Eine direkte Verbindung zwischen diesen beiden Glücksspielstätten bestehe nicht. Die jeweiligen Eingänge seien zu unterschiedlichen Straßen ausgerichtet und beim Verlassen des einen Betriebs sei der Eingang des jeweils anderen nicht sichtbar. Zwar möge es sein, dass ein Besucher am Eingang der Spielhalle aus dem Augenwinkel erkennen könne, dass sich in der Nähe auch eine Wettvermittlungsstelle befinde. Die Wahrnehmbarkeit sei aufgrund der schräg versetzten Lage des Eingangs jedoch so gering, dass sie nicht dazu führen könne, einen Spieler zum Betreten der Wettvermittlungsstelle zu verlocken. Darüber hinaus sei es erforderlich, dass ein Spieler nicht beim Betreten der Spielhalle, sondern bei deren Verlassen die Wettvermittlungsstelle im Blick habe; dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall, da ein Spieler beim Verlassen der Spielhalle die Wettvermittlungsstelle „in seinem Rücken“ habe.
32Ein Kunde der Wettvermittlungsstelle könne die Spielhalle nur über den öffentlichen Verkehrsraum erreichen; er müsse zwingend „ins Freie“ gehen und eine gewisse Wegstrecke „an der frischen Luft“ zurücklegen, um zum Spielhalleneingang zu gelangen. Maßgeblich sei in diesem Zusammenhang nicht, wie lange die Wegstrecke zwischen dem Eingang der Wettvermittlungsstelle und dem Eingang der Spielhalle sei. Vielmehr schließe der Umstand, dass ein Spieler – wie vorliegend – überhaupt den öffentlichen Raum betreten müsse, um zwischen den Glücksspielstätten zu wechseln, bereits als solche die Annahme eines gemeinsamen Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 aus. Müsse ein Spieler zunächst das Gebäude verlassen, um die andere Glücksspielstätte zu betreten, sei er einem nicht unerheblichen sozialen Druck ausgesetzt, sich nicht erneut dem Glücksspiel zuzuwenden. Aus suchpräventiver Sicht mache dies einen erheblichen Unterschied. Auch sei ein Wechsel zwischen den Glücksspielstätten, für den der öffentliche Raum betreten werden müsse, nicht mehr bequem.
33Das Erfordernis einer engen Auslegung des Rechtsbegriffs des Gebäudekomplexes in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 ergebe sich auch aus einem systematischen Vergleich mit § 25 Abs. 2 GlüStV 2021, nach dem die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stehe, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht sei, ausgeschlossen sei. Letztere Norm erhelle, dass die Rechtsbegriffe des Gebäudes und des Gebäudekomplexes nur – nicht abschließende – Regelbeispiele für das entscheidende Erfordernis bzw. den Oberbegriff des baulichen Verbundes zwischen Spielhallen seien. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 sei demgegenüber insofern enger gefasst, als diese Norm das Vorliegen eines Gebäudes oder Gebäudekomplexes verlange und das Vorliegen des Oberbegriffs des baulichen Verbundes nicht genügen lasse. Auch daraus folge, dass eine bloße bauliche Verbindung benachbarter Gebäude in geschlossener Bauweise nicht zur Bejahung eines Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 ausreiche. Im Übrigen läge selbst ein baulicher Verbund in casu nicht vor. Unter einem baulichen Verbund sei nämlich eine bauliche Verbindung mehrerer Baukörper zu verstehen, die es ermögliche, sich von dem einen in den anderen Baukörper zu bewegen, ohne den Innenraum zu verlassen; ein baulicher Verbund erfordere (aus der Sicht eines objektiven Dritten) eine bewusste und gewollte Verbindung zur Schaffung einer größeren baulichen Einheit. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.
34Vorliegend bestehe keine reguläre Verbindung im Gebäudeinneren zwischen der Wettvermittlungsstelle, ansässig unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen), und der Spielhalle, ansässig unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen). Der vom Beklagten in Bezug genommene Flur, zu dem von beiden Glücksspielstätten aus möglicherweise Rettungswege mündeten, sei gerade nicht dem regulären Kundenverkehr gewidmet, sondern diene als Notausgang nur der Rettung von Personen im Notfall, so dass ein Übergang von Kunden zwischen den beiden Glücksspielstätten über diesen Flur unmöglich sei. Auch der Umstand, dass die jeweiligen Glücksspielstätten durch ihre Außengestaltung von Ortskundigen als Glücksspielbetriebe wahrgenommen werden könnten, führe nicht zu der erforderlichen Nähebeziehung. Selbst wenn man – entgegen der klägerseits vertretenen Rechtsauffassung – annehmen wollte, dass ein zwischenzeitliches Betreten des öffentlichen Verkehrsraums das Vorliegen eines Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 nicht per se ausschließe, so bedürfte es im Sinne der gebotenen einschränkenden Auslegung der Norm jedenfalls einer – wie auch immer gearteten – Verbindung der jeweiligen Gebäude. Der vorliegende Einzelfall unterscheide sich insofern vom Einzelfall, der dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 4. Oktober 2023 – 3 K 7177/21 – zugrunde gelegen habe, als im dortigen Fall – anders als hier – ein gemeinsamer Hinterhof sowie ein gemeinsamer Balkon, der gleichzeitig als Vordach fungiert habe, vorgelegen habe. Ein Verstoß gegen § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 liege nach alledem im hier vorliegenden Einzelfall nicht vor.
35Drittens hätten ungeachtet aller vorstehenden Ausführungen hier mildere Mittel zur Vermeidung eines Verstoßes gegen § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 nahegelegen. Der Beklagte hätte sich zumindest mit der Frage der Erlaubniserteilung unter Auflagen auseinandersetzen müssen. Denkbar wären Auflagen gewesen, die Außenwerbung zu entfernen sowie den gemeinsamen Notausgang zwischen beiden Glücksspielstätten mit einem Alarmschutz zu versehen, um so eine zweckwidrige Nutzung des Notausgangs als Übergang zwischen den beiden Glücksspielstätten auszuschließen. Angesichts des mit dem Ablehnungsbescheid verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in ihre – der Klägerin zu 1. – Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sei eine Erlaubniserteilung unter entsprechenden Auflagen als milderes, gleich wirksames Mittel zwingend geboten. Das Fehlen von Ausführungen des Beklagten im streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid stelle gegebenenfalls einen Ermessensfehler dar. Sollte der Beklagte die Existenz einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen) ansässige Spielhalle sogar für irrelevant gehalten haben, so läge darin ersichtlich ein Ermessensausfall.
36Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin zu 2. im Wesentlichen geltend:
37Die vorliegend streitgegenständliche Sportwettvermittlung sei erlaubnisfähig; § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 stehe dem nicht entgegen. Der Rechtsbegriff des Gebäudekomplexes im Sinne dieser Norm, der in tatsächlicher Hinsicht sehr heterogene Fallgestaltungen umfasse, bedürfe der einschränkenden Auslegung. Der Abstand zwischen den jeweiligen Glücksspielstätten müsse so groß sein, dass die Griffnähe nicht mehr vorliege. Als Kriterien hierfür kämen in Betracht, ob zwischen Spielhalle und Wettvermittlungsstelle eine räumliche Verbindung bestehe, ob ein Wechsel von einer Glücksspielstätte zur jeweils anderen ohne Verlassen des Gebäudes bzw. ohne Betreten des öffentlichen Verkehrsraums möglich sei und ob ein Spieler die jeweils andere Glücksspielstätte im Blick habe und allein dadurch ein besonderer Anreiz bestehe, zu dieser zu wechseln. Im hier streitgegenständlichen Fall liege der geforderte enge örtliche Zusammenhang bzw. die Griffnähe nicht vor. Beide Glücksspielstätten seien visuell vollständig voneinander getrennt bzw. eine gegenseitige Einsehbarkeit sei nicht gegeben.
38Die Klägerin zu 1. beantragt,
39den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 25. August 2021 zu verpflichten, die von ihr beantragte Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. zu erteilen,
40hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 25. August 2021 zu verpflichten, den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
41die Festsetzung der Kosten für den Ablehnungsbescheid aufzuheben.
42Die Klägerin zu 2. beantragt,
43den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 25. August 2021 zu verpflichten, die von der Klägerin zu 1. beantragte Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. zu erteilen.
44Der Beklagte beantragt,
45die Klage abzuweisen.
46Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend:
47Der Erlaubniserteilung stehe das Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 entgegen. Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid sei rechtmäßig und verletze die Klägerinnen nicht in ihren Rechten.
48Erstens sei § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 – entgegen der klägerischen Behauptung – unionsrechts- und verfassungskonform. Das Trennungsgebot beinhalte keine unzulässige Ungleichbehandlung von Sportwettbüros gegenüber Spielhallen und Spielbanken. Es sei lediglich dergestalt zu verstehen, dass zu einer vorhandenen Spielhalle bzw. Spielbank, die sich jeweils auf durch eine glücksspielrechtliche Erlaubnis vermittelten Bestandsschutz berufen könnten, keine Wettvermittlungsstelle hinzutreten dürfe. In der Konstellation, dass eine Wettvermittlungsstelle bereits vorhanden sei, solle diese gerade nicht durch eine hinzutretende Spielhalle oder Spielbank verdrängt werden. Dies ergebe sich auch aus den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag. Auch aus § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW, wonach in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich bereits eine erlaubte Wettvermittlungsstelle befinde, keine Spielhalle betrieben werden dürfe, folge, dass ein genereller Vorrang von Spielhallen gerade nicht normativ angeordnet sei und eine bestehende und erlaubte Wettvermittlungsstelle Vorrang gegenüber einer später hinzutretenden Spielhalle genieße. Aus dem Trennungsgebot folge weiter auch kein Vorrang für die Spielhalle für den Fall, dass beide Einrichtungen in einer vom Trennungsgebot ausgeschlossenen räumlichen Situation (in einem Gebäude oder Gebäudekomplex) bereits vorhanden seien. In diesem Fall, der in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag nicht berücksichtigt worden sei, sei auch denkbar, dass die Spielhalle der Wettvermittlungsstelle weichen müsse. Die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag hätten den Umstand, dass sich die Erteilung glücksspielrechtlicher Erlaubnisse an Wettvermittlungsstellen faktisch um mehrere Jahre verzögert habe, schlichtweg nicht bedacht. Den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag könne daher nur Beachtung zukommen, nachdem glücksspielrechtliche Erlaubnisverfahren sowohl für Spielhallen als auch für Wettvermittlungsstellen praktiziert würden. In der im hier vorliegenden Einzelfall vorliegenden Konstellation, in der für eine bereits seit längerem bestehende Wettvermittlungsstelle aus von dem Veranstalter bzw. Vermittler nicht zu vertretenden Gründen über einen längeren Zeitraum hinweg keine glücksspielrechtliche Erlaubnis habe erteilt werden können, müsse sich das Trennungsgebot nicht automatisch zulasten der Wettvermittlungsstelle und zugunsten der Spielhalle auswirken. Vielmehr sei in einer derartigen Konstellation eine Abwägung der jeweils für den Fortbestand der unterschiedlichen Glücksspielstätten bestehenden Gesichtspunkte vorzunehmen; eine derartige Abwägung habe er – der Beklagte – hier auch vorgenommen, und sei dann erst auf dieser Grundlage zu der Entscheidung gekommen, die glücksspielrechtliche Erlaubnis für die Wettvermittlungsstelle zu versagen. Er – der Beklagte – habe also eine Auswahlentscheidung zwischen der Spielhalle, die bereits über eine glücksspielrechtliche Erlaubnis (der Stadt H. (Westfalen)) verfügt habe, und der Wettvermittlungsstelle getroffen; im Rahmen dieser Auswahlentscheidung habe er dann die besagte Abwägung vorgenommen. Dass die Spielhalle bereits über eine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt habe, habe dabei nicht die allein entscheidende Rolle gespielt.
49Zum gleichen Ergebnis – dass in einer Situation, in der beide Glücksspielstätten in einer vom Trennungsgebot ausgeschlossenen räumlichen Situation bereits vorhanden seien, auch denkbar sei, dass die Spielhalle der Wettvermittlungsstelle weichen müsse – komme auch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen. Dieses habe entschieden, dass die Untersagung eines Sportwettbüros auf der rechtlichen Grundlage des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 regelmäßig unzulässig sein dürfte, wenn die Spielhalle erst später hinzugetreten sei, und in einer Konstellation, in der die Sportwettvermittlung zeitlich vor der Spielhalle bestanden habe, die Anwendung des Trennungsgebots zulasten der älteren Sportwettvermittlung abgelehnt (OVG Münster, Beschluss vom 29. April 2015 – 4 B 1464/14 –). Da nach alledem das Trennungsgebot gerade keinen automatischen Vorrang zugunsten von Spielhallen bzw. Spielbanken beinhalte, könne auch die klägerseits vorgetragene unionsrechtliche Inkohärenz bei der Verfolgung des Spielerschutzes, der nach Meinung der Klägerin zu 1. in der behaupteten Bevorzugung der Spielhallen bzw. Spielbanken liege, nicht gegeben sein.
50Auch gingen nicht lediglich von Geldspielgeräten in Spielhallen und Spielbanken, sondern auch von Sportwetten relevante Suchtgefahren aus, wie wissenschaftliche Untersuchungen belegten. Sowohl bei Automaten- und Casinospielen als auch bei Sportwetten zeigten sich deutlich erhöhte Werte auffälligen und problematischen Spielverhaltens, während diese Werte bei Lotterien wesentlich niedriger lägen. Auf sportinteressierte Kinder und Jugendliche könnten Sportwetten möglicherweise sogar attraktiver wirken als Geldspielgeräte.
51Entgegen der klägerseitigen Behauptung habe das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seiner Rechtsprechung den vor Einführung der derzeitigen glücksspielrechtlichen Erlaubnisverfahren bereits bestehenden Wettvermittlungsstellen auch keinen Bestandsschutz zugebilligt. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen habe im Beschluss vom 29. März 2017 – 4 B 919/16 – lediglich festgestellt, dass ein Wettbürobetreiber seinerzeit – bis zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage – nicht durch eine Untersagungsverfügung habe daran gehindert werden können, Sportwetten an im Ausland konzessionierte Anbieter zu vermitteln. Ein dauerhafter Bestandsschutz folge aus dieser Rechtsprechung gerade nicht. Mit der Einführung der Konzessionierungs- und Erlaubnisverfahren im Jahr 2020 sei nunmehr eine Änderung der Rechtslage eingetreten, die eine Versagung der Erlaubnis ermögliche.
52Auch stelle die Verwendung des Begriffs des Gebäudekomplexes keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot dar. Dass Rechtsbegriffe – wie der Begriff des Gebäudekomplexes – auslegungsbedürftig seien, führe nicht zu ihrer Unbestimmtheit. Durch die von der Rechtsprechung vorgenommene Auslegung sei der Begriff des Gebäudekomplexes hinreichend bestimmt worden. Dass gewisse Unsicherheiten bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe bestehen könnten, sei unschädlich, solange – und sei es auf dem Weg der gerichtlichen Auslegung – Kriterien entwickelt werden könnten, die zu einer zuverlässigen Anwendung des jeweiligen Rechtsbegriffs führten.
53Auch stelle sich das (stationäre) Trennungsgebot nicht aufgrund der Erlaubnisfähigkeit von Glücksspiel im Internet als unverhältnismäßig dar. Glücksspiel im Internet und stationäres Glücksspiel unterschieden sich hinsichtlich des Zugangs, teilweise auch wegen des Orts des Glücksspiels und der Gewinnausschüttung, so dass sie als unterschiedliche Spielformen einer unterschiedlichen Regulierung unterzogen werden könnten. In Bezug auf Automatenspiel im Internet und in stationären Einrichtungen habe das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen dies bereits mit Urteil vom 10. März 2021 – 4 A 3178/19 – festgestellt. Zugleich habe es judiziert, dass das Erlaubniserfordernis und die Abstandsgebote für Spielhallen rechtmäßige und kohärente Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs darstellten. Diese Feststellungen seien auf das Recht der Sportwettbüros übertragbar. Das Trennungsgebot ziele ebenso wie Abstandsgebote zwischen einzelnen Wettvermittlungsstellen (derselben Glücksspielart) auf eine gewisse Abkühlung der Spieler beim Wechsel zwischen stationären Glücksspielstätten ab. Zwischen Personen, die an Sportwetten teilnähmen, und Personen, die an Geldspielgeräten spielten, bestehe nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ein erhebliches sog. Korrespondenzspielverhalten. So nähmen etwa Personen, die an Sportwetten teilnähmen, im Vergleich zu Personen, die an Lotterien teilnähmen, mehr als doppelt so häufig auch an Automatenspielen teil. Dieses Korrespondenzspielverhalten sowie die Anfälligkeit von Sportwettteilnehmern für die Entwicklung einer glücksspielbezogenen Störung rechtfertigten es, durch das Trennungsgebot die Glücksspielarten Wettvermittlungsstelle einerseits und Spielhalle bzw. Spielbank andererseits räumlich zu trennen, um auf diese Art und Weise auf eine gewisse Abkühlung bei den Spielern nach Verlassen der ersten Glücksspielstätte hinzuwirken. Im Übrigen sei für das Spiel im Internet normativ ebenfalls eine gewisse Abkühlphase – durch die Regelungen zur grafischen Trennung und zur Wartezeit beim Spielwechsel – angeordnet worden. Ob diese Regelungen gleich effektiv seien wie entsprechende Regelungen für das terrestrische Spiel, sei angesichts der grundlegenden Unterschiede zwischen beiden Spielformen von Rechts wegen nicht relevant. Im Ergebnis stelle sich das stationäre Trennungsgebot auch vor dem Hintergrund der Erlaubnisfähigkeit von Glücksspiel im Internet als verhältnismäßig dar; es sei unter anderem weiter zur Förderung des mit ihm verfolgten Zweckes geeignet. Soweit die Klägerin zu 1. darauf verweise, dass Kunden einer Wettvermittlungsstelle mit ihrem Smartphone Automatenspiele spielen könnten, während sie parallel stationär Sportwetten platzierten, werde kein Alltagsfall geschildert, sondern vielmehr ein außerordentliches Verhalten, das eine erhebliche Spielsuchtgefährdung indiziere und ein Eingreifen der in der Wettvermittlungsstelle vorgeschriebenen Aufsicht erfordere. Mildere, gleich wirksame Mittel bestünden ebenfalls nicht. Der von der Klägerin zu 1. insoweit ins Spiel gebrachte Anschluss an das Spielersperrsystem OASIS diene nicht – wie das Trennungsgebot – der präventiven Verhinderung der Entstehung einer Glücksspielsucht, sondern könne erst – nachgelagert – dann wirken, wenn die Spielsuchtentwicklung so manifest sei, dass der Spieler oder sein Umfeld sie erkennen würden und bereit seien, zu diesem letzten Mittel zu greifen. Das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren könne die Entwicklung einer Spielsucht bei Erwachsenen nicht verhindern.
54Zweitens lägen im vorliegenden Einzelfall Wettvermittlungsstelle und Spielhalle auch in einem Gebäudekomplex i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021. Der Begriff des Gebäudekomplexes sei nicht anhand baurechtlicher Maßstäbe, sondern anhand des Zieles des § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, auszulegen. Entscheidend sei, ob räumliche Nähe und äußere Gestaltung die Gefahr in sich bergen würden, den nach der Zielsetzung des Glücksspielstaatsvertrags unerwünschten Anreiz zu bieten, sich weiterem Glücksspiel zuzuwenden. Gemessen an diesen Anforderungen werde das Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 durch die unmittelbare Nachbarschaft von Spielhalle und Wettvermittlungsstelle in den Häusern F. Straße 75 und 77, H. (Westfalen) verletzt. Die für die Annahme eines Gebäudekomplexes nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen erforderliche Griffnähe sei vorliegend aufgrund der kurzen Entfernung zwischen den Eingängen der beiden Glücksspielstätten gegeben. Ein Wechsel zwischen der Spielhalle und der Wettvermittlungsstelle sei – wie im Rahmen einer Ortsbesichtigung festgestellt worden sei – über den Bürgersteig vor den Gebäuden bequem und ohne größeren Aufwand möglich. Es müsse lediglich eine Strecke von ca. 25 Metern zurückgelegt werden; auch müsse für den Wechsel zwischen den Glücksspielstätten keine Straße überquert werden, so dass eine spielwillige Person nicht in Kontakt mit dem Fahrzeugverkehr gerate. Darüber hinaus befänden sich beide Einrichtungen im Blickfeld des Besuchers, wenn er die Gebäude von der Straße bzw. von der gegenüberliegenden Straßenseite, von der aus auch die jeweilige Außenwerbung gut sichtbar sei, aus betrachte. Für Besucher schaffe die räumliche Nähe beider Glücksspielstätten in einem Gebäudekomplex einen besonderen Anreiz zur Auswahl dieser Lokalität. Auch ortsunkundigen Personen werde die Existenz der jeweils anderen Glücksspielstätte in der Regel nicht verborgen bleiben. Der Ausgang von der Spielhalle unter der Anschrift F. Straße 75, H. führe auch nicht lediglich auf die quer verlaufende J.----straße ; vielmehr könnten sich Spieler vom Ausgang der Spielhalle aufgrund der diagonal liegenden Tür sowohl in Richtung F. Straße als auch in Richtung J.----straße orientieren. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass Kunden der Wettvermittlungsstelle bzw. der Spielhalle nach Verlassen der Glücksspielstätte nicht stets die Richtung wählten, die die Eingangstür vorgebe. In seinem Rücken habe ein Kunde der Spielhalle die Wettvermittlungsstelle nur dann, wenn er die Spielhalle, ohne sich umzudrehen, in Richtung Stadtmitte verlasse. Unabhängig von der Ausrichtung der Eingangstür bestehe vorliegend die Möglichkeit, dass Kunden einer Glücksspielstätte nach deren Verlassen zum Eintritt in die andere Glücksspielstätte animiert würden. Von außen seien beide Spielstätten als nebeneinanderliegend erkennbar.
55Anders, als die Klägerin zu 1. vortrage, setze die Annahme eines Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (auch nach aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung) nicht voraus, dass die Möglichkeit bestehe, im Inneren von einer Glücksspielstätte zur anderen zu wechseln. Es sei für die Annahme eines Gebäudekomplexes daher (auch nach aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung) unschädlich, dass für einen Wechsel der Glücksspielstätten (kurzzeitig) der öffentliche Straßenraum betreten werden müsse, wenn die jeweiligen Glücksspielstätten in geschlossener Bauweise nebeneinanderlägen. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen habe diese Rechtsfrage im Übrigen in seiner früheren Rechtsprechung ebenfalls nicht im Sinne der von der Klägerin zu 1. vertretenen abweichenden Ansicht entschieden, sondern diese Frage vielmehr offengelassen. Läge demgegenüber ein gemeinsamer Zugang zu den jeweiligen unterschiedlichen Glücksspielstätten vor, so spräche dies vielmehr dafür, dass bereits ein gemeinsames Gebäude – und nicht erst ein gemeinsamer Gebäudekomplex – i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 vorliege. Eine innere Verbindung sei nur innerhalb eines Gebäudes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 erforderlich, nicht jedoch innerhalb eines Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021. Unabhängig davon bestehe mit dem gemeinsamen zweiten Rettungsweg auch eine funktionale Verbindung zwischen Spielhalle und Wettvermittlungsstelle im Gebäudeinneren.
56Aus dem von der Klägerin zu 1. vorgenommenen systematischen Vergleich mit der Vorschrift des § 25 Abs. 2 GlüStV 2021, nach dem die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stehe, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht sei, ausgeschlossen sei, folge – entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1. – kein anderes Auslegungsergebnis des Begriffs des Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021. Aus dem Vergleich beider Normen folge lediglich, dass die Lage in demselben Gebäudekomplex sowohl der Erlaubniserteilung für zwei Spielhallen als auch der Erlaubniserteilung für eine Spielhalle und eine Wettvermittlungsstelle entgegenstehe. Dass nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 2 GlüStV 2021 einer Erlaubniserteilung für zwei Spielhallen auch noch andere Formen des baulichen Verbundes – über das Gebäude und den Gebäudekomplex hinaus – entgegenstünden, trage zur Auslegung des Begriffs Gebäudekomplex (i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021) nichts bei.
57Drittens stelle sich die Entscheidung im Ablehnungsbescheid, im vorliegenden Fall die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb der Wettvermittlungsstelle abzulehnen, als ermessensfehlerfrei dar. Abwägungsfehler – im Rahmen der für den Betrieb der Wettvermittlungsstelle und der für den Betrieb der Spielhalle sprechenden Gesichtspunkte – lägen nicht vor.
58Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen habe im Falle des Verstoßes gegen das Trennungsgebot einen Vorrang der Spielhalle zumindest dann abgelehnt, wenn sie in dem jeweiligen Gebäude(komplex) erst nach der Wettvermittlungsstelle hinzugetreten sei. Dieser Ansatz spreche vorliegend dafür, die hier bestehende Kollisionslage zwischen Wettvermittlungsstelle und Spielhalle zugunsten der Spielhalle zu lösen, da zum einen die – seit dem Jahr 1990 (fast durchgängig) betriebene – Spielhalle bereits im Jahr 1988 eine Baugenehmigung erhalten habe, während die – seit dem 28. Mai 2014 bestehende – Wettvermittlungsstelle erst im Jahr 2013 eine Baugenehmigung erhalten habe, und zum anderen der jetzige Betreiber der Wettvermittlungsstelle erst ein Jahr nach dem jetzigen Betreiber der Spielhalle den Betrieb aufgenommen habe. Die Kollisionslage könne in einem derartigen Fall, in dem Gesichtspunkte des Bestandsschutzes für den Fortbestand der Spielhalle – und nicht der Wettvermittlungsstelle – sprächen, auch vor dem Hintergrund, dass Spielhallen möglicherweise unter Suchtgesichtspunkten als noch gefährlicher für Spieler (generell sowie auch speziell für Jugendliche) einzustufen seien, nicht zugunsten der Wettvermittlungsstelle und zulasten der Spielhalle aufgelöst werden.
59Die Existenz einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen) ansässige Spielhalle habe er – der Beklagte – im streitgegenständlichen Bescheid nicht zulasten der Wettvermittlungsstelle gewertet.
60Mildere Mittel als die Versagung der Erlaubnis für die Wettvermittlungsstelle am streitgegenständlichen Standort seien nicht erkennbar. So stelle etwa die von der Klägerin zu 1. vorgeschlagene Entfernung der Außenwerbung der Wettvermittlungsstelle kein milderes, gleich geeignetes Mittel dar. Auch bei einem Verzicht auf Außenwerbung bliebe die Wettvermittlungsstelle als solche von außen erkennbar. Die von der Klägerin zu 1. vorgeschlagenen Auflagen – Entfernung der Außenwerbung, Ausstattung des gemeinsamen Notausgangs zwischen beiden Glücksspielstätten mit einem Alarmschutz, um eine zweckwidrige Nutzung des Notausgangs als regulärer Übergang zwischen den beiden Glücksspielstätten auszuschließen – würden nichts an der räumlichen Nähebeziehung zwischen Wettvermittlungsstelle und Spielhalle, die § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 gerade verhindern wolle, ändern. Eine Erlaubniserteilung für die Wettvermittlungsstelle unter derartigen Auflagen bei gleichzeitig vorhandener – von § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 ausgeschlossener – räumlicher Nähebeziehung zu der (hier vorrangigen) Spielhalle würde den rechtswidrigen Zustand formell legitimieren, was mit dem Gebot der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns nicht vereinbar sei.
61Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, den Inhalt der Gerichtsakte des Verfahrens VG Münster 9 K 3004/21 und den Inhalt der jeweiligen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
62E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
63A. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet. Ziffer 1 des Ablehnungsbescheids des Beklagten vom 25. August 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Die Klägerinnen haben weder einen Anspruch auf die – mit dem Hauptantrag begehrte – Verpflichtung des Beklagten, die beantragte Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen) zu erteilen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO (dazu unter I.), noch haben die Klägerinnen einen Anspruch auf die – mit dem Hilfsantrag der Klägerin zu 1. ausdrücklich begehrte – Verpflichtung des Beklagten, den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (dazu unter II.). Die von der Klägerin zu 1. angefochtene Gebührenfestsetzung unter Ziffer 2 des Bescheids des Beklagten vom 25. August 2021 verletzt die Klägerin zu 1. jedenfalls nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (dazu unter III.).
64I. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf die – mit dem (Haupt)antrag begehrte – Verpflichtung des Beklagten, die beantragte Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen) zu erteilen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
65Da im Rahmen der hier vorliegenden Verpflichtungsklage mangels einer anderweitigen Regelung im einschlägigen materiellen Recht der allgemeine Grundsatz, dass auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist, greift, finden vorliegend die Regelungen des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag 2021 – GlüStV 2021) vom 29. Oktober 2020, in Kraft getreten nach seinem § 35 Abs. 1 Satz 1 am 1. Juli 2021,
66die parlamentarische Zustimmung zu diesem Glücksspielstaatsvertrag erfolgte in Nordrhein-Westfalen auf der Sitzung des nordrhein-westfälischen Landtags vom 28. April 2021, vgl. die Bekanntmachung des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glückspielwesens in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag 2021 – GlüStV 2021) vom 28. April 2021, GV. NRW. 2021 S. 459,
67sowie des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages (Ausführungsgesetz NRW Glücksspielstaatsvertrag – AG GlüStV NRW) vom 13. November 2012, GV. NRW. 2012 S. 524, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 vom 23. Juni 2021, GV. NRW. 2021 S. 772, Anwendung.
68Vgl. insoweit auch VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 90.
69Die Genehmigungsbedürftigkeit des Betriebs einer Wettvermittlungsstelle in Nordrhein-Westfalen folgt aus §§ 21a Abs. 1 Satz 2 Hs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 AG GlüStV NRW.
70Vgl. zur Verfassungs- sowie Unionsrechtskonformität des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts für das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten etwa BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 –, juris, Rn. 72; OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2022 – 4 B 1864/21 –, juris, Rn. 54 f.; VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 92 ff., m. w. N.
71Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AG GlüStV NRW bedarf die Vermittlung von Sportwetten im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 4 des Glücksspielstaatsvertrags 2021 in einer stationären Vertriebsstelle im Sinne des § 3 Abs. 6 des Glücksspielstaatsvertrags 2021 (Betreiben einer Wettvermittlungsstelle) der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrags 2021 sowie nach § 4 und der weiteren Vorschriften dieses Gesetzes, d. h. des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages. Nach § 13 Abs. 2 AG GlüStV NRW wird die Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle durch einen Vermittler dem Inhaber der Veranstaltererlaubnis für Sportwetten und dem Vermittler erteilt (Satz 1); den Erlaubnisantrag kann nur der Veranstalter stellen (Satz 2). Gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 3 AG GlüStV NRW sind die Bezirksregierungen zuständig für die Erteilung von Erlaubnissen für die Vermittlung von Wetten durch Wettvermittlungsstellen im Sinne von § 13 AG GlüStV NRW.
72§ 3 GlüStV 2021 regelt auf der Ebene des Glücksspielstaatsvertrages 2021 im Einzelnen die Begriffsbestimmungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 liegt ein Glücksspiel vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt; gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 hängt die Entscheidung über den Gewinn in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist. Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021 sind Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele. Sportwetten sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 4 GlüStV 2021 Wetten zu festen Quoten auf einen zukünftigen Vorgang während eines Sportereignisses, auf das Ergebnis eines Sportereignisses oder auf das Ergebnis von Abschnitten von Sportereignissen; ein Sportereignis ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 5 GlüStV 2021 ein sportlicher Wettkampf zwischen Menschen nach definierten Regeln. Nach § 3 Abs. 6 GlüStV 2021 sind Wettvermittlungsstellen in die Vertriebsorganisation von Sportwettveranstaltern eingegliederte Vertriebsstellen entweder des Wettveranstalters oder von Vermittlern, die Wettverträge ausschließlich im Auftrag eines Wettveranstalters vermitteln.
73Die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle setzt voraus, dass sämtliche Erlaubniserteilungsvoraussetzungen erfüllt und entgegenstehende Versagungsgründe nicht erfüllt sind.
74Gemäß § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 dürfen in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich eine Spielhalle oder eine Spielbank befindet, Sportwetten nicht vermittelt werden. Diese Norm, die einen Versagungsgrund für die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle darstellt, ist mit höherrangigem Recht vereinbar (dazu unter 1.). Ihre Anwendung auf den konkreten Einzelfall führt zu dem Ergebnis, dass die vorliegend streitgegenständliche Erlaubnis für die Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen) nicht erteilt werden darf (dazu unter 2.).
751. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Norm regelt zunächst – bei hier möglicher verfassungs- und unionsrechtskonformer Auslegung – keine vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unzulässige bzw. vor dem Hintergrund des von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufgestellten Kohärenzgebots unzulässige Privilegierung von Spielhallen und Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen (dazu unter a)). Auch im Übrigen ist die Norm mit höherrangigem Recht vereinbar (dazu unter b)).
76a) Anders als die Klägerin zu 1. meint, regelt § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 – bei hier möglicher verfassungs- und unionsrechtskonformer Auslegung – keine vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG,
77vgl. dazu, dass die Klägerin zu 1. sich auch vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 3 GG als in Malta ansässige Wettveranstalterin sich auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen kann, die unter A. I. 1. b) aa) noch folgenden Ausführungen,
78verfassungsrechtlich unzulässige bzw. vor dem Hintergrund des von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufgestellten Kohärenzgebots unzulässige Privilegierung von Spielhallen und Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen. Zwar ist der Klägerin zu 1. zuzugestehen, dass der (bloße) Wortlaut des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 auch dergestalt verstanden werden könnte,
79ohne dass der Wortlaut der Norm eine derartige Auslegung allerdings zwingend erscheinen lässt,
80dass auch eine (lediglich faktisch bereits vorhandene) Spielhalle oder Spielbank – auch wenn sie weder über eine formelle glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt (formelle Illegalität) noch insoweit in materiell-rechtlicher Hinsicht genehmigungsfähig ist (materielle Illegalität) – die Ansiedlung einer Wettvermittlungsstelle, die die übrigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erfüllt, im Falle des Vorliegens eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes sperrt. Wollte man die Norm dergestalt verstehen,
81was grundsätzlich möglich wäre, wenn man allein die grammatische Auslegung in den Blick nähme,
82so ordnete sie in der Tat eine Privilegierung von Spielhallen und Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen an. Eine derartige Privilegierung dürfte dann – dies ist der Klägerin zu 1. zuzugestehen, kann aber letztlich dahinstehen (dazu sogleich) – vor dem empirischen Hintergrund, dass Automaten- und Casinospiele – im Vergleich zu Sportwetten und Lotterien, wenn man für jede der genannten Glücksspielarten den jeweiligen Anteil problematischer bzw. pathologischer Spieler betrachtet – als am gefährlichsten einzustufen sind,
83knapp 10 % aller Automaten- und Casinospieler weisen ein mindestens problematisches Spielverhalten auf; 14,8 % spielen auffällig bzw. risikoreich; Sportwetten haben jedoch ebenfalls ein erhöhtes Gefahrenrisiko: Sie weisen ebenfalls einen höheren Anteil an mindestens problematischen Spielern auf; das Risiko bei Sportwetten, auffällig zu spielen, ist signifikant erhöht; Lotterien (die Lotterie Keno ausgenommen) weisen insgesamt das geringste Gefährdungspotential auf, vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 89 ff., 160 f.,
84von Rechts wegen sowohl mit nationalem Verfassungsrecht (Art. 3 Abs. 1 GG) als auch mit dem vom Europäischen Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aufgestellten Postulat der Kohärenz,
85ungeachtet der Rechtsfrage nach der Reichweite des unionsrechtlichen Kohärenzprinzips außerhalb des beim Staat monopolisierten Glücksspielbereichs, insbesondere auch in einem gliedstaatlichen verfassten Mitgliedsstaat der Europäischen Union wie der Bundesrepublik Deutschland,
86unvereinbar sein. Ob bei einem derartigen Verständnis der Norm § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 gegen nationales Verfassungsrecht und/oder Unionsrecht verstößt, kann jedoch dahinstehen. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 ist nämlich im Ergebnis nicht dergestalt auszulegen, dass auch eine (lediglich faktisch bereits vorhandene) Spielhalle oder Spielbank, die nicht über eine entsprechende glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt (formelle Illegalität) und auch die entsprechenden materiell-rechtlichen Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt (materielle Illegalität), die Ansiedlung einer Wettvermittlungsstelle, die die übrigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erfüllt, im Falle des Vorliegens eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes sperrt. Vielmehr wird die Wettvermittlung nur durch eine erlaubte (über eine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügende) Spielhalle oder Spielbank im gleichen Gebäude oder Gebäudekomplex ausgeschlossen; unerlaubte (nicht über eine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügende) Spielhallen oder Spielbanken hindern die Erlaubniserteilung für die Vermittlung von Sportwetten nicht. Eine bereits vorhandene erlaubte (über eine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügende) Wettvermittlungsstelle sperrt vielmehr die Erlaubniserteilung für eine Spielhalle oder Spielbank.
87Für diese Auslegung von § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 streiten die systematische (dazu unter aa)), die historisch-genetische (dazu unter bb)) und die teleologische Auslegungsmethode (dazu unter cc)); auch wird durch das so gefundene Auslegungsergebnis ein – ansonsten ggf. vorliegender – Verstoß gegen höherrangiges Verfassungs- und Unionsrecht vermieden (verfassungs- bzw. unionsrechtskonforme Auslegung), ohne dass der Wortlaut des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 einer derartigen Auslegung entgegensteht bzw. die Grenzen der verfassungs- bzw. unionsrechtskonformen Auslegung überschritten werden, keine Auslegung contra legem (dazu unter dd)). Im Ergebnis ist § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) daher grundsätzlich so zu verstehen, dass die Glücksspielstätte (Spielhalle/Spielbank bzw. Wettvermittlungsstelle), die über die in zeitlicher Hinsicht frühere glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis an die in zeitlicher Hinsicht nachfolgende Glücksspielstätte (Spielhalle/Spielbank bzw. Wettvermittlungsstelle) ausschließt, so dass § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 bereits keine Privilegierung von Spielhallen bzw. Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen anordnet, die als verfassungs- bzw. unionsrechtswidrig betrachtet werden könnte (dazu unter ee)). Das damit gefundene Auslegungsergebnis bedarf allerdings der Korrektur in den Fällen, in denen zwar eine Spielhalle bzw. Spielbank über eine in zeitlicher Hinsicht frühere glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, die Wettvermittlungsstelle allerdings zu einem noch früheren Zeitpunkt – nach Aufgabe des staatlichen Sportwettmonopols und dementsprechender Liberalisierung des Sportwettmarkts – offensichtlich die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die entsprechende glücksspielrechtliche Erlaubnis erfüllte und aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen nur deshalb keine glücksspielrechtliche Erlaubnis erlangen konnte, weil (für den Zeitraum bis Oktober 2020) Sportwettveranstalter faktisch keine Konzessionen erhalten konnten; in einer derartigen Konstellation ist bei der Auflösung der sich aus dem Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 ergebenden Kollision (im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes) zwischen Spielhalle bzw. Spielbank auf der einen Seite und Wettvermittlungsstelle auf der anderen Seite bzgl. der Wettvermittlungsstelle darauf abzustellen, zu welchem Zeitpunkt bzgl. dieser Glücksspielstätte die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung offensichtlich erfüllt waren (dazu unter ff)). Ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Wesentlichkeitstheorie, nach der der parlamentarische Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss, liegt darin nicht, da sich der Norm des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) bei dieser Auslegung hinreichend deutlich sämtliche Entscheidungsdirektiven zur Auflösung der Kollision zwischen den verschiedenen Glücksspielstätten (im Falle des Vorliegens eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes) entnehmen lassen (dazu unter gg)).
88aa) Die systematische Auslegung des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 spricht dafür, dass eine Wettvermittlung im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes nur durch eine vorhandene Spielhalle oder Spielbank gesperrt wird, die über eine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt. Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 vom 29. Oktober 2020, in Kraft getreten nach seinem § 35 Abs. 1 Satz 1 am 1. Juli 2021, auf seiner Sitzung vom 28. April 2021 zugestimmt und damit den Glücksspielstaatsvertrag 2021 – und damit auch dessen § 21 Abs. 2 – in nordrhein-westfälisches Landesrecht transformiert. Das nordrhein-westfälische Landesrecht regelt gleichfalls in § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW mit Wirkung ab dem 1. Juli 2021,
89§ 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2021 eingeführt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 vom 23. Juni 2021, GV. NRW. 2021 S. 772,
90dass in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich bereits eine erlaubte Wettvermittlungsstelle befindet, keine Spielhalle betrieben werden darf. Das Attribut „erlaubt“ in § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW bezieht sich dabei auf das Substantiv „Wettvermittlungsstelle“ und meint die entsprechende glücksspielrechtliche Erlaubnis; die Baugenehmigung als grundstücksbezogene Genehmigung ist damit offensichtlich nicht gemeint. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 ist damit in einer systematischen Zusammenschau mit § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW – beide Normen sind Bestandteil des nordrhein-westfälischen Landesrechts – dergestalt auszulegen, dass die Glücksspielstätte, die über die in zeitlicher Hinsicht frühere glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis an die in zeitlicher Hinsicht nachfolgende Glücksspielstätte ausschließt. Eine bloß faktisch bereits vorhandene (etwa geduldete) Glücksspielstätte, die nicht über eine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, vermag demgegenüber die Sperrwirkung des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 bzw. des § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW nicht auszulösen.
91bb) Die historisch-genetische Auslegungsmethode,
92vgl. in diesem Zusammenhang dazu, dass der Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten bei der Interpretation nur insoweit berücksichtigt werden kann, als er auch im Normtext Niederschlag gefunden hat, etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1960 – 2 BvL 11/59 u. a. –, juris, Rn. 15 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 16. März 2016 – 2 B 237/15 –, juris, Rn. 14,
93streitet ebenfalls dafür, dass eine Wettvermittlung im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes nur durch eine vorhandene Spielhalle oder Spielbank gesperrt wird, die über eine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt. In den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 (Antrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung auf Zustimmung des nordrhein-westfälischen Landtags zum Glücksspielstaatsvertrag 2021; Landtag Nordrhein-Westfalen Drucksache 17/11683) wird zu § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 auf Seite 180 unter anderem ausgeführt:
94„Die Wettvermittlung, die nach § 21a Absatz 2 ausschließlich in Wettvermittlungsstellen erfolgen darf, wird nur durch eine erlaubte Spielhalle oder Spielbank im gleichen Gebäude oder Gebäudekomplex ausgeschlossen; unerlaubte Spielhallen oder Spielbanken hindern die Erlaubniserteilung für die Vermittlung von Sportwetten nicht. Dieser Staatsvertrag geht vielmehr davon aus, dass in einem solchen Fall die jeweils zuständigen Behörden das unerlaubte Glücksspiel unterbinden werden und bei Vorliegen der (staatsvertraglichen und ergänzenden übrigen landesrechtlichen) Voraussetzungen die Erlaubnis zur Wettvermittlung erteilen. Absatz 2 verlangt zudem nicht, dass eine vorhandene erlaubte Wettvermittlungsstelle schließen muss, wenn im selben Gebäude oder Gebäudekomplex eine Spielhalle oder Spielbank eröffnet. Die erlaubte Wettvermittlungsstelle sperrt in diesem Fall vielmehr die Erlaubniserteilung für die Spielhalle oder Spielbank. Einer ausdrücklichen staatsvertraglichen Regelung bedurfte es insoweit nicht, da sich beides aus der Rechtsprechung und ergänzenden landesrechtlichen Regelungen hinreichend ergibt.“
95cc) Auch die teleologische Auslegungsmethode spricht dafür, § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 dergestalt zu verstehen, dass eine Wettvermittlungsstelle im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes nur durch eine vorhandene Spielhalle oder Spielbank gesperrt wird, die über eine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt. Objektiver Sinn und Zweck des Trennungsgebots,
96das Trennungsgebot zwischen stationären Spielhallen und Spielbanken einerseits und Wettvermittlungsstellen andererseits wurde erstmals durch § 21 Abs. 2 des Ersten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag – GlüStV 2012) mit Wirkung zum 1. Juli 2012 normiert, vgl. das nordrhein-westfälische Gesetz zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland, GV. NRW. 2012 S. 524,
97ist nämlich die Stärkung der Spielsuchtprävention. Angesichts des zwischen Automatenspielen einerseits und Sportwetten andererseits bestehenden sog. Korrespondenzspielverhaltens,
98vgl. dazu BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 80, wonach Befragte, die Sportwetten spielen, deutlich häufiger zusätzlich an Automatenspielen teilnehmen als Teilnehmer von Lotterien (17,4 % versus 7,0 %), wohingegen Spieler des Automatenspiels wiederum vergleichsweise häufiger an Sportwetten teilnehmen als Lotteriespieler (9,4 % versus 3,8 %),
99sowie aufgrund der Gefährlichkeit insbesondere von Automaten- und Casinospielen, aber auch von Sportwetten,
100vgl. dazu bereits oben BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 89 ff., 160 f.,
101soll § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 verhindern, dass die Gelegenheit zur Abgabe von Sportwetten in einer Umgebung eröffnet wird, in der sich Personen aufhalten, von denen eine beträchtliche Zahl anfällig für die Entwicklung einer Spiel- oder Wettsucht ist.
102Vgl. dazu, dass davon auszugehen ist, dass das Automatenspiel die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten hervorbringt, nur OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 6.
103Die räumliche Nähebeziehung zwischen Spielhalle und Wettvermittlungsstelle würde daher für Automatenspieler einen nach der Zielsetzung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 unerwünschten Anreiz bieten, sich den Sportwetten zuzuwenden. Ebenso könnten die an Sportwetten interessierten Kunden in unerwünschter Weise dazu animiert werden, sich dem Automatenspiel zuzuwenden. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 soll in Verbindung mit § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW verhindern, dass Spieler der einen Glücksspielart durch eine entsprechende räumliche Nähebeziehung der jeweiligen unterschiedlichen Glücksspielstätten in übermäßigem Maße dazu verleitet werden, sich auch noch der jeweiligen anderen Glücksspielart zuzuwenden, bzw. für eine gewisse „Abkühlung“ des jeweiligen Spielers nach Verlassen der ersten Glücksspielstätte sorgen, um so die Gefahr, dass dieser Spieler nach Verlassen der ersten Glücksspielstätte aufgrund der vorhandenen räumlichen Nähebeziehung direkt die andere Glücksspielstätte betritt (anstatt an dem jeweiligen Tag das stationäre Glücksspiel zu beenden), zu verringern.
104Vgl. insoweit etwa OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 6; OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 60 ff.
105dd) Auch die verfassungs- bzw. unionsrechtskonforme Auslegung spricht für das hier gefundene Auslegungsergebnis, dass eine Wettvermittlungsstelle im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes nur durch eine bereits vorhandene Spielhalle oder Spielbank gesperrt wird, die auch über eine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, bzw. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) dergestalt zu verstehen ist, dass die Glücksspielstätte, die über die in zeitlicher Hinsicht frühere glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis an die in zeitlicher Hinsicht nachfolgende Glücksspielstätte ausschließt. Auf diese Weise wird nämlich die nach einem anderen Verständnis eintretende Privilegierung von Spielhallen bzw. Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen vermieden, die dann darin liegen würde, dass auch eine (lediglich faktisch bereits vorhandene) Spielhalle oder Spielbank – auch wenn sie weder über eine formelle glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt (formelle Illegalität) noch insoweit in materiell-rechtlicher Hinsicht genehmigungsfähig ist (materielle Illegalität) – die Ansiedlung einer Wettvermittlungsstelle, die die übrigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erfüllt, im Falle des Vorliegens eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes sperrt. Eine derartige Privilegierung von Spielhallen bzw. Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen dürfte sich – wie bereits unter A. I. 1. a) ausgeführt – als verfassungswidrig (Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG) und unionsrechtswidrig (Verstoß gegen das vom Europäischen Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aufgestellte Kohärenzprinzip) darstellen.
106Auch lässt sich die hier vorgenommene verfassungs- bzw. unionsrechtskonforme Auslegung, nach der eine Wettvermittlung im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes nur durch eine bereits vorhandene Spielhalle oder Spielbank gesperrt wird, die auch über eine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, bzw. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) dergestalt zu verstehen ist, dass die Glücksspielstätte, die über die in zeitlicher Hinsicht frühere glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis an die in zeitlicher Hinsicht nachfolgende Glücksspielstätte ausschließt, noch mit dem Wortlaut des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 vereinbaren,
107jedenfalls dann, wenn die verfassungs- bzw. unionsrechtskonforme Auslegung zu einem Auslegungsergebnis führte, das im eindeutigen Widerspruch zum Wortlaut der auszulegenden Norm stünde, wäre die verfassungs- bzw. unionsrechtskonforme Auslegung vor dem Hintergrund der Bindung der Rechtsprechung an die normativen Entscheidungen der Legislative (Art. 20 Abs. 3 GG; Gewaltenteilung) nicht möglich, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 1993 – 1 BvR 1045/98 –, juris, Rn. 67: „Eine Norm ist nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist diese geboten (…)“,
108bzw. stellt keine unzulässige Auslegung contra legem dar.
109Zwar könnte der bloße Wortlaut des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 – wie bereits unter A. I. 1. a) ausgeführt – auch dergestalt verstanden werden, dass auch eine (lediglich faktisch bereits vorhandene) Spielhalle oder Spielbank – auch wenn sie weder über eine formelle glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt (formelle Illegalität) noch insoweit in materiell-rechtlicher Hinsicht genehmigungsfähig ist (materielle Illegalität) – die Ansiedlung einer Wettvermittlungsstelle, die die übrigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erfüllt, im Falle des Vorliegens eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes sperrt, da § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 nur von „eine(r) Spielhalle oder eine(r) Spielbank“ spricht, ohne jeweils das Attribut „erlaubt“ zu verwenden. Der Wortlaut des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 steht dem hier gefundenen Auslegungsergebnis, das der Sache nach das Attribut „erlaubt“ in die Norm „hineinliest“, allerdings auch nicht entgegen. Von zwei nach dem Wortlaut bzw. nach dem Sprachgebrauch möglichen Auslegungsergebnissen ist nach der verfassungs- bzw. unionsrechtskonformen Auslegung demjenigen der Vorzug zu geben, das die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht wahrt.
110ee) Im Ergebnis ist § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) daher grundsätzlich so zu verstehen, dass die Glücksspielstätte (Spielhalle/Spielbank bzw. Wettvermittlungsstelle), die über die in zeitlicher Hinsicht frühere glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis an die in zeitlicher Hinsicht nachfolgende Glücksspielstätte (Spielhalle/Spielbank bzw. Wettvermittlungsstelle) ausschließt, so dass § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 bereits keine Privilegierung von Spielhallen bzw. Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen anordnet, die als verfassungs- bzw. unionsrechtswidrig betrachtet werden könnte. Klarzustellen ist dabei vor dem Hintergrund, dass die entsprechenden glücksspielrechtlichen Erlaubnisse sowohl an die Person des Erlaubnisinhabers (Zuverlässigkeit) als auch an den Raum bzw. die Lage des Betriebs anknüpfen,
111vgl. dazu etwa für die Spielhalle (noch unter Geltung des § 33i GewO) Reeckmann, in: Pielow, BeckOK GewO, 59. Edition, Stand 1. Juni 2023, § 33i GewO Rn. 21,
112dass es im Falle eines Betreiberwechsels insoweit – jedenfalls sofern keine relevante Betriebsunterbrechung vorliegt, während derer an dem genannten Standort keine Glücksspielstätte betrieben worden ist und/oder keine gewerbe- bzw. glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb der Glücksspielstätte bestanden hat – auf die (in zeitlicher Hinsicht gesehen) erste auf den jeweiligen Standort bezogene Erlaubnis ankommt, nicht auf die insoweit dem letzten jeweiligen Betreiber erteilte glücksspielrechtliche Erlaubnis.
113ff) Das damit gefundene Auslegungsergebnis bedarf allerdings der Korrektur in den Fällen, in denen zwar eine Spielhalle bzw. Spielbank über eine in zeitlicher Hinsicht frühere glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, die Wettvermittlungsstelle allerdings zu einem noch früheren Zeitpunkt (nach Aufgabe des staatlichen Sportwettmonopols und dementsprechender Liberalisierung des Sportwettmarkts durch § 10a des Ersten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 – GlüStV 2012 – mit Wirkung zum 1. Juli 2012) offensichtlich die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die entsprechende glücksspielrechtliche Erlaubnis erfüllte und aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen nur deshalb keine glücksspielrechtliche Erlaubnis erlangen konnte, weil (für den Zeitraum bis Oktober 2020) Sportwettveranstalter faktisch keine Konzessionen erhalten konnten.
114Vgl. dazu, dass private Anbieter tatsächlich im Zeitraum bis Oktober 2020 keine Konzessionen nach § 10a Abs. 2 GlüStV 2012 erlangen konnten und deshalb Vermittlungserlaubnisse in Nordrhein-Westfalen weder mit Aussicht auf Erfolg beantragt werden konnten noch erteilt werden konnten, etwa OVG Münster, Urteil vom 23. Januar 2017 – 4 A 3244/06 –, juris, Rn. 37 ff.
115In einer derartigen Konstellation konnten Wettvermittler und Wettveranstalter nämlich in diesem Zeitraum keine glücksspielrechtliche Erlaubnis erhalten, da kein Erlaubnisverfahren eröffnet war, das transparent, diskriminierungsfrei und gleichheitsgerecht ausgestaltet war. Ursächlich hierfür war ein vor Gerichten ausgetragener Streit darüber, ob das Konzessionsverfahren beim Land Hessen unionsrechtskonform diskriminierungsfrei ausgestaltet war.
116Vgl. etwa OVG Münster, Urteil vom 23. Januar 2017 – 4 A 3244/06 –, juris, Rn. 37 ff., m. w. N. auch aus der Rspr. des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs Kassel.
117In einer derartigen Konstellation – und nur in einer derartigen, soeben beschriebenen Konstellation – ist bei der Auflösung der sich aus dem Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 ergebenden Kollision (im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes) zwischen Spielhalle bzw. Spielbank auf der einen Seite und Wettvermittlungsstelle auf der anderen Seite bzgl. der Wettvermittlungsstelle darauf abzustellen, zu welchem Zeitpunkt bzgl. dieser Glücksspielstätte – da in dem entsprechenden Zeitraum aus von dem Wettveranstalter und Wettvermittler nicht zu vertretenden Gründen trotz der Experimentierklausel in § 10a GlüStV 2012 eine glücksspielrechtliche Erlaubnis nicht erlangt werden konnte – die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung offensichtlich erfüllt waren. Dieser Zeitpunkt ist dann mit dem Zeitpunkt der Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die jeweilige Spielhalle bzw. Spielbank – denen ein rechtskonformes Erlaubnisverfahren bereits damals zur Verfügung stand – zu vergleichen. Eine derartige Auslegung des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) lässt sich mit dem Wortlaut der Vorschriften vereinbaren,
118eine Wettvermittlungsstelle, die zu einem früheren Zeitpunkt die materiell-rechtlichen Erlaubnisvoraussetzungen offensichtlich erfüllte, und lediglich aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen (Fehlen eines rechtskonformen Erlaubnisverfahrens) keine glücksspielrechtliche Erlaubnis erlangen konnte, lässt sich unter eine „erlaubte“ Wettvermittlungsstelle i. S. v. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW subsumieren,
119vermeidet eine Benachteiligung der Veranstalter und Vermittler von Sportwetten allein aufgrund des Umstands, dass in der Vergangenheit bis Oktober 2020 keine Konzessionen für Sportwetten erteilt werden konnten, und entspricht auch einem allgemeinen Rechtsgrundsatz im öffentlichen Recht, nach dem das Fehlen einer formellen Erlaubnis (formelle Illegalität) dann unschädlich sein kann, wenn die entsprechenden materiell-rechtlichen Voraussetzungen offensichtlich vorliegen (offensichtlich materielle Legalität).
120Vgl. insoweit etwa (aus dem Bereich des Gewerberechts) dazu, dass eine Untersagungsverfügung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO (jedenfalls) dann ermessensfehlerhaft ist, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das zulassungsbedürftige (stehende) Gewerbe offensichtlich erfüllt sind (bloße formelle Illegalität), Leisner, in: Pielow, BeckOK GewO, 59. Edition, Stand 1. Juni 2023, § 15 GewO Rn. 36 ff., m. w. N. aus der Rspr.
121gg) Ist § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) – wie vorstehend ausführlich hergeleitet – zur Vermeidung einer unzulässigen Privilegierung von Spielhallen bzw. Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen grundsätzlich,
122mit der soeben ebenfalls dargelegten Ausnahme, dass eine Wettvermittlungsstelle vor Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis an eine Spielhalle/Spielbank offensichtlich die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erfüllte und aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen nur deshalb keine glücksspielrechtliche Erlaubnis erlangen konnte, weil (für den Zeitraum bis Oktober 2020) Sportwettveranstalter faktisch keine Konzessionen erhalten konnten,
123so zu verstehen, dass die Glücksspielstätte (Spielhalle/Spielbank bzw. Wettvermittlungsstelle), die über die in zeitlicher Hinsicht frühere glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt,
124und damit – verglichen mit der anderen Glücksspielstätte – über einen erhöhten Bestands- bzw. Vertrauensschutz verfügt,
125im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis an die in zeitlicher Hinsicht nachfolgende Glücksspielstätte (Spielhalle/Spielbank bzw. Wettvermittlungsstelle) ausschließt, so lassen sich bereits der – in nordrhein-westfälisches formelles Gesetzesrecht transformierten – staatsvertraglichen Norm des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW),
126und zwar bereits auf tatbestandlicher Ebene, vgl. dazu die noch folgenden Ausführungen unter A. I. 2. b),
127sämtliche Kriterien entnehmen, um (im Falle des Vorliegens eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes) eine dann vorliegende Kollision zwischen den Glücksspielstätten Spielhalle bzw. Spielbank einerseits und Wettvermittlungsstelle andererseits,
128alle Betreiber der jeweiligen Glücksspielstätten können sich auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen, so dass es sich um eine grundrechtsrelevante Kollision handelt,
129aufzulösen. Die Auflösung der Kollision zwischen den verschiedenen Glücksspielstätten im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes erfolgt also nicht alleine durch die Erläuterung zu § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 – was den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie bzw. des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nicht genügen würde, sondern bereits – zumindest nach der nordrhein-westfälischen Rechtslage (§ 21 Abs. 2 GlüStV 2021 i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) – nach der vorstehend hergeleiteten Auslegung,
130in deren Rahmen die historisch-genetische Auslegungsmethode lediglich eine anerkannte Auslegungsmethode ist (vgl. zur historisch-genetischen Auslegung des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 unter A. I. 1. a) bb)),
131durch formelles Gesetzesrecht selbst.
132Die Auflösung der Kollision stellt sich bei der vorstehend hergeleiteten Auslegung in rechtlicher Hinsicht als gebundene Entscheidung dar, die der zuständigen Behörde keinerlei Ermessensspielraum eröffnet.
133Anders für den – mit dem Trennungsgebot in normativer und empirischer Hinsicht nicht vergleichbaren – Fall der Konkurrenz zwischen zwei – den untereinander einzuhaltenden Mindestabstand unterschreitenden – Spielhallen OVG Münster, Beschluss vom 16. September 2019 – 4 B 255/18 –, juris, Rn. 23 ff. (Ermessensentscheidung, in der auch zu berücksichtigen sei, welcher Spielhallenbetreiber besser geeignet ist, die in § 1 GlüStV (damals: § 1 GlüStV 2012) normierten Ziele des Glücksspielstaatsvertrags zu gewährleisten).
134Ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Wesentlichkeitstheorie, nach der der parlamentarische Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss,
135vgl. zur Wesentlichkeitstheorie etwa BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 –, juris, Rn. 40, m. w. N.,
136liegt damit nicht vor, da sich § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) bei – vorstehend dargestellter – Auslegung hinreichend deutlich sämtliche Entscheidungsdirektiven zur Auflösung der Kollision zwischen den verschiedenen Glücksspielstätten (im Falle des Vorliegens eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes) entnehmen lassen.
137Offenlassend (im vorläufigen Rechtsschutzverfahren) insoweit OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 31 ff., m. w. N.
138Die Anforderungen des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG („durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes“) sind damit gleichfalls gewahrt.
139Im Ergebnis ist also, wie vorstehend hergeleitet, § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) dahingehend auszulegen, dass die Glücksspielstätte (Spielhalle/Spielbank bzw. Wettvermittlungsstelle), die über die in zeitlicher Hinsicht frühere glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt,
140bzw. (für den Fall einer Wettvermittlungsstelle) die in zeitlicher Hinsicht früher die materiell-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllte und lediglich aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen (Fehlen eines rechtskonformen Erlaubnisverfahrens) keine glücksspielrechtliche Erlaubnis erlangen konnte,
141im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes oder Gebäudekomplexes die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis an die in zeitlicher Hinsicht nachfolgende Glücksspielstätte (Spielhalle/Spielbank bzw. Wettvermittlungsstelle) ausschließt. Bei diesem vorzugswürdigen Verständnis ordnet § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 bereits keine Privilegierung von Spielhallen bzw. Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen an, die vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG als verfassungs- bzw. vor dem Hintergrund des vom Europäischen Gerichtshofs in seiner Rechtsprechung entwickelten Kohärenzgebots als unionsrechtswidrig betrachtet werden könnte.
142Vor dem Hintergrund der soeben begründeten Auslegung des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 erweist sich die Norm also nicht als unionsrechtlich inkohärent (bzw. verfassungsrechtlich inkonsistent). Der entsprechende Vortrag der Klägerin zu 1., § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 sei inkohärent, beruht auf der Prämisse, dass die Norm eine Privilegierung von Spielhallen und Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen anordnet. Ist dies nicht der Fall, so besteht für die Annahme einer Inkohärenz – unabhängig von etwaigen weiteren Fragen nach der Reichweite des vom Europäischen Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aufgestellten Kohärenzgebots – insoweit bereits von vornherein kein Raum mehr.
143b) § 21 Abs. 2 AG GlüStV 2021 verstößt – anders, als die Klägerin zu 1. vortragen lässt – auch nicht (aus sonstigen Gründen) gegen höherrangiges Recht. Die Norm verstößt weder gegen Verfassungsrecht (dazu unter aa)) noch gegen Unionsrecht (dazu unter bb)).
144aa) Ein Verstoß von § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 gegen Verfassungsrecht liegt nicht vor. Die Norm verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG (dazu unter aaa)). Der Schutz der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG kann jedenfalls nicht zu einem weitergehenden Schutz der jeweiligen Glücksspielbetreiber als die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG führen (dazu unter bbb)). Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht aus anderen als den bereits unter A. I. 1. a) dargestellten Gründen vor (dazu unter ccc)).
145Vgl. zur Vereinbarkeit der Norm mit Verfassungsrecht etwa auch VGH Mannheim, Urteil vom 4. Juli 2019 – 6 S 1354/18 –, juris, Rn. 21 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 16. März 2016 – 2 B 237/15 –, juris, Rn. 18; Ruttig, in: Dietlein/Ruttig, Glücksspielrecht, 3. Aufl. 2022, § 21 GlüStV Rn. 36.
146Die Klägerinnen als juristische Personen können sich zunächst auf die Grundrechte der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) berufen.
147Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Vorliegend kann sich neben der Klägerin zu 2. auch die Klägerin zu 1., die ihren Sitz in Malta, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, hat, auf die für sie ihrem Wesen nach anwendbaren Grundrechte berufen. Die Erstreckung der Grundrechtsberechtigung auf juristische Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellt eine aufgrund des Anwendungsvorrangs der Grundfreiheiten im Binnenmarkt (Art. 26 Abs. 2 AEUV) und des allgemeinen Diskriminierungsverbots aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV) vertraglich veranlasste Anwendungserweiterung des deutschen Grundrechtsschutzes dar.
148Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2011 – 1 BvR 1916/09 –, juris, Rn. 68 ff.
149Die hier in Rede stehende Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sind ihrem Wesen nach auch auf die Klägerinnen anwendbar. Juristische Personen können sich über Art. 19 Abs. 3 GG sowohl auf die Gewährleistung der Berufsfreiheit als auch auf die Eigentumsfreiheit als auch auf den Gleichheitssatz berufen.
150Vgl. etwa Enders, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 56. Edition, Stand 15. August 2023, Art. 19 GG Rn. 42, m. w. N. aus der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts.
151aaa) Das Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Der durch diese normative Regelung bewirkte Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Veranstalter und Vermittler von Sportwettvermittlungsstellen (dazu unter aaaa)) ist durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt bzw. verhältnismäßig (dazu unter bbbb)).
152aaaa) Durch das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) geregelte Trennungsgebot wird in die Berufsausübungsfreiheit der Veranstalter und Vermittler von Wettvermittlungsstellen eingegriffen. Sowohl der Veranstalter (die Klägerin zu 1.) als auch der Vermittler (die Klägerin zu 2.) von Sportwetten (und im Übrigen auch der Spielhallenbetreiber) unterfallen dem Schutzbereich der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Art. 12 Abs. 1 GG schützt neben der freien Berufsausübung auch das Recht, einen Beruf frei zu wählen. Unter Beruf ist dabei jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient. Der Schutz der Berufsfreiheit ist nicht auf traditionelle oder gesetzlich fixierte Berufsbilder beschränkt, sondern erfasst auch Berufe, die aufgrund der fortschreitenden technischen, sozialen oder wirtschaftlichen Entwicklung neu entstanden sind.
153Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2007 – 1 BvR 2186/06 –, juris, Rn. 66; Wolff, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl. 2022, Art. 12 GG Rn. 4, m. w. N. aus der Rspr.
154Der Schutzbereich der Berufsfreiheit umfasst mithin auch die Veranstaltung sowie das Vermitteln von Sportwetten.
155Bei dem Trennungsgebot handelt es sich um einen (bloßen) Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, der seiner Intensität nach einem Eingriff in die Berufswahlfreiheit auch nicht nahekommt. Es bleibt auch unter Geltung des Trennungsgebots weiterhin möglich, die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufs des Veranstalters von Sportwetten, des Vermittlers von Sportwetten sowie des Spielhallenbetreibers zu ergreifen; lediglich der Umfang der möglichen Standorte für eine Wettvermittlungsstelle bzw. Spielhalle wird (im Falle des Vorliegens eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes) modifiziert bzw. verringert.
156bbbb) Der durch § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) bewirkte Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
157In das durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit darf nur auf hinreichend bestimmter gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden. Der Eingriff muss zur Erreichung eines legitimen Eingriffsziels geeignet sein und darf nicht weitergehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern; ferner müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen.
158Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 120 ff., m. w. N. aus der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts.
159§ 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) genügt dem Bestimmtheitsgrundsatz (dazu unter aaaaa)). Darüber hinaus ist die Norm auch durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt bzw. verhältnismäßig (dazu unter bbbbb)).
160aaaaa) § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 verstößt zunächst nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Das verfassungsrechtliche Gebot der hinreichenden Normenbestimmtheit ist gewahrt, wenn sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen.
161Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 125.
162Der – im Glücksspielstaatsvertrag nicht legal definierte – Rechtsbegriff des Gebäudekomplexes ist mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden auslegungsfähig und damit hinreichend bestimmbar. Dass einzelne Gerichte diesen Rechtsbegriff unterschiedlich ausgelegt haben bzw. unterschiedliche Auslegungen erwogen haben,
163vgl. beispielhaft etwa OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris; OVG Münster, Beschluss vom 4. September 2015 – 4 B 247/15 –, juris; OVG Münster, Beschluss vom 21. April 2015 – 4 B 1376/14 –, juris; OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 4 B 574/13 –, juris; OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris; OVG Saarlouis, Beschluss vom 5. September 2018 – 1 B 205/18 –, juris; OVG Bremen, Beschluss vom 16. März 2016 – 2 B 237/15 –, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Dezember 2014 – 11 ME 211/14 –, juris,
164hindert die Annahme einer hinreichenden Bestimmbarkeit dieses in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 enthaltenen Rechtsbegriffs nicht. Dass verschiedene Gerichte identische Rechtsbegriffe unterschiedlich auslegen, kommt nicht nur im Bereich des Glücksspielrechts vor, sondern ist ein der gesamten Rechtsordnung immanenter Umstand. Grund ist etwa, dass verschiedene rechtswissenschaftlich anerkannte Auslegungsmethoden, deren sich die Gerichte auch bedienen, existieren, und keiner Auslegungsmethode gegenüber anderen ein allgemein anerkannter Vorrang zukommt.
165Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 30. März 1993 – 1 BvR 1045/89 u. a. –, juris, Rn. 67: „Eine bestimmte Auslegungsmethode (oder gar eine reine Wortinterpretation) schreibt die Verfassung nicht vor“.
166Verwaltungsprozessrechtlich wird dem Umstand, dass ein identischer Rechtsbegriff innerhalb einer Norm durch verschiedene Gerichte unterschiedlich ausgelegt werden kann, dadurch Rechnung getragen, dass grundsätzliche Bedeutung und Divergenz Berufungs- (§ 124 Abs. 2 Nrn. 3, 4 VwGO) und Revisionszulassungsgründe sind (§ 132 Abs. 2 Nrn. 1, 2 VwGO), wodurch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch ober- sowie höchstrichterliche Leitentscheidungen zumindest gefördert werden kann.
167bbbbb) Der durch § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) bewirkte Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ist auch durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt bzw. verhältnismäßig. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dabei von Relevanz, dass § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 nicht in die Berufswahlfreiheit eingreift (es ist in Nordrhein-Westfalen auch unter Geltung des Trennungsgebots nach wie vor möglich, den Beruf des Veranstalters bzw. Vermittlers von Sportwetten zu ergreifen; eine Kontingentierung wird durch die Norm nicht bewirkt), sondern in die Freiheit der Berufsausübung. Es handelt sich mit anderen Worten um einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung, der in seiner Intensität einem Eingriff in die Freiheit der Berufswahl auch nicht nahekommt.
168Regelungen, die in die Freiheit der Berufsausübung eingreifen, sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind. Die Freiheit der Berufsausübung kann beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen.
169Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 – 1 BvR 596/56 –, juris, Rn. 74; st. Rspr.
170Das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) normierte Trennungsgebot dient einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck (dazu unter aaaaaa)), zu dessen Verfolgung es geeignet (dazu unter bbbbbb)) und erforderlich (dazu unter cccccc)) ist; schließlich stellt sich das Trennungsgebot auch als angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne dar (dazu unter dddddd)).
171aaaaaa) Das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) normierte Trennungsgebot dient einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck.
172Durch § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 soll verhindert werden, dass die Gelegenheit zur Teilnahme an stationären Sportwetten in einer Umgebung eröffnet wird, in der sich Personen aufhalten, von denen eine beträchtliche Zahl anfällig für die Entwicklung einer Spiel- oder Wettsucht ist. Es ist davon auszugehen, dass das Automatenspiel die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten hervorbringt.
173Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 6; vgl. insoweit auch BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 89 ff., S. 161 f.; danach sind Automaten- und Casinospiele – im Vergleich zu Sportwetten, die ebenfalls ein erhöhtes Gefahrenrisiko aufweisen, und Lotterien – als am gefährlichsten einzustufen.
174Die räumliche Verknüpfung von stationärem Automatenspiel und stationärer Wettvermittlungsstelle würde daher für Spieler des stationären Automatenspiels einen unerwünschten Anreiz bieten, sich dem Wetten in einer stationären Wettvermittlungsstelle zuzuwenden. Ebenso könnten durch eine Kumulation beider Angebote die an stationären Sportwetten interessierten Kunden in unerwünschter Weise dazu animiert werden, sich dem stationären Automatenspiel zuzuwenden. Die Norm hat insoweit eine spielsuchtpräventive und spielerschützende Funktion. Sie dient der Verfügbarkeitsreduktion und der Vermeidung des unmittelbaren Kontakts mit der jeweils anderen – stationär angebotenen – Spielform.
175Vgl. die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 (Antrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung auf Zustimmung des nordrhein-westfälischen Landtags zum Glücksspielstaatsvertrag 2021; Landtag Nordrhein-Westfalen Drucksache 17/11683), S. 180; vgl. ferner etwa OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 6; OVG Saarlouis, Beschluss vom 5. September 2018 – 1 B 205/18 –, juris, Rn. 19; OVG Bremen, Beschluss vom 16. März 2016 – 2 B 237/15 –, juris, Rn. 12 ff.
176Durch das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) normierte Trennungsgebot soll so eine gewisse „Abkühlung“ des Glücksspielteilnehmers nach Verlassen der ersten stationären Glücksspielstätte erreicht werden.
177Die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht stellt nicht nur grundsätzlich ein legitimes Ziel für die Berufsfreiheit einschränkende Regelungen dar; mit dem Schutz der Bevölkerung allgemein vor den Gefahren der Entwicklung einer Glücksspielsucht wird (sogar) ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel verfolgt, das selbst eine – hier nach den obigen Ausführungen nicht vorliegende – objektive Berufswahlbeschränkung zu rechtfertigen vermögen würde. Die Vermeidung und Abwehr von Suchtgefahren ist ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen kann.
178Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –, juris, Rn. 99; BVerwG, Urteil vom 5. April 2017 – 8 C 16.16 –, juris, Rn. 34.
179bbbbbb) Das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) normierte Trennungsgebot ist geeignet, das mit ihm verfolgte verfassungsrechtliche Ziel der Spielsuchtprävention zu verfolgen. Die Geeignetheit kann bereits dann bejaht werden, wenn mit Hilfe des eingesetzten Mittels der gewünschte Erfolg zumindest gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Dem Gesetzgeber kommt hierbei ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu. Es ist vornehmlich seine Sache, unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will.
180Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 149; BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –, juris, Rn. 112; Ruffert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 56. Edition, Stand 15. August 2023, Art. 12 GG Rn. 90.
181Durch die vom Trennungsgebot bewirkte (zumindest gewisse) räumliche Entzerrung der stationären Glücksspielstätten Spielhalle bzw. Spielbank einerseits und Wettvermittlungsstelle andererseits kann das Risiko, dass ein Glücksspielteilnehmer nach Glücksspielteilnahme in einer stationären Spielhalle bzw. Spielbank direkt eine stationäre Wettvermittlungsstelle aufsucht bzw. nach Glücksspielteilnahme in einer stationären Wettvermittlungsstelle direkt eine stationäre Spielhalle bzw. Spielbank aufsucht, zumindest gemindert und so die Spielsuchtprävention zumindest gestärkt werden, was nach dem dargestellten Maßstab zur Bejahung der Geeignetheit des Trennungsgebots genügt.
182Die Klägerin zu 1. vermag mit ihrer Argumentation, dass angesichts einer im Internet bestehenden ubiquitären Verfügbarkeit von Automatenspielen und Sportwetten das stationäre Trennungsgebot von Spielhalle bzw. Spielbank einerseits und Wettvermittlungsstelle andererseits zur Spielsuchtprävention nicht mehr geeignet sei, nicht durchzudringen. In den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 wird diesbezüglich ausgeführt:
183„(…) Die Begründung des Trennungsgebots wirkt trotz der künftigen Erlaubnisfähigkeit weiterer Spielformen im Internet (insbesondere Sportwetten und virtuelle Automatenspiele) fort. Mit der verpflichtenden grafischen Trennung nach § 4 Absatz 5 Nr. 5 wurde für den Bereich des Internets eine vergleichbare Regelung geschaffen. Die Aktivitätsdatei nach § 6h verhindert zudem effektiv ein gleichzeitiges Spielen von Automatenspielen und Sportwetten im Internet. Durch die fünfminütige Wartezeit nach § 6h Absatz 4 wird darüber hinaus den besonderen Gefahren des Internets zusätzlich Rechnung getragen. Diese Maßnahmen dienen denselben Zwecken (insbesondere der Verfügbarkeitsreduktion und der Vermeidung des unmittelbaren Kontakts mit der jeweils anderen Spielform) wie das Trennungsgebot im stationären Bereich (…)“
184Vgl. die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 (Antrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung auf Zustimmung des nordrhein-westfälischen Landtags zum Glücksspielstaatsvertrag 2021; Landtag Nordrhein-Westfalen Drucksache 17/11683), S. 180.
185Das erkennende Gericht nimmt auf diese zutreffenden Hinweise im Rahmen der Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 Bezug. Im Übrigen verweist das erkennende Gericht darauf, dass das gesamte Online-Glücksspiel eine gänzlich andere, mit dem stationären Glücksspiel generell nicht vergleichbare Glücksspielkategorie ist; im Vergleich zum stationären Glücksspiel stellt sich das Online-Glücksspiel damit (auch im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG) als aliud dar.
186Vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 24 K 1472/21 –, juris, Rn. 367.
187So stellen etwa stationäres Automatenspiel in Spielhallen einerseits und das virtuelle Automatenspiel im Internet andererseits trotz ähnlicher Spielmechaniken und Spielregeln eigenständige Spielformen dar; allein schon der jeweilige Zugang zum Spiel, der Ort des Spiels und die Form der Gewinnausschüttung unterscheiden sich wesentlich voneinander.
188Vgl. OVG Münster, Urteil vom 10. März 2021 – 4 A 3178/19 –, juris, Rn. 66 ff.
189Die Eignung der glücksspielrechtlichen Regelungen für stationäre Spielhallen zur Spielsuchtbekämpfung wird nicht dadurch aufgehoben, dass der Spieler nach dem Verlassen der Spielhalle (oder auch innerhalb der Spielhalle) ohne notwendigen Ortswechsel auf das virtuelle Automatenspiel ausweichen könnte.
190Vgl. OVG Münster, Urteil vom 10. März 2021 – 4 A 3178/19 –, juris, Rn. 72.
191Gleichfalls wird auch die Eignung der glücksspielrechtlichen Regelungen für stationäre Wettvermittlungsstellen zur Spielsuchtbekämpfung nicht dadurch aufgehoben, dass der Spieler nach dem Verlassen der Wettvermittlungsstelle (oder auch innerhalb der Wettvermittlungsstelle) ohne notwendigen Ortswechsel auf die virtuelle Teilnahme an Sportwetten ausweichen könnte. Dass Kunden einer Wettvermittlungsstelle – wie die Klägerin zu 1. vortragen lässt – mittels ihres Mobiltelefons über das Internet virtuelle Automatenspiele spielen können, während sie gleichzeitig stationär Sportwetten platzieren, hindert vor diesem Hintergrund die Geeignetheit des stationären Trennungsgebots zur Spielsuchtprävention nicht.
192Maßgeblich zur Bejahung der Geeignetheit des Trennungsgebots zur Förderung des mit ihm verfolgten Ziels der Spielsuchtprävention ist letztlich allein, dass das Trennungsgebot den mit ihm verfolgten Zweck der Reduktion der Verfügbarkeit bzw. des unmittelbaren Kontakts mit der jeweils anderen – stationär betriebenen – Spielform (stationäre Spielhalle/Spielbank einerseits; stationäre Wettvermittlungsstelle andererseits) zu fördern vermag.
193cccccc) Das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) normierte Trennungsgebot ist zur Erreichung des verfolgten verfassungsrechtlich legitimen Ziels der Bekämpfung der Spielsuchtprävention auch erforderlich.
194Der verfolgte Zweck darf nicht gleich effektiv durch ein anderes, den Grundrechtsträger weniger stark belastendes bzw. milderes Mittel erreicht werden können. Auch bei der Beurteilung der Erforderlichkeit steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu.
195Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 153; Ruffert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 56. Edition, Stand 15. August 2023, Art. 12 GG Rn. 91.
196Die Spielsuchtprävention gleichermaßen effektiv fördernde, die Veranstalter und Vermittler von Sportwetten (und Spielhallenbetreiber) in geringerem Umfang belastende mildere Mittel bestehen nicht. Die von der Klägerin zu 1. insoweit schriftsätzlich dargelegten Alternativen – qualitative Anforderungen an das Glücksspielangebot, Hinweis auf das bereits gesetzlich bestehende Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche, Anschluss an das im Glücksspielstaatsvertrag 2021 normativ geregelte Spielersperrsystem OASIS (vgl. §§ 8 ff., 23 GlüStV 2021), Ausspruch von Untersagungsverfügungen gegenüber sich nicht rechtskonform verhaltenden Glücksspielbetreibern – stellen offensichtlich keine milderen Mittel dar. Teils sind diese von der Klägerin zu 1. in Spiel gebrachten Alternativen bereits geltendes Recht – das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche nach § 6 Abs. 1 JuSchG, das Spielersperrsystem OASIS nach §§ 8 ff., 23 GlüStV 2021, teils verfolgen sie eine andere Schutzrichtung – das sich auf „öffentliche Spielhallen und ähnliche vorwiegend dem Spielbetrieb dienenden Räume“ beziehende Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche nach § 6 Abs. 1 JuSchG soll Kinder und Jugendliche vor dem unmittelbaren Kontakt mit dem jeweiligen Glücksspielgut schützen und stellt einen Baustein speziell des Kinder- und Jugendschutzes dar, wohingegen das Trennungsgebot nach § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) der allgemeinen Spielsuchtprävention (volljähriger Personen) dienen soll; das Spielersperrsystem OASIS soll den Ausschluss bereits suchterkrankter Spieler von der Spielteilnahme erreichen, wohingegen das stationäre Trennungsgebot eine vorgelagerte, spielsuchtpräventive Zielrichtung hat, teils handelt es sich um von der normativen Rechtslage zu trennende Fragen des Gesetzesvollzugs – Ausspruch von Untersagungsverfügungen gegenüber sich nicht rechtskonform verhaltenden Glücksspielbetreibern, teils sind die Alternativen vergleichsweise unbestimmt und können keinen vergleichbaren Beitrag zur Spielsuchtprävention leisten – wie auch immer zu bestimmende „qualitative Anforderungen an das Angebot“, die zu keinerlei Abkühlung nach Verlassen einer Glücksspielstätte führen können und vor dem Hintergrund, dass der Teilnahme an (wie auch immer zu bestimmendem) „qualitativ hochwertigem“ Glücksspiel als solcher immanent immer die Gefahr der Entwicklung einer Abhängigkeit innewohnt, grundsätzlich keinen Beitrag zur Spielsuchtprävention leisten können, da die Gefahr der Entwicklung einer Glücksspielsucht bei „qualitativ hochwertigem“ Glücksspiel sogar höher sein mag.
197dddddd) Das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) normierte Trennungsgebot erweist sich auch als angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne. Im Rahmen einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der den Eingriff rechtfertigenden Gründe andererseits wahrt das Trennungsgebot die Grenze der Zumutbarkeit und belastet die Betroffenen nicht übermäßig. Das Trennungsgebot ist nicht nur – was zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG bereits ausreichen würde, da es sich dabei, wie bereits ausgeführt, um einen bloßen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung handelt, der in seiner Intensität einem Eingriff in die Freiheit der Berufswahl auch nicht nahe kommt – durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, sondern dient darüber durch Reduktion der Verfügbarkeit sowie Vermeidung des unmittelbaren Kontakts mit der jeweils anderen – stationär angebotenen – Spielform der Spielsuchtprävention und damit sogar einem überragend wichtigen Rechtsgut (Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht stellt nicht nur grundsätzlich ein legitimes Ziel für die Berufsfreiheit einschränkende Regelungen dar; mit dem Schutz der Bevölkerung allgemein vor den Gefahren der Entwicklung einer Glücksspielsucht wird (sogar) ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel verfolgt, das selbst eine – hier nach den obigen Ausführungen nicht vorliegende – objektive Berufswahlbeschränkung zu rechtfertigen vermögen würde. Die Vermeidung und Abwehr von Suchtgefahren ist – wie bereits ausgeführt – ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen kann.
198Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 133.
199Das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) normierte Trennungsgebot ist folglich mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
200bbb) Der Schutz der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG kann jedenfalls – unabhängig von der weiteren Frage, ob ihr Schutzbereich hier überhaupt eröffnet ist – nicht zu einem weitergehenden Schutz der jeweiligen Glücksspielstättenbetreiber als die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG führen.
201Vgl. dazu, dass die Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG – soweit ihr Schutzbereich hier überhaupt eröffnet ist – hinsichtlich der beruflichen Nutzung des Eigentums jedenfalls nicht zu einem weitergehenden Schutz der jeweiligen Glücksspielstättenbetreiber als die Berufsfreiheit führt, etwa BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u. a. –, juris, Rn. 169 (zur insoweit vergleichbaren Frage von Abstandsgeboten im Spielhallenrecht).
202Im Übrigen würde das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) normierte Trennungsgebot jedenfalls eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen.
203ccc) § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) verstößt auch nicht aus anderen als den bereits unter A. I. 1. a) dargestellten Gründen (keine unzulässige Privilegierung von Spielhallen bzw. Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen) gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
204Insbesondere liegt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht darin, dass § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (sowie § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) keinen (etwa in Luftlinie gemessenen) Mindestabstand zwischen den Glücksspielstätten Spielhalle bzw. Spielbank einerseits und Wettvermittlungsstelle andererseits normiert,
205was dem Gesetzgeber ebenfalls möglich gewesen wäre; vgl. zum Mindestabstand zwischen Wettvermittlungsstellen untereinander § 13 Abs. 13 Satz 1 AG GlüStV NRW; vgl. zum Mindestabstand zwischen Spielhallen untereinander § 16 Abs. 3 Satz 1 AG GlüStV NRW; vgl. zur Berechnung des Mindestabstands die Regelung in § 5 Abs. 6 AG GlüStV NRW, auf die § 13 Abs. 13 Satz 3 AG GlüStV NRW sowie § 16 Abs. 3 Satz 3 AG GlüStV NRW Bezug nehmen,
206sondern lediglich die Existenz einer Spielhalle bzw. Spielbank einerseits und einer Wettvermittlungsstelle andererseits in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex verbietet und damit – mit der Verwendung der Begriffe Gebäude sowie Gebäudekomplex – (zumindest) auch an eine bauliche bzw. architektonische Betrachtungsweise anknüpft, was,
207wie im Rahmen der Auslegung des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 unter A. I. 2. a) noch zu zeigen sein wird,
208im Ergebnis dazu führt, dass ein Gebäudekomplex im Falle von einzelnen Häusern, die in geschlossener Bauweise aneinandergebaut sind, zumindest dann vorliegt, wenn die Häuser als Gesamteinheit wahrgenommen werden bzw. unmittelbar nebeneinanderliegen,
209zumindest dann, wenn die in geschlossener Bauweise aneinandergebauten Häuser unmittelbar nebeneinanderliegen, liegt nämlich die nach zutreffender Auffassung aufgrund der spielsuchtpräventiven Funktion des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 ebenfalls zu verlangende sog. Griffnähe vor (vgl. dazu die unter A. I. 2. a) im Rahmen der Auslegung des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 noch folgenden Ausführungen),
210wohingegen jedoch ein Gebäudekomplex aufgrund der Anknüpfung dieses Begriffs auch an bauliche bzw. architektonische Begebenheiten (trotz möglicherweise vergleichbarer Griffnähe) dann nicht vorliegt, wenn zwei Häuser in offener Bauweise unmittelbar nebeneinanderliegen, oder wenn sich zwei Häuser auf unmittelbar gegenüberliegenden Seiten einer Straße befinden. Rechtfertigender Grund für die darin bestehende Ungleichbehandlung der genannten Fallgruppen ist nämlich jedenfalls die Befugnis des Gesetzgebers zu einer typisierenden bzw. pauschalierenden Regelung.
211Vgl. zu den – hier gewahrten – Voraussetzungen einer vor dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG zulässigen Typisierung bzw. Pauschalierung etwa Wolff, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl. 2022, Art. 3 GG Rn. 7, m. w. N.
212bb) Das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) normierte Trennungsgebot verstößt auch nicht gegen Unionsrecht. Ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Dienstleistungs- bzw. die Niederlassungsfreiheit nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – liegt nicht vor.
213Vgl. dazu, dass zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Niederlassungsfreiheit keine höheren Voraussetzungen gelten als zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit, etwa BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 –, juris, Rn. 38; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, juris, Rn. 31; vgl. auch Art. 62 AEUV, der die – dem Recht der Niederlassungsfreiheit nach Artikel 49 ff. AEUV zugehörigen – Bestimmungen der Artikel 51 bis 54 AEUV auf das im Kapitel 3 geregelte Sachgebiet der Dienstleistungsfreiheit für anwendbar erklärt; vgl. dazu, dass die (subsidiäre) Dienstleistungsfreiheit anders als die (speziellere) Niederlassungsfreiheit, zu der sie systematisch in enger Beziehung steht, keine dauerhafte Ortsveränderung und Eingliederung in die Rechts- und Wirtschaftsordnung eines anderen Mitgliedstaates verlangt, etwa Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 57 AEUV Rn. 1.
214Die Dienstleistungsfreiheit ist in Art. 56 ff. AEUV geregelt. Gemäß Art. 56 Abs. 1 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Dienstleistungen im Sinne der Verträge sind gemäß Art. 57 Abs. 1 AEUV Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Die Dienstleistungsfreiheit findet gemäß Art. 57 Abs. 3 AEUV Anwendung, wenn keine – für die Eröffnung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit erforderliche – dauerhafte Niederlassung vorliegt, und erfasst damit – anders als die Niederlassungsfreiheit – gerade vorübergehende Tätigkeiten.
215Vgl. etwa Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Auflage 2022, Art. 49 AEUV Rn. 30, 43.
216Die Niederlassungsfreiheit ist in Art. 49 ff. AEUV geregelt. Gemäß Art. 49 AEUV sind Beschränkungen der Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten (Abs. 1 Satz 1); das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedsstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats ansässig sind (Abs. 1 Satz 2); vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 AEUV, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen (Abs. 2).
217Das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) normierte Trennungsgebot greift (jedenfalls) in den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit ein (dazu unter aaa)); dieser Eingriff ist jedoch unionsrechtlich gerechtfertigt (dazu unter bbb)).
218aaa) Ein Eingriff (jedenfalls) in den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit der Klägerin zu 1. liegt hier vor. Tätigkeiten, die darin bestehen, den Nutzern gegen Entgelt die Teilnahme an einem Geldspiel zu ermöglichen, stellen Dienstleistungen im Sinne von Art. 56 AEUV dar.
219Vgl. etwa (noch unter Geltung von Art. 49 EGV) EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08 –, juris, Rn. 40.
220Nach ständiger Rechtsprechung fallen solche Dienstleistungen daher in den Anwendungsbereich von Art. 56 AEUV, wenn der Leistungsanbieter in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig ist, in dem die Leistung angeboten wird (sog. grenzüberschreitender Sachverhalt). Art. 56 AEUV verlangt insoweit (nur), dass der Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist als der Leistungsempfänger.
221Vgl. etwa (noch unter Geltung von Art. 49 EGV) EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08 –, juris, Rn. 41 ff.
222Die Klägerin zu 1., die – als Inhaberin einer Veranstaltererlaubnis für Sportwetten – am streitgegenständlichen Standort F. Straße 77, H. (Westfalen) eine Wettvermittlungsstelle betreiben will, hat ihren Sitz in Malta, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, so dass auch ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt.
223bbb) Der Eingriff in den Schutzbereich (jedenfalls) der Dienstleistungsfreiheit ist jedoch unionsrechtlich gerechtfertigt.
224Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist rechtmäßig, wenn sie mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar ist (dazu unter aaaa)), wenn sie des Weiteren aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt (dazu unter bbbb)) sowie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten (dazu unter cccc)), und wenn sie schließlich nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (dazu unter dddd)).
225Vgl. allgemein etwa EuGH, Urteil vom 30. November 1995 – C-55/94 –, juris, Rn. 37: „Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich jedoch, dass nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (…)“; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, juris, Rn. 32.
226Die Prüfung, ob mitgliedstaatliche Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit geeignet sind, die Verwirklichung des von dem fraglichen Mitgliedstaat geltend gemachten Ziels oder der von ihm geltend gemachten Ziele zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist, hat dabei gesondert für jede einzelne Beschränkung als solche zu erfolgen.
227Vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-316/07 u. a. –, juris, Rn. 93; EuGH, Urteil vom 6. März 2007 – C-338/04 u. a. –, juris, Rn. 49; BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 –, juris, Rn. 40.
228Schließlich darf die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht das unionsrechtliche Kohärenzgebot verletzen (dazu unter eeee)).
229aaaa) Das durch § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) geregelte Trennungsgebot ist mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar, da es gleichermaßen auf das Betreiben von Wettvermittlungsstellen bzw. Spielhallen/Spielbanken durch Inländer bzw. inländische juristische Personen wie auf das Betreiben von Wettvermittlungsstellen bzw. Spielhallen/Spielbanken durch Ausländer bzw. ausländische juristische Personen Anwendung findet.
230bbbb) Das Trennungsgebot ist auch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses sind etwa die Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen.
231Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 8. September 2009 – C-42/07 –, juris, Rn. 56.
232Zu zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zählen auch die – hier mit § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) verfolgten – Ziele der Bekämpfung der Spielsucht bzw. der Spielsuchtprävention.
233Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08 –, juris, Rn. 105, 111.
234cccc) Das durch § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW geregelte Trennungsgebot ist geeignet, die Verwirklichung des mit ihm verfolgten Zieles der Spielsuchtprävention zu fördern.
235Das erkennende Gericht hat unter dem Prüfungspunkt der Geeignetheit des Trennungsgebots zur Verfolgung des mit ihm verfassungsrechtlich verfolgten legitimen Ziel bereits im Einzelnen ausgeführt, dass durch die vom Trennungsgebot bewirkte (zumindest gewisse) räumliche Entzerrung der stationären Glücksspielstätten Spielhalle bzw. Spielbank einerseits und Wettvermittlungsstelle andererseits das Risiko, dass ein Glücksspielteilnehmer nach Glücksspielteilnahme in einer stationären Spielhalle bzw. Spielbank direkt eine stationäre Wettvermittlungsstelle aufsucht bzw. nach Glücksspielteilnahme in einer stationären Wettvermittlungsstelle direkt eine stationäre Spielhalle bzw. Spielbank aufsucht, zumindest gemindert und so die Spielsuchtprävention zumindest gestärkt werden kann. Auf diese Ausführungen wird auch bei der unionsrechtlichen Prüfung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
236dddd) Das durch § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW geregelte Trennungsgebot geht schließlich auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung des mit ihm verfolgten Zieles der Spielsuchtprävention erforderlich ist.
237Zu beachten ist im Rahmen dieser Erforderlichkeits- bzw. Verhältnismäßigkeitsprüfung, dass die Regelung der Glücksspiele zu den Bereichen gehört, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. In Ermangelung einer Harmonisierung des betreffenden Gebiets durch die Europäische Union ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in diesen Bereichen im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben. Allein der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, kann keinen Einfluss auf die Beurteilung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben. Diese sind allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und auf das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen.
238Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08 –, juris, Rn. 46; EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-316/07 u. a. –, juris, Rn. 91; EuGH, Urteil vom 8. September 2009 – C-42/07 –, juris, Rn. 57 f., m. w. N.
239Das erkennende Gericht hat unter dem Prüfungspunkt der Erforderlichkeit des Trennungsgebots zur Verfolgung des mit ihm verfassungsrechtlich verfolgten legitimen Ziel bereits im Einzelnen ausgeführt, dass die Spielsuchtprävention gleichermaßen effektiv fördernde, die Veranstalter und Vermittler von Sportwetten (und Spielhallenbetreiber) in geringerem Umfang belastende mildere Mittel nicht bestehen und die von der Klägerin zu 1. insoweit schriftsätzlich dargelegten Alternativen offensichtlich keine milderen Mittel darstellen. Auf diese Ausführungen wird auch bei der unionsrechtlichen Prüfung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
240eeee) Das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) geregelte Trennungsgebot verletzt schließlich auch nicht das unionsrechtliche Kohärenzgebot. Das Kohärenzgebot erfordert, dass eine Beschränkung der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit – ebenso wie ihre Anwendung in der Praxis – geeignet ist, kohärent und systematisch zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele (hier: der Spielsuchtprävention) beizutragen. Das Kohärenzgebot präzisiert die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit der beschränkenden Regelung dabei in zweifacher Hinsicht: Zum einen verlangt es, dass der jeweilige Mitgliedstaat der Europäischen Union die unionsrechtlich legitimen Ziele tatsächlich verfolgt. Er darf nicht scheinheilig legitime Ziele vorgeben, in Wahrheit aber andere – namentlich fiskalische – Ziele anstreben, die die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht zu rechtfertigen vermögen, sog. Erfordernis der Binnenkohärenz (dazu im Einzelnen unter aaaaa)). Zum anderen darf das mit dem Eingriff in die Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit verfolgte Ziel nicht durch eine mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen konterkariert werden (dazu im Einzelnen unter bbbbb)). Verlangt wird damit allerdings weder eine Uniformität der Regelungen noch eine Optimierung der Zielverwirklichung. Das gewinnt Bedeutung namentlich in Mitgliedstaaten wie der Bundesrepublik Deutschland, zu deren Verfassungsgrundsätzen eine bundesstaatliche Gliederung in Bund und Bundesländer mit jeweils eigener Gesetzgebungskompetenz gehört (vgl. Art. 20, 23 Abs. 1 Satz 3, 28 Abs. 1, Art. 79 Abs. 2, 3 GG).
241Doch führt es zur Inkohärenz der jeweiligen Regelung, wenn die zuständigen Behörden in einem anderen Glücksspielbereich eine der jeweiligen Regelung zuwiderlaufende Politik betreiben oder dulden und dies zur Folge hat, dass das mit der jeweiligen Regelung verfolgte Ziel mit ihm nicht mehr wirksam verfolgt werden kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn in anderen Glücksspielsektoren mit gleich hohem oder höherem Suchtpotential – auch wenn für sie andere Hoheitsträger desselben Mitgliedsstaats zuständig sind – Umstände durch entsprechende Vorschriften herbeigeführt oder, wenn sie vorschriftswidrig bestehen, strukturell geduldet werden, die – sektorenübergreifend – zur Folge haben, dass die in Rede stehende Regelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nichts (mehr) beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung aufgehoben wird.
242Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 –, juris, Rn. 40 ff., m. w. N. aus der Rspr. auch des Europäischen Gerichtshofs; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, juris, Rn. 35; vgl. auch EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – C-156/13 –, juris, Rn. 33 ff., unter Hinweis darauf, dass die (interne) Verteilung der Zuständigkeit zwischen dem der Europäischen Union angehörenden Gesamtstaat und einzelnen Bundesländern unionsrechtlich unter dem Schutz von Art. 4 Abs. 2 EUV steht; vgl. auch EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08 –, juris, Rn. 55 ff.; vgl. im Übrigen zur vergleichbaren Frage eines Konsistenzgebotes auf der Ebene des nationalen Verfassungsrechts BVerfG, Beschluss vom 20. März 2009 – 1 BvR 2410/08 –, juris, Rn. 17; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 6.15 –, juris, Rn. 51.
243Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass die Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit durch die – vorliegend nicht in Rede stehende – Errichtung eines staatlichen Monopols ungleich stärker beschränkt wird als durch eine Regelung wie die vorliegend in Rede stehende des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW), die durch das Verbot des Betreibens einer Wettvermittlungsstelle und einer Spielhalle bzw. Spielbank in einem gemeinsamen Gebäude bzw. Gebäudekomplex lediglich bestimmte Standorte für Wettvermittlungsstellen bzw. Spielhallen/Spielbanken ausschließt bzw. die Ansiedlung von entsprechenden Glücksspielstätten damit lediglich in räumlicher Hinsicht beschränkt bzw. steuert.
244Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, juris, Rn. 35.
245aaaaa) Soweit das Kohärenzgebot verlangt, dass der jeweilige Mitgliedstaat der Europäischen Union (hier: die Bundesrepublik Deutschland) das unionsrechtlich legitime Ziel (hier: der Spielsuchtprävention) tatsächlich – und nicht nur vordergründig, während er in Wahrheit fiskalische Ziele anstrebt – verfolgt (sog. Erfordernis der Binnenkohärenz), so ist dieser Anforderung mit dem in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) normierten Trennungsgebot offensichtlich Rechnung getragen. Zur Begründung wird auf die bereits erfolgten Ausführungen im Rahmen der Geeignetheit des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG zur Verwirklichung des mit ihm verfolgten legitimen Ziels verwiesen. Ungeachtet dessen soll sich das Erfordernis der Binnenkohärenz nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Übrigen auch allein auf den Monopolsektor beziehen.
246Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 17.12 –, juris, Rn. 41, m. w. N. aus der Rspr. des Europäischen Gerichtshofs.
247bbbbb) Das mit dem Eingriff in die Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit verfolgte Ziel (hier: der Spielsuchtprävention) wird auch nicht durch eine mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen konterkariert. In der Bundesrepublik Deutschland bestehen keine normativen Regelungen oder behördlicherseits strukturell geduldete Umstände für andere Glücksspielbereiche mit gleich hohem oder höherem Glücksspielpotential als das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten in stationären Wettvermittlungsstellen, die zur Teilnahme an diesen anderen Glücksspielangeboten ermuntern (sog. Politik der Angebotsausweitung) und – sektorenübergreifend – zur Folge haben, dass die in Rede stehende Regelung des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels der Spielsuchtprävention tatsächlich nichts (mehr) beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung aufgehoben wird.
248Wie das erkennende Gericht bereits – unter A. I. 1. a) – ausgeführt hat, ordnet § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) bereits keine Privilegierung von Spielhallen bzw. Spielbanken gegenüber Wettvermittlungsstellen an, die das vom Europäischen Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aufgestellte Kohärenzgebot verletzen könnte.
249Im Ergebnis ist § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) mit höherrangigem Recht (Verfassungs- und Unionsrecht) vereinbar.
250Vgl. so im Ergebnis aus jüngster Zeit auch VG Düsseldorf, Urteil vom 4. Oktober 2023 – 3 K 7177/21 –, juris, Rn. 131 ff.; vgl. auch VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 2. August 2023 – 1 VB 88/19 u. a. –, juris, Rn. 157 ff.
2512. Die Anwendung des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 auf den konkreten Einzelfall führt hier zu dem Ergebnis, dass die vorliegend streitgegenständliche Erlaubnis für die Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen) nicht erteilt werden darf.
252Im hier vorliegenden Einzelfall bilden die streitbefangene Wettvermittlungsstelle, ansässig unter der Adresse F. Straße 77, H. (Westfalen), und die unter der Adresse F. Straße 75, H. (Westfalen) ansässige Spielhalle einen Gebäudekomplex i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (dazu unter a)). Rechtsfolge des Vorliegens eines Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 ist im hier vorliegenden Einzelfall, dass die (in casu vorrangige) Spielhalle aufgrund ihrer in zeitlicher Hinsicht früheren glücksspielrechtlichen Erlaubnis einen Versagungsgrund für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb der Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen) begründet (dazu unter b)).
253a) Im hier vorliegenden Einzelfall bilden die streitbefangene Wettvermittlungsstelle und die benachbarte Spielhalle einen Gebäudekomplex i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021.
254In casu liegt die streitbefangene Wettvermittlungsstelle, ansässig unter der Adresse F. Straße 77, H. (Westfalen), direkt neben der Spielhalle, ansässig unter der Adresse F. Straße 75, H. (Westfalen). Das Gebäude, in dem sich die Wettvermittlungsstelle befindet, grenzt dabei an das Gebäude, in dem sich die Spielhalle befindet, unmittelbar in geschlossener Bauweise an. Es handelt sich um zwei verschiedene, allerdings in geschlossener Bauweise unmittelbar nebeneinanderliegende Häuser. Ein Gebäude i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 liegt daher in der hier vorliegenden Konstellation bereits nach dem insoweit eindeutigen natürlichen Sprachgebrauch, der ein einzelnes Haus verlangt, in dem sich beide Angebote (Spielhalle und Wettvermittlungsstelle) befinden, nicht vor. Die streitbefangene Wettvermittlungsstelle sowie die Spielhalle bilden jedoch gemeinsam einen Gebäudekomplex i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021.
255Der Begriff des Gebäudekomplexes bedarf – mangels einer Legaldefinition im Glücksspielstaatsvertrag 2021 bzw. im nordrhein-westfälischen Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrags – der Auslegung.
256Vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 54 ff.; vgl. dazu, dass auch weder den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2012 noch den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 – etwa Landtag Nordrhein-Westfalen Drucksache 17/11683, S. 180 – eine weitergehende Beschreibung des Rechtsbegriffs des Gebäudekomplexes entnommen werden kann, OVG Saarlouis, a. a. O., Rn. 57; vgl. dazu, dass der Rechtsbegriff des Gebäudekomplexes – anders als der Rechtsbegriff des Gebäudes – auch im Baurecht keine Legaldefinition erfahren hat, die im Wege einer systematischen Auslegung fruchtbar gemacht werden könnte, OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 57; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Dezember 2014 – 11 ME 211/14 –, juris, Rn. 8.
257aa) Ein Gebäudekomplex i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (§ 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) kann jedenfalls nach dem Wortlaut dieser Norm auch aus aneinandergebauten, einzelnen Häusern (in geschlossener Bauweise) bestehen; der natürliche Sprachgebrauch eines Gebäudekomplexes bzw. eine architektonisch-bauliche Betrachtungsweise,
258nicht hingegen: baurechtliche Betrachtungsweise, da das Baurecht ja gerade keine Legaldefinition des Begriffs des Gebäudekomplexes enthält,
259umfasst eine derartige Auslegung.
260Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 4.
261Während ein Gebäude i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (bereits nach dem natürlichen Sprachgebrauch) zumindest regelmäßig einen das Trennungsgebot rechtfertigenden engen räumlichen Zusammenhang zwischen dem Angebot einer Spielhalle bzw. Spielbank und eines Wettbüros impliziert,
262vgl. zum Rechtsbegriff des Gebäudes etwa die bauordnungsrechtliche Legaldefinition in § 2 Abs. 2 BauO NRW, wonach Gebäude selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen (§ 2 Abs. 1 BauO NRW) sind, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen; zur Auslegung des Rechtsbegriffs Gebäudes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 auf die bauordnungsrechtliche Legaldefinition abstellend OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 56,
263gilt dies nicht ohne weiteres für einen Gebäudekomplex i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021. Architektonisch wird,
264dies bestimmt den natürlichen Sprachgebrauch des Begriffs Gebäudekomplex,
265von einem Gebäudekomplex nämlich bereits dann gesprochen, wenn eine Gruppe oder ein Block von Gebäuden, die – in geschlossener Bauweise – baulich miteinander verbunden sind, als Gesamteinheit wahrgenommen werden.
266Vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 6; OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 58; OVG Saarlouis, Beschluss vom 5. September 2018 – 1 B 205/18 –, juris, Rn. 18; OVG Bremen, Beschluss vom 16. März 2016 – 2 B 237/15 –, juris, Rn. 12; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Dezember 2014 – 11 ME 211/14 –, juris, Rn. 8.
267Der Begriff des Gebäudekomplexes setzt nach dem natürlichen Sprachgebrauch nicht die Möglichkeit voraus, im Innern zwischen den verschiedenen Gebäuden wechseln zu können.
268Vgl. etwa OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Dezember 2014 – 11 ME 211/14 –, juris, Rn. 8.
269Auch kann sich der Begriff des Gebäudekomplexes nach dem natürlichen Sprachgebrauch über mehrere Flurstücke erstrecken.
270Vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 58; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Dezember 2014 – 11 ME 211/14 –, juris, Rn. 10.
271bb) Allerdings kann die Annahme eines Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 nach Sinn und Zweck der Norm und zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht in allen Anwendungsfällen, die der Begriff des Gebäudekomplexes nach seinem natürlichen Sprachgebrauch bzw. einer rein architektonisch-baulichen Betrachtungsweise erfasst, bejaht werden, sondern nur dann, wenn zumindest ein gewisser örtlicher Zusammenhang bzw. eine räumliche Nähebeziehung,
272dessen/deren Reichweite (sog. Griffnähe) mit Blick auf den Sinn und Zweck der Norm – die Spielsuchtprävention bzw. die Ermöglichung eines gewissen „Abkühlungseffekts“ beim Spieler nach Verlassen der ersten Glücksspielstätte – zu bestimmen ist,
273zwischen dem Angebot der Wettvermittlungsstelle und dem Angebot der Spielhalle bzw. Spielbank besteht. Daher ist eine entsprechende verfassungskonforme, einschränkende Auslegung mit Blick auf Sinn und Zweck des Trennungsgebots erforderlich.
274Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 4; OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 63; VG Düsseldorf, Urteil vom 4. Oktober 2023 – 3 K 7177/21 –, juris, Rn. 94 ff. (108 ff.).
275Angesichts dessen, dass architektonisch – wie bereits ausgeführt – von einem Gebäudekomplex bereits dann gesprochen wird, wenn eine Gruppe oder ein Block von Gebäuden, die – in geschlossener Bauweise – baulich miteinander verbunden sind, als Gesamteinheit wahrgenommen werden, und dies ganze Bereiche (unter anderem von Innenstädten) erfassen kann, womit die Größe solcher baulichen Räume jedenfalls stark variieren kann, stellte es einen Wertungswiderspruch dar, allein auf das Bestehen eines derart – nach dem natürlichen Sprachgebrauch – verstandenen Gebäudekomplexes ohne weitere einschränkende Voraussetzungen abzustellen. Denn es ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch unter Einbeziehung einer zulässigen typisierenden Betrachtung mit Blick auf Sinn und Zweck des Trennungsgebots nicht nachzuvollziehen, warum eine Spielhalle bzw. Spielbank und eine Wettvermittlungsstelle ohne Verstoß gegen das Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 zwar in einander gegenüber liegenden Gebäuden – auf gegenüber liegenden Seiten der Straße – sowie in direkt benachbarten, jedoch baulich getrennten Gebäuden, also in offener Bauweise, untergebracht sein dürfen,
276in einer derartigen Konstellation läge ein Gebäudekomplex mangels geschlossener Bauweise offenkundig nicht vor,
277nicht aber beispielsweise an entgegengesetzten Enden eines Gebäudekomplexes in Form eines Einkaufszentrums, die unter Umständen mehrere 100 m auseinanderliegen können.
278Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 6 ff. (Rn. 9).
279Durch § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 soll verhindert werden, dass die Gelegenheit zur Abgabe von Sportwetten in einer Umgebung eröffnet wird, in der sich Personen aufhalten, von denen eine beträchtliche Zahl anfällig für die Entwicklung einer Spiel- oder Wettsucht ist. Das erkennende Gericht hat bereits unter A. I. 1. b) aa) aaa) bbbb) bbbbb) aaaaaa) ausgeführt, dass objektiver Sinn und Zweck des Trennungsgebots die Stärkung der Spielsuchtprävention ist. Wie bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass das Automatenspiel die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten hervorbringt.
280Vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 6; OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 60; vgl. insoweit auch BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 89 ff., S. 160 ff.
281Auch besteht zwischen Automatenspielen einerseits und der Teilnahme an Sportwetten andererseits ein erhöhtes sog. Korrespondenzspielverhalten.
282Vgl. dazu BZgA, Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, BZgA-Forschungsbericht Januar 2020, S. 80, wonach Befragte, die Sportwetten spielen, deutlich häufiger zusätzlich an Automatenspielen teilnehmen als Teilnehmer von Lotterien (17,4 % versus 7,0 %), wohingegen Spieler des Automatenspiels wiederum vergleichsweise häufiger an Sportwetten teilnehmen als Lotteriespieler (9,4 % versus 3,8 %).
283Die räumliche Verknüpfung einer Spielhalle bzw. Spielbank mit einer Wettvermittlungsstelle würde daher für Automatenspieler einen unerwünschten Anreiz bieten, sich den Sportwetten zuzuwenden. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 soll insoweit verhindern, dass die Gelegenheit zur Teilnahme an Sportwetten in einer Umgebung eröffnet wird, in der sich Personen aufhalten, von denen eine beträchtliche Zahl anfällig für die Entwicklung einer Spiel- oder Wettsucht ist. Ebenso könnten durch eine Kumulation beider Angebote die an Sportwetten interessierten Kunden in unerwünschter Weise dazu animiert werden, sich dem Automatenspiel zuzuwenden. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 soll verhindern, dass Spieler der einen stationären Glücksspielart durch eine entsprechende räumliche Nähebeziehung der jeweiligen unterschiedlichen Glücksspielstätten in übermäßigem Maße dazu verleitet werden, sich auch noch der jeweiligen anderen stationären Glücksspielart zuzuwenden, bzw. für eine gewisse „Abkühlung“ des jeweiligen Spielers nach Verlassen der ersten Glücksspielstätte sorgen, um so die Gefahr, dass dieser Spieler nach Verlassen der ersten Glücksspielstätte aufgrund der vorhandenen räumlichen Nähebeziehung direkt die andere Glücksspielstätte betritt (anstatt an dem jeweiligen Tag das stationäre Glücksspiel zu beenden), zu verringern. Der nach der Zielsetzung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 unerwünschte Anreiz, sich einer weiteren Spielform zuzuwenden, soll hierdurch eingedämmt werden.
284Vgl. insoweit etwa OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 6; OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 60 ff.
285Die Auslegung der Norm des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 hat sich jedenfalls auch an der beschriebenen spielsuchtpräventiven und spielerschützenden Funktion zu orientieren. Nach übereinstimmenden wissenschaftlichen Forschungsergebnissen ist die Verfügbarkeit bzw. Griffnähe der Glücksspiele ein wesentlicher Faktor der Entwicklung und des Auslebens der Spielsucht. Das Trennungsgebot zwischen Spielhallen/Spielbanken einerseits und Wettvermittlungsstellen andererseits verlangt daher einen solchen Abstand zwischen den jeweiligen Glücksspielangeboten, dass die Griffnähe nicht mehr vorliegt. Das Trennungsgebot dient insoweit der Verfügbarkeitsreduktion und der Vermeidung des unmittelbaren Kontakts mit der jeweils anderen Glücksspielform.
286Vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 6; OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 60 ff.
287Zwischen den jeweiligen Glücksspielstätten muss daher eine vor dem Hintergrund der spielsuchtpräventiven Funktion der Norm hinreichende Nähebeziehung vorliegen. Eine derartige Beziehung liegt jedenfalls dann vor, wenn zwischen den Glücksspielstätten eine Nähe herrscht, die (alternativ) entweder einen kurzläufigen Wechsel oder einen Sichtkontakt zwischen den jeweiligen Betrieben ermöglicht.
288Vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 63 ff. (vgl. dort auch Rn. 89: Es „liegt auf der Hand, dass allein die Kurzläufigkeit (ohne unmittelbaren Sichtkontakt zum anderen Betrieb) ein Näheverhältnis im Sinne des § 21 Abs. 2 GlüStV begründen kann (…)“); OVG Bremen, Beschluss vom 16. März 2016 – 2 B 237/15 –, juris, Rn. 12; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Dezember 2014 – 11 ME 211/14 –, juris, Rn. 8 ff; eine Sichtbeziehung als Kriterium erwägend auch OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 6; OVG Münster, Beschluss vom 4. September 2015 – 4 B 247/15 –, juris, Rn. 22.
289Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls die Gefahr besteht, dass einem Spieler einer Glücksspielstätte der unerwünschte Anreiz geboten wird, sich weiterem (stationärem) Glücksspiel zuzuwenden. Die Merkmale der Nähebeziehung sind einzelfallbezogen festzustellen, wobei ein nach Metern bestimmter Abstand nur durch den Gesetzgeber – der diesen Weg jedoch zwischen den Glücksspielstätten Spielhalle bzw. Spielbank einerseits und Wettvermittlungsstelle andererseits bislang bewusst nicht gewählt hat – festgelegt werden könnte; die Gerichte sind vor dem Hintergrund ihrer verfassungsrechtlichen Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) dazu nicht befugt.
290Vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 63 ff.
291Die zur Bejahung eines gemeinsamen Gebäudekomplexes erforderliche Nähebeziehung liegt jedenfalls bei – wie vorliegend,
292die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle befindet sich unter der Adresse F. Straße 77, H. (Westfalen), die Spielhalle direkt angrenzend unter der Adresse F. Straße 75, H. (Westfalen); auf S. 2 ihres Schriftsatzes vom 20. Februar 2023 trägt die Klägerin zu 1. selbst vor, dass die Grundstücke des Spielhallenstandorts und des Standorts der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle aneinandergrenzen,
293in geschlossener Bauweise unmittelbar aneinandergrenzenden Grundstücken auch dann vor, wenn eine Möglichkeit, im Gebäudeinnern zwischen den verschiedenen Glücksspielstätten zu wechseln, nicht besteht, sondern zum Wechsel der öffentliche Straßenraum betreten werden muss.
294Vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 67 ff., unter zutreffendem Hinweis etwa darauf, dass andernfalls das Vorliegen eines Gebäudekomplexes selbst dann (obwohl in einem derartigen Fall der Schutzzweck des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 einschlägig wäre) verneint werden müsste, wenn in zwei aneinandergrenzenden Gebäuden eine Spielhalle und eine Spielbank Wand an Wand untergebracht wären und die jeweiligen Eingänge unmittelbar nebeneinanderlägen; OVG Saarlouis, Beschluss vom 5. September 2018 – 1 B 205/18 –, juris, Rn. 18 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 16. März 2016 – 2 B 237/15 –, juris, Rn. 12 ff.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Dezember 2014 – 11 ME 211/14 –, juris, Rn. 8 ff.; offenlassend noch OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 6 ff. (vgl. dort etwa Rn. 11: „Diese komplexen Fragen können im vorliegenden Eilverfahren aufgrund seines vorläufigen Charakters nicht abschließend beantwortet werden“); OVG Münster, Beschluss vom 4. September 2015 – 4 B 247/15 –, juris, Rn. 22 ff. (vgl. dort etwa Rn. 29: „Diese komplexen Fragen können im vorliegenden Eilverfahren aufgrund seines vorläufigen Charakters nicht abschließend beantwortet werden“).
295Liegen die Glücksspielstätten nämlich in geschlossener Bauweise auf unmittelbar aneinandergrenzenden Grundstücken, so ist ein kurzläufiger Wechsel zwischen den jeweiligen Glücksspielstätten immer möglich.
296Vgl. im Übrigen dazu, dass dem Merkmal der Kurzläufigkeit ein Zeitelement innewohnt, und zur Ausfüllung dieses Zeitelements vergleichend auf die Regelung des § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 4 GlüStV 2021 abgestellt werden könnte (was das erkennende Gericht hier im Ergebnis offenlassen kann), wonach nach Teilnahme an einem virtuellen Glücksspiel eines Erlaubnisinhabers erst nach einer Wartezeit von einer Minute die Teilnahme an einem anderen Glücksspiel desselben Erlaubnisinhabers zulässig ist, OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 87 f.
297In einer derartigen Konstellation – Glücksspielstätten, die in geschlossener Bauweise miteinander verbunden sind und sich in unmittelbar aneinandergrenzenden Grundstücken befinden – kommt es dann auch nicht mehr darauf an, ob eine Sichtbeziehung zwischen den jeweiligen Glücksspielstätten (bzw. beim Betreten und Verlassen einer Glücksspielstätte eine Sichtbeziehung zur anderen Glücksspielstätte) besteht,
298darauf, dass die Klägerin zu 1. im Übrigen insoweit (auf S. 2 f. ihres Schriftsatzes vom 10. Juni 2022) selbst einräumt, dass es „sein mag, dass ein Besucher am Eingang der Spielhalle aus dem Augenwinkel erkennt, dass sich in der Nähe auch eine Wettvermittlungsstelle befindet“, sei lediglich hingewiesen,
299da hier die zur Bejahung der Nähebeziehung hinreichende Voraussetzung der Kurzläufigkeit bereits erfüllt ist. Nur wenn dies nicht der Fall wäre, käme es – da es sich, wie bereits dargestellt, um alternativ (nicht kumulativ) zu erfüllende Voraussetzungen handelt – auf eine Sichtbeziehung zwischen den jeweiligen Glücksspielstätten an.
300Der vorstehend hergeleiteten Auslegung des in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021, § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW enthaltenen Rechtsbegriffs Gebäudekomplex kann auch entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1. nicht mit Erfolg ein Vergleich mit der in § 25 Abs. 2 GlüStV 2021 enthaltenen begrifflichen Systematik entgegengehalten werden. Nach letztgenannter Norm ist die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht ist, ausgeschlossen. Zwar ist der Klägerin zu 1. zuzugestehen, dass nach der normativen Konzeption des § 25 Abs. 2 GlüStV 2021 der Rechtsbegriff des baulichen Verbunds den Oberbegriff für die Rechtsbegriffe des Gebäudes sowie des Gebäudekomplexes sowie für weitere Fälle – die weder unter den Begriff des Gebäudes noch des Gebäudekomplexes fallen – darstellt. Dies ergibt sich aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ in § 25 Abs. 2 GlüStV 2021, woraus deutlich wird, dass die Rechtsbegriffe des Gebäudes und des Gebäudekomplexes keine abschließende Aufzählung aller möglichen Fallgruppen des Rechtsbegriffs des baulichen Verbunds darstellen. Welche Fallgruppen im Sinne des § 25 Abs. 2 GlüStV 2021 nicht unter die Rechtsbegriffe des Gebäudes oder des Gebäudekomplexes zu subsumieren sind, jedoch unter den Rechtsbegriff des baulichen Verbunds fallen, braucht das erkennende Gericht hier jedoch nicht zu entscheiden. Entscheidend ist in casu allein, dass jedenfalls die Konstellation zweier sich in unmittelbar benachbarten Gebäuden befindlicher Glücksspielstätten, die in geschlossener Bauweise miteinander verbunden sind, bereits unter den Rechtsbegriff des Gebäudekomplexes i. S. v. §§ 21 Abs. 2, 25 Abs. 2 GlüStV 2021 fällt.
301Offenlassend (im vorläufigen Rechtsschutzverfahren) OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 6, wonach der systematische Vergleich mit der Regelung des § 25 Abs. 2 GlüStV 2012 – die wortgleich mit der Regelung des § 25 Abs. 2 GlüStV 2021 ist – für eine „einschränkende Auslegung“ spreche; so auch OVG Münster, Beschluss vom 4. September 2015 – 4 B 247/15 –, juris, Rn. 16.
302Auf den vorliegenden Fall, in dem sich die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle unter der Adresse F. Straße 77, H. (Westfalen) befindet, die Spielhalle (direkt angrenzend) unter der Adresse F. Straße 75, H. (Westfalen) befindet, und beide Gebäude in geschlossener Bauweise miteinander verbunden sind, angewendet folgt aus dem vorstehenden Maßstab, dass die erforderliche Nähebeziehung (Griffnähe) und damit ein (gemeinsamer) Gebäudekomplex i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021, § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW vorliegt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich ausweislich des Protokolls der vom Beklagten unter dem 5. Februar 2021 durchgeführten Ortsbesichtigung zwischen der Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen) und der Spielhalle unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen) mit der Hausnummer 77a noch eine Tür befinden soll, die – so das Protokoll der Ortsbesichtigung – nicht zur Wettvermittlungsstelle zu führen scheine. Auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 20. Februar 2023 trägt die Klägerin zu 1. nämlich selbst vor, dass die Grundstücke des Spielhallenstandorts und des Standorts der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle aneinandergrenzen. Damit übereinstimmend lässt sich auf den Fotos Bl. 182 des Verwaltungsvorgangs des Beklagten aus dem Verfahren VG Münster 9 K 3004/21 eindeutig erkennen, dass die unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen) ansässige Wettvermittlungsstelle und die unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen) ansässige Spielhalle unmittelbar aneinandergrenzen. Auch aus über das Internet über Google Maps abrufbaren Luftbildaufnahmen folgt im Übrigen, dass beide Gebäude – das Gebäude unter der Anschrift F. Straße 77 und das Gebäude unter der Anschrift F. Straße 75 – aneinandergrenzen. Des Weiteren ergibt sich aus den Luftbildern, dass die zu überwindende fußläufige Entfernung zwischen den jeweiligen Gebäuden vergleichsweise gering ist (nach dem Protokoll der Ortsbegehung vom 5. Februar 2021 soll eine Tür-zu-Tür-Entfernung von 25 Metern bestehen), so dass ein fußläufiger Wechsel zwischen beiden Glücksspielstätten in einem relativ kurzen Zeitraum erfolgen kann. Die nach Sinn und Zweck der Norm erforderliche Griffnähe ist damit zu bejahen.
303Auch der Umstand, dass nach dem Protokoll der Ortsbegehung die beiden Gebäude unter der F. Straße 75 und F. Straße 77 einen „anderen Gebäudecharakter“ aufweisen sollen, und der Umstand, dass ausweislich der Fotos auf Bl. 182 des Verwaltungsvorgangs des Beklagten aus dem Verfahren VG Münster 9 K 3004/21 die beiden Gebäude eine unterschiedliche Geschosszahl bzw. Höhe aufweisen, woraufhin die Prozessbevollmächtigten beider Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung noch einmal besonders hingewiesen haben, ändert nichts am Vorliegen eines Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 bzw. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW.
304Vgl. dazu, dass das Vorliegen eines Gebäudekomplexes trotz unterschiedlicher Geschosszahl, unterschiedlicher Dach- bzw. Fassadengestaltung und eines Versprungs in der Frontführung zweifelsfrei zu bejahen sein kann, OVG Saarlouis, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 1 A 28/21 –, juris, Rn. 58; OVG Saarlouis, Beschluss vom 5. September 2018 – 1 B 205/18 –, juris, Rn. 18.
305Darauf, dass ausweislich des Protokolls der vom Beklagten unter dem 5. Februar 2021 durchgeführten Ortsbesichtigung das U. -Schild von der Spielhallentür aus erkennbar ist (vgl. Bl. 173 des Verwaltungsvorgangs 9 3004/21) und auch die Klägerin zu 1. (auf S. 2 f. ihres Schriftsatzes vom 10. Juni 2022) selbst einräumt, dass es „sein mag, dass ein Besucher am Eingang der Spielhalle aus dem Augenwinkel erkennt, dass sich in der Nähe auch eine Wettvermittlungsstelle befindet“, und damit eine Sichtbeziehung besteht, kommt es – wie bereits ausgeführt – nicht einmal mehr an. Lediglich ergänzend weist das Gericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in diesem Zusammenhang die Argumentation der Klägerin zu 1. auf Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 10. Juni 2022 fehlgeht, dass eine – nach Auffassung der Klägerin zu 1. für die Bejahung der Griffnähe und damit für die Annahme eines Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 erforderliche – Sichtbeziehung nur dann bejaht werden könne, wenn ein Spieler beim Verlassen der Spielhalle – und nicht nur beim Betreten der Spielhalle – die Wettvermittlungsstelle sehe bzw. von dieser angelockt werde, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei, da hier ein Spieler beim Verlassen der Spielhalle die Wettvermittlungsstelle in seinem Rücken habe. Hat nämlich ein Spieler nur beim Verlassen, nicht aber beim Betreten einer Glücksspielstätte die jeweils andere Glücksspielstätte in seinem Blick – bzw. befindet sich die jeweils andere Glücksspielstätte beim Betreten der ersten Glücksspielstätte in seinem Rücken – so dürften sich die Glücksspielstätten zumindest typischerweise auf gegenüberliegenden Seiten einer Straße befinden, wodurch die Annahme eines Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 selbst bei einer rein architektonisch-baulichen Betrachtungsweise bereits mangels baulicher Verbindung der jeweiligen Gebäude ausscheidet.
306Liegt nach alledem – wie vorliegend ausführlich begründet – in casu ein Gebäudekomplex i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 vor, so liegt im Ergebnis auch kein relevanter tatsächlicher Unterschied zwischen dem vorliegenden Einzelfall und dem Einzelfall, der dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 4. Oktober 2023 – 3 K 7177/21 – zugrunde lag, vor. Eines gemeinsamen Hinterhofs bzw. eines gemeinsamen Balkons bedarf es für die Annahme eines Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 hier nicht.
307b) Rechtsfolge der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes bzw. – wie vorliegend – gemeinsamen Gebäudekomplexes i. S. v. § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 bzw. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW ist, dass die Glücksspielstätte (Spielhalle bzw. Spielbank einerseits und Wettvermittlungsstelle andererseits), die über die in zeitlicher Hinsicht frühere glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt,
308mit der bereits dargestellten Ausnahme, dass dann, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für eine Wettvermittlungsstelle offensichtlich erfüllt waren und eine entsprechende glücksspielrechtliche Erlaubnis lediglich aus von dem Wettveranstalter und Wettvermittler nicht zu vertretenden Gründen trotz der Experimentierklausel in § 10a GlüStV 2012 nicht erlangt werden konnte, bzgl. der Wettvermittlungsstelle auf den Zeitpunkt des Eintritts des offensichtlichen Vorliegens der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer entsprechenden glücksspielrechtlichen Erlaubnis abzustellen ist,
309die Erteilung der Erlaubnis für die andere Glücksspielstätte (zwingend) sperrt. Ermessen ist der Behörde insoweit – anders, als die Klägerin zu 1., die darauf abhebt, es liege ein Ermessensfehler des Beklagten nahe, offenbar meint – nicht eröffnet, es handelt sich um eine zwingende Rechtsfolge. Dies folgt schon aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 („dürfen … nicht vermittelt werden“) bzw. des § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW („darf keine Spielhalle betrieben werden“). Die Kollision unterschiedlicher Glücksspielstätten im Falle des Vorliegens eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes wird vielmehr bereits auf der Tatbestandsseite der Norm dergestalt aufgelöst, dass – wie bereits dargestellt – die Glücksspielstätte, die über die in zeitlicher Hinsicht frühere glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, die Erteilung der Erlaubnis für die andere Glücksspielstätte (zwingend) sperrt. Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen aus dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren,
310vgl. OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris,
311nach der offenbleibt, ob § 21 Abs. 2 GlüStV 2012 (gleichlautend mit § 21 Abs. 2 GlüStV 2021) in allen Fällen eine ermessensfehlerfreie Entscheidung ermögliche,
312vgl. OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Leitsatz 2,
313bzw. dass keiner Entscheidung bedürfe, ob auf der Grundlage des geltenden Rechts überhaupt in allen Fällen eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zur Durchsetzung der ohne Übergangsfrist in § 21 Abs. 2 GlüStV 2012 getroffenen Inkompatibilitätsregelung ergehen könne, was mit Blick darauf fraglich sein könne, dass sich § 21 Abs. 2 GlüStV 2012 selbst diesbezüglich keine hinreichend deutlichen Entscheidungsdirektiven entnehmen ließen.
314Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 31.
315Der genannte Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bezieht sich nämlich zum einen auf eine glücksspielrechtliche Untersagungsverfügung, die sowohl nach dem damals anwendbaren § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 des Ersten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 – GlüStV 2012 – im Ermessen der zuständigen Behörde stand als auch nach dem nunmehr anwendbaren § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland – GlüStV 2021 – im Ermessen der zuständigen Behörde steht. Demgegenüber geht es im hier vorliegenden Fall um eine Verpflichtungssituation; die Klägerin zu 1. als Wettveranstalterin begehrt (mit ihrem Hauptantrag) die Verpflichtung des Beklagten, die beantragte Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle am streitgegenständlichen Standort zu erteilen. Das in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) normierte Trennungsgebot stellt im Rahmen einer derartigen Verpflichtungssituation einen zwingenden Grund für die Versagung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die im Falle des Vorliegens eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes nachrangige Glücksspielstätte dar. Auch lassen sich § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) bei der vorstehend unter A I. 1. a) begründeten (verfassungs- bzw. unionsrechtskonformen) Auslegung hinreichend deutliche Entscheidungsdirektiven für die Auflösung der grundrechtsrelevanten Kollision zwischen den unterschiedlichen Glücksspielstätten (Spielhalle bzw. Spielbank einerseits, Wettvermittlungsstelle andererseits) im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes entnehmen.
316Offenlassend (im vorläufigen Rechtsschutzverfahren) OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 31.
317Auf den vorliegenden Einzelfall übertragen bedeutet dies, dass die unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen) ansässige Spielhalle die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen) ansässige Wettvermittlungsstelle sperrt, da die Spielhalle in zeitlicher Hinsicht über eine frühere Erlaubnis verfügt.
318Das Gericht geht nämlich mit der erforderlichen Überzeugungsgewissheit nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bereits davon aus, dass – nachdem zwischen dem 29. Mai 2001 und dem 10. Dezember 2001 an dem Standort F. Straße 75, H. (Westfalen) keine Spielhalle betrieben worden war, so dass insoweit eine relevante Betriebsunterbrechung vorlag – an dem genannten Standort seit dem 11. Dezember 2001 eine Spielhalle betrieben wird, die durchgehend über eine gewerbe- bzw. glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügte. Zwar können entsprechende Erlaubnisse für die Spielhalle für den Zeitraum vor dem Jahr 2016 nicht mehr vorgelegt werden (aus der Email der Stadt H. (Westfalen) an den Beklagten vom 5. Juli 2023 geht hervor, dass im Stadtarchiv keine entsprechenden Erlaubnisse bzw. Akten vorgefunden werden konnten, so dass davon auszugehen sei, dass die sich auf die Spielhalle beziehende Akte der Stadt, die sich auf Zeiträume vor dem Jahr 2016 bezieht, bei einem Umzug abhandengekommen sei; auch bestehe eine Aufbewahrungsfrist von (nur) 10 Jahren). Allerdings verweist die vom 11. Dezember 2001 datierende Gewerbeanmeldung der Frau H1. F1. , die gegenüber der Stadt H. (Westfalen) den Betrieb einer Spielhalle unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen) ab dem 11. Dezember 2001 anmeldete, unter Nummer 28 des Anmeldeformulars auf eine unter dem 6. Dezember 2001 vom Amt 32 der Stadt H. (Westfalen) erteilte Spielhallenerlaubnis. Dementsprechend haben Mitarbeiter der Stadt H. (Westfalen) auch angegeben, dass in der Vergangenheit Gewerbeanmeldungen für Spielhallen und Gaststätten behördlicherseits erst „vorgenommen“ worden seien, nachdem die entsprechenden gewerberechtlichen Erlaubnisse vorgelegen hätten; andernfalls wäre direkt nach Gewerbeanmeldung ein Gewerbeuntersagungsverfahren eingeleitet worden.
319Seit dem 11. Dezember 2001 wird die Spielhalle unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen) ohne Unterbrechung mit einer gewerbe- bzw. glücksspielrechtlichen Erlaubnis betrieben (vgl. die vom Beklagten vorgelegte tabellarische Übersicht). Die Klägerseite hat dies nicht in Abrede gestellt; vielmehr hat die Klägerin zu 1. (nachvollziehbarerweise) vorgetragen, dass es sich ihrer Kenntnis entziehe, ob/inwieweit die von dem Beklagten entgegengehaltene Spielhalle zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit nicht existierte oder jedenfalls nicht über eine gültige Erlaubnis verfügte.
320Im Übrigen liegen – worauf lediglich hingewiesen sei – dem erkennenden Gericht auch durchgängig für den Zeitraum ab dem 19. Mai 2016 aktenkundige gewerbe- bzw. glücksspielrechtliche Erlaubnisse der Stadt H. (Westfalen) zum Spielhallenbetrieb unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen) vor.
321Demgegenüber lag eine glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen) in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt vor. Gegenstand der vorliegenden Klage ist vielmehr gerade die Verpflichtung des Beklagten, eine derartige Erlaubnis erstmalig zu erteilen. Auch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer entsprechenden glücksspielrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle an der genannten Anschrift zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit offensichtlich erfüllt waren. Auf die gerichtliche Verfügung vom 26. Juni 2023 hin, mit der das erkennende Gericht den Klägerinnen mit Fristsetzung unter Hinweis auf die Präklusionsmöglichkeit nach § 87b Abs. 3 VwGO vorsorglich Gelegenheit gegeben hatte, entsprechende Tatsachen im Einzelnen substantiiert nachzuweisen, haben die Klägerinnen nicht entsprechend in tatsächlicher Hinsicht vorgetragen; die Klägerin zu 1. hat lediglich schriftsätzlich mitgeteilt, dass sie weiterhin an ihrer Rechtsauffassung festhalte, wonach die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle sowohl in der Vergangenheit als auch derzeit erlaubnisfähig (gewesen) sei. Unabhängig davon wäre frühestmöglicher Zeitpunkt für eine offensichtliche materiell-rechtliche Erlaubnisfähigkeit einer Wettvermittlungsstelle der 1. Juli 2012 (Aufgabe des staatlichen Sportwettmonopols und dementsprechende Liberalisierung des Sportwettmarkts durch § 10a GlüStV 2012). Die unter der Anschrift F. Straße 75, H. (Westfalen) ansässige Spielhalle wurde aber – wie bereits ausgeführt – bereits seit dem 11. Dezember 2001, d. h. mehr als ein Jahrzehnt früher, durchgehend mit einer gewerbe- bzw. glücksspielrechtlichen Erlaubnis betrieben.
322II. Die Klägerinnen haben auch keinen Anspruch auf die – mit dem Hilfsantrag der Klägerin zu 1. ausdrücklich begehrte – Verpflichtung des Beklagten, den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift F. Straße 77, H. (Westfalen) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Dies folgt bereits daraus, dass – wie bereits unter A. I. 2. b) dargestellt – § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 (i. V. m. § 16 Abs. 10 AG GlüStV NRW) auf der Rechtsfolgenseite keinen behördlichen Ermessensspielraum eröffnet, sondern eine gebundene Entscheidung beinhaltet. Die Auflösung der grundrechtsrelevanten Kollision zwischen Spielhalle und Spielbank einerseits und Wettvermittlungsstelle andererseits im Falle der Annahme eines gemeinsamen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes erfolgt – wie bereits dargestellt – bereits auf der Ebene des Tatbestands der Norm.
323III. Die unter Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids vom 25. August 2021 erfolgte Gebührenfestsetzung verletzt die Klägerin zu 1. jedenfalls nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung i. H. v. 375,- Euro ist die Tarifstelle 17.5.1 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung – AVerwGebO NRW – i. V. m. § 15 Abs. 2 des – nach seinem § 1 hier anwendbaren – Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. August 1999 – GebG NRW. Nach der genannten Tarifstelle wird für die Entscheidung über die Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle eine Gebühr in Höhe von 500,- Euro bis 5.000,- Euro je Erlaubnisjahr erhoben. Der Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid darauf hingewiesen, dass er lediglich die Mindestgebühr für ein Erlaubnisjahr i. H. v. 500,- Euro zugrunde gelegt habe. Diese Handhabung dürfte zwar objektiv rechtswidrig sein, da sich die Mindestgebühr von 500,- Euro auf ein einzelnes Erlaubnisjahr bezieht, wohingegen im Verwaltungsverfahren die Erteilung einer sich auf einen längeren Zeitraum beziehenden Erlaubnis antragsgegenständlich war. Die Handhabung des Beklagten verletzt die Klägerin zu 1. jedoch jedenfalls nicht in ihren subjektiven Rechten. Die Gebühr i. H. v. 500,- Euro hat der Beklagte dann gemäß § 15 Abs. 2 Hs. 1 GebG, wonach sich die vorgesehene Gebühr unter anderem dann um ein Viertel ermäßigt, wenn ein Antrag – wie vorliegend – aus anderen Gründen als wegen Unzuständigkeit abgelehnt wird, rechtsfehlerfrei um 125,- Euro – was ¼ von 500,- Euro entspricht – ermäßigt.
324B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche, bislang höchst- und obergerichtlich nicht geklärte Fragen verfassungs- und unionsrechtlicher Art aufwirft.