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Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 13. Juli 2022 sowie des Gebührenbescheides vom 13. Juli 2022 verpflichtet, dem Kläger einen planungsrechtlichen Bauvorbescheid für den Neubau eines Hähnchenmaststalles, dreier Futtersilos, einer Waage, zweier Schmutzwassersammelbehälter und zweier Löschwasserbehälter auf dem Grundstück Gemarkung X. , Flur 2, Flurstücke 9 und 10 unter Außerachtlassung des Entgegenstehens öffentlicher Belange und Außerachtlassung einer gesicherten Erschließung zu erteilen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger zu 3/4, der Beklagte zu 1/8 und die Beigeladene zu 1/8. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen, welche insoweit erstattungsfähig sind, trägt der Kläger zu 3/4. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Hähnchenmaststalles nebst Nebenanlagen auf dem Grundstück Gemarkung X. , Flur 2, Flurstücke 9 und 10, das im Eigentum von I. -C. H. X1. steht.
2Das Vorhabengrundstück befindet sich im unbeplanten Gemeindegebiet der Beigeladenen. Es liegt westlich der von Norden nach Süden führenden „T. Straße“. Von dieser Straße zweigt in Süd-West-Richtung die Straße „B. I1. “ ab, von welcher die Straße „Q. “ nach Nord-Westen und östlich am Vorhabengrundstück des Klägers vorbeiführt. Der geplante Vorhabenstandort liegt auf einer bislang landwirtschaftlich genutzten Fläche. Um den geplanten Vorhabenstandort herum befinden sich westlich sowie südöstlich des Vorhabengrundstücks Hofstellen. In südwestlicher Richtung von dem Vorhabengrundstück liegt in ca. 2 km Luftlinie Entfernung unter der postalischen Anschrift X2.-----straße 53 in 00000 X. die Hofstelle des Bruders des Klägers.
3In ihrem Gemeindegebiet hat die Beigeladene mehrere Gewerbe- und Industriegebiete durch Bebauungspläne ausgewiesen.
4So setzt der Bebauungsplan Nr. 27 „Gewerbegebiet M. “, 3. Änderung, verschiedene Gewerbe- und Industriegebiete fest und unterteilt diese nach den Abstandsklassen der Abstandsliste 1990.
5Der Bebauungsplan Nr. 36 „Gewerbegebiet E. Straße II“ setzt ein Gewerbegebiet fest und unterteilt dies ebenfalls nach den Abstandsklassen der Abstandsliste 1990. Im westlichen sowie östlichen Abschnitt sind Betriebe und Anlagen der Abstandsklasse I – VI Nr. 1 – 178, im mittleren Planbereich Betriebe und Anlagen der Abstandsklasse I – V Nr. 1 – 148 unzulässig.
6Der Bebauungsplan Nr. 59 „Gewerbegebiet X. T1. II“ (D. ) setzt verschiedene Gewerbe- und Industriegebiete fest und gliedert diese nach den Abstandsklassen der Abstandsliste 2007. Nach der textlichen Festsetzung Nr. 1 sind Betriebe und Anlagen mit vergleichbarem Immissionsgrad, wie sie im Bebauungsplan entsprechend der Abstandsliste 2007 (in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.10.2007) unter der laufenden Nr. (Abstandsklasse) aufgeführt sind, unzulässig.
7Unter dem 3. August 2021 beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Hähnchenstalles mit 29.900 Mastplätzen und 3 Futtersilos, einer Waage, 2 Schmutzwassersammelbehältern und 2 Löschwasserbehältern auf dem Vorhabengrundstück.
8Im Rahmen der Beteiligung anderer Fachämter stellten diese – namentlich das Amt für Umweltschutz und Straßenbau, die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt und das Amt für Planung und Naturschutz – weitere Anforderungen. Diese Nachforderungen leitete der Beklagte nicht an den Kläger weiter.
9Mit Schreiben vom 3. Dezember 2021 versagte die Beigeladene die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens für das Vorhaben.
10Mit Beschluss vom 6. April 2022 entschied der Hauptausschuss der Beigeladenen, dass dem Kläger innerhalb des Plangebietes des Bebauungsplanes Nr. 59 kein Gewerbegrundstück angeboten werde, da der Kläger bei der Bewertung auf Grundlage der gemeindlichen Vergabekriterien lediglich 25 von 100 möglichen Punkten erreicht habe. Dies teilte die Beigeladene dem Kläger mit Schreiben vom 7. April 2022 auf dessen Nachfrage mit und führte ergänzend aus, dass sie innerhalb der Gewerbegebiete zu den Bebauungsplänen Nr. 36 und 37 über keine Gewerbegrundstücke mehr verfüge.
11Mit Schreiben vom 13. April 2022 teilte der Eigentümer des im Gebiet des Bebauungsplans Nr. 27 gelegenen Flurstücks 231, Flur 128 dem Kläger mit, dass er sein Grundstück nicht für die Bebauung mit landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäuden an den Kläger verkaufen werde. Gleiches teilten ihm der Eigentümer des im Gebiet des Bebauungsplans Nr. 36 gelegenen Flurstücks 125, Flur 39 mit Schreiben vom 13. April 2022 sowie die Eigentümerin des im Bebauungsplangebiet Nr. 27 gelegenen Flurstücks 189, Flur 128 mit Schreiben vom 14. April 2022 mit.
12Mit E-Mail vom 26. April 2022 teilte die Eigentümerin des im Bebauungsplangebiet Nr. 27 gelegenen Flurstücks 202, Flur 128 dem Kläger mit, dass sie nicht beabsichtige, das Grundstück zum jetzigen oder auch zu einem späteren Zeitpunkt zu veräußern.
13Mit Bescheid vom 13. Juli 2022 lehnte der Beklagte die beantragte Baugenehmigung nach vorheriger Anhörung des Klägers ab und erhob mit Gebührenbescheid vom gleichen Tag eine Gebühr in Höhe von 6.925,00 €. Zur Begründung führte er aus: Das Vorhaben sei nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert, da es auf einen Standort im Innenbereich der Beigeladenen verwiesen werden könne. Es sei aus planungsrechtlicher Sicht in dem Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 59 „Gewerbegebiet X. T1. J. – D. X. “ zulässig und ca. 4,5 ha der Flächen seien noch nicht veräußert. Darüber hinaus könne das Vorhaben in dem Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 36 „Gewerbegebiet E. Straße J. “ im Rahmen einer Ausnahme zugelassen werden. Auch in dem Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 27 „Gewerbegebiet M. “ in der Fassung der 3. Änderung sei das Vorhaben im noch nicht bebauten, nordöstlich gelegenen Bereich allgemein zulässig. Der Kläger müsse sich als Betreiber eines Geflügelmaststalls bei einer Standortprüfung – ebenso wie jeder andere Gewerbebetrieb – zunächst auf eventuell erforderliche Immissionsminderungsmaßnahmen verweisen lassen, bevor er eine Außenbereichsprivilegierung in Anspruch nehmen könne. Da mehrere geeignete Grundstücke im Innenbereich vorhanden seien, sei von einer konkreten Verfügbarkeit auszugehen. Für den Entfall der Privilegierung aufgrund von Alternativstandorten im Innenbereich sei nicht die rein tatsächliche Verfügbarkeit, sondern die – vorliegend nach seiner Ansicht vorhandene – theoretische Verfügbarkeit von geeigneten Grundstücken im Innenbereich maßgeblich. Dies folge aus dem Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. Die Bewertung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme geeigneter Innenbereichsstandorte entsprechend dem Urteil des BVerwG vom 20. Juni 2013 – 4 C 2.12 – sei auf den vorliegenden Fall der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht übertragbar, da die dort streitgegenständliche Errichtung von Mobilfunkanlagen der flächendeckenden öffentlichen Versorgung diene, Tierhaltungsanlagen aber nicht auf bestimmte Standorte oder Gebiete angewiesen seien. Die Verfügbarkeit von Alternativstandorten sei nach der Sachlage im Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung zu beurteilen. Auch als sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB sei das Vorhaben nicht zulässig, da es öffentliche Belange beeinträchtige. Es widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplanes, beeinträchtige die natürliche Eigenart der Landschaft und durch seine Verwirklichung würde einer ungeordneten städtebaulichen Entwicklung Vorschub geleistet.
14Hiergegen hat der Kläger am 4. August 2022 Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Das Vorhaben könne nicht auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden, da ein Grundstück im Bereich der von dem Beklagten genannten Bebauungspläne nicht zur Verfügung stehe. Auf den Grundstücken Gemarkung X. , Flur 39, Flurstücke 22, 113 und 151 plane nach Auskunft der Beigeladenen bereits ein Spediteur die Errichtung eines neuen Standortes. Auf dem Grundstück Gemarkung X. , Flur 128, Flurstück 231 könne das Vorhaben nicht realisiert werden, da dies zu klein für das geplante Vorhaben sei. Im Übrigen seien sämtliche Nachfragen zum Erwerb entsprechender Grundstücke – sowohl von Privateigentümern als auch von öffentlich-rechtlichen Eigentümern – negativ beschieden worden. Die Privilegierung des Vorhabens sei nur dann aufgrund eines Alternativstandortes im Innenbereich zu verneinen, wenn Grundstücke für das Vorhaben im Innenbereich tatsächlich und nicht nur theoretisch verfügbar seien. Das sei vorliegend nicht der Fall. Das Vorhaben sei jedenfalls bauplanungsrechtlich zulässig. Auch die ausreichende Erschließung sei gesichert. Die Anlage solle über die „T. Straße“, „B. I1. “ und „Q. “ erfolgen. Auf dem Vorhabengrundstück gebe es für Fahrzeuge die Möglichkeit zu wenden und das Vorhabengrundstück vorwärts zu verlassen.
15Ursprünglich hat der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Ablehnungs- sowie des Gebührenbescheides vom 13. Juli 2022, den Beklagten zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 3. August 2021 die Baugenehmigung für den Neubau des Hähnchenmaststalls nebst Nebenanlagen zu erteilen, hilfsweise, unter Aufhebung des Ablehnungs- sowie des Gebührenbescheides vom 13. Juli 2022 den Beklagten zu verpflichten, ihm einen Bauvorbescheid für das Vorhaben zu erteilen, hilfshilfsweise festzustellen, dass der Ablehnungs- sowie der Gebührenbescheid vom 13. Juli 2022 rechtswidrig sind. In der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2023 hat er den ursprünglichen Antrag umgestellt.
16Der Kläger beantragt nunmehr,
171. unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 13. Juli 2022 sowie des Gebührenbescheides vom 13. Juli 2022 den Beklagten zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 03. August 2021 die Baugenehmigung für den Neubau eines Hähnchenmaststalles, von 3 Futtersilos, 1 Waage, 2 Schmutzwassersammelbehälter und 2 Löschwasserbehälter auf dem Grundstück Gemarkung X. , Flur 2, Flurstücke 9 und 10 zu erteilen,
182. hilfsweise unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 13. Juli 2022 sowie des Gebührenbescheides vom 13. Juli 2022 den Beklagten zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 03. August 2021 einen planungsrechtlichen Bauvorbescheid für den Neubau eines Hähnchenmaststalles, 3 Futtersilos, 1 Waage, 2 Schmutzwassersammelbehälter und 2 Löschwasserbehälter auf dem Grundstück Gemarkung X. , Flur 2, Flurstücken 9 und 10 unter Außerachtlassung des Entgegenstehens öffentlicher Belange und Außerachtlassung einer gesicherten Erschließung zu erteilen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Zur Begründung führt er ergänzend aus: Zum Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung habe es im Gemeindegebiet der Beigeladenen verfügbare Grundstücke gegeben, auf denen das Vorhaben des Klägers realisierbar gewesen sei. Aufgrund des Gebotes der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs könne die Privilegierung nicht davon abhängen, ob die Eigentümer der möglichen Alternativgrundstücke diese an den Bauherrn veräußern wollten oder nicht. Dies unterliege der Privatautonomie, die nicht Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit sei. An dem Vorhaben bestehe vorliegend auch kein überwiegendes Allgemeininteresse, welches dessen Privilegierung im Außenbereich trotz grundsätzlicher Möglichkeit der Realisierung im Innenbereich rechtfertige. Bauordnungsrechtliche Aspekte seien auf Hinweis des Klägers noch nicht geprüft worden, sodass ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung auch aus diesem Grund nicht bestehe.
22Die Beigeladene beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie führt aus, dass der Vortrag des Klägers gemäß § 6 UmwRG präkludiert sei. Darüber hinaus könne das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen und damit die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ausgeschlossen sein, da eine Kumulation des Vorhabens mit der Hofstelle des Bruders des Klägers möglich sei.
25Auf den am 30. August 2022 gestellten Eilantrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vorliegenden Klage gegen den Gebührenbescheid vom 13. Juli 2022 hat das Gericht mit Eilbeschluss vom 1. Dezember 2022 die aufschiebende Wirkung angeordnet, soweit eine höhere Gebühr als 6.739,50 € festgesetzt worden ist und den Antrag im Übrigen abgelehnt.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
28Die zulässige Klage hat mit dem Hilfsantrag Erfolg.
29A. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet.
30Der Kläger, der mit seinem Vorbringen nicht gemäß § 6 des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) präkludiert ist (dazu I.), hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung zum Neubau eines Hähnchenmaststalles nebst Nebenanlagen auf dem Grundstück Gemarkung X. , Flur 2, Flurstücke 9, 10 (dazu J. .), vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
31I. Der Berücksichtigung des Vortrages des Klägers im gerichtlichen Verfahren steht § 6 Satz 1 UmwRG nicht entgegen.
32Nach § 6 Satz 1 UmwRG hat eine Person oder eine Vereinigung im Sinne des § 4 Absatz 3 Satz 1 innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage gegen eine Entscheidung im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 1 oder gegen deren Unterlassen dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Nach Satz 2 sind Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, nur zuzulassen, wenn die Voraussetzung nach § 87b Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung erfüllt ist.
331. Diese Vorschrift ist bereits nicht anwendbar, weil der sachliche Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes im hier gegebenen Fall der behördlichen Ablehnung eines Bauantrages nicht eröffnet ist.
34Nach dem allein in Betracht kommenden § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG findet das Gesetz Anwendung auf Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge, durch die andere als in den Nr. 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechtes, des Landesrechtes oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG findet das Gesetz auch Anwendung, wenn entgegen geltenden Rechtsvorschriften keine Entscheidung nach Satz 1 getroffen worden ist. Hierdurch soll eine Lücke im Anwendungsbereich geschlossen werden und das Gesetz auch solche Fälle erfassen, in denen das jeweilige Zulassungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen, aber im Einzelfall unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften nicht durchgeführt worden ist.
35Vgl. Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/2495, S. 10; Landmann/Rohmer UmweltR/Fellenberg/Schiller, 100. EL Januar 2023, UmwRG § 1 Rn. 125.
36Mit der Unterlassung einer Zulassungsentscheidung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG sind solche Fälle gemeint, in denen die Behörde eine Zulassungsentscheidung in einer anderen als der gesetzlich vorgeschriebenen Form trifft, in denen die Behörde zu Unrecht auf ein Zulassungsverfahren verzichtet oder in denen Vorhaben ohne behördliche Zulassung realisiert werden.
37Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 9. Dezember 2019 – 8 K 2424/18 –, juris Rn. 43 m.w.N.; Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, 5. Auflage 2018 § 1 UmwRG Rn. 86 f.
38Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend jedoch nicht gegeben, weil der Beklagte das streitgegenständliche Vorhaben weder zugelassen hat noch eine Zulassungsentscheidung im vorgenannten Sinne unterblieben ist. Vielmehr hat er den Bauantrag des Klägers abgelehnt. Im Falle der Ablehnung eines Genehmigungsantrages ist der Anwendungsbereich des UmwRG nicht eröffnet.
39Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 2022 – 22 D 243/21.AK –, juris Rn. 24 ff.; VG Arnsberg, Urteil vom 9. Dezember 2019 – 8 K 2424/18 –, juris Rn. 45; a.A. VG Trier, Urteil vom 24. Juni 2020 – 9 K 419/20.TR –, juris Rn. 115 ff.
402. Selbst wenn § 6 UmwRG in der vorliegenden Fallkonstellation Anwendung finden sollte, ist die Kammer gleichwohl nicht daran gehindert, auch das Vorliegen einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zu prüfen und bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Denn gemäß § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO ist auch eine verspätete Einwendung zu berücksichtigen, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln. Davon kann ausgegangen werden, wenn das Gericht über eigene effektive Ermittlungsmöglichkeiten, etwa behördliche Auskünfte, verfügt.
41Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 9. Dezember 2019 – 8 K 2424/18 –, juris Rn. 48 m.w.N.
42§ 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO ist eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, die mit Blick auf den Zweck des § 6 UmwRG grundsätzlich eng auszulegen ist. Die Anwendung der Vorschrift kommt in Betracht, wenn die Umstände, aus denen sich die klägerische Beschwer ergibt, derart auf der Hand liegen, dass sich die (nähere) Angabe von Klagegründen als bloße Förmlichkeit erweisen würde. Die Feststellung des in Rede stehenden Tatsachenstoffs muss dem Gericht ohne nennenswerten sachlichen, finanziellen oder auch zeitlichen Aufwand möglich sein.
43Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5. Juli 2021 – 2 A 123/20 –, juris Rn. 20 m.w.N.
44Das ist vorliegend der Fall. Der im Klageverfahren streitige Tatsachenstoff – insbesondere die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestandes sowie die gesicherte Erschließung – war bereits Gegenstand des Vortrags des Klägers im behördlichen Genehmigungsverfahren, sodass die klägerische Beschwer für das Gericht ohne größeren Aufwand ermittelbar und auch für die übrigen Beteiligten ohne weiteres erkennbar war.
45II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung.
46Gemäß § 74 Abs. 1 BauO NRW ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Der Beklagte hat die Baugenehmigung zu Recht versagt, da das geplante Vorhaben bereits bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
47Das unstreitig im Außenbereich geplante Vorhaben ist – unabhängig davon, ob es sich um ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB des Baugesetzbuches (BauGB) handelt – bauplanungsrechtlich unzulässig, da die (ausreichende) Erschließung nicht gesichert ist. Angesichts dessen kann die Kammer offenlassen, ob das Bauvorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers „dient“ und ob ihm öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB entgegenstehen.
48Nach § 35 Abs. 1 BauGB ist im Außenbereich ein Vorhaben nur zulässig, wenn es sich um ein privilegiertes Vorhaben nach Nr. 1 – 9 handelt, öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist.
49Die Anforderungen an die ausreichende wegemäßige Erschließung eines Außenbereichsgrundstücks für eine bauliche oder gewerbliche Nutzung ergeben sich grundsätzlich daraus, welchen Zu- und Abgangsverkehr das jeweilige Vorhaben auslöst. Bei Vorhaben, die wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen, schlägt sich die Privilegierung (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB) auch in den Anforderungen daran nieder, was zur wegemäßigen Erschließung ausreicht; dies bedeutet, dass bei Vorhaben, die von der Natur der Sache oder von ihrer Zweckbestimmung her bevorzugt in den Außenbereich gehören, ein dem Verkehrsbedarf des Vorhabens noch genügender, aber „außenbereichsgemäßer" Standard ausreicht. Zu den zu fordernden Mindestanforderungen gehört, dass das Baugrundstück mit Kraftfahrzeugen erreichbar sein muss, die – wie Polizei-, Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge – im öffentlichen Interesse im Einsatz sind, dass die vorhandenen Wege nicht überlastet werden und der Verkehr nicht zur Schädigung des Straßenzustands führt.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1976 – 4 C 53.74 –, juris Rn. 30; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. Januar 2010 – 2 M 226/09 –, juris Rn. 31; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. August 2018 – 1 A 10496/18 –, juris.
51Welche Anforderungen im Einzelnen an die ausreichende Erschließung zu stellen sind, richtet sich nach dem konkreten Vorhaben, das auf einem Grundstück errichtet werden soll.
52Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1976 – 4 C 53.74 –, juris Rn. 30.
53Im Rahmen der Subsumtion unter den gesetzlichen Tatbestand der ausreichenden Erschließung vermitteln die Richtlinien für den ländlichen Wegebau der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (Arbeitsblatt DWA-A 904, im Folgenden: RLW 2005) aus dem Jahre 2005 ebenso wie das 2016 veröffentlichte Nachfolge-Regelwerk (DWA-A 904-1, im Folgenden: RLW 2016) als technische Regelwerke einschlägige Sachkunde.
54Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. April 2009 – 9 B 55.08 – und Urteil vom 18. April 2007 – 9 A 34.06 –, jeweils juris.
55Die RLW gliedern die ländlichen Wege in Verbindungs-, Feld-, Wald- und sonstige ländliche Wege. Wirtschaftswege dienen – als Unterfall eines Feldweges, welcher der Erschließung der Feldflur dient – der engmaschigeren Erschließung der Feldflur (Nr. 1.2.2.2 RLW 2016). Verbindungswege verbinden einzelne land- und forstwirtschaftliche Betriebsstätten, Gehöfte und Weiler untereinander sowie mit benachbarten Orten oder schließen diese an das gemeindliche und überörtliche Verkehrsnetz an. Sie sind ganzjährig mit hohen Achslasten befahrbar (Nr. 1.2.1 RLW 2016). Die RLW 2005 sehen unter Nr. 3.3.1.3 ebenso wie das Nachfolge-Regelwerk (RLW 2016, dort Nr. 2.5.4.3), für die Dimensionierung ländlicher Wirtschaftswege eine Breite der gebundenen Fahrbahndecke von in der Regel 3,00 m bei einer Kronenbreite (= Gesamtbreite von Fahrbahn – also der befestigte Teil des Weges, der dem fließenden Verkehr dient – und Seitenstreifen) von 4,00 m vor. Eine Unterschreitung dieser Kronenbreite lassen die Richtlinien in Bezug auf Wirtschaftswege lediglich für besonders schwierige Gelände, etwa Steillagen im Weinbau oder Almen, zu. Hintergrund ist der Umstand, dass bereits für einen Begegnungsverkehr zwischen einem lediglich 2,55 m breiten Traktor und einem Fußgänger auf einem Wirtschaftsweg unter Beachtung eines Sicherheitsabstandes von 0,90 m eine Kronenbreite von 4,00 m benötigt wird (siehe RLW 2016, Bild 26). Für einstreifige Verbindungswege sahen die RLW 2005 unter Nr. 3.2.3 eine befestigte Fahrbahnbreite von 3,00 m bzw. – bei stärkerem Verkehr – von 3,50 m und eine Kronenbreite von mindestens 5,50 m vor. Seitenstreifen sollten bei Verbindungswegen i.d.R. eine Breite von 0,75 m bis 1,25 m haben. Nach Nr. 2.5.3 RLW 2016 sollen einstreifige Verbindungswege nunmehr eine Fahrbahnbreite von 3,50 m und eine Kronenbreite von mindestens 5,50 m erhalten. Seitenstreifen sollen i.d.R. eine Breite von 0,75 m (zweistreifig) bzw. 1,00 m (einstreifig) erhalten.
56Mit Blick darauf, dass die Zuwegung zum beantragten Vorhabengrundstück durch den An- und Abtransport der Tiere sowie die Mistabfuhr nicht unerheblich beeinträchtigt wird, und Verbindungswege als Verbindungen zwischen einzelnen Betriebsstätten zum Befahren mit allgemeinen ländlichem als auch ganzjährig mit hohen Achslasten fahrenden land- und forstwirtschaftlichem Verkehr bestimmt sind, muss eine Zuwegung zu einem Hähnchenmaststall mit 29.900 Tieren – um die ausreichende Erschließung i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB zu sichern – mindestens den Anforderungen an einen nicht unerheblich beanspruchten, einspurigen Verbindungsweg genügen.
57So auch: OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 1 ME 325/02 –, juris Rn. 11, wonach bei einem Stall mit 40.000 Hähnchen die Anforderungen an einen nicht unerheblich belasteten Verbindungsweg erfüllt sein müssen; so auch VG Oldenburg, Urteil vom 9. März 2016 – 5 A 5053/12 –, juris Rn. 145 ff. für einen Hähnchenmaststall mit 80.000 Tieren; offengelassen: VG Münster, Urteil vom 15. Juni 2021 – 2 K 432/19 – n.V; Bayerischer VGH, Beschluss vom 5. August 2019 – 9 CS 19.581 –, juris Rn. 30: es sei erheblich zweifelhaft, ob eine Fahrbahnbreite von 3,00 m zur Erschließung eines Putenmastbetriebs mit 14.880 Tieren ausreicht.
58Diesen Anforderungen genügt der zu dem Vorhabengrundstück führende „Q. “ ausweislich der von dem Beklagten gefertigten Lichtbilder (Bilder 5 - 11) sowie des Aktenvermerks des Beklagten vom 7. November 2023 nicht. Nach den in der mündlichen Verhandlung zum Gegenstand des Sach- und Streitstandes gemachten Lichtbildern des Beklagten weist die Zuwegung zu dem Vorhabengrundstück bereits keine Fahrbahnbreite von 3,5 m, sondern lediglich von 3,0 m auf.
59Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der Weg darüber hinaus den nach den Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 2012) an die niedrigste Belastungsklasse 0,3 (Bk0,3) gestellten Anforderungen entsprechen muss und entspricht.
60Allein der Umstand, dass der Weg bereits heute mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen befahren wird, beweist nicht, dass er den Anforderungen genügt, die aus bauplanungsrechtlichen Gründen an die ausreichende Erschließung für ein zur Genehmigung gestelltes Bauvorhaben gefordert werden müssen.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1976 – 4 C 53.74 –, juris Rn. 32.
62Da bereits die Anforderungen für die Sicherung der ausreichenden Erschließung nach § 35 Abs. 1 BauGB nicht erfüllt sind, sind erst Recht die – ggf. höheren – Anforderungen an die gesicherte Erschließung für ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt.
63B. Der zulässig geänderte Hilfsantrag hat Erfolg.
64I. Die in der mündlichen Verhandlung bezüglich des Hilfsantrages erfolgte Klageänderung ist gemäß § 91 VwGO zulässig.
65Hiernach ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Letzteres ist hier der Fall. Mit dem Antrag hat der Kläger die ursprünglich erhobene Klage geändert, indem, er anstelle der Verpflichtung des Beklagten, ihm für das Vorhaben einen bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheid zu erteilen, die Verpflichtung begehrt, ihm für das Vorhaben einen auf bestimmte Einzelfragen beschränkten planungsrechtlichen Bauvorbescheid zu verteilen.
66Die Klageänderung ist sachdienlich. Eine Klageänderung ist in der Regel als sachdienlich anzusehen, wenn sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt. Ziel ist eine rechtseffektive und effiziente Lösung von Konflikten.
67Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 2010 – 4 B 35.10 –, juris Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 17. Januar 2017 – 2 A 917/15 –, juris Rn. 39.
68Das ist vorliegend der Fall. Der Streitstoff ist im Wesentlichen derselbe geblieben. Der streitgegenständliche – auf die Frage der Privilegierung des Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB beschränkte – Vorbescheid betrifft mit dieser Frage einen Ausschnitt des zuvor im Hilfsantrag begehrten planungsrechtlichen Bauvorbescheides. Dies bildete bereits einen Kern des Streites im Verwaltungsverfahren und des anschließenden Gerichtsverfahrens, da der Beklagte seinen ablehnenden Bescheid – neben der fehlenden Erschließung – in erster Linie auf diesen Aspekt stützte.
69II. Der Hilfsantrag ist begründet.
70Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 13. Juli 2022 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger, dessen Vorbringen aus den unter A. I. angeführten Gründen nicht präkludiert ist, hat gemäß §§ 77, 74 BauO NRW einen Anspruch auf Erteilung des beantragten, auf die Frage der Privilegierung des Vorhabens zur Errichtung eines Hähnchenmaststalles nebst Nebenanlagen auf dem Grundstück Gemarkung X. , Flur 2, Flurstücke 9, 10 beschränkten Bauvorbescheides.
71Der Vorbescheid ist nach § 77 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 74 Abs. 1 BauO NRW zu erteilen, wenn dem Vorhaben – soweit es zur Prüfung gestellt wurde – öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend – bezogen auf die Einzelfrage der Privilegierung des Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB – erfüllt.
72Das geplante Vorhaben des Klägers ist nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert. Hiernach ist ein Vorhaben privilegiert, wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt.
731. Es unterliegt keiner Prüfpflicht nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), da es mit 29.900 geplanten Mastplätzen die Schwelle von 30.000 Mastplätzen nicht überschreitet (vgl. insoweit Nr. 7.3.3 der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung). Es unterliegt auch nicht infolge einer Kumulation mit Blick auf die unter der postalischen Anschrift X2.-----straße 53 in 00000 X. von dem Bruder des Klägers betriebenen Hofstelle einer Prüfpflicht.
74Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 UVPG liegen kumulierende Vorhaben vor, wenn mehrere Vorhaben derselben Art von einem oder mehreren Vorhabenträgern durchgeführt werden und in einem engen Zusammenhang stehen. Ein enger Zusammenhang liegt gemäß Satz 2 vor, wenn sich der Einwirkungsbereich der Vorhaben überschneidet und die Vorhaben funktional und wirtschaftlich aufeinander bezogen sind. Nach § 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG müssen technische und sonstige Anlagen zusätzlich mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sein. Diese Voraussetzungen sind vorliegend – unabhängig davon, ob es auf § 10 Abs. 3 Satz 3 UVPG für die Feststellung der Kumulation ankommt,
75vgl. hierzu EuGH Beschluss vom 28. Februar 2023 – C-596/22, BeckRS 2023, 3920,
76– nicht gegeben. Die Einwirkungsbereiche des Bauvorhabens und der Hofstelle des Bruders überschneiden sich nicht. Gemäß § 2 Abs. 11 UVPG ist der Einwirkungsbereich das geographische Gebiet, in dem Umweltauswirkungen auftreten, die für die Zulassung eines Vorhabens relevant sind. Eine Überschneidung von Immissionsradien reicht zur Annahme eines gemeinsamen Einwirkungsbereichs im Sinne des UVPG allein nicht aus. Im Überschneidungsbereich muss auch ein schutzwürdiges Objekt liegen, auf das die Immissionen einwirken.
77Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. September 2023 – 1 LA 105/22 –, juris Rn. 18.
78Bereits aufgrund der Entfernung von ca. 2.000 m Luftlinie ist mit Blick auf das im Immissionsschutzrecht heranzuziehende Beurteilungsgebiet,
79vgl. für die Maßgeblichkeit dieses Kriteriums: Mann, in: Landmann/Rohmer UmweltR, 101. Ergänzungslieferung Stand 1. Juni 2023, UVPG § 10 Rn. 1,
80nicht von einer Überschneidung der Einwirkungsbereiche auszugehen. Auch unter Berücksichtigung des Gutachtens zu Geruchs-, Ammoniak- Staubimmissionen sowie Stickstoffdisposition und Bioaerosolen des Ingenieurbüros Prof. Dr. P. vom 12. April 2021 (im Folgenden: Immissionsgutachten) ist eine Überschneidung nicht ersichtlich. Insbesondere hinsichtlich der Geruchsimmissionen ist weder ersichtlich, dass ein schutzwürdiges Objekt vorliegt, bezüglich dessen sich die Einwirkungsbereiche der beiden Vorhaben überschneiden, noch dass sich die Einwirkungsbereiche der beiden Vorhaben überhaupt überschneiden (vgl. Abbildung 7 des Immissionsgutachtens).
812. Das Bauvorhaben des Klägers ist auch auf die Inanspruchnahme des Außenbereichs angewiesen. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB stellt einen Auffangtatbestand für solche Vorhaben dar, die von den übrigen Nummern des § 35 Abs. 1 BauGB nicht erfasst werden und nach den Grundsätzen städtebaulicher Ordnung, wenn überhaupt, sinnvoll nur im Außenbereich ausgeführt werden können, weil sie zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks auf einen Standort außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile angewiesen sind. Umgekehrt ist ein Vorhaben nicht auf die Inanspruchnahme des Außenbereichs angewiesen, wenn es auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden kann.
82Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. April 2011 – 4 B 6.11 –, juris Rn. 4; Urteile vom 14. März 1975 – IV C 41.73 –, BVerwGE 48, 109-117, = juris Rn. 24, vom 16. Juni 1994 – 4 C 20.93 –, BVerwGE 96, 95-109, = juris Rn. 20 sowie vom 1. November 2018 – 4 C 5.17 –, BVerwGE 163, 313-321, = juris Rn. 14.
83Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten kann der Kläger nicht auf die Inanspruchnahme von durch die Beigeladene ausgewiesene Gewerbe- und Industriegebiete verwiesen werden.
84a. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob das Vorhaben auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden kann, ist der der letzten mündlichen Verhandlung. Für ein Verpflichtungsbegehren auf Erteilung einer Baugenehmigung bzw. eines Bauvorbescheides ist – nach dem einschlägigen materiellen Recht – der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich.
85Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juli 1978 – 4 C 53.77 –, juris Rn. 9 und Urteil vom 4. Dezember 2014 – 4 C 33/13 –, BVerwGE 151, 36-44, = juris Rn. 18; OVG NRW, Beschluss vom 12. Oktober 2012 – 7 A 2024/09 –, juris Rn. 33; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17. Juni 2015 – 3 L 50/13 –, juris Rn. 53.
86Auch mit Blick auf die vom Beklagten angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
87vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2018 – 4 C 5.17 –, BVerwGE 163, 313-321, = juris Rn. 14,
88ergibt sich kein anderer Entscheidungszeitpunkt. Zwar wird insoweit ausgeführt, dass sich die Frage, ob das Vorhaben nicht auch im Innenbereich ausgeführt werden kann, nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag entscheide. Gleichwohl stellt das Gericht sodann für die Umstände, aus denen sich die (Nicht-)Verfügbarkeit eines Innenbereichsstandortes ergeben kann, auf die Gegenwart ab.
89Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2018 – 4 C 5.17 –, BVerwGE 163, 313-321, = juris Rn. 18 f.
90In der Entscheidung ist auch im Übrigen nicht näher dargelegt, dass und weshalb der Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung maßgeblich sei. Das maßgebliche materielle Recht gebietet ebenfalls keine Vorverlagerung des Entscheidungszeitpunktes auf den Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung in der vorliegenden Verpflichtungssituation. Es ist nicht ersichtlich, dass sich dies etwa aus dem Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs ergibt, zumal sich Veränderungen im laufenden Klageverfahren zwar negativ, aber ebenso gut auch positiv für die Schonung des Außenbereichs auswirken können – etwa, wenn im laufenden Verfahren neue Baugebiete ausgewiesen werden, in denen es einen geeigneten Innenbereichsstandort für das Vorhaben gibt. Auch der Gedanke der Eigentums- und Baufreiheit (Art. 14 GG), der mit Blick auf die durch die Genehmigungserteilung erworbene Rechtsposition für Drittanfechtungsklagen eine Vorverlagerung des Entscheidungszeitpunktes begründet,
91vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 B 40/98 –, juris Rn. 3; OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 2010 – 2 A 1419/09 –, juris Rn. 94,
92führt vorliegend nicht zu einer Vorverlagerung des Zeitpunktes für die maßgebliche Sach- und Rechtslage, da im Fall einer Verpflichtungssituation nicht in vergleichbarer Weise bereits eine Rechtsposition erworben wurde.
93b. Nach der Rechtsprechung kommt es für den Alternativstandort nicht auf die Beschaffenheit des Innenbereichs „im allgemeinen" an, sondern auf die Belegenheiten "hier und so".
94Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 1976 – IV C 42.74 –, juris Rn. 18, vom 7. Mai 1976 – IV C 62.74 –, juris Rn. 26 und vom 1. November 2018 – 4 C 5/17 –, BVerwGE 163, 313-321, = juris Rn. 14; Beschlüsse vom 27. Juni 1983 – 4 B 206.82 –, juris Rn. 3 und vom 26. März 2014 – 4 B 3.14 –, juris Rn. 12.
95Maßgeblich sind die konkreten örtlichen Gegebenheiten.
96Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. März 2005 – 7 B 16.05 – NuR 2005, 729, = juris Rn. 7; Urteil vom 1. November 2018 – 4 C 5.17 –, BVerwGE 163, 313-321, = juris Rn. 14.
97Es kommt somit darauf an, ob das Vorhaben in der Gemeinde, in der es errichtet werden soll, in einem Gebiet nach § 30 oder § 34 BauGB oder gegebenenfalls im Fall der Aufstellung eines hierfür in Betracht kommenden Bebauungsplans nach § 33 BauGB zugelassen werden könnte.
98Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 1983 – 4 B 206.82 – NVwZ 1984, 169, = juris Rn. 3; Urteil vom 1. November 2018 – 4 C 5.17 –, BVerwGE 163, 313-321, = juris Rn. 14.
99Die Verweisung einer geplanten gewerblichen Tierhaltungsanlage auf den Innenbereich scheidet aus, wenn etwaig festgesetzte Sondergebiete für gewerbliche Tierhaltungsanlagen oder die für die Unterbringung solcher Tierhaltungsanlagen allenfalls in Betracht kommenden Gewerbe- und Industriegebiete nicht oder nicht mehr über Flächen verfügen, die insbesondere ihrer Größe nach geeignet sind, das betreffende Bauvorhaben dort zu verwirklichen oder wenn dem Bauherrn die Verweisung auf geeignete Grundstücke im Innenbereich nicht zumutbar ist, etwa weil er sich die entsprechenden Grundstücke nicht zu angemessenen Konditionen verschaffen kann.
100Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2018 – 4 C 5.17 –, juris Rn. 16, 18 f.; OVG NRW, Urteil vom 10. November 2022 – 10 A 1938/18 –, juris Rn. 132.
101Bei der Beurteilung, ob das Vorhaben auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden kann, kommt es – entgegen der Ansicht des Beklagten – nicht allein auf die „theoretische Verfügbarkeit“ von alternativen Standorten im Innenbereich, sondern auf deren tatsächliche Verfügbarkeit an. Grundstücke stehen in diesem Sinne auch dann nicht mehr zur Verfügung, wenn die Eigentümer alternativer Standortgrundstücke diese nicht an den Bauherrn veräußern möchten oder dies dem Bauherrn über Dritte bekannt wird. Denn in einem solchen Fall ist es dem Bauherrn nicht zumutbar, auf ein Grundstück im Innenbereich verweisen zu werden und ihm die Privilegierung zu versagen.
102Das Entfallen der Privilegierung, für den Fall, dass das Vorhaben auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden kann, beruht zum einem auf dem Gebot größtmöglicher Schonung des Außenbereichs, der als Leitgedanke den gesamten § 35 BauGB beherrscht, und zum anderen auf dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
103Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2018 – 4 C 5.17 –, BVerwGE 163, 313-321, = juris Rn. 16.
104Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt dabei die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme geeigneter Innenbereichsstandorte in den Vordergrund und gewährleistet zugleich, dass auch den berechtigten Interessen des Bauherrn ausreichend Rechnung getragen wird.
105Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2018 – 4 C 5.17 –, BVerwGE 163, 313-321, Rn. 16 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 4 C 2.12 – BVerwGE 147, 37 Rn. 16 zu § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB.
106Das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereiches soll hiernach nicht „um jeden Preis“ gelten, sondern wird durch den Aspekt der Zumutbarkeit eingeschränkt. Letzterem wird aber nur dann Rechnung getragen, wenn der Bauherr nur auf im Innenbereich tatsächlich verfügbare Alternativstandorte verwiesen werden darf. Eine rein „theoretische“ Verfügbarkeit von Alternativstandorten ohne die Möglichkeit des Bauherrn, diesen Alternativstandort auch erwerben zu können, würde die berechtigten Interessen des Bauherrn ungeachtet lassen. Es würde zu dem Ergebnis führen, dass das Vorhaben – mangels tatsächlich verfügbarer Ausweichstandorte – weder im Innenbereich, aber – aufgrund theoretischer Ausweichstandorte – auch nicht im Außenbereich und damit gar nicht im Gebiet der jeweiligen Gemeinde realisiert werden könnte. Dass ein solches Ergebnis aufgrund des Gebotes der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs gewollt ist, ist nicht ersichtlich. Der Privilegierungstatbestand würde durch eine derartige Auslegung zu stark eingeschränkt und Verhältnismäßigkeitsaspekte überhaupt nicht berücksichtigt.
107Dass die Entscheidung der Grundstückseigentümer möglicher Alternativstandorte im Innenbereich das Vorliegen der Privilegierungsvoraussetzungen beeinflusst, ist im Rahmen des Privilegierungstatbestandes nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB anerkannt. Bei der Beurteilung der Ortsgebundenheit von Mobilfunksendeanlagen ist dem Bauherrn ein Ausweichen auf einen ebenfalls geeigneten Standort im Innenbereich nicht zumutbar, wenn geeignete Innenbereichsstandorte aus tatsächlichen (z.B. der Grundstückseigentümer lässt die Errichtung der Anlage auf seinem Grundstück nicht zu) oder rechtlichen (z.B. die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage an einem geeigneten Standort ist bauplanungsrechtlich oder aufgrund örtlicher Bauvorschriften unzulässig) Gründen nicht zur Verfügung stehen. Mit dieser Einschränkung wird den Erfordernissen der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs hinreichend Rechnung getragen.
108Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 4 C 2.12 –, BVerwGE 147, 37-46, = juris Rn. 14.
109Diese Maßstäbe sind auch für die Beurteilung der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB heranzuziehen. Denn die dieser Rechtsprechung zugrundeliegenden Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zwar dienen Mobilfunkanlagen mit der Gewährleistung einer flächendeckenden Versorgung mit mobilen Telekommunikationsdiensten einem anderen Zweck als die nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegierten Vorhaben. Jedoch lassen sich die in diesem Rahmen angeführten Argumente auf diesen Privilegierungstatbestand übertragen. Denn mit dem Kriterium der „konkreten Zumutbarkeit“ des Ausweichens auf einen Standort im Innenbereich stellt das Bundesverwaltungsgericht auf den Bauherren ab und nicht auf den Zweck der Mobilfunkanlagen. Im Rahmen der Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB stehen sich das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs und Verhältnismäßigkeitsaspekte – wie bereits dargestellt – in gleicher Weise gegenüber.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2018 – 4 C 5.17 –, BVerwGE 163, 313-321, = juris Rn. 16 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 4 C 2.12 – BVerwGE 147, 37 Rn. 16 zu § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB.
111Nach diesen Maßstäben kann der Kläger nicht auf einen Alternativstandort im Innenbereich der Beigeladenen verwiesen werden.
112aa. In dem Gebiet des Bebauungsplans Nr. 27 „Gewerbegebiet M. “, 3. Änderung steht dem Kläger für das Vorhaben kein Alternativstandort zur Verfügung.
113Es kann vorliegend dahinstehen, wie intensiv die rechtliche Möglichkeit der Realisierung des Vorhabens am Alternativstandort zu prüfen ist. Denn in dem vorgenannten Plangebiet steht dem Kläger tatsächlich kein geeignetes Vorhabengrundstück zur Verfügung.
114Als mögliche Alternativstandorte kommen im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 27 auf der Gemarkung X. , Flur 128 die Flurstücke 189, 202 sowie 231 in Betracht. Anhand des Kartenmaterials lässt sich entnehmen, dass lediglich diese Flurstücke unbebaut sind – die Flurstücke 314, 323, 337 und 369 werden gerade oder sind bereits bebaut. Das Flurstück 231 kommt bereits aufgrund seiner Länge von ca. 54 m bzw. 70 m nicht als Alternativstandort für das geplante Vorhaben mit einer Länge von 85,28 m in Betracht.
115Die hiernach in Betracht kommenden Grundstücke (Flurstücke 189, 202 und 231) sind – unabhängig von einer etwaigen bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens an diesem Standort – nicht für den Kläger verfügbar. Die Grundstücke stehen nicht im Eigentum der Beigeladenen, sondern privater Dritter, welche die Grundstücke nicht an den Kläger veräußern. Die Mitteilungen seitens der Eigentümer sind auch hinreichend konkret, um die Möglichkeit der Realisierung des Vorhabens an diesen Standorten entfallen zu lassen. Es wurde die Verkaufsbereitschaft insgesamt und mithin auch die zu einem marktüblichen Preis – also zu angemessenen Bedingungen – abgelehnt. Zwar wurde seitens der Eigentümer ein Verkauf „für die Bebauung mit landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäuden“ abgelehnt, obwohl es sich bei dem Vorhaben nicht um landwirtschaftliche Gebäude i.S.d. § 201 BauGB handelt. Jedoch erfasst die Ablehnung auch das Vorhaben, da im allgemeinen Sprachgebrauch unter landwirtschaftlichen Gebäuden auch Tierhaltungsanlagen verstanden werden. Laut Duden wird unter „Landwirtschaft“ das „planmäßige Betreiben von Ackerbau und Viehhaltung zum Erzeugen von tierischen und pflanzlichen Produkten“ verstanden.
116Dass somit die Entscheidung privater Dritter Auswirkungen auf die bauordnungsrechtliche Beurteilung von Vorhaben hat, ist aufgrund der zu beachtenden Zumutbarkeitsgesichtspunkten hinzunehmen. Zudem stellt auch der vom Bundesverwaltungsgericht angeführte Aspekt der Verfügbarkeit von Grundstücken zu „angemessenen Bedingungen“ auf die Privatautonomie ab.
117bb. Auch in dem Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 36 „Gewerbegebiet E. Straße J. “ steht dem Kläger kein Alternativstandort für das Vorhaben zur Verfügung. In diesem Bereich sind die Flurstücke 22, 113, 125 und 151 noch unbebaut, wobei der Eigentümer des Flurstücks 125 dem Kläger mitgeteilt hat, das Grundstück nicht an diesen zu veräußern. Aufgrund der Gliederung nach den Abstandsklassen wäre das Vorhaben allenfalls auf dem Flurstück 151 und nur als Ausnahme nach der textlichen Festsetzung Nr. 5 lit. a zulässig. Es erscheint fraglich, ob dies als zumutbare Alternative im Innenbereich genügt. Das kann jedoch dahinstehen, da sich auf dem Flurstück 151 (sowie den Flurstücken 22 und 113) bereits ein anderes Vorhaben in Planung befindet.
118cc. In dem Plangebiet Nr. 59 „Gewerbegebiet X. T1. J. “ (D. ) sind ebenfalls keine Alternativstandorte für das Vorhaben des Klägers konkret verfügbar.
119Zwar stehen in diesem Gebiet noch die Flurstücke 139, 143, 148, 149 sowie 154 im Eigentum der Beigeladenen. Jedoch stehen diese Grundstücke – unabhängig davon, dass die Flurstücke 139, 143 sowie 149 bereits aufgrund ihrer Größe nicht als alternatives Vorhabengrundstück in Betracht kommen – dem Kläger nicht tatsächlich zur Verfügung. Denn die Beigeladene hat beschlossen, dem Kläger keines der Gewerbegrundstücke in dem Plangebiet zum Verkauf anzubieten. Dieser Beschluss beruhte auf dem Umstand, dass das Vorhaben nach einer Bewertung anhand der gemeindlichen Vergabekriterien lediglich eine geringe Punktzahl (25 von 100 möglichen Punkten) erreicht hat. Auch ausweislich einer dem Gericht aus dem Parallelverfahren – 2 K 1800/20 – bekannten Stellungnahme der Beigeladenen erreichte ein Hähnchenmastbetrieb in ähnlichem Umfang wie dem des vorliegenden Vorhabens nur eine geringe Punktzahl, weshalb sie an derartige Vorhabenträger keine Gewerbegrundstücke veräußere.
120Dass die Beurteilung oder die zugrundeliegenden Vergabekriterien zu beanstanden sind, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere das Kriterium des Verhältnisses zwischen der für einen Betrieb erforderlichen Fläche und den durch die Ansiedlung des Betriebs neu entstehenden Arbeitsplätzen ist wegen der Knappheit gewerblicher und industrieller Flächen bei der Vergabe städtischer Grundstücksflächen nicht zu beanstanden.
121Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. November 2022 – 10 A 1938/18 –, juris Rn. 136.
122Sofern aufgrund einer solchen – nicht zu beanstandenden – Bewertung der Standortgemeinde ein Alternativstandort im Innenbereich tatsächlich nicht zur Verfügung steht, ist das Vorhaben auf den Außenbereich angewiesen und nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert.
123Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. November 2022 – 10 A 1938/18 –, juris Rn. 136 zu Schweineställen.
1243. Ebenfalls aufzuheben ist der Gebührenbescheid des Beklagten vom 13. Juli 2022. Er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn der Ablehnungsbescheid des Beklagten, für dessen Erstellung die Gebühr angesetzt wurde, ist jedenfalls betreffend die Verneinung der Privilegierung rechtswidrig. Für eine rechtswidrige Amtshandlung können keine Kosten gefordert werden.
125Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juli 2014 - 17 K 4917/13 -, juris Rn. 192; Kalenberg, Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen NRW, 6. Nachlieferung, August 2021, § 1 Rn. 34 m.w.N.