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Die Berücksichtigung einer künftigen Gefährdung durch den Ausländer und eine Güterabwägung sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 6. 7. 2023 – C-402/22 – , Rdn. 52) allein bei einer Aberkennung des Flüchtlingsschutzes notwendig; dies lässt sich wegen des Fehlens einer entsprechenden Regelung in Art. 17 Abs. 1 Buchstabe b und Art. 19 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU nicht auf die Aberkennung subsidiären Schutzes übertragen (wie Österr. VwGH, Erkenntnis vom 1. 8. 2023 – Ra 2022/20/0081-16 -, Rdn. 15, und VG Chemnitz, Urteil vom 10. 7. 2023 – 2 K 288/23).
Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19. 7. 2021 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan besteht; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist eigenen Angaben nach afghanischer Staatsangehöriger und tadschikischer Volkszugehöriger. Er reiste auf dem Landweg im Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 14. 6. 2017 gab er an, die Sicherheitslage in der Region Kunduz, aus der er komme, sei sehr schlecht. Es gebe dort viele Taliban. Das Haus seiner Eltern sei durch eine Explosion zerstört worden. Mit Bescheid vom 16. 6. 2017 erkannte das Bundesamt dem Kläger wegen der unsicheren Lage in der Provinz Kunduz, in der ein besonders intensiver innerstaatlicher Konflikt bestehe, und gefahrerhöhender Momente – auch wegen seiner damaligen Minderjährigkeit –subsidiären Schutz zu und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab. Der Kläger erhielt daraufhin eine Aufenthaltserlaubnis und lebte weiterhin in Deutschland.
3Am 13. 7. 2019 war der Kläger mit vier anderen Männern an einem gemeinschaftlichen körperlichen Angriff auf einen anderen Ausländer in S. beteiligt, an dem sie sich wegen dessen vermuteten Übergriffs auf einen Freund rächen wollten. Der Geschädigte wurde mit Faustschlägen und Fußtritten sowie vom Kläger mit drei Messerstichen in den Rücken und in den Nacken misshandelt und verletzt. Nachdem der Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung mit Urteil des Landgerichts N vom 00.00.0000 zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war, teilte die Stadt S. dies mit Schreiben vom 26. 4. 2021 dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit der Bitte um Prüfung eines möglichen Widerrufs oder einer Rücknahme der Gewährung subsidiären Schutzes mit. Das Bundesamt leitete daraufhin ein Rücknahmeverfahren ein.
4Mit Bescheid vom 19. 7. 2021 nahm das Bundesamt gegenüber dem Kläger den zuerkannten subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG zurück, erkannte ihm keinen subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung führte es aus, die Zuerkennung subsidiären Schutzes sei zurückzunehmen, da die Schutzgewährung ausgeschlossen sei, weil der Kläger eine schwere Straftat im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG begangen habe. Das ergebe sich sowohl aus dem gesetzlichen Strafrahmen als auch aus dem konkreten Strafmaß, der Art der Tatausführung und der Schwere des eingetretenen Schadens. Daher scheitere auch die Zuerkennung subsidiären Schutzes aus anderen Gründen. Ein Abschiebungsverbot insbesondere nach § 60 Abs. 5 AufenthG liege nicht vor. Der Kläger werde trotz der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse und der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in Afghanistan zurechtkommen, da es sich bei ihm um einen erwerbsfähigen, gesunden, jungen Mann handele und eher ein Positivtrend bei der humanitären Situation zu verzeichnen sei. Für Rückkehrer ohne Netzwerk sei es zwar schwierig, aber nicht unmöglich, ein Dach über dem Kopf zu finden. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Klägers bestehe nach dem Erreichen der Volljährigkeit nicht mehr. Im Übrigen sei festzustellen, dass er bereits mit seiner Flucht als unbegleiteter Minderjähriger eine Durchsetzungsfähigkeit dargelegt habe, die ihn auch im Fall einer Rückkehr befähige, mit widrigen Situationen umzugehen.
5Der Kläger hat am 11. 8. 2021 Klage erhoben und trägt vor, allein aus der Verurteilung könne noch nicht auf eine schwere Straftat geschlossen werden; es sei eine umfassende Würdigung des Einzelfalls vorzunehmen. Bei der von ihm begangenen schweren Körperverletzung handele es sich nicht um ein Kapitalverbrechen, nicht einmal um einen Verbrechenstatbestand nach dem Strafgesetzbuch. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Straftat nach Jugendstrafrecht abgeurteilt worden sei, weil das Gericht Reifeverzögerungen und damit Erziehungsbedarf festgestellt habe. Der Ausschlussgrund der schweren Straftat sei als Ausnahme von der Regel restriktiv auszulegen. Primär sei nicht das Fehlverhalten in der Vergangenheit, sondern eine Prognose für die Zukunft entscheidend. Aber selbst wenn keine Prognose zu stellen sei, lasse das spätere Verhalten des Klägers Rückschlüsse auf die Schwere der Straftat zu. Er habe sich während der Haftzeit gut geführt und entwickelt und eine Berufsausbildung absolviert und abgeschlossen. Mit weiteren Straftaten sei nicht zu rechnen; es habe sich um eine singuläre Tat gehandelt. Zumindest liege ein Abschiebungsverbot vor, weil sich nach der Machtübernahme der Taliban die Situation in Afghanistan so zugespitzt habe, dass auch ein junger und arbeitsfähiger alleinstehender Mann nicht in der Lage sei, seine Existenz zu sichern. Er habe seit seiner Flucht keinen Kontakt mehr zu seiner Familie; er habe von Dritten gehört, dass seine Mutter zwischenzeitlich verstorben sei und sein Vater sich im Iran aufhalte. Er habe in Afghanistan keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt oder ausgeübt. In Deutschland habe er den Hauptschulabschluss Klasse 9 erworben und danach zunächst bis zu seiner Inhaftierung Gelegenheitsarbeiten ausgeführt und im DHL-Depot gearbeitet.
6Der Kläger beantragt,
7den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19. 7. 2021 aufzuheben,
8hilfsweise unter Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheids die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG zuzuerkennen,
9weiter hilfsweise unter Aufhebung der Ziffer 3 des Bescheids die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan besteht.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf die Begründung des angefochtenen Bescheids.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
16Die Ziffern 1 und 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19. 7. 2021 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19. 7. 2022 ist hingegen rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
17Die Aufhebung der Zuerkennung subsidiären Schutzes vom 16. 6. 2017 rechtfertigt sich aus § 73 Abs. 5 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung internationalen Schutzes auch zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn der Ausländer von der Erteilung nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylG oder nach § 4 Abs. 2 oder 3 AsylG hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist. Das Gericht lässt offen, ob die Beklagte zu Recht eine Rücknahme und nicht – was angesichts der zeitlich nach dem Anerkennungsbescheid erfolgten Straffälligkeit des Klägers nahegelegen hätte – einen Widerruf des subsidiären Schutzes verfügt hat. Denn Rücknahme und Widerruf haben in § 73 Abs. 5 AsylG dieselben Voraussetzungen und enthalten auch keine Ermessensentscheidungen, so dass eine Auswechslung der Ermächtigungsgrundlage keinen Bedenken unterläge. Der Verwaltungsakt würde nicht in seinem Wesen verändert werden und die Rechtsverteidigung des Betroffenen wäre nicht beeinträchtigt.
18Vgl. dazu im Einzelnen Wolff in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 5. Aufl., 2018, § 113 VwGO, Rdn. 81 ff.
19Auch die Rechtsfolgen sind im konkreten Fall nicht unterschiedlich, da die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass der angefochtene Bescheid seine Wirkung nur ex nunc entfalten soll.
20Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 5 AsylG liegen vor. Der Kläger ist nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen. Denn schwerwiegende Gründe rechtfertigen die Annahme, dass er eine schwere Straftat begangen hat.
21Die Rücknahme des subsidiären Schutzes aufgrund des Ausschlussgrunds einer schweren Straftat ist ebenso wie die auf Art. 14 Abs. 4 lit. b) der Richtlinie 2011/95/EU beruhende Rücknahme des Flüchtlingsschutzes restriktiv anzuwenden.
22Vgl. EuGH, Urteil vom 6. 7. 2023 – C-8/22 –, juris, Rdn. 32.
23Hieraus ergeben sich aber keine konkreten Einschränkungen; vielmehr ist die restriktive Behandlung bereits durch die hierzu ergangene Rechtsprechung gewährleistet, die den Einzelfall in den Blick nimmt.
24Zur Beurteilung der Frage, ob eine Straftat als schwere Straftat zu qualifizieren ist, kann in diesem Zusammenhang auf internationale Standards zurückgegriffen werden.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. 7. 2011 – 10 C 26.10 –, juris, Rdn. 25.
26Es muss sich um ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat handeln, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt wird.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. 2. 2010 – 10 C 7.09 – juris, Rdn. 47.
28Entgegen der Auffassung des Klägers muss es sich damit aber nicht zwingend um ein Kapitalverbrechen handeln. Es reicht aus, dass die Straftat in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt wird.
29Dabei können – wie beim insoweit inhaltlich identischen Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG – die Art des Aktes, die Höhe des Schadens, die Form der Strafverfolgung, das vorgesehene Strafmaß und die rechtsvergleichende Analyse, ob die betreffende Straftat als schwerwiegendes Verbrechen eingestuft wird, herangezogen werden.
30Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 127. Aktualisierung, Januar 2023, § 3 AsylG, Rdn. 47.
31Bei der Beurteilung, ob eine Straftat, derentwegen ein Drittstaatsangehöriger rechtskräftig verurteilt wurde, einen solchen Schweregrad aufweist, sind insbesondere die für diese Straftat angedrohte und die verhängte Strafe, die Art der Straftat, etwaige erschwerende oder mildernde Umstände, die Frage, ob diese Straftat vorsätzlich begangen wurde, Art und Ausmaß der durch diese Straftat verursachten Schäden sowie das Verfahren zur Ahndung der Straftat zu berücksichtigen.
32EuGH, Urteil vom 6. 7. 2023 – C-402/22 –, juris, Rdn. 48.
33Dabei ist zu beachten, dass es nicht zulässig ist, ausschließlich anhand des Strafmaßes, das für eine bestimmte Straftat vorgesehen ist, anzunehmen, dass die Person, die einen Antrag auf subsidiären Schutz gestellt hat, eine schwere Straftat im Sinne dieser Bestimmung begangen hat, derentwegen sie von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen werden kann. Vielmehr hat das für die asylrechtliche Beurteilung zuständige Gericht die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen, wobei eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist. Die Einzelfallprüfung muss unter Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände, die der entscheidenden Behörde bekannt sind, vorgenommen werden, um zu ermitteln, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass die Handlungen des Betreffenden, der im Übrigen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erfüllt, unter diesen Ausschlusstatbestand fallen.
34Vgl. EuGH, Urteil vom 13. 9. 2018 – C-369/17 – <Ahmed>, juris, Rdn. 55; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 127. Aktualisierung, Januar 2023, § 4 AsylG, Rdn. 91.
35Nicht erforderlich ist allerdings – wie der Kläger meint – eine Prognose über die zukünftige Gefährdung. Dass primär nicht das Fehlverhalten in der Vergangenheit maßgeblich ist, sondern die zukünftige Gefährdung, gilt nur für den Fall des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG, nicht aber für Nr. 2.
36Vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl., 2022, § 4 AsylG, Rdn. 18.
37Das Gericht hält auch in Kenntnis der von dem Kläger angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, aus der sich hierzu nichts Gegenteiliges ergibt, an dieser Auffassung fest.
38So auch VG Chemnitz, Urteil vom 10. 7. 2023 – 2 K 288/23.A –, juris, Rdn. 42.
39Die Berücksichtigung einer künftigen Gefährdung und einer Güterabwägung ist nach dieser Rechtsprechung allein für die Aberkennung des Flüchtlingsschutzes notwendig; dies lässt sich aber wegen des Fehlens einer entsprechenden Regelung in Art. 17 Abs. 1 Buchstabe b und Art. 19 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU nicht auf die Aberkennung subsidiären Schutzes übertragen.
40Vgl. auch Österr. VwGH, Erkenntnis vom 1. 8. 2023 – Ra 2022/20/0081-16 –, Rdn. 15.
41Mit dem Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG, der eine Umsetzung von Art. 17 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2011/95/EU ist, sollen – ebenso wie bei den Ausschlussgründen des Art. 12 Abs. 2 Buchstabe b und c der Richtlinie – Handlungen geahndet werden, die in der Vergangenheit begangen wurden. Er regelt einen Fall der Unwürdigkeit, bei dem es weder darauf ankommt, wie lange die Tat zurückliegt, noch ob von dem betreffenden Ausländer aktuell Gefahren ausgehen und ob eine Wiederholungsgefahr besteht.
42Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. 3. 2015 – 1 C 16.14 –, juris, Rdn. 29, und 7. 7. 2011 – 10 C 26.10 –, juris, Rdn. 25 (zu § 3 Abs. 2 AsylG); VG Freiburg, Urteil vom 23. 6. 2022 – A 7 K 2897/21 –, juris, Rdn. 24; VG München, Beschluss vom 2. 9. 2019 – M 22 S 19.32826 –, juris, Rdn. 24.
43Für diesen Ausschlussgrund bedarf es ferner auch keiner (nachgelagerten) auf den Einzelfall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Erfüllt eine Person die in den Ausschlussgründen festgelegten Voraussetzungen, ist sie zwingend und ohne Ausnahme von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen. Der Ausschluss nach Art. 12 Abs. 2 Buchstabe b und c der Richtlinie – und damit auch der nach Art. 17 Abs. 1 Buchstabe b – hängt mit der Schwere der begangenen Handlungen zusammen, die von einem solchen Grad sein muss, dass die betreffende Person nicht in berechtigter Weise Anspruch auf den Schutz als Flüchtling bzw. subsidiär Schutzberechtigter im Sinne der Richtlinie erheben kann. Da bereits im Rahmen der Beurteilung der Schwere der begangenen Handlungen und der individuellen Verantwortung des Betreffenden alle Umstände berücksichtigt werden, die für diese Handlungen und für die Lage des Betreffenden kennzeichnend sind, ist eine zusätzliche weitere Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht mehr geboten.
44EuGH, Urteil vom 9. 11. 2010 – C-57/09 und C-101/09 –, juris, Nr. 111; BVerwG, Urteil vom 7. 7. 2011 – 10 C 26.10 –, juris, Rdn. 26.
45Nach diesen Maßgaben rechtfertigen schwerwiegende Gründe die Annahme, dass der Kläger eine schwere Straftat begangen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Begriff „schwerwiegende Gründe“ als Nachweisanforderung im Sinne einer Wahrscheinlichkeit oder als Hinweis auf eine Abwägung dahingehend verstanden wird, dass der Ausschlussgrund hinreichend schwer sein muss, um einen Ausschluss von der subsidiären Schutzberechtigung zu rechtfertigen.
46Vgl. dazu Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 127. Aktualisierung, Januar 2023, § 4 AsylG, Rdn. 94 f.
47Nach beiden Ansichten liegen schwerwiegende Gründe dafür vor, dass der Kläger eine schwere Straftat begangen hat. Das Landgericht N. hat festgestellt, dass der Kläger die gefährliche Körperverletzung begangen hat, und diese Straftat ist auch hinreichend schwer, dass sie einen Ausschluss von der Schutzberechtigung rechtfertigt.
48Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das Strafgesetzbuch die Straftat bereits als Verbrechen einordnet. Auch die Verurteilung wegen eines Vergehens reicht für die Annahme einer schweren Straftat aus, wenn sich dies unter Berücksichtigung aller Aspekte ergibt. Dabei ist zunächst zu beachten, dass der Kläger keine einfache Körperverletzung, sondern die Qualifikation der gefährlichen Körperverletzung begangen hat. Für eine gefährliche Körperverletzung sieht § 224 StGB keine Geldstrafe mehr, sondern eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten vor; die Obergrenze des Strafrahmens ist vom Gesetzgeber mit zehn Jahren hoch angesetzt worden. Die körperliche Unversehrtheit ist durch Unionsgrundrechte (Art. 3 Abs. 1 EU-GR-Charta) und Grundrechte des Grundgesetzes (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) geschützt. Schon vor In-Kraft-Treten der EU-Grundrechte-Charta zählte sie zu den (seinerzeit ungeschriebenen) Unionsgrundrechten, die sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergaben.
49Vgl. EuGH, Urteil vom 9. 10. 2001 – C-377/98 –, juris, Rdn. 70 ff.
50Dementsprechend besteht kein Zweifel, dass die Tat, eine andere Person mit einem Messer ganz erheblich zu verletzen, auch in den meisten anderen Rechtsordnungen als schwerwiegende Straftat qualifiziert ist. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die – hier erfolgte – rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren nach der Wertung des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auch ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse indiziert.
51Vgl. auch VG Augsburg, Urteil vom 20. 5. 2020 – Au 4 K 20.30222 –, juris, Rdn. 37.
52Dabei ist es nicht von Bedeutung, dass es sich um eine Verurteilung zu einer Jugendstrafe gehandelt hat. Freiheits- und Jugendstrafe werden in § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gleichgestellt, und auch in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG kommt es nicht auf die Art der verhängten Strafe an, sondern auf die Straftat. Dass der Kläger die gefährliche Körperverletzung als Heranwachsender begangen hat, so dass Jugendstrafrecht Anwendung finden konnte, führt indes nicht dazu, dass die Tat in asylrechtlicher Hinsicht milder zu bewerten wäre.
53Die nach Angaben des Klägers verminderte Einsichtsfähigkeit und noch nicht abgeschlossene persönliche und geistige Entwicklung, die zur Anwendung des Jugendstrafrechts geführt haben soll, hat keinen Einfluss auf die Schwere der Straftat. Gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG hat sich für das Landgericht N. unter Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Klägers bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergeben, dass der Kläger zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand. Der Entwicklungsstand des Klägers hat aber – anders als in den Fällen typischer Jugendverfehlungen nach § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG – nichts mit der Art und Ausführung der Straftat zu tun. Das ergibt sich auch aus den folgenden Ausführungen des Landgerichts, wonach aufgrund des Reifedefizits, das im Tatverhalten zum Ausdruck kam, eine Jugendstrafe für notwendig erachtet wurde, und aufgrund des Tatverhaltens die Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 JGG festgestellt wurde.
54Das Landgericht N. hat in seinem Urteil vom 00.00.0000 einen Strafrahmen von sechs Monaten bis 10 Jahren angenommen und mit einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten keine Strafe im unteren Bereich des Strafrahmens gewählt, obwohl es bereits eine gewisse Enthemmung des Klägers durch Alkohol berücksichtigt hat. Dass es im Gegenzug dennoch näher am unteren Ende als am oberen Ende des Strafrahmens geblieben ist, steht der Annahme der Schwere der Straftat nicht entgegen, zumal weitere Aspekte hinzutreten. Der Kläger hat dabei vorsätzlich gehandelt. Die Tatausführung mit drei Messerstichen zeigt, dass der Kläger das Leben und die Gesundheit des Geschädigten gefährdet hat. Eine Strafbarkeit wegen versuchten Mordes hat das Landgericht allein wegen eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch verneint; es hat aber ausgeführt, dass angesichts der Stiche im Bereich des Oberkörpers, die von einiger Heftigkeit gewesen sein müssten, ein Tatentschluss hinsichtlich einer Tötung naheliege.
55Der Kläger hat nicht nur eine, sondern gleich drei Qualifikationen des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht: Er hat die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs (Nr. 1), mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich (Nr. 4) und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (Nr. 5) begangen. Er hat dem Geschädigten durch Messerstiche massive Verletzungen, nämlich die Perforation der Niere und der Lunge, zugefügt, so dass sich dieser aufgrund der Körperverletzung in konkreter Lebensgefahr befand und sogar operiert und stationär behandelt werden musste. Das Landgericht hat ausgeführt, dass der Kläger durch seinen überschießenden Tatbeitrag erhebliche weitere Verletzungsfolgen hervorgerufen hat. Dementsprechend hat der Kläger auch die mit Abstand höchste Jugendstrafe aller Mittäter erhalten.
56Entgegen der Auffassung des Klägers lag nicht nur die für § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erforderliche abstrakte Lebensgefahr, sondern darüber hinaus auch eine konkrete Lebensgefahr vor. Aus dem Urteil des Landgerichts N. ergibt sich, dass sich die abstrakte Gefahr letztlich in der Perforierung von Niere und Lunge des Geschädigten „gezeigt“ hat, mithin die abstrakte Gefahr sogar konkret geworden ist. Denn durch die Stiche ist die Gefahr des Eintritts eines Pneumothorax, der tödlich sein kann, hervorgerufen worden. Allein der ärztliche Eingriff und das Legen einer Drainage haben diese Gefahr bannen können. Die Operation und die stationäre Behandlung waren erforderlich.
57Der Einwand des Klägers, sein Verhalten während des Strafvollzugs wirke sich auch auf die Schwere der Straftat aus, ist nicht nachvollziehbar. Bei diesem Verhalten nach der Verurteilung geht es um typische Aspekte einer Prognose, die nach dem oben Gesagten im Rahmen von § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG gerade keine Rolle spielt. Wie diese Aspekte wie Straffreiheit, Reue, Ausbildung und gute Führung an den Einzelfallumständen der bereits begangenen Straftat noch etwas ändern und die Straftat in einem milderen Licht erscheinen lassen sollen, erschließt sich dem Gericht nicht.
58Der Einstufung als schwere Straftat steht auch nicht die mögliche Aufenthaltsbeendigung als schwere Folge entgegen. Denn die Anwendung des Ausschlussgrundes des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG bedeutet nicht zwangsläufig auch den Ausschluss von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG, so dass die Rücknahme der Gewährung subsidiären Schutzes noch nicht zwingend zum Verlassen des Bundesgebiets führen würde.
59Erfüllt der Kläger dieses Tatbestandsmerkmal, dass schwerwiegende Gründe die Annahme einer schweren Straftat rechtfertigen, ist nach dem oben Gesagten keine weitere Abwägung erforderlich. Nach § 73 Abs. 5 AsylG ist der Beklagten bei der Rücknahme- oder Widerrufsentscheidung auch kein Ermessen mehr eröffnet; die Zuerkennung ist zu zurückzunehmen bzw. zu widerrufen.
60Der erste Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes aus § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG, weil dem – unabhängig von der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen – aus den oben genannten Gründen ebenfalls der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG entgegensteht, der für alle Zuerkennungsmöglichkeiten des subsidiären Schutzes gilt.
61Der zweite Hilfsantrag ist jedoch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK.
62Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK sind nicht nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtigungsfähig, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen, sondern auch „nichtstaatliche“ Gefahren auf Grund prekärer Lebensbedingungen, wenn ganz außerordentliche individuelle Umstände hinzutreten.
63Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11. 4. 2018 –A 11 S 1729/17 –, juris, Rdn. 118 ff., unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 31. 1. 2013 – 10 C 15.12 –, juris, Rdn. 24 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 14. 3. 2018 – 13 A 341/18.A –, juris, Rdn. 19.
64Bei einem zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot ist eine Gefahr erheblich, wenn sich der Gesundheitszustand des Betroffenen „schnell“ oder „alsbald“ nach der Abschiebung, mithin innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nach der Rückkehr, wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Geriete dieser „schnell“ oder „alsbald“ nach der Rückkehr in den Zielstaat in eine solche Situation, weil er auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten der Behandlung angewiesen wäre und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte, ist die Gefahr auch konkret.
65BVerwG, Urteil vom 21. 4. 2022 – 1 C 10.21 –, juris, Rdn. 20.
66Diese zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entwickelte Rechtsprechung ist auch auf andere (als gesundheitliche) Gefahren im Sinne des Art. 3 EMRK übertragbar, weil sie allgemein zum Erfordernis einer konkreten Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ergangen ist.
67BVerwG, Urteil vom 21. 4. 2022 – 1 C 10.21 –, juris, Rdn. 20.
68Die Gefahr muss folglich in dem Sinne konkret sein, dass die drohende Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Würde der Person in einem solchen engen zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung durch den Vertragsstaat eintritt, dass bei wertender Betrachtung noch eine Zurechnung zu dieser Abschiebung – in Abgrenzung zu späteren Entwicklungen im Zielstaat oder gewählten Verhaltensweisen des Ausländers – gerechtfertigt erscheint.
69BVerwG, Urteil vom 21. 4. 2022 – 1 C 10.21 –, juris, Rdn. 21.
70Wo die zeitliche Höchstgrenze für einen solchen Zurechnungszusammenhang im Regelfall zu ziehen ist, ist keiner generellen Bestimmung zugänglich. Jedenfalls darf die Berücksichtigung finanzieller Rückkehrhilfen nicht dazu führen, den mit Art. 3 EMRK intendierten Schutz durch eine starre zeitliche Bestimmung seiner Reichweite – und ggf. entsprechend bemessene Rückkehrhilfen – zu beeinträchtigen.
71BVerwG, Urteil vom 21. 4. 2022 – 1 C 10.21 –, juris, Rdn. 21; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22. 2. 2023 – A 11 S 1329/20 –, juris, Rdn. 132.
72In der Zusammenschau dieser Kriterien ergibt sich, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadenseintritts nicht schon dann gegeben ist, wenn zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Rückkehr in das Heimatland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Maßstab für die im Rahmen der Prüfung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK anzustellende Gefahrenprognose ist vielmehr grundsätzlich, ob der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Dabei ist nicht entscheidend, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Demnach kann, sofern der Rückkehrer eigenes Vermögen nutzen oder Hilfeleistungen in Anspruch nehmen kann, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, Abschiebungsschutz wegen prekärer Lebensbedingungen im Zielstaat ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten behördlichen oder gerichtlichen Tatsachenentscheidung davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch des eigenen Vermögens oder der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Je länger der Zeitraum der durch eigenes Vermögen, Rückkehrhilfen, sonstige Hilfeleistungen und eigene Erwerbstätigkeit des Betroffenen abgedeckten Existenzsicherung ist, desto höher muss die Wahrscheinlichkeit einer Verelendung nach diesem Zeitraum sein.
73BVerwG, Urteil vom 21. 4. 2022 – 1 C 10.21 –, juris, Rdn. 25.
74Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK vorliegt, ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet. Stellen die dortigen Verhältnisse einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK dar, ist zu prüfen, ob auch in anderen Landesteilen, die der Ausländer auf ihm zumutbare Weise erreichen kann, derartige Umstände vorliegen.
75BVerwG, Urteil vom 31. 1. 2013 – 10 C 15.12 –, juris, Rdn. 26 m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22. 2. 2023 – A 11 S 1329/20 –, juris, Rdn. 134.
76Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen ist unter Berücksichtigung der besonderen Situation des im vorliegenden Einzelfall betroffenen Klägers davon auszugehen, dass ihm im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in engem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Rückkehr eine derart außergewöhnliche Gefahrenlage droht, die eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellen würde. Denn das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger unter den derzeit in Afghanistan herrschenden Lebensbedingungen von Beginn an nicht in der Lage wäre, die für sein Überleben notwendige Versorgung in Kabul als dem End- und Ankunftsort seiner Abschiebung oder sonst in Afghanistan sicherzustellen.
77Die Lebensbedingungen in Afghanistan waren schon vor der Machtübernahme durch die Taliban als prekär anzusehen. Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt. Trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung und kontinuierlicher Fortschritte belegte Afghanistan 2020 lediglich Platz 169 von 189 auf dem Human Development Index der Vereinten Nationen. Die Armutsrate in den Städten war bis zum Zeitraum 2019/2020 bereits auf mehr als 45 % angewachsen und dürfte im Verlauf des letzten Jahres weiter angestiegen sein. Dem starken Bevölkerungswachstum von etwa 2,3 % im Jahr steht laut Weltbank ein Rückgang des afghanischen Bruttoinlandsprodukts um 1,9 % (2020) gegenüber. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) lag die Arbeitslosenquote 2020 offiziell zwar lediglich bei 11,7 %. Der afghanischen Statistikbehörde zufolge befanden sich jedoch 40 % der Bevölkerung in keinem formalen Beschäftigungsverhältnis oder waren unterbeschäftigt. Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt auch für Rückkehrer. Diese bereits prekäre Lage hat sich seit März 2020 durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, der Wirtschaftskrise und der Dürren der vergangenen Jahre stetig weiter verschärft.
78Vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 26. 6. 2023, S. 7, 20. 7. 2022, S. 7, und 15. 7. 2021, S. 20 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation – Afghanistan, 28. 1. 2022, S. 155.
79Die Covid-19-Pandemie trägt zu einem erheblichen Anstieg der akuten Ernährungsunsicherheit im ganzen Land bei. Es ist davon auszugehen, dass die auf die Pandemie zurückgehende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage auch noch längere Zeit anhalten wird. Eine Erholung ist laut Weltbank nicht vor 2023/2024 zu erwarten.
80Vgl. World Bank Group, Surviving the Storm, Juli 2020, S. 15; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation – Afghanistan, 28. 1. 2022, S. 7.
81Es wurde für das Jahr 2022 mit einem Einbruch des Bruttosozialprodukts um ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr gerechnet.
82Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 26. 6. 2023, S. 7.
83Durch die Machtübernahme der Taliban haben sich die wirtschaftlichen Probleme für die Bevölkerung noch einmal erheblich verschärft. Die durch die Folgen der Covid-19-Pandemie und anhaltende Dürreperioden bereits angespannte Wirtschaft steht in Folge des Zusammenbruchs der afghanischen Republik vor dem vollständigen Kollaps. Der Zusammenbruch der Wirtschaft ist größtenteils darauf zurückzuführen, dass andere Staaten ihre ausländischen Hilfen gekürzt und internationale Finanztransaktionen erschwert haben. Dies führte zu einer Liquiditätskrise im Land, einem Beinahe-Zusammenbruch des Bankensystems, einer Entwertung der Landeswährung, steigenden Preisen und dem Verlust von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen. Rückkehrer verfügen aufgrund des gewaltsamen Konflikts und der damit verbundenen Binnenflucht der Angehörigen nur in Einzelfällen über die notwendigen sozialen und familiären Netzwerke, um die desolaten wirtschaftlichen Umstände abzufedern. Zahlreiche Haushalte, die von Gehältern im öffentlichen Dienst, im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit oder von Tätigkeiten bei internationalen Akteuren abhängig waren, haben ihre Einkommensquellen verloren.
84Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 22. 10. 2021, S. 5, 14; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22. 2. 2023 – A 11 S 1329/20 –, juris, Rdn. 145 ff. m. w. N.
85Sowohl die Covid-19-Pandemie als auch der Regimewechsel im August 2021 haben im ganzen Land zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosenquote geführt. Die sich verschärfende Wirtschaftskrise hat sich besonders stark auf einige der wichtigsten Sektoren der afghanischen Wirtschaft ausgewirkt, darunter Landwirtschaft, öffentliche Verwaltung, soziale Dienstleistungen und das Baugewerbe, wo Hunderttausende von Arbeitnehmern ihren Arbeitsplatz verloren oder keinen Lohn erhalten haben.
86VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22. 2. 2023 – A 11 S 1329/20 –, juris, Rdn. 165 f. m. w. N.
87Verschärft wird die Situation auf dem Arbeitsmarkt noch durch die Rückkehr vieler Afghanen in ihr Heimatland im Zuge der Covid-19-Pandemie, insbesondere aus dem Iran. Bei der Zahl der Rückkehrer aus dem Iran wurde 2020 mit 860.000 ein neuer Höchststand erreicht (2019: 485.000; 2018: 775.000). Im Jahr 2021 sind laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mehr als 980.000 Personen aus Pakistan und dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt.
88Vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 15. 7. 2021, S. 24, und vom 22. 10. 2021, S. 14; Konrad-Adenauer-Stiftung, Die Covid-Krise in Afghanistan: Welche Auswirkungen auf die humanitäre und politische Lage?, Stand: Juli 2020, S. 4.
89Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen um immer weniger Arbeit ringen, spielt die Existenz eines familiären oder sozialen Netzwerks gerade für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland eine maßgebliche und noch größere Rolle als schon vor Ausbruch der Pandemie. Persönliche Kontakte sind von essentieller Bedeutung nicht nur für den Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern allgemein für den Zugang zu Ressourcen.
90Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 22. 2. 2023 – A 11 S 1329/20 –, juris, Rdn. 167, und 17. 12. 2020 –A 11 S 2042/20 –, juris, Rdn. 108; Schwörer, Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Lage in Afghanistan, S. 16; Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 15. 7. 2021, S. 24.
91Das in Afghanistan vorherrschende System von Beziehungen bzw. Netzwerken ist geprägt durch eine Gegenseitigkeit, eine langfristige und belastbare Reziprozität. In der afghanischen Gesellschaft ist es essentiell, in soziale Netzwerke zu investieren und diese aufrechtzuerhalten, da hiervon in Zeiten der Not Hilfe und Unterstützung abhängen kann. Wer in der Lage ist, einen Vorteil – etwa einen Arbeitsplatz – zu verschaffen, verknüpft hiermit die Erwartung, jedenfalls langfristig seinerseits einen Vorteil zu erlangen. Ist vom Arbeitsuchenden keine Gegenleistung zu erwarten, weil dieser nicht über die erforderlichen Beziehungen verfügt, ist nicht oder weniger zu erwarten, dass ihm eine Arbeitsstelle vermittelt wird. Ein entsprechendes Netzwerk ist daher der Schlüssel zum Arbeitsmarkt und gerade für Rückkehrer besonders wichtig. Zudem gewährleistet das System der Empfehlungen, dass der Arbeitgeber sich in Bezug auf die Vertrauenswürdigkeit eines Arbeitsuchenden sicher sein kann, dessen örtliche und ethnische Herkunft sowie familiären Hintergrund er auf Grund der Empfehlung kennt. Bereits vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie wurden nur etwa 15 % der Arbeitnehmer über den örtlichen Bazar angeworben und der größte Teil der Arbeitsplätze über Freunde oder Verwandte erlangt.
92Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 22. 2. 2023 – A 11 S 1329/20 –, juris, Rdn. 167, und 17. 12. 2020 –A 11 S 2042/20 –, juris, Rdn. 52.
93Seit dem Machtwechsel hat sich die Lage in Afghanistan allgemein zu einer der schwersten humanitären Krisen weltweit entwickelt. Fast 23 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der Bevölkerung, sind nicht ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt. Die Zahl der Menschen, die vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) Ernährungshilfe erhalten, hat sich seit August 2021 fast versechsfacht. 15 Millionen Menschen wurden bis Ende Dezember 2021 unterstützt.
94Vgl. Der Tagesspiegel, „Es bleibt ein Rennen gegen die Zeit“, 31. 1. 2022, abrufbar unter https://www.tagesspiegel.de/politik/fast-23-millionen-afghanen-hungern-es-bleibt-ein-rennen-gegen-die-zeit/28022264.html.
95Die Dürre im Jahr 2021 hat wiederum zu Missernten, einem drastischen Verfall der Viehpreise und zu Trinkwasserknappheit geführt. Besonders stark sind der Süden, Westen und Nordwesten des Landes betroffen.
96Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation – Afghanistan, 28. 1. 2022, S. 157.
97Diese Lage hat sich auch im Jahr 2022 nicht verbessert. Afghanistan hat den dritten schweren Dürresommer in Folge erlebt. Auch darüber hinaus wird Afghanistan regelmäßig von Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmungen heimgesucht.
98VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22. 2. 2023 – A 11 S 1329/20 –, juris, Rdn. 163 m. w. N.
99Der US-amerikanische Sondergeneralinspektor für den Wiederaufbau Afghanistans (SIGAR) berichtete Anfang Februar 2022 in seinem vierteljährlichen Bericht an den Kongress, dass die Hälfte der Bevölkerung vor einem „Tsunami des Hungers“ stehe. Am 31. 3. 2022 fand erneut eine UN-Geberkonferenz statt, die insgesamt 2,4 Milliarden US-Dollar statt der anvisierten 4,4 Milliarden für humanitäre Hilfe für das Jahr 2022 erbracht hat.
100Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 20. 7. 2022, S. 7; Bundesamt, Briefing Notes vom 7. 2. 2022, S. 2, und vom 4. 4. 2022, S. 2.
101Außerdem werden nicht einmal die zugesagten Mittel vollständig bereitgestellt werden.
102Vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 23. 2. 2022 – 1 Bf 282/20.A –, juris, Rdn. 68.
103Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger sein Existenzminimum in Afghanistan nicht durch eigene Erwerbstätigkeit sicherstellen können wird. Es ist anzunehmen, dass der Kläger es schwierig haben wird, überhaupt Zugang zum angespannten afghanischen Arbeitsmarkt zu finden, denn er ist in Afghanistan nicht zur Schule gegangen, sondern wurde von seiner Mutter zuhause unterrichtet. Nur nach dem Umzug nach Kunduz hat er eine Koranschule besucht. Er hat in seinem Heimatland nicht gearbeitet, nur in Kabul seit seinem siebten Lebensjahr auf der Straße Kleinigkeiten wie Plastiktüten verkauft. Damit konnte er in beruflicher Hinsicht vor seiner Ausreise noch keine Bindung entwickeln. Er ist noch als Minderjähriger ausgereist. Der Kläger wird auf Arbeit als Tagelöhner angewiesen sein. Er hat zwar in Deutschland einen Schulabschluss nach der 9. Klasse gemacht. Er hat danach zunächst keine Ausbildung begonnen, sondern Gelegenheitsarbeiten wahrgenommen. Erst später hat er in der Haft eine Ausbildung zum Maler und Lackierer gemacht, arbeitet aber jetzt als Fliesenlegerhelfer. Damit hat er allerdings noch nicht eine so hohe Qualifikation erreicht, dass davon auszugehen ist, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht auf Tagelöhnertätigkeiten angewiesen wäre, sondern mehr als niedere und schlecht bezahlte Arbeit erlangen könnte. Auch die Verkaufstätigkeiten als kleiner Junge während seines Aufenthalts in Afghanistan geben nicht Substantielles für eine qualifizierte Ausbildung her.
104Begünstigende Umstände fehlen bei dem Kläger zudem vollständig. Er hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgeführt, dass er seit seiner Flucht keinen Kontakt mehr zu seiner Familie hat. Er hat von seinem kleinen Bruder gehört, dass seine Mutter zwischenzeitlich verstorben sei und sein Vater sich im Iran aufhalte. Weitere Verwandte in Afghanistan hat er nicht. Was mit seiner Schwester passiert ist, weiß er nicht; er hat nicht gewagt, bei seinem Bruder nachzufragen, weil er vermutet hat, dass irgendetwas passiert ist. Zwei seiner Cousins, mit denen er nach Deutschland gekommen ist und um die er sich früher immer gekümmert hat, haben zu ihren Vätern, den Onkeln des Klägers, auch keinen Kontakt mehr. Der Kläger hat während seiner Zeit in der JVA den Kontakt selbst zu seinen Cousins abgebrochen, weil er sich geschämt hat und erst selbst verarbeiten musste, was er getan hatte. Weitere familiäre Bindungen sind nicht ersichtlich.
105Dass ein Rückkehrer, der mehrere Jahre im westlichen Ausland gelebt hat und über kein tragfähiges Netzwerk in Afghanistan verfügt, eine Anstellung oder einen Tagelöhnerjob finden wird, erscheint angesichts der immensen Bedeutung des Netzwerks als Schlüssel zum Arbeitsmarkt nahezu ausgeschlossen. Vielmehr wird ihm – unabhängig von der Frage der fachlichen Qualifikation – regelmäßig derjenige vorgezogen werden, der dem Arbeitgeber über ein Netzwerk vermittelt worden ist. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass sich ein Rückkehrer aus dem westlichen Ausland ohne Netzwerk eine selbständige Existenz oder aus eigener Kraft ein Netzwerk wird aufbauen können.
106VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22. 2. 2023 – A 11 S 1329/20 –, juris, Rdn. 202.
107Hinzu kommt der oben bereits genannte Aspekt der Reziprozität. Ist vom Arbeitsuchenden keine Gegenleistung zu erwarten, weil dieser nicht über die erforderlichen Beziehungen verfügt, ist nicht oder weniger zu erwarten, dass ihm eine Arbeitsstelle vermittelt wird. Vom Kläger, der über keine nützlichen Beziehungen verfügt, wird sich ein Arbeitgeber nichts versprechen und ihn daher nicht oder nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit einstellen.
108Auch auf Vermögenswerte in Afghanistan kann der Kläger nicht zurückgreifen. Dass seine Eltern Vermögen, insbesondere Grundbesitz, in Afghanistan zurückgelassen haben, ist nicht bekannt. Die Werkstatt, in der sein Vater mitgearbeitet hatte, gehörte dem Onkel des Klägers. Auch hinreichende Hilfeleistungen durch seine Cousins sind nicht anzunehmen, da zumindest einer der Cousins selbst eine Familie mit vier Kindern hat, die er versorgen muss.
109Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht bewertet die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Abschiebungsverbots im Verhältnis zu der Rücknahme- bzw. Widerrufsentscheidung mit ½.
110Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
111Rechtsmittelbelehrung
112Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Münster, Piusallee 38, 48147 Münster (Postanschrift: Postfach 8048, 48043 Münster) schriftlich zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
113Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1141. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
1152. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1163. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
117Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
118Vor dem Oberverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte – außer im Prozesskostenhilfeverfahren – durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte sind nur die in § 67 Abs. 4 VwGO bezeichneten und ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.