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Erfolgreiches Konkurrentenstreitverfahren um die Besetzung der Stelle desPräsidenten/der Präsidentin eines Oberverwaltungsgerichts
1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die am 15. Juni 2021 im Justizministerialblatt Nr. 12 ausgeschriebene Stelle des Präsidenten/der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden und eine Wartefrist von zwei Wochen nach Bekanntgabe einer für ihn negativen Auswahlentscheidung an ihn abgelaufen ist.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
3. Der Streitwert wird auf 34.059,60 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
3I.
4(...)
5Am 1. Dezember 2020 wurde die ab dem 1. Juni 2021 neu zu besetzende Stelle des Präsidenten/der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ausgeschrieben (JMBl. NRW Nr. 23). Auf die Stelle bewarb sich u. a. der Antragsteller. (…) Mit Schreiben vom 27. April 2021 zog der Antragsteller seine Bewerbung zurück. Der gemäß dem Auswahlvermerk vom 29. April 2021 ausgewählte Mitbewerber nahm unter dem 19. Mai 2021 seine Bewerbung zurück. Mit Schreiben vom 20. Mai 2021 widerrief der Antragsteller seine Rücknahmeerklärung und bat, dem Bewerbungsverfahren Fortgang zu geben. Am 14. Juni 2021 teilte das Justizministerium des Antragsgegners dem Antragsteller mit, dass es das Bewerbungsverfahren abgebrochen und zugleich veranlasst habe, dass die Stelle erneut ausgeschrieben werde. Unter dem 15. Juni 2021 schrieb der Antragsgegner die streitgegenständliche Stelle im JMBl. NRW (Nr. 12) erneut unter Anordnung einer zweiwöchigen Bewerbungsfrist aus. Die Ausschreibung enthielt folgenden Hinweis: „Bewerberinnen und Bewerber müssen die Anforderungen erfüllen, die in Nordrhein-Westfalen auch an die Präsidentinnen/die Präsidenten der Verwaltungsgerichte und deren Vertreterinnen/Vertreter sowie die Vizepräsidentin/den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts gestellt werden.“ Mit Schreiben vom 15. Juni 2021 bewarb sich der Antragsteller erneut. Zudem bewarben sich der im Jahr 0000 geborene, bei dem Ministerium der Justiz des Antragsgegners tätige N. E. . D. und ein weiterer Bewerber. (…)
6Nach dem Besetzungsvorschlag der Referatsleiterin A. vom 11. Mai 2022 sollte die Stelle N1. E. . D. übertragen werden. Dieser Vorschlag wurde am selben Tag durch den Abteilungsleiter A. gebilligt und am 12. Mai 2022 der Gleichstellungsbeauftragten zur Kenntnis gegeben. Am 16. Mai 2022 paraphierte der Amtsvorgänger des Ministers der Justiz C. den Besetzungsvorschlag. Am 28. Juni 2022 gab dieser den Besetzungsvorschlag an den Abteilungsleiter A. heraus. Diese Vorlage wurde dem am 28. Juni 2022 ernannten Minister der Justiz des Antragsgegners E. . M. vorgelegt. Am 30. Juni 2022 verfügte der Minister der Justiz des Antragsgegners auf dieser Vorlage „Vfg. nicht weiter ausführen“.
7Im Juli 2022 fand ein persönliches Gespräch zwischen dem Minister der Justiz und der Beigeladenen statt, in dem diese ihr Interesse an dem Amt der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bekundete.
8Unter dem 13. September 2022 bewarb sich die Beigeladene auf die streitgegenständliche Stelle.
9Nach entsprechender Anforderung durch den Minister der Justiz des Antragsgegners wurde unter dem 10. November 2022 eine Beurteilung aus besonderem Anlass über die Beigeladene für den Beurteilungszeitraum vom 1. Juni 2020 bis zum 31. August 2022 erstellt. Sowohl die Leistungsmerkmale als auch die Gesamtnote der Leistungsbeurteilung lauten jeweils auf 5 Punkte (übertrifft die Anforderungen in besonderem Maße). Die Befähigungsbeurteilungen fallen einheitlich mit D (stark ausgeprägt) aus. Der Vorschlag zur Beförderungseignung lautet auf „besonders geeignet“. Die Gesamtnote der Leistungsbeurteilung wird auf 5 Punkte festgesetzt. In der Beurteilung ist festgehalten, dass die Beigeladene am 00.00.0000 im Beurteilungszeitraum befördert worden ist. Diese Beurteilung sowie die Personalakte der Beigeladenen gingen am 15. November 2022 im Ministerium der Justiz des Antragsgegners ein.
10Mit Aktenvermerk vom 21. Februar 2023 wurde festgestellt, dass die Beurteilungen für die drei bisherigen Bewerber nicht mehr aktuell und neue Beurteilungen anzufordern seien. Unter dem 21. März 2023 wurde durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts eine aktualisierte Beurteilung über den Antragsteller vorgelegt. In der vom Minister der Justiz des Antragsgegners hierüber erstellten Überbeurteilung vom 28. März 2023 wurde festgestellt, dass eine Abweichung von der übermittelten Beurteilung nicht beabsichtigt sei. Mit weiterer Überbeurteilung vom 28. März 2023 stellte der Minister der Justiz des Antragsgegners bezüglich der Beurteilung der Beigeladenen vom 10. November 2022 fest, er bewerte deren Eignung, Befähigung und fachliche Leistung mit „hervorragend“, ihren Grad der Eignung für das Amt der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit „hervorragend geeignet“.
11Im Besetzungsvorschlag des Ministeriums der Justiz des Antragsgegners vom 2. Mai 2023 wurde festgehalten, dass Bewerbungen von insgesamt vier Bewerbern vorlägen, die nach den eingeholten dienstlichen Beurteilungen ihrer Dienstherren jeweils mit der Spitzennote beurteilt worden seien. Die Beigeladene erfülle das Anforderungsprofil in hervorragender Weise. Ihren Mitbewerbern gehe sie aufgrund eines Qualifikationsvorsprungs in Bezug auf die Eignung für das angestrebte Amt vor, der sich bei einer inhaltlichen Ausschöpfung der dienstlichen Beurteilungen ergebe. Die inhaltliche Ausschöpfung der Beurteilungen ergebe hinsichtlich der Leistungsbeurteilung im Bereich der Rechtsprechung einen Qualifikationsvorsprung des Antragstellers gegenüber der Beigeladenen und von dieser gegenüber N1. E. . D. . Im Bereich der Verwaltungstätigkeit lasse sich ein Qualifikationsvorsprung der Beigeladenen und E. . D. gegenüber dem Antragsteller feststellen. Aus den Eignungsprognosen in den Beurteilungen ergebe sich ein Qualifikationsvorsprung der Beigeladenen gegenüber N. E. . D. , der wiederum dem Antragsteller vorgehe. Die Prognose des Antragstellers falle hinsichtlich der Rechtsprechungstätigkeit günstiger aus als bei der Beigeladenen und N1. E. . D. . Bezüglich der Verwaltungstätigkeit ergebe sich ein Qualifikationsvorsprung der Beigeladenen, wobei N. E. . D. wiederum dem Antragsteller vorgehe. Der Minister der Justiz billigte den Auswahlvermerk unter dem 10. Mai 2023 durch Paraphierung. Die Gleichstellungsbeauftragte wurde beteiligt. Der Präsidialrat der Verwaltungsgerichtsbarkeit stimmte in seiner Stellungnahme vom 5. Juni 2023 dem Vorschlag, die Beigeladene zur Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zu ernennen, zu. Er führte aus, dass die Besonderheiten der Gestaltung des Besetzungsverfahrens erhebliches Befremden ausgelöst hätten. Es sei schwer nachvollziehbar, dass ein Besetzungsverfahren mehr als zwei Jahre andauere, obwohl auf die Stellenausschreibung im Juni 2021 drei Bewerber innerhalb der zweiwöchigen Bewerbungsfrist ihre Bewerbungen eingereicht hätten, an deren hervorragender Eignung für das ausgeschriebene Amt bis zum Abschluss des Auswahlverfahrens keinerlei Zweifel geäußert worden seien. Dennoch sei das Auswahlverfahren ohne Abbruch und Neuausschreibung bis zur Bewerbung der Beigeladenen offengehalten worden, nachdem diese zu dem Leistungs- und Eignungsniveau der vorhandenen Bewerber aufgeschlossen habe. Darüber hinaus werde zur Kenntnis genommen, dass im Besetzungsverfahren um das höchste Richter- und Präsidentenamt der Verwaltungsgerichtsbarkeit Nordrhein-Westfalens Bewerberinnen bzw. Bewerber mit nur wenig mehr als fünf Jahren Erfahrung in der Tätigkeit beim Oberverwaltungsgericht als hervorragend geeignet angesehen würden. Mit am 21. Juni 2023 bei dem Antragsteller eingegangenem Schreiben vom 14. Juni 2023 teilte das Ministerium der Justiz dem Antragsteller mit, dass die Landesregierung in der Sitzung vom 13. Juni 2023 beschlossen habe, die Stelle der Beigeladenen zu übertragen, die ihm nach Ausschöpfung der dienstlichen Beurteilungen vorgehe, und übermittelte ihm den Besetzungsvorschlag vom 2. Mai 2023.
12Am 27. Juni 2023 hat der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen die Ernennung der Beigeladenen zur Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ersucht und unter ausführlicher Begründung zur Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs beantragt,
13dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Stelle der Präsidentin bzw. des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zu besetzen, bis über seine Bewerbung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts neu entschieden und eine Rechtsschutzfrist von wenigstens weiteren 14 Tagen abgelaufen ist.
14Der Antragsgegner beantragt unter Verteidigung seiner Feststellungen im Besetzungsvorschlag vom 2. Mai 2023,
15den Antrag abzulehnen.
16Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
17Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere des Inhalts der Antragsbegründung und -erwiderung, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des von dem Antragsgegner vorgelegten Auswahlvorgangs und der Personalakten des Antragstellers sowie der Beigeladenen verwiesen.
18II.
191. Der zulässige Antrag des Antragstellers,
20dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Stelle der Präsidentin bzw. des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über seine Bewerbung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts neu entschieden und eine Rechtsschutzfrist von wenigstens weiteren 14 Tagen abgelaufen ist,
21hat Erfolg. Der Antragsteller hat Anordnungsgrund (a) und Anordnungsanspruch (b) glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
22a) Dem Antragsteller steht ein Anordnungsgrund zur Seite, weil die begehrte einstweilige Anordnung mit Blick auf die vom Antragsgegner konkret beabsichtigte Besetzung der ausgeschriebenen Stelle mit der Beigeladenen notwendig ist, um seinen materiellen Bewerbungsverfahrensanspruch zu sichern.
23b) Zudem hat der Antragsteller bei der gebotenen umfassenden tatsächlichen und rechtlichen – und nicht lediglich summarischen – Überprüfung der Bewerberauswahl des Antragsgegners einen Anordnungsanspruch in Form eines Anspruchs auf erneute Entscheidung über seine Bewerbung. Denn die Auswahlentscheidung des Antragsgegners ist fehlerhaft und nicht geeignet, den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers zu erfüllen (aa)). Ein Erfolg des Antragstellers, bei einer erneuten Entscheidung des Antragsgegners nach Leistungskriterien für die Besetzung der Stelle ausgewählt zu werden, erscheint jedenfalls möglich (bb)).
24aa) Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners ist fehlerhaft und nicht geeignet, den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers zu erfüllen.
25Im Überblick:
26aaa) Grundsätze
27bbb) Anwendung der Grundsätze
28(1) mangelnde Dokumentation manipulationsfreier Verfahrensgestaltung
29(2) fehlende Regelbeurteilung(en) der Beigeladenen
30(3) Rechtswidrigkeit der dienstlichen (Über-)Beurteilungen
31(a) Grundsätze
32(b) Rechtswidrigkeit der Überbeurteilungen
33(aa) fehlende Überbeurteilungskompetenz
34(bb) unzulässige Synchronisierung mit dem Auswahlverfahren
35(c) Fehlerhaftigkeit der Anlassbeurteilung des Antragstellers
36(d) Fehlerhaftigkeit der Anlassbeurteilung der Beigeladenen
37(aa) fehlende Beurteilung aller drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG
38(bb) fehlende Plausibilisierung der Vergabe der Spitzennote
39(cc) fehlende Herleitung aus Regelbeurteilungen
40(4) unzureichend begründete Annahme eines Beurteilungsgleichstands
41(5) mangelnde Aussagekraft der über die Beigeladene erstellten Eignungsprognose
42(6) fehlerhafte Gewichtung erbrachter Leistungen auf Seiten der Beigeladenen
43(a) fehlende Würdigung der rechtlichen Qualität eines Zeugnisses
44(b) unzureichend begründete Eignungsprognose auf der Grundlage der Zuweisungstätigkeit hinsichtlich Verwaltungserfahrung in Justizangelegenheiten
45aaa) Soll ein Beförderungsamt oder ein Beförderungsdienstposten besetzt werden, so ist der Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung zwischen Bewerbern
46– im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit von der gleichzeitigen Verwendung der männlichen und weiblichen Sprachform abgesehen und gilt die männliche Sprachform für alle Geschlechter –
47an die Bestimmung des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden. Dieser gewährleistet – unbeschränkt und vorbehaltlos – jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach darf der Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung keinen Bewerber übergehen, der im Vergleich mit anderen Bewerbern die vom Dienstherrn – etwa im Rahmen eines Anforderungsprofils für die Stelle bzw. den Dienstposten – aufgestellten Kriterien am besten erfüllt. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf solche Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen; anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung zugemessen werden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist bzw. erst dann, wenn sich aus dem Vergleich von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt.
48Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. September 2007 – 2 BvR 1972/07 –, juris, Rn. 8, und vom 12. Juli 2019 – 2 BvR 612/19 –, juris, Rn. 16; BVerwG, Urteile vom 25. November 2004 – 2 C 17.03 –, juris, Rn. 13 f., und vom 15. Juni 2018 – 2 C 19.17 –, juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Oktober 2012 – 1 B 681/12 –, juris, Rn. 4, und vom 16. Februar 2023 – 1 B 1065/22 –, juris, Rn. 14.
49Wird das insoweit durch Art. 33 Abs. 2 GG vermittelte (grundrechtsgleiche) subjektive Recht, der sog. Bewerbungsverfahrensanspruch, durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, so folgt daraus zwar regelmäßig kein Anspruch auf Beförderung oder Vergabe des begehrten Dienstpostens; der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint.
50Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 – 2 BvR 857/02 –, juris, Rn. 13; OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Oktober 2012 – 1 B 681/12 –, juris, Rn. 6, und vom 24. Februar 2023 – 1 B 58/23 –, juris, Rn. 17.
51Den für die Auswahlentscheidung nach dem Vorstehenden maßgeblichen Leistungs- und Eignungsvergleich der Bewerber hat der Dienstherr regelmäßig anhand aussagekräftiger, also hinreichend differenzierter und auf gleichen Beurteilungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen.
52Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 – 2 C 16.02 –, juris, Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2012 – 1 B 681/12 –, juris, Rn. 8.
53Für den Bewerbervergleich maßgeblich sind dabei in erster Linie die Aussagen in den jeweils aktuellen dienstlichen Beurteilungen. Dies können je nachdem die letzten (zeitlich noch hinreichend aktuellen) Regelbeurteilungen oder aber – ausnahmsweise – aus Anlass des Besetzungsverfahrens erstellte Anlass- oder Bedarfsbeurteilungen sein.
54Vgl. zur Ausnahme einer Anlassbeurteilung BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2022 – 2 B 45.21 –, juris, Rn. 14 m. w. N.
55Bei der Betrachtung der jeweiligen Beurteilung kommt es in erster Linie auf das abschließende Gesamturteil an, welches anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet wurde.
56Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 2012 – 2 BvR 1120/12 –, juris, Rn. 12; BVerwG, Beschluss vom 27. September 2011 – 2 VR 3.11 –, juris, Rn. 23; OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2021 – 6 B 1426/21 –, juris, Rn. 11.
57bbb) Auf der Grundlage dieser Erwägungen erweist sich die Auswahlentscheidung als fehlerhaft.
58(1) Die Auswahlentscheidung leidet bereits aufgrund der am 30. Juni 2022 vom Minister der Justiz des Antragsgegners in Bezug auf den ihm vorgelegten Besetzungsvorschlag verfügten Weisung „Vfg. nicht weiter ausführen“ an einem verfahrensrechtlichen Mangel, der den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt.
59Aus der Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des Dienstherrn folgt, dass es ihm im Grundsatz obliegt, nicht nur darüber zu entscheiden, ob und wann er welche Statusämter vorhält, sondern – im Rahmen einer angemessenen Ausgestaltung des Auswahlverfahrens – auch, wann er diese endgültig besetzen will. Die organisatorische Entscheidungshoheit des Dienstherrn über die zeitliche Dimension der Stellenbesetzung wird somit – abgesehen von Missbrauchsfällen – nicht durch subjektive Rechtspositionen der Bewerber eingeschränkt. Es gibt keinen Anspruch auf die zügige Durchführung des Bewerbungsverfahrens oder auf eine Entscheidung über die Bewerbung zu einem bestimmten Zeitpunkt.
60Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. November 2016 – 2 C 27.15 –, juris, Rn. 35, vom 13. Dezember 2012 – 2 C 11.11 –, juris, Rn. 20, und vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris, Rn. 29.
61Die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens hat allerdings den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen.
62Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 –, juris, Rn. 22, vom 2. Oktober 2007 – 2 BvR 2457/04 –, juris, Rn. 17, und vom 8. Oktober 2007 – 2 BvR 1846/07 –, juris, Rn. 17.
63Denn verfahrensrechtliche Anforderungen oder Maßnahmen können wesentliche Weichen stellen, die den materiellen Gehalt der nachfolgenden Auswahlentscheidung beeinflussen oder vorherbestimmen. So kann durch die mit einem Abbruch verbundene Änderung des zeitlichen Bezugspunktes der Auswahlentscheidung etwa der Bewerberkreis verändert und gegebenenfalls gesteuert werden.
64Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 2007 – 2 BvR 2494/06 –, juris, Rn. 7; BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 –, juris, Rn. 18.
65Vor diesem Hintergrund bedarf der Abbruch eines Auswahlverfahrens eines sachlichen Grundes, der den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG genügt.
66Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 – juris, Rn. 22, und vom 28. Februar 2007 – 2 BvR 2494/06 –, juris, Rn. 10 f.; BVerwG, Urteile vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 –, juris, Rn. 19, und vom 17. November 2016 – 2 C 27.15 –, juris, Rn. 36 f.
67An einem sachlichen Grund fehlt es, wenn der Dienstherr seine Organisationsgewalt manipulativ einsetzt, um eine Auswahlentscheidung zu Gunsten oder zu Lasten einzelner Bewerber zu steuern.
68Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. November 2016 – 2 C 27.15 –, juris, Rn. 36 f., und vom 26. Januar 2012 – 2 A 7.09 –, juris, Rn. 27.
69Die Rechtmäßigkeit eines Abbruchs setzt zudem voraus, dass der maßgebliche Grund für den Abbruch jedenfalls dann, wenn er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich dokumentiert wurde. Denn die Bewerber, die gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen haben, werden grundsätzlich nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Erwägungen – deren Kenntnis sie sich gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen können – in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob die Entscheidung des Dienstherrn ihren Bewerbungsverfahrensanspruch berührt und ob daher gerichtlicher Eilrechtsschutz in Anspruch genommen werden sollte. Andere Erkenntnisse stehen ihnen nicht zur Seite und können von ihnen auch nicht beschafft werden. Aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt daher die Verpflichtung, die wesentlichen Erwägungen für den Abbruch schriftlich niederzulegen.
70Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 –, juris, Rn. 23, und vom 12. Juli 2011 – 1 BvR 1616/11 –, juris, Rn. 26 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 – 2 BvR 206/07 –, juris, Rn. 20.
71Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation des sachlichen Grundes für den Abbruch des Auswahlverfahrens dem Gericht die Möglichkeit, die Beweggründe für den Abbruch nachzuvollziehen.
72Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 –, juris, Rn. 23 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 – 2 BvR 206/07 –, juris, Rn. 20.
73Der Dokumentationspflicht entsprechend ist bei der Prüfung, ob ein sachlicher Grund vorliegt, allein auf die dokumentierten Erwägungen abzustellen. Ob diese die wahren Beweggründe des Dienstherrn wiedergeben, ist ebenso ohne Belang wie die Frage, ob sich der Abbruch durch einen anderen Sachgrund rechtfertigen ließe. All jene Gründe für den Abbruch des Auswahlverfahrens, die über die in der Abbruchentscheidung dargelegten Gründe hinausgehen, sind vom Gericht nicht zu berücksichtigen. Die Annahme, die maßgeblichen Erwägungen könnten auch erstmals im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens über die Besetzung der betroffenen Stelle dargelegt werden, mindert die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bewerber in unzumutbarer Weise. Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass ohne die Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen eine substantiierte Begründung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs kaum – oder jedenfalls nur sukzessive auf die Erwiderung des Dienstherrn hin – möglich ist. Vielmehr ist es dem unterlegenen Bewerber insbesondere nicht zuzumuten, die Abbruchentscheidung seines Dienstherrn gewissermaßen „ins Blaue hinein“ in einem gerichtlichen Eilverfahren angreifen zu müssen, um überhaupt nur die tragenden Erwägungen zu erfahren.
74Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 –, juris, Rn. 23, und vom 9. Juli 2007 – 2 BvR 206/07 –, Rn. 22; OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Juli 2018 – 1 B 1160/17 –, juris, Rn. 13 sowie vom 26. April 2018 – 6 B 355/18 –, juris, Rn. 17.
75Wird der Abbruch eines Auswahlverfahrens diesen Anforderungen nicht gerecht, ist das in Gang gesetzte Auswahlverfahren fortzuführen. Eine Neuausschreibung darf nicht erfolgen.
76Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 –, juris, Rn. 22; BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 2 VR 2.15 –, juris, Rn. 18, und Urteil vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 –, juris, Rn. 19.
77Diese für den Abbruch eines Auswahlverfahrens geltenden Maßgaben sind auf den vorliegenden Fall einer Unterbrechung des Auswahlverfahrens zu übertragen. Denn ebenso wie ein Abbruch kann auch die Unterbrechung eines laufenden Auswahlverfahrens den Bewerbungsverfahrensanspruch der unterlegenen Bewerber verletzen, weil der Dienstherr diese gleichermaßen manipulativ einsetzen kann, um eine Auswahlentscheidung zu Gunsten oder zu Lasten einzelner Bewerber zu steuern.
78Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. November 2016 – 2 C 27.15 –, juris, Rn. 36 f., und vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris, Rn. 23 ff., 29; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 2 L 209/06 –, juris, Rn. 73 ff.
79Beispielsweise kann der Dienstherr durch eine Unterbrechung des Auswahlverfahrens dafür sorgen, dass ein bestimmter Bewerber eine weitere Notenstufe erreicht oder erfolgreich eine Erprobung durchläuft, und ihm damit einen unberechtigten Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern verschaffen.
80Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris, Rn. 23 ff.
81Dies zugrunde gelegt bedarf es folglich nicht nur für einen Abbruch, sondern auch für eine Unterbrechung des Auswahlverfahrens eines sachlichen Grundes, an dem es insbesondere dann fehlt, wenn der Dienstherr die Unterbrechung manipulativ einsetzt, um eine Auswahlentscheidung zu Gunsten oder zu Lasten einzelner Bewerber zu steuern.
82Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. November 2016 – 2 C 27.15 –, juris, Rn. 36 f., und vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris, Rn. 23 ff.
83Vor diesem Hintergrund erwächst aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG auch hier die Verpflichtung, die maßgeblichen Erwägungen für eine Unterbrechung des Auswahlverfahrens zu dokumentieren, sofern sich diese nicht evident aus dem Vorgang selbst ergeben. Denn andernfalls wären die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bewerber in unzumutbarer Weise eingeschränkt, weil sie im gerichtlichen Eilverfahren einerseits Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen haben und ihnen daher die Darlegungslast für eine manipulative und damit ihren Bewerbungsverfahrensanspruch verletzende Unterbrechung des Auswahlverfahrens obliegt, ihnen bei einer fehlenden Dokumentation der insoweit maßgeblichen Erwägungen jedoch andererseits Erkenntnisse vorenthalten würden, die zur Glaubhaftmachung einer Verletzung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs erforderlich sind und von denen sie auf andere Weise keine Kenntnis erlangen können.
84Vgl. in Bezug auf den Abbruch eines Auswahlverfahrens BVerfG, Beschlüsse vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 –, juris, Rn. 23, und vom 12. Juli 2011 – 1 BvR 1616/11 –, juris, Rn. 26 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 – 2 BvR 206/07 –, juris, Rn. 20.
85Bei Zugrundelegung dieser Maßgaben stellt der Umstand, dass der Minister der Justiz des Antragsgegners den ihm vorgelegten – von seinem Amtsvorgänger bereits gebilligten – Besetzungsvorschlag für die in Streit stehende Stelle der Präsidentin bzw. des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2022 (Bl. 83 ff. VV) am 30. Juni 2022 mit der Verfügung „nicht weiter ausführen“ versehen hat (Bl. 101 VV), eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers dar. Denn durch diese Verfügung wurde das Auswahlverfahren gezielt unterbrochen, ohne dass die maßgeblichen Erwägungen für diese Vorgehensweise dokumentiert wurden oder sich evident aus dem übrigen Akteninhalt ergeben. Dies schränkt die Rechtsschutzmöglichkeiten des Antragstellers in unzumutbarer Weise ein. Ob in dem damaligen konkreten Verfahrensstadium überhaupt irgendein tragfähiger Grund für die Unterbrechung des Auswahlverfahrens hätte herangezogen werden können oder der Antragsgegner im Rahmen seiner Antragserwiderung nunmehr nachträglich Gründe für die Unterbrechung angeführt hat, die mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar sind, hat daher keine Relevanz.
86Angesichts des Umstands, dass die vom Minister der Justiz des Antragsgegners verfügte Weisung „Vfg. nicht weiter ausführen“ keine Rückschlüsse darauf zulässt, welchen Umständen sie geschuldet war, ist für den Antragsteller nicht erkennbar, ob der Minister der Justiz den bereits von seinem Amtsvorgänger C. am 16. Mai 2022 gebilligten Besetzungsvorschlag vom 11. Mai 2022 nicht weiter ausführen ließ, weil er sich – entsprechend seiner nunmehr im Rahmen der Antragserwiderung angeführten Behauptung – nach seiner Amtsübernahme „in eine Vielzahl bedeutender Vorgänge aus dem gesamten Zuständigkeitsbereich des Ministeriums einzuarbeiten hatte“ (S. 9 der Antragserwiderung) und den Besetzungsvorschlag „der Billigung der neuen Hausspitze“ vorbehalten wollte (S. 7 der Antragserwiderung), oder weil er den zeitlichen Bezugspunkt der Auswahlentscheidung in einer den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzenden Weise gezielt hinauszögern wollte, um die Zusammensetzung des Bewerberkreises gemäß seiner eigenen personalpolitischen Zielsetzung zu steuern.
87Einer Dokumentation der für die Unterbrechung des Auswahlverfahrens maßgeblichen Erwägungen hatte es vorliegend jedoch bedurft, weil diese sich nicht, auch nicht konkludent, aus dem sonstigen Akteninhalt ergeben.
88Insbesondere lassen sich dem Verwaltungsvorgang keine Anhaltspunkte für die vom Antragsgegner schriftsätzlich vorgetragene Behauptung entnehmen, dass es dem Minister der Justiz mit der Unterbrechung des Auswahlverfahrens lediglich darum gegangen sei, die Billigungsentscheidung seines Amtsvorgängers nicht ungeprüft zu übernehmen und eine eigene Entscheidung über die Billigung des Besetzungsvorschlags vom 11. Mai 2022 erst im Anschluss an die zunächst erforderliche Einarbeitung in die Vorgänge des gesamten Zuständigkeitsbereichs des Ministeriums zu treffen. Die konkrete Ausgestaltung der Anweisung des Ministers der Justiz spricht vielmehr gegen ein solches Anliegen. Denn hätte sich der Minister der Justiz lediglich die Möglichkeit vorbehalten wollen, im nächstmöglichen Zeitpunkt nach der Einarbeitungsphase selbst über die Billigung des auf N1. E. . D. lautenden Besetzungsvorschlags zu entscheiden, hätte es schon keiner Anweisung bedurft, den Besetzungsvorschlag nicht weiter auszuführen. Vielmehr hätte er den Besetzungsvorschlag in diesem Fall – wie schon von seinem Amtsvorgänger praktiziert – vorerst einbehalten und zum nächstmöglichen Zeitpunkt billigen oder – bei Feststellung etwaiger rechtlicher Mängel des Vorschlags – zur Überarbeitung an den Abteilungsleiter A zurückleiten können. Sollte er hingegen beabsichtigt haben, den Vorgang bis zu seiner Befassung nicht selbst einzubehalten, sondern ihn sich zu einem späteren Zeitpunkt erneut zur Entscheidung vorlegen zu lassen, wäre zudem zu erwarten gewesen, dass der Minister der Justiz zusätzlich eine Wiedervorlage des Besetzungsvorschlags verfügt, um eine Fortführung des Auswahlverfahrens sicherzustellen. Die ausschließliche Anweisung des Justizministers, die Verfügung vom 11. Mai 2022 nicht weiter auszuführen, erscheint daher aus der Sicht eines unbefangenen Beobachters als Bekundung seines Willens, den darin enthaltenen Besetzungsvorschlag dauerhaft zu verwerfen. Welche Gründe für eine Verwerfung des Besetzungsvorschlags vom 11. Mai 2022 ausschlaggebend waren, lässt sich dem Verwaltungsvorgang allerdings nicht eindeutig entnehmen.
89Anhaltspunkte für etwaige Gründe könnten sich allenfalls aus einer Gesamtschau der Ereignisse im Nachgang der Unterbrechung sowie aus der lückenhaften Dokumentation bestimmter für die Auswahlentscheidung maßgeblicher Vorgänge ergeben.
90Ausweislich des Verwaltungsvorgangs ist das Auswahlverfahren nach der vom Minister der Justiz am 30. Juni 2022 angewiesenen Unterbrechung erstmals am 21. Februar 2023 fortgeführt worden, als in einem Vermerk des Abteilungsleiters A. festgehalten wurde, dass die dem Besetzungsvorschlag vom 11. Mai 2022 zugrunde gelegten Beurteilungen der Bewerber nunmehr über ein Jahr alt und damit nicht mehr hinreichend aktuell seien. Zu diesem Zeitpunkt war das Auswahlverfahren allerdings bereits in maßgeblicher Form fortgeführt worden, ohne dass sich dies dem Auswahlvorgang entnehmen lässt.
91So hatte nach schriftsätzlichem Vortrag des Antragsgegners im Juli 2022 (ein genaues Datum wurde nicht benannt), d. h. im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der am 30. Juni 2022 vom Minister der Justiz verfügten Weisung, den von seinem Amtsvorgänger bereits gebilligten Besetzungsvorschlag vom 11. Mai 2022 nicht weiter auszuführen, ein persönliches Gespräch zwischen dem Minister der Justiz und der Beigeladenen stattgefunden, in dem die Beigeladene ihr Interesse an dem weiterhin vakanten Amt der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bekundet hat. Maßgebliche Ursache dafür, dass die Beigeladene eine Bewerbung um dieses Amt erst im Juli 2022 und nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt beabsichtigte, war nach eigenen Angaben des Antragsgegners das „zwischenzeitliche[n] Ausscheiden des bisherigen Ministers der Justiz aus dem Amt“ (S. 16 der Antragserwiderung). Einen Vermerk über dieses Gespräch enthält der Verwaltungsvorgang nicht. Der Umstand, dass die Beigeladene ihre Bewerbung erst nach persönlicher Interessenbekundung gegenüber dem Minister der Justiz einreichte und dass die personelle Besetzung des Amts des Ministers der Justiz ihre Entscheidung, sich um die Stelle der Präsidentin bzw. des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zu bewerben, maßgeblich beeinflusste, wirft bei objektiver Betrachtung zumindest die Frage auf, ob zwischen der Unterbrechung des Auswahlverfahrens und der Bewerbungsabsicht der Beigeladenen nicht nur ein zeitlicher, sondern auch ein sachlicher Zusammenhang besteht. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass weder die auf dieses Gespräch folgende Bewerbung der Beigeladenen (Eingang wohl am 13. September 2022 – Bl. 130 VV) noch die Anforderung sowie der Eingang ihrer Beurteilung und Personalakte dem Verwaltungsvorgang zu entnehmen sind.
92Nicht dokumentiert ist zudem die laut Antragserwiderung nach Eingang der Bewerbung der Beigeladenen erfolgte Prüfung der Abteilung Z, ob sie trotz des verspäteten Eingangs noch in das Auswahlverfahren einbezogen werden konnte. Demnach lässt sich auch lediglich der Antragserwiderung entnehmen, dass diese Prüfung ergeben haben soll, dass „die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens für eine breitestmögliche Kandidatenauswahl bei der Besetzung des besonders herausgehobenen Amtes der Präsidentin/des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen streite“ (S. 11 der Antragserwiderung).
93Vor diesem Hintergrund bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Unterbrechung des Auswahlverfahrens erfolgt ist, um die Berücksichtigung einer künftig eingehenden Bewerbung der Beigeladenen zu ermöglichen. Eine Unterbrechung des Auswahlverfahrens zu diesem Zweck verletzt jedoch den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers, weil diese Vorgehensweise eine manipulative Verfahrensgestaltung zu Gunsten der Beigeladenen darstellt. Das Abwarten der Bewerbung der Beigeladenen gereicht nämlich ihr zum Vorteil und damit zwangsläufig den anderen Bewerbern zum Nachteil.
94Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris, Rn. 25 ff., zur Unterbrechung des Auswahlverfahrens, um das erfolgreiche Durchlaufen einer Erprobung abzuwarten.
95Dieser Einordnung widerspricht es auch nicht, dass ein Mitbewerber, dessen Bewerbung fristgerecht eingegangen ist, sich grundsätzlich nicht darauf berufen kann, dass die Berücksichtigung einer nicht fristgerechten Bewerbung ihn in seinem eigenen beamtenrechtlichen Bewerbungsverfahrensanspruch verletze, weil Bewerbungsfristen aufgrund ihrer Qualifikation als Ordnungsfristen keine Schutzfunktion in Form einer Abwehrfunktion gegenüber Nachmeldungen entfalten.
96Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 17. Dezember 2009 – 3 CE 09.2494 –, juris, Rn. 27; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 1. Juni 2012 – 4 S 472/12 –, juris, Rn. 16.
97Denn dieser Umstand trägt lediglich dem Grundsatz Rechnung, dass es aufgrund der Organisationsgewalt des Dienstherrn ihm obliegt, darüber zu entscheiden, wann er welche Statusämter besetzt. Die organisatorische Entscheidungshoheit über die zeitliche Dimension der Stellenbesetzung besteht jedoch – wie bereits aufgezeigt – nicht grenzenlos, sondern ist insoweit durch subjektive Rechtspositionen der Beamten eingeschränkt, als sich ein unterlegener Bewerber gegen ihren manipulativen Einsatz zu Gunsten oder zu Lasten einzelner Bewerber zur Wehr setzen kann.
98Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. November 2016 – 2 C 27.15 –, juris, Rn. 36 f., und vom 26. Januar 2012 – 2 A 7.09 –, juris, Rn. 27.
99Vor diesem Hintergrund trifft die im Rahmen des Besetzungsvorschlags vom 2. Mai 2023 dargelegte Erwägung des Antragsgegners zwar zu, dass der Dienstherr nicht gehindert ist, die Suche nach dem am besten geeigneten Bewerber auch nach Ablauf der Bewerbungsfrist fortzusetzen (Bl. 130 VV).
100Vgl. insoweit auch Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Mai 2011 – 6 B 427/11 –, juris, Rn. 6; vom 26. Juni 2000 – 12 B 52/00 –, NRWE; vom 5. April 2002 – 1 B 1133/01 –, juris, Rn. 13 und vom 24. Juni 2004 – 6 B 1114/04 –, juris, Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 1. Juni 2012 – 4 S 472/12 –, juris, Rn. 16; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. März 1965 – 2 A 77/64 –, juris (Leitsatz); Schnellenbach, ZBR 1997, 169, 171.
101Er darf das Auswahlverfahren allerdings nicht gezielt verzögern, um die nachträgliche Berücksichtigung eines bestimmten Bewerbers erst zu ermöglichen und auf diese Weise den Bewerberkreis zu steuern.
102Sollte sich der Antragsgegner aufgrund eines etwaig im Zeitpunkt der Vorlage des Besetzungsvorschlags vom 11. Mai 2022 absehbaren Bewerbungsinteresses der Beigeladenen dazu veranlasst gesehen haben, den Bewerberkreis insbesondere um leistungsstarke Frauen zu erweitern und das Verfahren aus diesem Grund zu unterbrechen, hätte er das Verfahren abbrechen und die Stelle erneut ausschreiben müssen, um auf diese Weise den Bewerberkreis zu aktualisieren. Denn dadurch hätte der Antragsgegner allen Beamten und insbesondere Frauen erneut die Chance eröffnet, sich zu bewerben und nicht allein der Beigeladenen.
103Vgl. ebenfalls BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris, Rn. 27.
104Die Unterbrechung des Auswahlverfahrens verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers folglich, weil der Antragsgegner sie manipulativ eingesetzt hat, um eine Auswahlentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen zu steuern; jedenfalls aber, weil der Antragsgegner die Rechtsschutzmöglichkeiten des Antragstellers durch die fehlende Dokumentation der für die Unterbrechung maßgeblichen Erwägungen in unzumutbarer Weise eingeschränkt hat.
105Folglich gebietet es die Garantie effektiven Rechtsschutzes, das Auswahlverfahren so fortzuführen, als wäre die Unterbrechung nicht erfolgt. Daraus resultiert im vorliegenden Fall der Sache nach die Verpflichtung des Antragsgegners, das Stellenbesetzungsverfahren mit dem im Zeitpunkt der Unterbrechung bestehenden Bewerberkreis, d. h. ohne die Berücksichtigung der am 13. September 2022 eingegangenen Bewerbung der Beigeladenen, fortzuführen.
106Vgl. insoweit auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 5. März 2019 – 12 L 2192/18 –, juris, Rn. 41.
107Von einer Tenorierung des Inhalts, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, das Verfahren zur Besetzung der am 15. Juni 2021 im Justizministerialblatt Nr. 12 ausgeschriebenen Stelle des Präsidenten/der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ohne Berücksichtigung der am 13. September 2022 eingegangenen Bewerbung der Beigeladenen fortzuführen, hat das Gericht wegen einer insoweit fehlenden Antragstellung abgesehen. § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO zieht der im Ermessen des Gerichts stehenden Anordnungskompetenz (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO) Grenzen.
108(2) Der Auswahlentscheidung fehlt es mit Blick auf die Würdigung (der Entwicklung) des Leistungsstands der Beigeladenen an der Heranziehung hinreichend aktueller Regelbeurteilungen betreffend den Zeitraum von 2011 bis 2020.
109Nach § 92 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW sind Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beamten in regelmäßigen Zeitabständen und anlässlich einer Versetzung zu beurteilen; die obersten Dienstbehörden bestimmen die Zeitabstände und können Ausnahmen für Gruppen von Beamtinnen und Beamten zulassen. Nach Nr. 2.1 BRL JM (Dienstliche Beurteilungen der Beamtinnen und Beamten - AV d. JM vom 1. Februar 2013 (2000 - Z. 155) - JMBl. NRW S. 32 -) sind Beamte auf Lebenszeit des Justizministeriums und seines Geschäftsbereichs in regelmäßigen Zeitabständen alle drei Jahre zu einem Stichtag zu beurteilen.
110Hiermit wird ein System von regelmäßigen Beurteilungen vorgesehen, von dem in bestimmten Konstellationen Ausnahmen zugelassen sind.
111Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 – 2 C 1.18 –, juris, Rn. 42 m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2021 – 1 B 1341/21 –, juris, Rn. 25.
112Regelbeurteilungen beziehen sich auf einen grundsätzlich identischen Beurteilungszeitraum, haben einen gemeinsamen Stichtag und sind nicht durch ein besonderes Ereignis – insbesondere die Ausschreibung eines höherwertigen Statusamtes oder eines zu besetzenden Dienstpostens – veranlasst. Diese Einheitlichkeit gewährleistet, dass die dienstliche Beurteilung für sämtliche zu Beurteilenden die zu beurteilenden Merkmale nicht nur punktuell, sondern gleichmäßig erfasst und sie auch in ihrer zeitlichen Entwicklung unabhängig von einer konkreten Auswahlentscheidung bewertet.
113Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Juni 1984 – 2 C 54.82 –, juris, Rn. 17, vom 26. September 2012 – 2 A 2.10 –, juris, Rn. 10 und vom 9. Mai 2019 – 2 C 1.18 –, juris, Rn. 41; Beschluss vom 2. Juli 2020 – 2 A 6.19 –, juris, Rn. 11.
114Regelbeurteilungen kommt dementsprechend bei Auswahlentscheidungen entscheidende Bedeutung zu.
115Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 2020 – 2 B 63.20 –, juris, Rn. 21, und vom 17. September 2020 – 2 C 2.20 –, juris, Rn. 15.
116Demgegenüber begegnen Anlassbeurteilungen grundsätzlich Bedenken, weil sie gerade im Hinblick auf eine anstehende Auswahlentscheidung erstellt werden und damit der Verdacht entstehen kann, sie dienten – zielgerichtet – lediglich der Durchsetzung von vorgefassten, Art. 33 Abs. 2 GG nicht genügenden Personalentscheidungen. Ohnehin ist die Aussagekraft einer ausnahmsweise zulässigen Anlassbeurteilung begrenzt. Da sie einen deutlich kürzeren Zeitraum als die Regelbeurteilung abbildet, muss die Anlassbeurteilung aus der Regelbeurteilung entwickelt werden und darf diese lediglich fortentwickeln. Je kürzer der betrachtete Zeitraum seit der letzten Regelbeurteilung und je größer der einem Bewerber nunmehr attestierte Bewertungsunterschied ausfällt, desto mehr trifft den Beurteiler die Pflicht, einen solchen Leistungssprung oder -abfall zu begründen und ggf. zu plausibilisieren.
117Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. November 2012 – 2 VR 5.12 –, juris, Rn. 30 und vom 2. Juli 2020 – 2 A 6.19 –, juris, Rn. 11; Urteil vom 9. Mai 2019 – 2 C 1.18 –, juris, Rn. 41.
118Die Erstellung von Regelbeurteilungen entspricht damit dem Prinzip der Bestenauswahl. Eine dies missachtende Verwaltungspraxis ist rechtswidrig und kann schon deshalb keine, auch keine von der maßgeblichen Beurteilungsrichtlinie abweichende Selbstbindung der Verwaltung bewirken.
119Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2020 – 6 B 1002/20 –, juris, Rn. 14.
120Den Dienstherrn trifft demgemäß die Pflicht, im Rahmen ordnungsgemäßer Personalbewirtschaftung dafür Sorge zu tragen, dass die Beamten grundsätzlich regelmäßig dienstlich beurteilt werden.
121Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 – 2 C 14.02 –, juris, Rn. 22; OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2020 – 6 B 1002/20 –, juris, Rn. 17.
122Entgegen dieser Verpflichtung wurden über die Beigeladene im Zeitraum von 2011 bis 2020 jedoch keine Regelbeurteilungen erstellt. Dies verstößt gegen den durch § 92 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW zum Ausdruck kommenden Grundsatz, dass der dienstliche Werdegang eines Beamten lückenlos durch Regelbeurteilungen abgedeckt sein soll, und im vorliegenden Fall einer Konkurrentenstreitsituation letztlich gegen Art. 33 Abs. 2 GG.
123Die Beigeladene hätte in der Zeit von ihrer Versetzung an das Ministerium der Justiz mit Verfügung vom 00.00.0000 bis zu ihrer Versetzung an das Ministerium (…) mit Verfügung vom 00.00.0000 als Beamtin des Ministeriums der Justiz des Antragsgegners weiterhin regelbeurteilt werden müssen. Hieran änderte sich auch durch die auf der Grundlage des § 20 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG zum verfügte Zuweisung an den W. nichts.
124Gemäß § 20 Abs. 3 BeamtStG bleibt die Rechtsstellung des von einer Zuweisung betroffenen Beamten für die Dauer einer Zuweisung unberührt. Dies gilt für alle sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten sowohl des Dienstherrn wie auch des Beamten. Insbesondere tritt kein Wechsel des Dienstherrn ein. Der neue Träger und Empfänger der Dienstleistung wird nicht neuer Dienstherr. Das Rechtsverhältnis zum Dienstherrn bleibt vielmehr bestehen, was insbesondere ein Fortbestehen der Verantwortung des Dienstherrn für die Übertragung einer amtsentsprechenden Tätigkeit zur Folge hat.
125Vgl. Burkholz in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, IV. Wirkungen und Rechtsfolgen der Zuweisung (Abs. 3); Wirksamkeit, Rn. 56.
126Der Beamte bleibt damit trotz der Zuweisung weiterhin Beamter des bisherigen Dienstherrn.
127Vgl. BayVGH, Urteil vom 19. Juli 2006 – 3 BV 03.1356 –, juris, Rn. 29; BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2007 – 2 B 62.06 –, juris, Rn. 4.
128Die Zuweisung führt nicht (einmal) zu einem Ausscheiden aus der bisherigen Dienststelle.
129Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2009 – 6 P 16.08 –, juris, Rn. 10; OVG NRW, Beschluss vom 20. Juni 2011 – 16 B 271/11.PVB –, juris, Rn. 36.
130Denn im Unterschied zu einer Abordnung (§ 27) oder Versetzung (§ 28) fehlt der aufnehmenden Einrichtung die Dienstherreneigenschaft. Vor diesem Hintergrund wird die zugewiesene Tätigkeit als dienstliche Aufgabe in beamtenrechtlicher und disziplinarrechtlicher Verantwortung gegenüber dem (bisherigen) Dienstherrn wahrgenommen.
131Vgl. BeckOK BeamtenR Bund/Thomsen, 30. Ed. 15.7.2023, BBG § 29 Rn. 19 ff.
132Folge der Zuweisung ist demnach lediglich, dass der Dienstherr für deren Dauer den eigenen Anspruch auf die Dienstleistung des Beamten bei ihm verliert und nur die Dienstleistung für die in der Zuweisungsverfügung bezeichnete andere Einrichtung verlangen kann. Der Beamte ist dem Dienstherrn gegenüber nunmehr verpflichtet, seine Dienste dieser Einrichtung in demjenigen Umfang zur Verfügung zu stellen, wie er dies unmittelbar gegenüber dem Dienstherrn tun müsste.
133Vgl. Burkholz in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, IV. Wirkungen und Rechtsfolgen der Zuweisung (Abs. 3); Wirksamkeit, Rn. 52.
134Dies zugrunde gelegt waren für die Beigeladene auch im Zuweisungszeitraum von 2011 bis 2020 weiterhin Regelbeurteilungen zu erstellen. Dies hätte in der Weise geschehen können, dass zur Vorbereitung der Beurteilung eine geeignete Stellungnahme der Zuweisungskörperschaft eingeholt wird, die dann durch den nach allgemeinen Vorschriften zu bestimmenden zuständigen Beurteiler zu berücksichtigen gewesen wäre.
135Vgl. zum Beurteilungsverfahren während Zuweisungen nach § 4 Abs. 4 PostPersRG OVG NRW, Beschluss vom 15. März 2013 – 1 B 133/13 –, juris, Rn. 85; vgl. auch VG Stuttgart, Beschluss vom 7. Februar 2013 – 8 K 3954/12 –, juris, Rn. 16 in Fällen der Beurlaubung nach § 13 Abs. 1 SUrlV.
136Hieran fehlt es allerdings. Eine Ausnahme von der Pflicht zur Regelbeurteilung folgt auch nicht aus Nr. 2.3 BRL JM. Insbesondere befand sich die Beigeladene im Zuweisungszeitraum noch nicht in einem Amt der Besoldungsgruppe B4 (vgl. Nr. 2.3 f) BRL JM. Zudem leistete sie – wie oben ausgeführt – in den Beurteilungszeiträumen zwischen 2011 und 2020 auch durchgehend Dienst, sodass der Ausschlussgrund der Nr. 2.3 d) BRL JM nicht in Betracht kommt.
137(3) Ferner sind die dem streitgegenständlichen Auswahlverfahren zugrundeliegenden dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und der Beigeladenen rechtswidrig.
138(a) Dienstliche Beurteilungen sind verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar. Nur der Dienstherr bzw. der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte soll nach dem Sinn der Regelungen über dienstliche Beurteilungen ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den – ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden – zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amts und seiner Laufbahn entspricht. Bei einem derartigen dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu.
139Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2022 – 2 B 45.21 –, juris, Rn. 14.
140Gegenüber dieser hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob diese – über Art. 3 Abs. 1 GG den Dienstherrn gegenüber dem Beamten rechtlich bindenden – Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung im einschlägigen Beamtengesetz und der Laufbahnverordnung wie auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften im Einklang stehen.
141Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Juni 2015 – 1 B 384/15 –, juris, Rn. 5.
142Zur Gewährleistung der effektiven gerichtlichen Kontrolle der Beurteilung sind die wesentlichen in ihr enthaltenen Erwägungen zu begründen. Nur so kann ihre Nachvollziehbarkeit sichergestellt werden und das Gericht seiner Aufgabe der – begrenzten – Überprüfung der Beurteilung nachkommen. Bedient sich der Beurteiler ganz oder teilweise auch der Erkenntnisse dritter Personen, so gehört es auch zu einer solchen Begründung, die wesentlichen Erkenntnisquellen und den Umfang und die Art ihrer Berücksichtigung in der vom Beurteiler zu verantwortenden Beurteilung offenzulegen. Es ist zu plausibilisieren, wie der Beurteiler auf dieser Grundlage zu seinem eigenen Werturteil gekommen ist.
143Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 1 A 7/11 –, juris, Rn. 15.
144Überdies muss die dienstliche Beurteilung ein abschließendes Gesamturteil unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelmerkmale der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG enthalten.
145Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2021 – 2 C 2.21 -, juris, Rn. 41 ff., und Beschluss vom 20. Juni 2022 – 2 B 45.21 –, juris, Rn. 19.
146(b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind die zur Bewerberauswahl herangezogenen Überbeurteilungen des Antragstellers und der Beigeladenen durch den Minister der Justiz – jeweils vom 28. März 2023 – rechtswidrig.
147(aa) Dem Minister der Justiz des Antragsgegners steht hierfür schon keine Überbeurteilungskompetenz zu.
148Die Zuständigkeit des Ministers der Justiz für die Überbeurteilung des Antragstellers und der Beigeladenen lässt sich nicht aus §§ 2 Abs. 3 LBG NRW, 2 Abs. 2 LRiStaG i. V. m. § 7 Abs. 2 Nr. 3 a) der Verordnung über richter- und beamtenrechtliche Zuständigkeiten sowie zur Bestimmung der mit Disziplinarbefugnissen ausgestatteten dienstvorgesetzten Stellen im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz (Beamten- und Disziplinarzuständigkeitsverordnung JM – ZustVO JM) herleiten.
149Gemäß § 2 Abs. 3 LBG NRW kann die oberste Dienstbehörde, die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW die dienstvorgesetzte Stelle für die Beamten des Landes ist, für Entscheidungen nach § 2 Abs. 4 LBG NRW durch Rechtsverordnung eine andere dienstvorgesetzte Stelle bestimmen. Nach § 2 Abs. 4 LBG NRW trifft die dienstvorgesetzte Stelle die beamtenrechtlichen Entscheidungen über die persönlichen Angelegenheiten der ihr nachgeordneten Beamten. Gemäß § 2 Abs. 2 LRiStaG gelten diese Vorschriften für die Rechtsverhältnisse der Richter des Landes Nordrhein-Westfalen entsprechend.
150Die auf der Grundlage von § 2 Abs. 3 LBG NRW durch das Ministerium der Justiz des Antragsgegners als oberste Dienstbehörde erlassene ZustVO JM regelt in dessen § 1 Abs. 1 Satz 1, dass abweichend von § 2 Abs. 4 i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW nicht die oberste Dienstbehörde, sondern die jeweilige Leitung des Gerichts, der Behörde oder der Einrichtung, bei dem oder bei der sie beschäftigt sind, die richter- und beamtenrechtlichen Entscheidungen über die persönlichen Angelegenheiten der Richter sowie der Beamtinnen und Beamten trifft. Gemäß § 1 Abs. 2 ZustVO JM gilt Abs. 1 nicht, soweit nachfolgend etwas anderes bestimmt ist. „Etwas anderes“ in diesem Sinne bestimmt § 7 Abs. 2 Nr. 3 a) ZustVO, wonach dem für Justiz zuständigen Ministerium die weitere dienstliche Beurteilung (Überbeurteilung) aus Anlass der Bewerbung um ein Amt als Präsidentin oder Präsident des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vorbehalten bleibt.
151Dies zugrunde gelegt begründet § 7 Abs. 2 Nr. 3 a) ZustVO JM keine Zuständigkeit des Ministers der Justiz des Antragsgegners für die Überbeurteilung des Antragstellers und der Beigeladenen. Zwar ist das Ministerium der Justiz gemäß dieser Vorschrift für die Überbeurteilung anlässlich einer Bewerbung um das Amt als Präsidentin oder Präsident des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zuständig und der Antragsteller sowie die Beigeladene haben sich um dieses Amt beworben.
152Der Antragsteller und die Beigeladene sind jedoch nicht vom personellen Anwendungsbereich der § 7 Abs. 2 Nr. 3 a) ZustVO JM zugrundeliegenden Verordnungsermächtigung erfasst mit der Folge, dass die ZustVO JM keine Zuständigkeitsanordnung für sie treffen kann.
153§ 2 Abs. 3 LBG NRW ermächtigt die oberste Dienstbehörde nämlich ausschließlich dazu, für Beamte des Landes sowie – in entsprechender Anwendung gemäß § 2 Abs. 2 LRiStaG – für Richter des Landes (Hervorhebung durch das Gericht) eine andere dienstvorgesetzte Stelle für Entscheidungen nach Absatz 4 zu bestimmen. Der Antragsteller zählt als Bundesrichter jedoch gerade nicht zu den Richtern des Landes.
154Demgegenüber ist die Beigeladene zwar Beamtin des Landes. Sie ist allerdings deswegen nicht vom Anwendungsbereich der Verordnungsermächtigung erfasst, weil § 2 Abs. 3 LBG NRW die oberste Dienstbehörde (dienstvorgesetzte Stelle) nur zum Erlass von Zuständigkeitsregelungen für Entscheidungen im Sinne des § 2 Abs. 4 LBG NRW ermächtigt und § 2 Abs. 4 LBG NRW ausschließlich Entscheidungen der dienstvorgesetzten Stelle über die persönlichen Angelegenheiten der ihr nachgeordneten Beamten (Hervorhebung durch das Gericht) umfasst. Durch § 2 Abs. 3 LBG NRW wird das Ministerium der Justiz demnach nur zum Erlass von Zuständigkeitsregelungen ermächtigt, die Entscheidungen über die Angelegenheiten der diesem nachgeordneten Beamten betreffen. Die Beigeladene ist dem Ministerium der Justiz jedoch nicht nachgeordnet, weil sie als Beamtin dem (…) zugewiesen ist.
155(bb) Mit der Erstellung der Überbeurteilung bezüglich der Beigeladenen vom 28. März 2023 hat der Minister der Justiz zudem zum Ausdruck gebracht, dass Beurteilungs- und Auswahlverfahren synchronisiert worden sind. Mit der Erstellung der Überbeurteilung ist bereits auf der Ebene des Beurteilungsverfahrens „zielorientiert“ die zukünftige Auswahlentscheidung gesteuert worden. Eine anhand der Anzahl der zur Verfügung stehenden Beförderungsstellen vorgenommene „Synchronisierung“ mit der Spitzennote ist allerdings unzulässig, denn sie führt dazu, dass mit der Vergabe der Spitzennote automatisch auch die Beförderungsstelle vergeben wäre. Insofern „entscheidet“ der um diesen Zusammenhang wissende Beurteiler mit der Notenvergabe auch über die Beförderung.
156Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. März 2013 – 1 B 133/13 –, juris, Rn. 43; NdsOVG, Beschluss vom 16. Mai 2013 – 5 ME 92/13 –, juris, Rn. 10; siehe auch VGH BW, Beschluss vom 21. März 2013 – 4 S 227/13 –, juris, Rn. 12 ff.
157Dass der Minister der Justiz des Antragsgegners bei der Erstellung der Überbeurteilung der Beigeladenen auf diese unzulässige Weise vorgegangen ist, um (mindestens) einen Leistungs- und Eignungsgleichstand der Beigeladenen mit Blick auf die Konkurrenzlage herzustellen, ergibt sich bereits daraus, dass er eine eigene Bewertung der von der Beigeladenen erbrachten Leistungen vornahm, obwohl er weder eigene Erkenntnisse über den aktuellen Leistungsstand der Beigeladenen hatte noch ihm eine Kompetenz zustand, eine Überbeurteilung abzugeben (s. o. aa) bbb) (3) (b) (aa)). Gleichwohl sind deren Inhalte in die Auswahlentscheidung – diese wiederum zu verantworten durch den Minister der Justiz – eingeflossen.
158Das unzulässige Mitsteuern des Auswahlvorgangs durch den Beurteilungsvorgang wird aber auch dadurch belegt, dass der Minister der Justiz in die Überbeurteilung Erwägungen eingestellt hat, die erst beim Qualifikationsvergleich im Rahmen der Auswahlentscheidung Berücksichtigung finden dürfen, nicht aber im Rahmen der Überbeurteilung zu einer Anlassbeurteilung hinsichtlich der Eignungsprognose.
159Ergibt sich im Hinblick auf das Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle, dass ein oder mehrere Bewerber zu einem früheren, vor dem aktuellen Beurteilungszeitraum liegenden Zeitpunkt Leistungen erbracht und Erfahrungen gesammelt haben, die aufgrund des Beurteilungszeitraums in der aktuellen Beurteilung keine Berücksichtigung haben finden können, die aber noch immer eine Aussagekraft für die aktuell zu erstellende Eignungsbewertung haben, so ist der Dienstherr verpflichtet, diese älteren Leistungen und Erfahrungen – etwa durch die Auswertung älterer Beurteilungen – bei seiner Auswahlentscheidung angemessen zu berücksichtigen (Hervorhebung durch das Gericht).
160Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2021 – 1 B 1341/21 –, juris, Rn. 61.
161Die Auswahlentscheidung ist allerdings strikt von der Erstellung einer (Über)Beurteilung zu trennen. Gerade diese Trennung hat der Minister der Justiz des Antragsgegners nicht eingehalten, weil er die von der Beigeladenen zu einem Zeitpunkt vor dem Beurteilungszeitraum 1. Juni 2020 bis 31. August 2022 erbrachten Leistungen nicht erst bei der Auswahlentscheidung, sondern bereits im Rahmen der Überbeurteilung berücksichtigt hat.
162Ältere Qualifikationsmerkmale, von deren Fortbestand auszugehen ist, sind regelmäßig zwar auch im Rahmen der aktuellen Beurteilung zu berücksichtigen, soweit diese eine Eignungsprognose für das angestrebte Amt enthält.
163Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2021 – 1 B 1341/21 –, juris, Rn. 61.
164Dies obliegt gemäß Nr. 12.6 (Richtlinien für die dienstliche Beurteilung zur Vorbereitung von Personalmaßnahmen, insbesondere Beförderungsentscheidungen RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Kommunales (MIK) - 24 – 1.39.51 – 1/09 - vom 19. November 2010 – BRL MIK) jedoch dem End- und nicht dem Überbeurteiler (unterstellt, es bestünde überhaupt eine Überbeurteilungskompetenz). Dass dieser Endbeurteiler ältere Qualifikationsmerkmale – insbesondere solche aus der Zeit der richterlichen Tätigkeit der Beigeladenen – im Rahmen seiner Beurteilung berücksichtigt hat, lässt sich dem Vorschlag zur Beförderungseignung in der Anlassbeurteilung vom 10. November 2022 allerdings nicht entnehmen.
165Unterstellt, dass ein höherer Dienstvorgesetzter eine rechtlich verselbstständigte Überbeurteilung zu erstellen hat, so darf er – unbeschadet seiner Pflicht, Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beamten eigenverantwortlich umfassend zu bewerten – von der Beurteilung der nachgeordneten Dienstbehörde nur abweichen, wenn er dies im Interesse der Durchsetzung einheitlicher Beurteilungsmaßstäbe für seinen gesamten Dienstbereich als geboten erachtet oder wenn er aufgrund eigener Wahrnehmungen und Eindrücke oder indirekter Erkenntnisquellen im Einzelfall selbst zu einer – anderen – Einschätzung des Beamten in der Lage ist.
166Vgl. Schnellenbach/Bodanowitz, BeamtenR, § 11 Dienstliche Beurteilung, Rn. 23, beck-online.
167Eine andere Einschätzung in diesem Sinne hat der Minister der Justiz allerdings nicht vorgenommen, sondern im Wege der Überbeurteilung Grundlagen für den Qualifikationsvergleich der Bewerber im Auswahlverfahren zu schaffen versucht. Darum geht es in einer Überbeurteilung jedoch nicht. Ihr prägender Zweck liegt darin, einheitliche Beurteilungsmaßstäbe zu gewährleisten, und nicht, die durch einen – zumal ressortfremden – Endbeurteiler festgesetzte Eignungsprognose durch (vermeintlich) eigene Erkenntnisse zu plausibilisieren oder anzureichern.
168(c) Auch die für die Auswahlentscheidung herangezogene Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 20. März 2023 ist rechtswidrig.
169Diese Anlassbeurteilung wurde vom Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts entsprechend der vom Antragsgegner mit Schreiben vom 21. Februar 2023 (Bl. 105 ff. VV) geäußerten Bitte anhand der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte – AV d. JM vom 2. Mai 2005 (2000 – Z.155) – JMBl. NRW S. 121 – zuletzt geändert durch AV d. JM vom 4. Juli 2016 (Beurteilungs-AV JM NRW), erstellt, obwohl diese gemäß deren Ziffer I. ausschließlich für die dienstliche Beurteilung der Richter des Landes Nordrhein-Westfalen gelten.
170Die in einem Stellenbesetzungsverfahren auswählende Stelle – hier der Antragsgegner – hat bei Bewerbern aus anderen Geschäftsbereichen jedoch nicht die Kompetenz, die für die Erstellung einer dienstlichen Beurteilung anzuwendenden administrativen Regelungen zu bestimmen. Vielmehr entfalten die ressorteigenen Beurteilungsrichtlinien für den jeweiligen Beurteiler über Art. 3 Abs. 1 GG Bindungswirkung, sodass er diese seiner Beurteilung zugrunde zu legen hat.
171Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 10. August 2021 – 1 B 937/20 –, juris, Rn. 55, 59; BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 2 A 10.13 –, juris, Rn. 14.
172Vor diesem Hintergrund hätte der Beurteiler des Antragstellers der Beurteilung nicht die Beurteilungs-AV JM NRW zugrunde legen dürfen, sondern sie anhand der ressorteigenen Beurteilungsrichtlinien erstellen müssen, die auf der Grundlage von § 21 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG), § 46 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten (Bundeslaufbahnverordnung – BLV) erlassen worden sind.
173(d) Nach Maßgabe der unter aa) bbb) (3) (a) genannten Grundsätze ist auch die zur Bewerberauswahl herangezogene Anlassbeurteilung der Beigeladenen vom 10. November 2022 rechtswidrig.
174(aa) Die Anlassbeurteilung vom 10. November 2022 enthält – abweichend von der diesbezüglichen Einschätzung auf S. 10 des Auswahlvermerks – kein abschließendes Gesamturteil unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelmerkmale der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG.
175Den Anforderungen an das abschließende Gesamturteil genügen weder die herangezogene Beurteilungsrichtlinie noch die – in ihrer Anwendung ergangene – streitgegenständliche Anlassbeurteilung. Nach Nr. 6.3.2 Satz 1 BRL MIK ist im Beurteilungsvorschlag die Gesamtnote aus der Bewertung der Leistungsmerkmale unter Würdigung ihrer Gewichtung und des Gesamtbildes der Leistungen zu bilden und in Punkten festzusetzen. Nach Nr. 12.6 BRL MIK trifft die Endbeurteilerin abschließend die Gesamtbewertung, indem sie die Gesamtnote der Leistungsbeurteilung festsetzt und über die Zuerkennung sowie den Grad der Beförderungseignung entscheidet. Dies zugrunde gelegt wird die Befähigungsbeurteilung nicht Inhalt der Gesamtbewertung, wie sich auch aus Nr. 8 BRL MIK ergibt. Hiernach besteht die Gesamtbewertung aus der Gesamtnote sowie einer Entscheidung über die Zuerkennung und den Grad der Beförderungseignung (Satz 1), wobei diese Entscheidung (zur Beförderungseignung) aufgrund des Gesamtbildes von Leistungs- und Befähigungsbeurteilung zu treffen ist (Satz 2, Hervorhebung durch das Gericht).
176Dementsprechend hat der Beurteiler im Beurteilungsvorschlag die Leistungsmerkmale nach einer fünfstufigen Skala im Einzelnen bewertet und diese mit der Gesamtnote der Leistungsbeurteilung der ebenfalls fünfstufigen Skala bewertet. Für die Befähigungsbeurteilung wurde durch diesen kein gemeinsames Urteil gebildet. Der Endbeurteiler hat den Punktwerten der Leistungsmerkmale, in der Beurteilung der Befähigung und in der Gesamtnote der Leistungsbeurteilung zugestimmt und die Gesamtnote der Leistungsbeurteilung auf 5 Punkte festgesetzt. Die Befähigungsbeurteilung ist nicht in das Gesamturteil eingeflossen.
177Es kann offenbleiben, ob die Anlassbeurteilung unter Beachtung der höchstrichterlichen Vorgaben in Anbetracht der durchweg vergebenen Spitzennoten in den Leistungs- und Befähigungsmerkmalen im Gesamturteil anders ausgefallen wäre oder welche Schlüsse der Antragsgegner im Auswahlverfahren aus der Erkenntnis eines unzureichenden Beurteilungsmaßstabs gezogen hätte. Dies muss ggf. einer erneuten dienstlichen Beurteilung der Beigeladenen bzw. einer erneuten Auswahlentscheidung des Antragsgegners vorbehalten bleiben.
178(bb) Ferner ist die Anlassbeurteilung der Beigeladenen vom 10. November 2022 rechtswidrig, weil die Vergabe der Spitzennote nicht plausibel begründet worden ist, obwohl hierfür ein sich aufdrängender Anlass bestanden hat. Der Antragsgegner hat auf die substantiierte Rüge des Antragstellers gegen die Beurteilung der Leistungen der Beigeladenen (vgl. S. 48 ff. der Antragsbegründung) sein Werturteil nicht nachträglich plausibilisiert.
179Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1980 – 2 C 8.78 –, juris, Rn. 25, und Beschluss vom 19. August 2004 – 2 B 44.04 –, juris, Rn. 5; OVG NRW, Beschlüsse vom 28. April 2010 – 6 A 676/08 –, juris, Rn. 7 ff., und vom 29. Juli 2013 – 6 B 509/13 –, juris, Rn. 23.
180Ungeachtet dessen drängt sich das Plausibilisierungsdefizit auf.
181(aaa) Dies ergibt sich aus Folgendem: Der Stichtag der Anlassbeurteilung der Beigeladenen liegt drei Monate nach ihrer Beförderung zur Ministerialdirigentin (BesGr. B7). Alle von ihr erbrachten Leistungen – auch diejenigen im vorher von ihr innegehabten B4-Amt – waren hiernach durch den Beurteiler an diesem höheren Maßstab zu messen. Der Beurteiler hatte die inzwischen erfolgte Beförderung bei seinen Bewertungen derart zu berücksichtigen, dass auch die vor der Beförderung erbrachten Leistungen am Maßstab des Beförderungsamtes zu messen sind. Das gilt insbesondere dann, wenn die einschlägigen Beurteilungsrichtlinien – wie hier in Nr. 6.3 Satz 3 BRL MIK – ein solches vorsehen.
182Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 1993 – 2 C 37.91 –, juris, Rn. 13; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 6. September 2019 – 5 ME 137/19 –, juris, Rn. 25; OVG NRW, Beschluss vom 8. Oktober 2010 – 1 B 930/10 –, juris, Rn. 37; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Februar 2002 – 10 A 11751/01 –, juris, Rn. 34.
183Dementsprechend hat der Beurteiler – zu Recht – auf der ersten Seite der Beurteilung das aktuelle Statusamt der Beigeladenen aufgeführt und auf die Beförderung im laufenden Beurteilungszeitraum hingewiesen.
184Die Annahme fehlender hinreichender Plausibilisierung der im Wege einer schlichten Ankreuzbeurteilung vergebenen Spitzennote beruht im konkreten Fall auf folgenden – in der Rechtsprechung allgemein anerkannten – Grundsätzen: Ein Beamter fällt, sobald er befördert worden ist, aus dem Kreis der vor der Beförderung mit ihm zu vergleichenden Beamten heraus und tritt in den Kreis der nunmehr mit ihm zu vergleichenden Beamten des Beförderungsamtes ein. Daraus folgt zum einen, dass bei einem Wechsel im Statusamt infolge einer Beförderung ein höherer, anspruchsvollerer Bewertungsmaßstab anzulegen ist. Denn an den Inhaber eines höheren statusrechtlichen Amtes sind von vornherein höhere Erwartungen im Hinblick auf dessen Leistung und Befähigung zu stellen als an den Inhaber eines niedrigeren statusrechtlichen Amtes. Nur daraus rechtfertigt sich auch seine höhere Einstufung im Statusamt. Zum anderen ist auch eine andere Vergleichsgruppe in den Blick zu nehmen, die überwiegend aus im Beförderungsamt schon erfahreneren Beamten besteht. Diese neue Vergleichsgruppe wird regelmäßig auch leistungsstärker sein als die bisherige, da gemäß dem Leistungsprinzip nur die leistungsstärksten Beamten befördert werden. Hat der beförderte Beamte seine bisher gezeigten Leistungen nicht weiter gesteigert, so führt dies grundsätzlich dazu, dass die Beurteilung im neuen Amt schlechter ausfällt als diejenige im vorangegangenen niedriger eingestuften Amt. Das gilt auch dann, wenn der Beamte auf demselben Dienstposten befördert worden ist und dieselben Aufgaben wie zuvor wahrnimmt. Denn die Bewertung der Leistungen orientiert sich nicht allein am Dienstposten und an den auf diesem zu erledigenden Aufgaben, sondern in erster Linie an den Anforderungen der jeweiligen Laufbahn- und Besoldungsgruppe und damit des jeweiligen innegehabten statusrechtlichen Amtes.
185Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. März 2004 – 4 S 1165/03 –, juris, Rn. 15; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. September 2000 – 10 A 11056/00 –, juris, Rn. 2; SaarlOVG, Beschluss vom 26. Juli 2007 – 1 B 304/07 –, juris, Rn. 10; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 2023 – 2 B 3.22 –, juris, Rn. 10.
186Auch wenn diese Erfahrungswerte nicht schematisch anzuwenden sind, sondern jeder Einzelfall zu prüfen ist, ist in der Regel eine nachvollziehbare Begründung zu erwarten, wenn einem beförderten Beamten in der Beurteilung die gleichen Noten gegeben werden, wie er sie vor seinem Aufstieg in das höhere Statusamt erhalten hat. So kann z. B. ein Beamter auch nach einer Beförderung – etwa hierdurch zusätzlich motiviert – Leistungen zeigen, die die sofortige Vergabe der Spitzennote in allen Merkmalen verdienen.
187Vgl. ThürOVG, Beschluss vom 8. April 2011 – 2 EO 192/09 –, juris, Rn. 54.
188Eine dokumentierte Leistungssteigerung bzw. das Gleichbleiben des Gesamturteils nach einer zwischenzeitlich erfolgten Beförderung bedarf allerdings einer nachvollziehbaren Begründung in der dienstlichen Beurteilung, die nur entbehrlich ist, wenn im konkreten Fall eine Notenherabsetzung nicht in Betracht kommt, weil es sich geradezu aufdrängt, die bisherige Note beizubehalten. Eine solche Konstellation ist denkbar, wenn der Beamte bereits im niedrigeren Statusamt mit der Höchstnote bewertet worden ist, weil er nicht nur zu den besonders herausragenden Spitzenbeamten und Leistungsträgern seiner Vergleichsgruppe der Beamten mit demselben Statusamt gehört, sondern er auch innerhalb der Gruppe der bestbenoteten Beamten herausragt und dies in den Vorbeurteilungen hinreichend zum Ausdruck kommt.
189Vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 6. September 2019 – 5 ME 137/19 –, juris, Rn. 28; OVG Bremen, Urteil vom 26. März 2018 – 2 B 199/17 –, juris, Rn. 20; ThürOVG, Beschluss vom 8. April 2011 – 2 EO 192/09 –, juris, Rn. 54 ff.
190So verhält es sich vorliegend allerdings nicht. Die Beigeladene hat in ihrer letzten dienstlichen Beurteilung vom 9. August 2011 im Amt einer Ministerialrätin (BesGr. B2) zwar das Gesamturteil „sehr gut“ erhalten. Allerdings kann weder dieser Beurteilung noch der Vorbeurteilung vom 21. Januar 2010 im R2-Amt, die das Gesamturteil „hervorragend“ festsetzt, entnommen werden, dass die Beigeladene auch innerhalb der Gruppe der bestbenoteten Beamten (bzw. damals: Richtern) herausragen würde.
191Aus der vereinfachten Beurteilung während der Probezeit nach § 21 LBG NRW (Übertragung des B7-Amtes) vom 19. April 2022 ergibt sich nichts Weiterführendes. In dieser ist angekreuzt, dass sich die Beigeladene in der Probezeit bewährt habe. Dies korrespondiert mit Nr. 4.5 BRL MIK, wonach bei Beamtinnen, denen gemäß § 22 LBG NRW (gemeint § 21 LBG NRW) ein Amt mit leitender Funktion auf Probe übertragen worden ist, rechtzeitig vor Ablauf der Probezeit zu beurteilen ist, ob sie sich in der Probezeit hinsichtlich ihrer Eignung für die Führungsposition bewährt oder nicht bewährt haben. Dies bedeutet, dass in dieser Beurteilung Leistungs- und Befähigungsmerkmale nicht bewertet werden und dass auch keine Gesamtnote festgesetzt wird.
192Dies bedeutet aber zugleich, dass für die Beigeladene nicht einmal in dem Amt der Besoldungsgruppe B4, das sie vor der Erstellung der Anlassbeurteilung vom 10. November 2022 innehatte, eine aussagekräftige Regel- oder Anlassbeurteilung vorgelegen hat, geschweige denn, dass ihr in diesem Amt Spitzenleistungen bescheinigt worden wären bzw. solche Spitzenleistungen, mit welchen sie unter den am besten beurteilten Beamten noch herausragen würde.
193Gleichwohl lauten alle Leistungs- und Befähigungsmerkmale in der Anlassbeurteilung vom 10. November 2022 bezogen auf das B7-Amt ausnahmslos auf die Spitzenbewertung. Dies ist schon mit Blick auf den Umstand, dass die Beigeladene – wie ausgeführt – letztmals elf Jahre zuvor (2011) zwar mit der Spitzennote, aber in einem deutlich niedrigeren Statusamt (B2) beurteilt wurde, erläuterungsbedürftig. Nach dieser Beurteilung im Jahr 2011 war sie knapp neun Jahre S. zugewiesen und nahm kein konkret-funktionales Amt wahr. Im Anschluss daran ist sie nach der Aufhebung der Zuweisung nicht auf ihren alten Dienstposten im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz zurückgekehrt, sondern am 00.00.0000 an das Ministerium (…) versetzt worden (Verfügung vom 00.00.0000). Dass die Beigeladene in Anbetracht dieses Vorlaufs gleichwohl auf ihrem neuen Dienstposten ab dem ersten Tag, (…), Leistungen erbracht haben soll, die sofort und ohne jede Einschränkung dem höchsten Leistungs- und Befähigungsgrad am Maßstab des B7-Amtes gerecht geworden sein sollen, ist jedenfalls ohne dokumentierte Begründung nicht nachvollziehbar. Selbst wenn die Vorbeurteilung der Beigeladenen im Jahr 2011 mit „sehr gut“ im Statusamt B2 die Höchstnote darstellt, drängt sich – wie ausgeführt – eine Beibehaltung der bisherigen Note schon nicht in Bezug auf ein nächsthöheres Amt auf, erst recht nicht mit Blick auf ein deutlich herausgehobenes Amt innerhalb der Ministerialverwaltung.
194(bbb) In der Sache stellt sich die Vergabe der Spitzennote in der Anlassbeurteilung der Beigeladenen vom 10. November 2022 als ein erheblicher Notensprung dar, der auch nach den sonstigen höchstrichterlichen Maßgaben einer gesonderten Begründung bedarf. Wenn die gezeigte Qualifikation eines Beamten in seiner aktuellen Beurteilung (dem Gesamturteil nach) besser beurteilt wird als noch in der Vorbeurteilung und diese bessere Benotung für sich genommen nachvollziehbar begründet ist (hier zu bejahen: sich aufdrängendes arithmetisches Gesamturteil bei einer Ankreuzbeurteilung), bedarf die damit dokumentierte Leistungssteigerung grundsätzlich zwar keiner besonderen Begründung bzw. Plausibilisierung, da Beamte unabhängig von früheren Beurteilungen und nur in Würdigung der im Beurteilungszeitraum gezeigten Qualifikation zu beurteilen sind. Abweichendes wird (im Konkurrentenstreit) zu gelten haben, wenn ein erheblicher Leistungssprung (eines Beigeladenen) vorliegt (und gerügt wird). Maßgeblich für die Bewertung, ob ein solcher – dann gesondert erklärungsbedürftiger – Leistungssprung vorliegt, und bejahendenfalls auch für die Anforderungen an eine solche gesonderte Begründung sind dabei die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, also etwa die Länge der Zeitspanne, innerhalb derer es zu der erheblichen Leistungssteigerung gekommen ist, und die konkrete Höhe des Bewertungsunterschieds.
195Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 2021 - 2 VR 4.20 -, juris, Rn. 40; OVG NRW, Beschlüsse vom 29. August 2023 – 1 B 804/23 -, juris, Rn. 66 ff., und vom 22. Juni 2023 - 1 B 165/23 -, juris, Rn. 35.
196So hat das Bundesverwaltungsgericht eine besondere Begründung einer Leistungssteigerung einerseits etwa bei einem Unterschied von zwei vollen Notenstufen für notwendig gehalten, andererseits aber nicht schon bei einer Steigerung des Durchschnittswerts der Aufgabenerfüllung von 8,30 Punkten auf den Höchstwert von 9,00.
197Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 - 2 VR 1.16 -, juris, Rn. 33, und vom 7. Januar 2021 - 2 VR 4.20 -, juris, Rn. 41 f.
198Auch nach Maßgabe dieser Grundsätze besteht daher hinsichtlich der Beigeladenen eine besondere Begründungspflicht für den ihr dokumentierten Leistungssprung. Die letzte für die Beigeladene vorliegende Beurteilung aus dem Jahr 2011 weist die Spitzennote auf. Diese hat sie im Amt einer Ministerialrätin bei einer obersten Landesbehörde (B2) erhalten. Zwar nicht zwingend zu durchlaufende, aber gleichwohl nachfolgend höhere Statusämter sind:
199- Ministerialrätin bei einer obersten Landesbehörde (B3) bzw. Leitende Ministerialrätin bei einer obersten Landesbehörde z. B. als Leitung einer Abteilung (B3)
200- Leitende Ministerialrätin bei einer obersten Landesbehörde z. B. als Leitung einer Abteilung (B4)
201- Ministerialdirigentin bei einer obersten Landesbehörde als Leitung einer Abteilung (B5)
202- Ministerialdirigentin bei einer obersten Landesbehörde als Leitung einer großen oder bedeutenden Abteilung (B6)
203Dies bedeutet, dass zwischen dem Statusamt, das der Beurteilung der Beigeladenen aus dem Jahr 2011 zugrunde lag, und demjenigen aus dem Jahr 2022 vier Statusämter liegen. Nach den oben dargestellten Maßgaben davon ausgehend, dass die Anforderungen an ein höheres Statusamt stetig steigen, die Beigeladene aber gleichwohl unmittelbar im Anschluss an ihre Beurteilung aus dem Jahr 2011 im B2-Amt im Jahr 2022 die Spitzennote im B7-Amt erhalten hat, stellt sich dies in der Sache als ein mehrfacher Notensprung dar. In Anbetracht dieses (Beurteilungs)Sprungs über mehrere Ämter kann dahinstehen, in welcher Weise der Antragsgegner die mit dem höheren Statusamt einhergehenden steigenden Anforderungen konkret bewertet. Denn jedenfalls ist in Anbetracht der schon jeweils für sich genommenen herausragenden Ämter nichts dafür ersichtlich, dass die Unterschiede innerhalb dieser aufsteigenden Ämterordnung nur marginaler Natur wären.
204(cc) Die Anlassbeurteilung über die Beigeladene vom 10. November 2022 ist ferner rechtswidrig, weil sie nicht aus einer Regelbeurteilung hergeleitet worden ist. Vielmehr liegt – wie oben ausgeführt – auf Seiten der Beigeladenen eine Beurteilungslücke von rund neun Jahren vor. Dieser Verstoß gegen das Gebot der Lückenlosigkeit der Beurteilung führt zur Inplausibilität der Anlassbeurteilung.
205Anlassbeurteilungen begegnen grundsätzlich Bedenken, weil sie gerade im Hinblick auf eine anstehende Auswahlentscheidung erstellt werden und damit der Verdacht entstehen kann, sie dienten – zielgerichtet – lediglich der Durchsetzung von vorgefassten, Art. 33 Abs. 2 GG nicht genügenden Personalentscheidungen. Ohnehin ist die Aussagekraft einer ausnahmsweise zulässigen Anlassbeurteilung begrenzt. Da sie einen deutlich kürzeren Zeitraum als die Regelbeurteilung abbildet, muss die Anlassbeurteilung aus der Regelbeurteilung entwickelt werden und darf diese lediglich fortentwickeln. Je kürzer der betrachtete Zeitraum seit der letzten Regelbeurteilung und je größer der einem Bewerber nunmehr attestierte Bewertungsunterschied ausfällt, desto mehr trifft den Beurteiler die Pflicht, einen solchen Leistungssprung oder -abfall zu begründen und ggf. zu plausibilisieren.
206Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. November 2012 – 2 VR 5.12 –, juris, Rn. 30 und vom 2. Juli 2020 – 2 A 6.19 –, juris, Rn. 11; Urteil vom 9. Mai 2019 – 2 C 1.18 –, juris, Rn. 41.
207Anlassbeurteilungen, die einen deutlich kürzeren Zeitraum als die Regelbeurteilungen abbilden, müssen aus den Regelbeurteilungen entwickelt werden. Sie dürfen diese lediglich fortentwickeln. Mit der Befugnis des Dienstherrn, Beförderungen auf der Grundlage von Anlassbeurteilungen vorzunehmen, wenn Regelbeurteilungen nicht mehr hinreichend aktuell sind, korrespondiert seine Verpflichtung, Anlassbeurteilungen lediglich in einem die Regelbeurteilung fortentwickelnden Sinne zu erstellen. Das bedeutet, dass Ausgangspunkt der Anlassbeurteilung die in der vorherigen Regelbeurteilung enthaltenen Feststellungen und Bewertungen zu Eignung, Leistung und Befähigung sind und die Anlassbeurteilung ihren Schwerpunkt darin hat aufzuzeigen, inwieweit bei einzelnen Feststellungen und Bewertungen Veränderungen zu verzeichnen sind. Dieser Maßstab muss in der Anlassbeurteilung hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Je kürzer der Beurteilungszeitraum zwischen Regel- und Anlassbeurteilung ist und je größer der Unterschied zur Regelbeurteilung in den Bewertungen – sei es bei Leistungssteigerungen oder beim Leistungsabfall – ausfällt, desto bedeutsamer ist das Begründungserfordernis bei Abweichungen der Anlassbeurteilung von der Regelbeurteilung.
208Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 – 2 VR 5.12 –, juris, Rn. 30.
209Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass für die Beigeladene eine Beurteilungslücke von rund neun Jahren besteht (2011 – 2020), sodass die Anlassbeurteilung vom 10. November 2022 nicht im Ansatz aus einer Regelbeurteilung hergeleitet werden konnte. Auch aus dem Blickwinkel einer an Leistungskriterien orientierten Bewerberauswahl ist dies nicht hinnehmbar. Auf diese Weise entzieht sich die allein anlassbezogene Bewertung der Leistungen der Beigeladenen jeglicher Plausibilitätskontrolle, die ansonsten durch das Vorliegen von Regelbeurteilungen sichergestellt ist.
210(4) Nicht tragfähig begründet ist die Annahme, der Antragsteller und die Beigeladene seien im Wesentlichen gleich beurteilt worden.
211Der Leistungsvergleich der Bewerber muss anhand aussagekräftiger, d. h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden. Maßgebend ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil (Gesamtnote), das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist. Sind Bewerber mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden, muss der Dienstherr zunächst die Beurteilungen unter Anlegung gleicher Maßstäbe umfassend inhaltlich auswerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis nehmen.
212Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, juris, Rn. 46.
213Dem wird die Auswahlentscheidung nicht gerecht. Hierbei kann dahinstehen, ob sich die Annahme eines Qualifikationsgleichstands tatsächlich auch auf die in einer Beurteilung festgesetzte Eignungsprognose für das angestrebte Amt beziehen oder ob sie sich allein auf das Gesamturteil hinsichtlich der im innegehabten Statusamt gezeigten Eignung, Leistung und Befähigung beziehen muss. Denn jedenfalls hat der Antragsgegner seine Annahme eines Qualifikationsgleichstands auch auf die in der Anlassbeurteilung der Beigeladenen enthaltene Eignungsprognose bezogen. Wenn er dies tut, muss dies jedenfalls in der Sache tragfähig begründet sein, woran es vorliegend fehlt.
214Der Antragsgegner ist ausweislich S. 10 des Auswahlvermerks davon ausgegangen, dass (u. a.) Antragsteller und Beigeladene mit den jeweiligen Spitzennoten beurteilt worden seien. Die Gesamturteile bezögen sich auf Eignung, Leistung und Befähigung und genügten den aktuellen Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts. Bei der weiteren vom Antragsgegner vorgenommenen formalen Gegenüberstellung der jeweils erzielten Notenstufen wird allerdings der Eignungsprognose für die Beigeladene ohne Begründung ein Gewicht zugesprochen, das ihr im Vergleich zu derjenigen für den Antragsteller nicht zukommen kann. Auf S. 10 des Auswahlvermerks ist hierzu im Rahmen der Vergleichbarkeit der Spitzennoten ausgeführt: „Die Bewerber und die Bewerberin sind für das angestrebte Amt ausweislich ihrer (Über-)Beurteilungen „hervorragend“ geeignet.“
215Die durch Bezugnahme auf die Überbeurteilung durch den Minister der Justiz vom 28. März 2023 zum Ausdruck gebrachte Eignungsprognose für die Beigeladene ist nicht tragfähig. Diese ist – wie bereits oben unter aa) bbb) (3) (b) (aa) ausgeführt – aus Rechtsgründen gegenstandslos.
216Aber auch die in Bezug genommene Eignungsprognose für die Beigeladene in ihrer dienstlichen Beurteilung vom 10. November 2022 kann – jedenfalls ohne weitere Darlegungen seitens des Antragsgegners – einen Vergleich nicht tragen. Die Prognose wurde von einem Beurteiler vorgenommen, der Beurteilungsrichtlinien zugrunde zu legen hatte, die sich auf die zu erwartende Eignung in einem richterlichen (Spitzen)Amt überhaupt nicht beziehen. Zudem hat der Beurteiler mit seiner Eignungsprognose die Eignung für ein außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs angesiedeltes richterliches Spitzenamt bewertet.
217Vgl. zu dieser Konstellation BayVGH, Beschluss vom 1. Februar 2022 – 6 CE 21.2709 –, juris, Rn. 27.
218Der Vorschlag zur Beförderungseignung durch den Beurteiler, den sich der Endbeurteiler ohne weitere Erläuterung zu eigen gemacht hat, lautet:
219„Frau K. ist für das angestrebte Amt und die damit einhergehende Beförderung besonders geeignet, da sie sowohl über hervorragende juristische Fähigkeiten als auch eine breite und fundierte Verwaltungserfahrung verfügt, was sie in besonderer Weise für eine Behördenleitung qualifiziert.“
220Schon nach den Beurteilungsrichtlinien, denen der Beurteiler unterworfen ist, ist diese Eignungsprognose in ihrer Zielrichtung fehlerhaft. Nach Nr. 8 BRL MIK ist die Entscheidung über die Zuerkennung und den Grad der Beförderungseignung im Hinblick auf die Anforderungen des nächsthöheren Amtes zu treffen. Bei dem Vorschlag zur Beförderungseignung hat der Beurteiler – vor dem Hintergrund seiner umfassenderen Kenntnis der Vergleichsgruppe und der Anforderungen des nächsthöheren Amtes – auf die Schlüssigkeit des Eignungsvorschlages im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen zu Leistung und Befähigung zu achten (Nr. 12.5.2 Satz 3 und 5 BRL MIK).
221Das vom Beurteiler in Bezug genommene Amt der Präsidentin/des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ist allerdings mit Blick auf das von der Beigeladenen bekleidete B7-Amt nicht das „nächsthöhere“. Das Amt einer Ministerialdirigentin (B7 LBesO) steht zu demjenigen einer Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts (R8 LBesO) in keiner laufbahnrechtlichen Beziehung.
222Selbst wenn unterstellt würde, dass der Beurteiler in einem Fall wie dem vorliegenden seine Eignungsprognose auf das konkret angestrebte Amt beziehen dürfte, ist der im konkreten Fall von ihm zugunsten der Beigeladenen vergebene höchste Grad der Beförderungseignung für das Amt der Präsidentin/des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts inhaltsleer. Es bleibt schon vollständig offen, von welchem konkreten Anforderungsprofil der Beurteiler ausgegangen ist. Dem Hinweis in der Beurteilung lässt sich lediglich entnehmen, dass der Beurteiler hervorragende juristische Fähigkeiten und eine breite und fundierte Verwaltungserfahrung für „eine Behördenleitung“ als maßgeblich ansieht. Sowohl mit Blick auf die im Bereich der Justizverwaltung anstehenden Aufgaben als auch hinsichtlich des richterlichen Aufgabenbereichs eines mit der Präsidentenstellung verbundenen Senatsvorsitzes (§ 9 Abs. 1 VwGO) bleibt vollständig unklar, welche konkreten Anforderungen der Beurteiler in den Blick genommen hat und ob diese mit denjenigen übereinstimmen, die in der Ausschreibung der streitgegenständlichen Stelle präzisiert worden und letztlich vom Antragsgegner in seinem Auswahlvermerk zugrunde gelegt worden sind.
223Mit dieser Feststellung setzt sich die Kammer nicht zu den durch das Bundesverwaltungsgericht formulierten Grundsätzen in Widerspruch, wonach der Dienstherr bei der Annahme einer im Wesentlichen gleichen Qualifikation zu einer Untersuchung der Begründungselemente gleichbewerteter Einzelkriterien grundsätzlich nicht verpflichtet ist. Eine derartige Heranziehung von Teilelementen der Begründung widerspricht dem wertenden Charakter der dienstlichen Beurteilung als Gesamturteil und misst einzelnen Begründungselementen eine Bedeutung zu, die ihnen vom Beurteiler nicht zugedacht war. Ein Zwang zur vorrangigen Ausschöpfung aller Einzelfeststellungen liefe daher Gefahr, geringfügige und aus Sicht des Beurteilers möglicherweise unbedeutende Unterschiede überzubewerten.
224Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, juris, Rn. 47, unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Oktober 2012 – 2 BvR 1120/12 –, juris, Rn. 17.
225Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Untersuchung von Begründungselementen gleichbewerteter Einzelkriterien, sondern – wie ausgeführt – um die grundlegende und sich ohne Weiteres aufdrängende Frage, welche weiterführende Erkenntnis aus einer Eignungsprognose für ein richterliches Spitzenamt mit „besonders geeignet“ durch einen fachfremden Beurteiler auf der Grundlage eines fachfremden Beurteilungssystems hinsichtlich eines für ihn nicht klar konturierten Anforderungsprofils gewonnen werden kann.
226(5) Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die Annahme einer im Wesentlichen gleichen Qualifikation deswegen nicht zu beanstanden wäre, weil sie sich nur auf das Gesamturteil, aber nicht auf die Eignungsprognose beziehen müsse, ist die Annahme hervorragender Eignung der Beigeladenen im Rahmen des Qualifikationsvergleichs (S. 20 ff. des Auswahlvermerks) unter Berufung auf die Eignungsprognose in der Anlassbeurteilung vom 10. November 2022 nicht tragfähig. Der Antragsgegner hat diesbezüglich einen Qualifikationsvorsprung der Beigeladenen angenommen (S. 21 und 22), der auch die abschließende Entscheidung mitgetragen hat (S. 29: „Qualifikationsvorsprung im Bereich der Eignungsprognose“). Dass sich der Antragsgegner die – wie oben dargestellt – begrenzte Aussagekraft der über die Beigeladene erstellten Eignungsprognose bewusstgemacht hätte, lässt sich den Ausführungen allerdings nicht entnehmen.
227(6) Der Antragsgegner hat die von der Beigeladenen im Zeitraum zwischen 1. August 2011 und dem 31. Mai 2020 erbrachten Leistungen als Stellvertreterin des M. – mit einem nicht vertretbar begründeten Gewicht eingestellt. Hierdurch ist er zu einem nicht tragfähig begründeten Qualifikationsvorsprung der Beigeladenen in Bezug auf die mit dem Amt der Präsidentin/des Präsidenten für das Land Nordrhein-Westfalen verbundenen Verwaltungsaufgaben im Bereich der Justiz gelangt (ab S. 20 des Besetzungsvorschlags – Bl. 148 VV).
228Dieser Akt wertender Erkenntnis unterliegt der beschränkten gerichtlichen Kontrolle, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Tatbestand zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat.
229Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2021 – 1 B 1341/21 –, juris, Rn. 65.
230Die fehlerhafte Gewichtung beruht schon darauf, dass der Antragsgegner die rechtliche Aussagekraft des Zeugnisses des E. . K1. vom 28. Mai 2020 unzutreffend eingeordnet hat (a). Zudem hat er inhaltlich die von der Beigeladenen im Zuweisungszeitraum erbrachten Tätigkeiten mit einem fehlerhaft ermittelten Gewicht eingestellt (b).
231(a) Der Antragsgegner hat die rechtliche Aussagekraft des Zeugnisses des E. . K1. vom 28. Mai 2020 unzutreffend eingeordnet.
232Im Ansatzpunkt ist der Antragsgegner ausweislich S. 9 des Auswahlvermerks vom 2. Mai 2023 (Bl. 137 VV) davon ausgegangen, dass es die zeitlich zu große Divergenz der Beurteilungszeiträume gebiete, „die vorangegangenen Beurteilungen (sic!)“ der Beigeladenen, „insbesondere ihr Zeugnis vom 28. Mai 2020 (des E. . K1. (L. ), Anm. des Gerichts) über ihre Tätigkeit als stellvertretende Leiterin des L., mit zu berücksichtigen“. Dies setzt sich ab S. 12 des Auswahlvermerks fort, in dem die Beurteilungen hinsichtlich der Eignungsprognose für das angestrebte Amt inhaltlich ausgeschöpft werden. Auf S. 23 f. schließlich wird hierfür das Zeugnis vom 28. Mai 2020 ausgewertet.
233Die Heranziehung von Erkenntnismitteln außerhalb dienstlicher Beurteilungen ist im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Ergibt sich im Hinblick auf das Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle, dass ein oder mehrere Bewerber zu einem früheren, vor dem aktuellen Beurteilungszeitraum liegenden Zeitpunkt Leistungen erbracht und Erfahrungen gesammelt haben, die aufgrund des Beurteilungszeitraums in der aktuellen Beurteilung keine Berücksichtigung haben finden können, die aber noch immer eine Aussagekraft für die aktuell zu erstellende Eignungsbewertung haben, so ist der Dienstherr verpflichtet, diese älteren Leistungen und Erfahrungen – etwa durch die Auswertung älterer Beurteilungen – bei seiner Auswahlentscheidung angemessen zu berücksichtigen. Es widerspräche nämlich dem Grundsatz der Bestenauslese, wenn allein aufgrund des formell festgelegten Beurteilungszeitraums Leistungen, Kenntnisse und Fähigkeiten eines Bewerbers bei der Bewerberauswahl unberücksichtigt blieben, die noch eine Aussagekraft für seine gegenwärtige Eignung entfalten. Solche älteren Qualifikationsmerkmale, von deren Fortbestand auszugehen ist, sind zwar regelmäßig auch im Rahmen der aktuellen Beurteilung zu berücksichtigen, soweit diese eine Eignungsprognose für das angestrebte Amt enthält. Gerade in dem Fall, dass die Eignungsprognose bei mehreren Bewerbern mit demselben Gesamturteil abschließt, ergibt sich aber nach dem oben Dargestellten die Pflicht des Dienstherrn zur Ausschöpfung der Beurteilungen. In diesem Zusammenhang wäre es geradezu fehlerhaft, wenn sich der Dienstherr darauf beschränkte, die regelmäßig relativ knappe Begründung der Eignungsprognose in der aktuellen Beurteilung auszuschöpfen. Vielmehr hat er, um dem Grundsatz der Bestenauslese gerecht zu werden, auch sonstige Erkenntnisquellen wie vor allem die angesprochenen älteren Beurteilungen ergänzend heranzuziehen und auszuwerten, soweit diese Aussagen über auch aktuell noch relevante Eignungsmerkmale eines Kandidaten enthalten.
234Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2021 – 1 B 1341/21 –, juris, Rn. 61.
235Naheliegendes und wesentliches Erkenntnismittel dieser Art stellen auch qualifizierte Arbeitszeugnisse der Stellen dar, bei denen einer der Bewerber in dem Zeitraum beschäftigt war. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis muss neben Angaben zu Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses auch alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen zu Leistung und Verhalten enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung und für Dritte von Interesse sind; für die Erstellung des Zeugnisses gilt nicht nur, bezogen vor allem auf die Bewertung von Leistung und Verhalten, der Maßstab eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers, sondern auch, bezogen vor allem auf die mitgeteilten Tatsachen, der Grundsatz der Wahrheit; in der Praxis hat sich ein Sprachgebrauch herausgebildet, der ein Arbeitszeugnis – ungeachtet in der Regel beschönigender Formulierungen – jedenfalls für personalbearbeitende Stellen "übersetzbar" und damit verwertbar macht. Qualifizierte Arbeitszeugnisse können daher einer planmäßigen dienstlichen Beurteilung nicht ohne Weiteres und kritiklos gleichgestellt werden.
236Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. April 2010 – 1 WB 39.09 –, juris, Rn. 38.
237Im vorliegenden Fall fehlt es aber schon im Ansatz an einer Würdigung des Antragsgegners hinsichtlich der grundlegenden Unterschiede zwischen einer dienstlichen Beurteilung und einem Zeugnis, wie es von der Beigeladenen vorgelegt worden ist.
238Zwischen einer dienstlichen Beurteilung und einem Dienst- oder Arbeitszeugnis bestehen grundlegende Unterschiede. Eine dienstliche Beurteilung dient dem innerdienstlichen Zweck des Vergleichs mit anderen Beamten bei künftigen Auswahlentscheidungen über das dienstliche Fortkommen im Rahmen des bestehenden Beamtenverhältnisses. Dagegen ist ein Dienst- oder Arbeitszeugnis dazu bestimmt, dem ausgeschiedenen bzw. ausscheidenden Beamten als eine Unterlage für eine künftige berufliche Entwicklung und zugleich der Information möglicher künftiger Arbeitgeber zu dienen. Ist demgemäß bei Verfahren und Inhalt der dienstlichen Beurteilung entscheidend die Gleichmäßigkeit gegenüber möglichen künftigen Mitbewerbern hinsichtlich des Fortkommens innerhalb des Beamtenverhältnisses zu wahren, so geht es beim Dienstzeugnis entscheidend um die Information eines möglichen künftigen Arbeitgebers in einem neu zu begründenden Beamten- oder sonstigen Dienstverhältnis. Diese Information soll bei einem Dienst- oder Arbeitszeugnis wohlwollend formuliert werden, muss aber gleichwohl wahrheitsgemäß sein und unter Beachtung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die insbesondere einem künftigen Arbeitgeber oder neuen Dienstherrn ein zutreffendes Bild von der – auf den Beruf bezogen – Gesamtpersönlichkeit des Beamten vermitteln.
239Vgl. BayVGH, Beschluss vom 18. November 2015 – 6 CE 15.2260 –, juris, Rn. 13.
240Zusammengefasst: Dienstlichen Beurteilungen liegen einheitliche, statusamtsbezogene Maßstäbe zugrunde. Sie zielen auf das innerdienstliche Fortkommen des beurteilten Beamten und sind zentrales Instrument der Klärung von Konkurrenzsituationen im Lichte von Eignung, Leistung und Befähigung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG. Dienst- oder Arbeitszeugnisse müssen keine gleichen Maßstäbe wahren, sie zielen auf das Fortkommen außerhalb des Zeugniserstellers und unterliegen allein dem „Wohlwollensgrundsatz“.
241Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2017 – 2 C 21.16 –, juris, Rn. 55.
242Ein Zeugnis soll im Rahmen der Wahrheit von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren.
243Vgl. BAG, Urteil vom 11. Dezember 2012 – 9 AZR 227/11 –, juris, Rn. 21.
244(aa) Diesen rechtlichen Rahmen verlässt der Antragsgegner allerdings, wenn er sich die allgemeingültigen Wertmaßstäbe, die an ein Dienstzeugnis im Verhältnis zu einer dienstlichen Beurteilung anzulegen sind, nicht klarmacht. Schon eingangs der Auswahlüberlegungen wird auf S. 9 des Auswahlvermerks vom 2. Mai 2023 (Bl. 137 VV) formuliert, dass es die zeitlich zu große Divergenz der Beurteilungszeiträume gebiete, die vorangegangenen „Beurteilungen“ (sic! Anmerkung des Gerichts) der Beigeladenen, insbesondere ihr Zeugnis vom 28. Mai 2020 des E. . K1. (L. ) über ihre Tätigkeit als stellvertretende Leiterin des L. , zu berücksichtigen. Das Zeugnis ist aber – wie ausgeführt – keine Beurteilung.
245Auch die unmittelbar anschließende Bezugnahme des Antragsgegners (S. 9 des Auswahlvermerks) zur Begründung seiner Ansicht auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. April 2019 – 6 B 1769/18 -, juris, Rn. 19, offenbart ein Fehlverständnis. Der zitierten Rechtsprechung lässt sich ein solches Erfordernis lediglich in Bezug auf (dienstliche) Anlassbeurteilungen entnehmen. Dasselbe gilt für die weitere in der dortigen Entscheidung in Bezug genommene Rechtsprechung.
246Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Januar 2016 – 6 B 1358/15 –, juris, Rn. 17.
247Auch in der Sache werden auf S. 23 des Auswahlvermerks (Bl. 151 VV) schlicht die Wertungen des Zeugnisses vom 28. Mai 2020 übernommen: „In ihrem Dienstzeugnis werden ihre intellektuelle Redlichkeit und Neugierde, ihre außergewöhnliche Sachkompetenz, insbesondere in der Jurisprudenz und ihre Offenheit hervorgehoben. Als kollegiale, eindeutige, faire und gerechte Dienstvorgesetzte, die sich – wenn erforderlich – schützend vor die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellt, war sie sehr anerkannt und geschätzt.“ Hieraus wird der Schluss gezogen, dass die Beigeladene damit seit insgesamt mehr als 15 Jahren äußerst erfolgreich Personalverantwortung wahrnehme (S. 24). Dieser Schluss verlässt – jedenfalls ohne vorherige Reflexion – den Rahmen allgemeingültiger Wertmaßstäbe. Der Antragsgegner hat nicht im Ansatz eingestellt, dass die Beigeladene hiervon knapp neun Jahre – und damit die weit überwiegende Zeit der 15 Jahre – im L. verbracht hat und für diese Zeit lediglich ein wenn auch wahrheitsgetreues, so doch lediglich dem Wohlwollen des Ausstellers unterliegendes Dienstzeugnis ausgestellt worden ist.
248(bb) Des Weiteren hat der Antragsgegner entsprechende Überlegungen zur Tätigkeit der Beigeladenen im L. im Rahmen der Prognose der Eignung der Beigeladenen für Verwaltungsaufgaben, die im Amt der Präsidentin/des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen anfallen, angestellt. Diesbezüglich greift es – jedenfalls ohne vorherige und dokumentierte Reflexion – zu kurz, die im Zeitraum der Zuweisung innegehabte Personalverantwortung ohne Weiteres als (mit)ausschlaggebend für die Eignungsprognose hinsichtlich der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in der Justiz zu betrachten.
249So bestehen schon im Ansatz gegen die Zuweisung von Beamten zu öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das Gebot der Trennung von Staat und Kirchen und auf deren Unabhängigkeit vom Staat. Dementsprechend ist es äußerst zweifelhaft, ob eine solche Zuweisung überhaupt im dienstlichen oder öffentlichen Interesse liegen kann. Dies mag bejaht werden, sofern es um Tätigkeiten geht, die zur Deckung des grundsätzlich gleichen Bedarfs von öffentlichen und von kirchlichen Trägern wahrgenommen werden (etwa in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder im Schuldienst), ist aber fernliegend, wenn es um interne Verwaltungstätigkeiten der Kirchen geht.
250Vgl. Bund/Thomsen, in: BeckOK BeamtenR, 29. Ed. 1.11.2021, BeamtStG, § 20 Rn. 7.1.
251Auch wenn es im vorliegenden Auswahlverfahren nicht die Aufgabe des Antragsgegners ist, die Rechtmäßigkeit der früheren Zuweisungsentscheidungen zu überprüfen, muss er sich im Rahmen der Würdigung der im Zuweisungszeitraum erbrachten Leistungen zunächst bewusst machen, ob und inwieweit die Leistungen (auch) in einem dienstlichen oder öffentlichen Interesse gelegen haben und ob und inwieweit hieraus Schlüsse für die Eignungsprognose mit Blick auf die (staatliche) Verwaltungstätigkeit in Justizangelegenheiten gezogen werden können. So hätte der Antragsgegner in die Würdigung des Zeugnisses über die Beigeladene vom 28. Mai 2020 einstellen müssen, dass mit diesem im Kern bescheinigt worden ist, dass die Beigeladene „mit hoher politischer Intuition und Kompetenz klug und angemessen in Ton und Stil die Anliegen der L. gegenüber den verschiedenen Feldern des politischen Betriebs (Regierung, Parlament, Verbände, Medien und Wissenschaft) in eigener Verantwortung, in absoluter Loyalität mit den (…) vorgetragen“ hat (S. 2 des Zeugnisses). Sie war „für die Kontaktpflege zu den Vorständen/Präsidien der Bundesparteien inklusive der regelmäßig stattfindenden Spitzengespräche zuständig“. Sie trug „oft entscheidend zur Positionierung der Kirchen in ethischen, politischen und staatskirchenrechtlichen Fragen bei“. „Ihre charakterliche Festigkeit, ihre Höflichkeit und ihr Humor machten es ihr leicht, auch schwierige Verhandlungen zu führen oder dort den Standpunkt der L. einzubringen.“ Dies korrespondiert mit dem Aufgabenprofil einer stellvertretenden Leiterin des L. , wie es der Antragsgegner als Anlage zu seinem Vermerk vom 1. Juni 2011 – Auszug der Internetpräsenz des C. – festgehalten hat.
252An einer Reflexion in Bezug auf die für das Amt der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen erforderlichen Eignung in Justizverwaltungsangelegenheiten fehlt es allerdings gänzlich. Hierzu hätte es zumindest in Grundzügen einer Inbezugsetzung der der Beigeladenen im Zeugnis attestierten Leistungen zu der ihrem Amt (B2) entsprechenden Tätigkeit (vgl. § 20 Abs. 1 BeamtStG) bedurft. Zu einer solchen, die Zuweisung begleitenden Aufsicht und Fürsorge war der Antragsgegner ohnehin durchgehend verpflichtet. Da der Dienstherr nach § 20 Abs. 3 BeamtStG die Gesamtverantwortung für den Beamten und damit für die Erfüllung seines Rechts auf amtsangemessene Beschäftigung behält, muss er auch konkret für die jeweilige Angemessenheit der bei der Einrichtung zu erbringenden Tätigkeiten einstehen.
253Vgl. Burkholz, in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, III. Zuweisung nach Abs. 2, Rn. 49; OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2009 – 1 B 1650/08 –, juris, Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 18. September 2008 – 2 C 126.07 –, juris, Rn. 10; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12. November 2010 – 12 L 1190/10 –, juris, Rn. 14.
254(b) Zudem hat der Antragsgegner die von der Beigeladenen im Zuweisungszeitraum erbrachten Tätigkeiten mit einem fehlerhaft ermittelten Gewicht eingestellt.
255Er geht von einem unrichtigen Tatbestand aus, wenn er darauf hinweist, dass die von der Beigeladenen im L. bekleidete Position nach Art und Bedeutung der Aufgabe etwa der einer Gruppenleitung bzw. ständigen Vertretung einer Abteilungsleitung in einer obersten Landesbehörde in Nordrhein-Westfalen entsprochen habe (S. 23 des Auswahlvermerks – Bl. 151 VV). Unmittelbar anschließend ist der Antragsgegner sogar der Ansicht, die Aufgabenverteilung zwischen Leitung und stellvertretender Leitung entspreche der Aufgabenverteilung zwischen Minister/in und Staatssekretär/in in der Ministerialverwaltung (S. 23 des Auswahlvermerks, und ebenso S. 3 der Überbeurteilung vom 28. März 2023). Bereits dies widerspricht sich.
256Entgegen dieser Annahme ist davon auszugehen, dass die im L. von der Beigeladenen wahrgenommene Tätigkeit lediglich mit derjenigen einer Referatsleiterin – und nicht mit derjenigen einer (stv.) Abteilungsleiterin und erst recht nicht mit derjenigen einer Staatssekretärin – vergleichbar ist. Der Antragsgegner hat im Vermerk vom 1. Juni 2011 (Bl. 129 Personalakte JM) im Vorfeld der Zuweisungsentscheidung nach § 20 BeamtStG festgehalten, dass die Tätigkeit der Stellvertretenden Leiterin des L. der Aufgabenstellung einer Referatsleiterin in einem Ministerium vergleichbar ist. Die Zuweisung der Beigeladenen, die sich damals im Amt einer Ministerialrätin (B2) befunden hatte, wurde befürwortet. Dies steht mit den Vorgaben des § 20 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG in Einklang, wonach Beamten mit ihrer Zustimmung vorübergehend ganz oder teilweise eine ihrem Amt entsprechende Tätigkeit u. a. bei einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft im dienstlichen oder öffentlichen Interesse zugewiesen werden kann. Dies bedeutet, dass der Antragsgegner selbst davon ausgegangen ist, dass die Beigeladene eine ihrem Amt entsprechende Tätigkeit zugewiesen wird.
257Zwar schließt es § 20 Abs. 1 BeamtStG nicht aus, dass die Tätigkeit bei der aufnehmenden Einrichtung höherwertig ist.
258Vgl. Reich, BeamtStG, 3. Aufl. 2018, § 20 Rn. 5.
259Hierfür spricht allerdings in der Sache nichts Durchgreifendes. Der Personalakte der Beigeladenen lässt sich hierfür nichts entnehmen. Der Antragsgegner selbst ist im Zeitpunkt der Zuweisung trotz der Kenntnis einer entsprechenden Dotierung mit B5 davon ausgegangen, dass die Position mit derjenigen einer Referatsleitung im Ministerium (B2) vergleichbar ist. Auch in der Antragserwiderung des Antragsgegners vom 22. September 2023 findet sich nichts Substantielles für die Annahme, dass die Position der Beigeladenen als stellvertretende Leiterin des L. einer Ämterbewertung mit B5 – Ministerialdirigentin bei einer obersten Landesbehörde als Leitung einer Abteilung – standhalten würde.
260Entsprechend zur Erstellung von Aufgabenbeschreibungen und Dienstpostenbewertungen des Dienstherrn in Bezug auf (eigene) statusrechtliche Ämter erfolgt die Bewertung von Zuweisungstätigkeiten nach § 20 Abs. 1 BeamtStG im Rahmen seiner Organisationsgewalt. Die Zuordnung der Dienstposten zu einem statusrechtlichen Amt einer bestimmten Besoldungsgruppe unterliegt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des Besoldungs- und des Haushaltsrechts der organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn. Mit dem statusrechtlichen Amt und dessen Zuordnung zu einer bestimmten Besoldungsgruppe in Relation zu anderen Ämtern sowie der laufbahnrechtlichen Einordnung werden abstrakt Inhalt, Bedeutung, Umfang und Verantwortung und damit die Wertigkeit des Amtes zum Ausdruck gebracht.
261Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 2 A 2.14 –, juris, Rn. 19 m. w. N.
262Dass der Antragsgegner eine solche Zuordnung der Tätigkeit der Beigeladenen mit Blick auf das statusrechtliche Amt einer Ministerialdirigentin bei einer obersten Landesbehörde als Leitung einer Abteilung (B5) vorgenommen hätte, ist allerdings weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Ausführungen des Antragsgegners erschöpfen sich diesbezüglich in dem – unstreitigen – Punkt, dass mit Zustimmung eines Beamten auch eine Zuweisung zu einer höherwertigen Tätigkeit erfolgen kann.
263Ungeachtet dessen geht auch der Auswahlvermerk selbst von einer Position als Gruppenleitung bzw. – bei einzügigen Abteilungen – ständiger Vertretung der Abteilungsleitung aus, was allenfalls zur Annahme einer B4-Bewertung hätte führen können (vgl. S. 23 f. des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 22. September 2023). Allerdings ist auch für eine solche Bewertung der zugewiesenen Tätigkeit seitens des Antragsgegners nichts Belastbares vorgetragen worden.
264bb) Ein Erfolg des Antragstellers, bei einer erneuten Entscheidung des Antragsgegners nach Leistungskriterien für die Besetzung der Stelle ausgewählt zu werden, erscheint jedenfalls möglich.
265Der im Auswahlverfahren unterlegene Bewerber kann im Falle einer fehlerbehafteten, sein subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzenden Auswahlentscheidung nur unter der weiteren Voraussetzung eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn sich ergibt, dass seine Aussichten, in einem zweiten, rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. wenn seine Auswahl möglich erscheint. Daran fehlt es, wenn die gebotene wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls klar erkennbar ergibt, dass der Rechtsschutzsuchende auch im Fall einer nach den Maßstäben der Bestenauslese fehlerfrei vorgenommenen Auswahlentscheidung im Verhältnis zu den Mitbewerbern chancenlos sein wird.
266Vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. September 2002 – 2 BvR 857/02 –, juris, Rn. 13 f., und vom 25. November 2015 – 2 BvR 1461/15 –, juris, Rn. 19 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 19. April 2021 – 1 B 1390/20 –, juris, Rn. 23, vom 23. Mai 2017 – 1 B 99/17 –, juris, Rn. 9 bis 13, vom 23. Oktober 2018 – 1 B 666/18 –, juris, Rn. 32 f. und vom 9. März 2021 – 1 B 1703/20 –, juris, Rn. 17.
267Dabei ist zu beachten, dass es im Hinblick auf den dem Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichtes ist, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen.
268Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 – 2 BvR 857/02 –, juris; OVG LSA, Beschluss vom 31. August 2018 – 1 M 79/18 –, juris Rn. 24, und Beschluss vom 31. März 2021 – 1 M 12/21 –, juris, Rn. 36.
269Solche Fälle, die eine Auswahl als möglich erscheinen lassen, sind z. B. erwogen worden, wenn es überhaupt an der Einbeziehung von dienstlichen Beurteilungen in den Auswahlprozess fehlt,
270vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 – 6 A 1133/17 –, juris, Rn. 178,
271oder zunächst zumindest eine Beurteilung erst noch zu erstellen ist.
272vgl. OVG LSA, Beschluss vom 31. März 2021 – 1 M 12/21 –, juris, Rn. 36.
273Als chancenlos angesehen wurde dagegen ein Bewerber, dessen Konkurrent bei gleichem Gesamturteil eine um mehrere Stufen höherwertige Tätigkeit wahrgenommen hat,
274vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. April 2021 – 1 B 1390/20 –, juris, Rn. 27,
275oder ein Bewerber, der in der Gesamtnote einen Punkt weniger und in fünf Einzelmerkmalen sechs Punkte weniger erhalten hat als seine Konkurrenten,
276vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Juli 2018 – 2 L 1058/18 –, juris, Rn. 22,
277oder wenn er auch durch die „Hinzurechnung eines angemessenen „Sicherheitszuschlags“ voraussichtlich nicht befördert worden wäre.
278Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. März 2015 – 2 C 12.14 –, juris, Rn. 51.
279Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der zukünftigen neuen Auswahlentscheidung einschließlich des dann aktuellen Beurteilungsbildes abzustellen.
280Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 2016 – 1 WB 27.15 –, juris, Rn. 18, und Urteil vom 4. November 2010 – 2 C 16.09 –, juris, Rn. 58; OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Februar 2022 – 1 B 1861/21 –, juris, Rn. 60, vom 29. Mai 2018 – 6 B 462/18 –, juris, Rn. 17, vom 20. August 2019 – 6 B 274/19 –, juris, Rn. 49, vom 14. Juni 2021 – 1 B 431/21 –, juris, Rn. 24, und vom 29. Juli 2021 – 1 B 1072/21 –, juris, Rn. 15 ff.
281Nach dieser Maßgabe ergibt die gebotene wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls vorliegend nicht, dass der Antragsteller im Fall einer nach den Maßstäben der Bestenauslese fehlerfrei vorgenommenen Auswahlentscheidung im Verhältnis zur Beigeladenen chancenlos sein wird. Dies ergibt sich allein schon aus dem Umstand, dass sowohl der Ausgang künftiger Beurteilungsverfahren als auch das Ergebnis einer erneuten Eignungsprognose unter Würdigung der von der Beigeladenen erbrachten Leistungen vollständig offen sind.
282Auf das Verhältnis zu N1. E. . D. kommt es im vorliegenden Verfahren schon deswegen nicht an, weil dieser nicht – nachrangig nach der Beigeladenen – für die Besetzung der streitgegenständlichen Stelle ausgewählt worden ist. Der Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners auf S. 33 des Schriftsatzes vom 22. September 2023, an der ernsthaften Möglichkeit der Auswahl seien „Zweifel begründet, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein drittplatzierter Bewerber im Wesentlichen die Entscheidung zugunsten des ausgewählten Bewerbers beanstandet, aber nicht (hinreichend) darlegt, weshalb (die Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung als richtig unterstellt) die nachfolgende Auswahlentscheidung nicht zugunsten des zweitplatzierten Bewerbers ausfallen sollte“ suggeriert eine in dieser Weise nicht getroffene Auswahlentscheidung. Der Besetzungsvermerk hält abschließend fest (S. 29), dass die Beigeladene die insgesamt beste Bewerberin sei. Dementsprechend lautete auch der Besetzungsvorschlag an die Landesregierung, die Beigeladene zur Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zu ernennen, und wurde allein diesbezüglich die Zustimmung des Präsidialrates eingeholt. Auch dessen Zustimmung bezieht sich allein auf die Beigeladene. Eine „Platzierung“ der Bewerber als Nr. 2 und Nr. 3 ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt.
283Auch in der Sache trägt der Besetzungsvermerk keine solche Reihenfolge, die den Schluss zuließe, dass der Antragsteller im Falle einer erneuten Auswahlentscheidung im Verhältnis zu N1. E. . D. chancenlos wäre. Dem Antragsteller wird gegenüber der Beigeladenen und dieser vor N1. E. . D. ein Vorsprung im Bereich der Rechtsprechung attestiert (S. 14). Im Bereich der Verwaltungsaufgaben wird ein Qualifikationsvorsprung der Beigeladenen vor N1. E. . D. und von diesem vor dem Antragsteller festgestellt (S. 29). Dass sich N. E. . D. bei wertender Betrachtung des deutlich höheren Gewichts der Verwaltungsaufgaben offensichtlich durchsetzen würde, ist danach nicht erkennbar. Es wäre zunächst Sache des Antragsgegners, in einem ersten Schritt in seine Auswahlüberlegungen einzustellen, in welchem Umfang er einen Vorsprung des Antragstellers im Rechtsprechungsbereich gegenüber N1. E. . D. einerseits und den Vorsprung des N1. E. . D. in Verwaltungsaufgaben gegenüber dem Antragsteller andererseits sieht. Erst in einem zweiten Schritt stellt sich die Frage der Gewichtung der jeweils ermittelten „Vorsprünge“ zueinander.