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Zur Geltendmachung eines aus überzahlten Abschlägen auf den Trägern genehmigter Ersatzschulen gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 SchulG zustehenden Landeszuschuss resultierenden Rückzahlungsanspruchs des Landes NRW nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Ersatzschulträgers.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Landes NRW auf Rückzahlung überzahlter Abschläge auf den Trägern genehmigter Ersatzschulen gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 SchulG zustehenden Landeszuschuss ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch.
Als bereicherungsrechtlicher Verschaffungsanspruch vermittelt dieser Rückzahlungsanspruch dem Land NRW kein Aussonderungsrecht i.S.v. § 47 Satz 1 InsO.
Ob es sich bei diesem Rückzahlungsanspruch um eine gem. § 53 InsO vorweg zu berichtigende sonstige Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO handelt, hängt davon ab, ob die Bereicherung dem Schuldnervermögen oder der Masse zugeflossen ist, also vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte seinen Rückzahlungsanspruch i.H.v. € 171.761,24 weder im Wege der Aus- oder Absonderung bezüglich des auf dem bei der VerbundSparkasse F. -P. eingerichteten Treuhandkonto „U 000“ (Konto-Nr. 0000) separierten Betrages (§§ 47-51 InsO) noch als sonstige Masseverbindlichkeit (§§ 53, 55 InsO) außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen kann.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für den Kläger allerdings nur gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Münster (AG Münster) vom 1. Juni 2019 (78 IN 17/19) eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der privaten Handelsschule N. gGmbH (Schuldnerin). Er streitet mit dem Beklagten über die Frage, ob dieser einen zwischen den Beteiligten im Ergebnis unstreitigen Rückzahlungsanspruch im Sinne von § 112 Abs. 6 Satz 3, 1. Alt. SchulG NRW i.H.v. € 171.761,24 im Wege der Aus- oder Absonderung oder als Massegläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens und unabhängig vom Gang der Verteilung (§§ 187 ff. InsO) geltend machen kann.
3Die Schuldnerin betrieb seit dem 00.00.0000 mit der nach § 101 SchulG NRW erforderlichen Genehmigung das private Berufskolleg Handelsschule N2. in S. . Dort konnten verschiedene kaufmännische Abschlüsse erworben werden, von der Fachoberschulreife bis zur allgemeinen Hochschulreife (Wirtschaftsgymnasium). Der Betrieb der Schule wurde nur zu einem geringen Anteil aus Eigenmitteln und maßgeblich durch einen Zuschuss des beklagten Landes im Rahmen der Ersatzschulfinanzierung (§§ 105 ff. SchulG NRW) finanziert. Dazu wurden vom Beklagten zunächst monatliche Abschläge auf den voraussichtlichen Zuschuss an die Schuldnerin gezahlt. Nach Ende des Haushaltsjahres und auf Grundlage der Jahresrechnung der Schuldnerin folgte die Festsetzung der endgültigen Höhe des Landeszuschusses und die daran anknüpfende Spitzabrechnung.
4Ihre wirtschaftliche Entwicklung im Jahr 2018 sowie ein sich abzeichnender Rückgang der Schülerzahlen veranlassten die Schuldnerin, am 11. April 2019 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Hierüber informierte sie die für den Beklagten handelnde Bezirksregierung Münster noch am selben Tage. Bei einer Erörterung der Folgen des Insolvenzantrags zwischen Bezirksregierung Münster und Vertretern der Schuldnerin am 16. April 2019 sagte die Bezirksregierung Münster zu, die Abschlagszahlungen auf den Landeszuschuss solange auszuzahlen, wie der Schulbetrieb fortgeführt werde. Sie teilte mit, dass sich der Abschlag für den Monat Mai 2019 auf Grundlage der Auswertung der jüngst vorgelegten Jahresrechnung für das Jahr 2018 auf € 180.000 belaufen und Ende April ausbezahlt werde. Mit Beschluss des AG Münster vom 24. April 2019 wurde der Kläger zunächst mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens u.a. zu Fragen des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes, der Notwendigkeit von Sicherungsmaßnahmen sowie der Aussichten für eine Fortführung des Betriebs der Schuldnerin beauftragt. Die Buchung des Abschlags für den Monat Mai 2019 wurde durch das automatische Buchungssystem des Landes am 25. April 2019 ausgeführt. In einer Besprechung mit der Bezirksregierung Münster und Vertretern der Schuldnerin am 29. April 2019 vertrat der Kläger die Auffassung, dass der bereits auf dem allgemeinen Geschäftskonto der Schuldnerin gutgeschriebene Mai-Abschlag nicht zur Fortführung des Schulbetriebs – namentlich der Zahlung der Gehälter – verwendet werden müsse. Da er auf dem allgemeinen Geschäftskonto der Schuldnerin eingegangen sei, liege ein Fall der Vermischung von Buchgeld vor, so dass der Beklagte Aus- und Absonderung nicht verlangen könne, sondern das gesamte Bankguthaben auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin freie Masse darstelle und deshalb für die Gesamtheit der Gläubiger zu sichern sei. Dem trat die Bezirksregierung Münster unter Hinweis auf die Zweckgebundenheit der Landeszuschüsse nach § 105 SchulG NRW entgegen. Nachdem keine Einigkeit über die Behandlung des Betrages i.H.v. € 180.000 erzielt werden konnte, schlug der Kläger vor, ihn auf einem Treuhandkonto zu separieren und später zu klären, ob der Beklagte daran insolvenzfeste Rechte geltend machen könne. Um bis dahin Verfügungen über das Bankguthaben vermeiden zu können, regte er mit Schreiben vom 30. April 2019 gegenüber dem AG Münster an, die vorläufige Insolvenzverwaltung anzuordnen und ihn zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt zu bestellen. Dieser Anregung kam das AG Münster mit Beschluss vom 30. April 2019 nach. In seiner Funktion als vorläufiger Insolvenzverwalter schloss der Kläger am 14. Mai 2019 mit dem Ziel der Fortführung des Schulbetriebs bis zum Ende des Schuljahres am 30. Juni 2019 eine Vereinbarung u.a. mit dem Beklagten, mit der dieser sich u.a. verpflichtete (§ 3 Nrn. 1 und 2), für die Monate Mai und Juni zum Zwecke der Fortführung des Schulbetriebs einen Abschlag von (weiteren) € 127.000 bzw. € 235.000 zu leisten und (§ 4 Nr. 1) die Monate Mai und Juni 2019 getrennt und separat von den vorherigen Monaten des Jahres 2019 unter Berücksichtigung der Vorgaben des SchulG NRW abzurechnen. Von der Abrechnung sollten auch solche Auszahlungen erfasst werden, die erst im Juli 2019 oder später erfolgen würden, sofern der Leistungszeitraum Mai und / oder Juni 2019 betroffen wäre. Der Kläger seinerseits verpflichtete sich sowohl zur Errichtung eines separaten Treuhandkontos „Betriebsfortführung“, das ausschließlich zur Fortführung des Schulbetriebes der Schuldnerin ab Mai 2019 dienen sollte (§ 5 Nr. 1), als auch zur Einrichtung eines separaten Treuhandkontos „U2. 000“, auf das er den am 25. April 2019 von dem Beklagten als Abschlagszahlung für den Monat Mai 2019 geleisteten Betrag i.H.v. € 180.000 einzuzahlen hatte (§ 5 Nr. 2). Dieser Betrag sollte dort solange von der Masse separiert verbleiben, „solange nicht abschließend oder rechtskräftig geklärt ist, ob [dem Beklagten] ein Anspruch aus §§ 47-51 InsO bzw. aus § 55 InsO an diesem Betrag zusteht“. Für den Fall, dass bis zum 31. Dezember 2020 keine Klärung herbeigeführt oder über den Anspruch keine Klage erhoben worden sein sollte, sollte der Betrag als Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO gelten und auf das Insolvenzmassekonto umgebucht werden.
5Auf Grundlage der Vereinbarung vom 14. Mai 2019 kehrte der Beklagte die weiteren Abschlagszahlungen für Mai und Juni 2019 aus. Die Abschlagszahlung auf den Landeszuschuss für den Monat Juni 2019 wurde dem Treuhandkonto „Betriebsfortführung“ am 28. Mai 2019 gutgeschrieben. Am 1. Juni 2019 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestimmt. Mit Ablauf des 30. Juni 2019 stellte die Schuldnerin den Schulbetrieb endgültig ein.
6Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 4. Juni 2020 setzte der Beklagte mit Bescheid vom 7. Juli 2020 den Landeszuschuss für Mai und Juni 2019 auf € 314.742,23 fest. Aus der Gegenüberstellung des festgesetzten Landeszuschusses und der geleisteten Abschlagszahlungen ergebe sich ein Rückzahlungsbetrag i.H.v. € 171.059,01. Im Rahmen der weiteren Begründung des Bescheides (Seite 4 Abs. 5) unter der Überschrift „Rückzahlung“ führte der Beklagte aus: „Da sich mein errechneter Rückzahlungsanspruch allein aus der nicht zweckmäßigen Verwendung des Maiabschlages i.H.v. 180.000 € ergibt, ist die Rückzahlung an mich in Höhe von 171.059,01 € aus dem Treuhandkonto „U1. 000“ zu leisten. Nur so kann die Zweckbindung der §§ 105 ff. SchulG NRW von Ihnen erfüllt werden.“ Die gesetzliche Regelung der Zweckbindung in § 105 Abs. 5 Satz 2 SchulG NRW, wonach die Landeszuschüsse zweckgebunden seien und nicht abgetreten oder verpfändet werden dürften, sei vom Gesetzgeber insbesondere für Insolvenzfälle für erforderlich gehalten worden.
7Der Kläger hat am 13. Juli 2020 Klage erhoben.
8Der Beklagte könne die Rückzahlung des auf dem Treuhandkonto „U. 000“ befindlichen Betrages weder aufgrund der §§ 47-51 InsO (Aus- oder Absonderung) noch nach § 55 InsO (sonstige Masseverbindlichkeiten) außerhalb des Insolvenzverfahrens verlangen. Vielmehr verfüge der Beklagte lediglich über einen Anspruch als Forderung im Range des § 38 InsO. Einem Anspruch nach § 55 InsO stehe bereits entgegen, dass die Zahlung der € 180.000 vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt und eine Sonderermächtigung für die Rückzahlung nicht eingeholt worden sei und nach Zahlung auch nicht mehr eingeholt werden könne. Der Beklagte könne auch keinen Anspruch auf Aussonderung nach § 47 InsO geltend machen. Zwar könne nicht nur ein dinglicher, sondern – etwa im Falle von Treuhandverhältnissen – auch ein schuldrechtlicher Anspruch zur Aussonderung berechtigen, wenn der Gegenstand, auf den er sich beziehe, tatsächlich nicht zur Insolvenzmasse gehöre. Allerdings setze ein Recht auf Aussonderung stets voraus, dass sich der auszusondernde Gegenstand bestimmt oder zumindest bestimmbar in der Masse befinde. Eine Aussonderung wegen eines bloßen Geldsummenanspruchs kenne die Rechtsordnung hingegen nicht. Der Beklagte könne danach die Aussonderung der € 180.000 nicht verlangen, weil sie zunächst auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin eingegangen seien, über das sowohl andere Einzahlungen wie etwa vom Förderverein der Schuldnerin als auch Auszahlungen wie zum Beispiel von Lohn und Gehalt sowie von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuerabgaben abgewickelt worden seien. Dadurch sei ein etwaig bestehender Aussonderungsanspruch untergegangen und bestehe nur noch ein schuldrechtlicher Geldsummenanspruch, der keinen Aussonderungsanspruch begründen könne. Daran ändere auch die Zweckgebundenheit des Landeszuschusses nichts. Denn die Abschläge seien in Kenntnis des bereits gestellten Insolvenzantrags ausgezahlt und weder abgetreten noch verpfändet worden. Spätestens mit der Zahlung sei aber jegliche Zweckgebundenheit und Unpfändbarkeit entfallen. Schließlich sei es auch mit der von der InsO bezweckten Gleichordnung der Gläubiger nicht zu vereinbaren, wenn der Beklagte sich mit § 105 Abs. 5 Satz 2 SchulG selbst ein Vorrecht gegenüber anderen Gläubigern einräumen könnte. Daneben komme ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung ebenfalls nicht in Betracht. Ein Anspruch nach § 49 InsO scheide aus, weil es sich bei der Geldsummenschuld nicht um einen unbeweglichen Gegenstand handele. Ein Pfandrecht nach § 50 InsO sei weder vereinbart noch liege es gesetzlich vor. Auch an den Voraussetzungen des § 51 InsO mangele es. Gegen die Möglichkeit einer bevorrechtigten Auskehr der € 180.000 an den Beklagten spreche schließlich auch, dass § 6 Nr. 3 der Vereinbarung vom 14. Mai 2019 für den Fall, dass der Rückforderungsanspruch des Landes höher sei als das Guthaben auf dem zur Betriebsfortführung eingerichteten Treuhandkonto „Betriebsfortführung“, dem Beklagten lediglich erlaube, den überschießenden Betrag als Insolvenzgläubiger im Range des § 38 InsO geltend zu machen.
9Der Kläger hat zunächst – im Schriftsatz vom 10. September 2022 – folgenden Antrag angekündigt:
101. Der Bescheid des beklagten Landes vom 07.07.2020, Az. 000, wird in der Weise abgeändert, dass das beklagte Land keinen Anspruch auf Rückzahlung des auf dem bei der Verbundsparkasse F. -P. eingerichteten Treuhandkonto mit der Konto-Nr. 000 befindlichen Betrages von 171.059,01 EUR hat, sondern ihre Forderung von 171.059,01 EUR lediglich als Insolvenzforderung im Range des § 38 InsO zur Insolvenztabelle anmelden darf.
112. Es wird festgestellt, dass der auf dem bei der Verbundsparkasse F. -P. eingerichteten Treuhandkonto mit der Konto-Nr. 000 befindliche Betrag vollständig der Insolvenzmasse zufließen darf.
12Mit Bescheid vom 1. Februar 2021 änderte der Beklagte den Bescheid vom 7. Juli 2020 ab und setzte den Landeszuschuss auf € 314.379,30 fest. Dies gehe auf die Berücksichtigung weiterer Ausgaben i.S.v. § 7 Nr. 2 der Vereinbarung vom 14. Mai 2019 zurück und führe nunmehr zu einem Rückzahlungsanspruch i.H.v. € 171.761,24. Zugleich zeigte der Kläger mit Schriftsatz vom 15. April 2021 an, dass das Treuhandkonto „U. 000“ aufgrund einer banktechnischen Änderung nunmehr die Kontonummer 000 trägt.
13Nachdem der Kläger den Änderungsbescheid vom 1. Februar 2021 mit Schriftsatz vom 9. Februar 2021 in seine Klage einbezogen hat, beantragt er nunmehr schriftsätzlich:
141. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Juli 2020 in Gestalt des Bescheides vom 1. Februar 2021 wird aufgehoben, soweit ihm darin aufgegeben wird, die Rückzahlung an den Beklagten in Höhe von € 171.761,24 außerhalb des Insolvenzverfahrens und unmittelbar aus dem bei der VerbundSparkasse F. -P. eingerichteten Treuhandkonto „U. 000“ (Konto-Nr. 000) zu leisten.
152. Es wird festgestellt, dass der Beklagte seinen Rückzahlungsanspruch i.H.v. € 171.761,24 weder im Wege der Aus- oder Absonderung bezüglich des auf dem bei der VerbundSparkasse F. -P. eingerichteten Treuhandkonto „U. 000“ (Konto-Nr. 000) separierten Betrages (§§ 47-51 InsO) noch als sonstige Masseverbindlichkeit (§§ 53, 55 InsO) außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen kann.
16Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
17die Klage abzuweisen.
18Die mit dem Bescheid vom 7. Juli 2020 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. Februar 2021 ermittelte Rückzahlungssumme sei aus dem Treuhandkonto „U. 000“ herauszugeben. Der Kläger nehme bei seiner rechtlichen Würdigung allein die insolvenzrechtlichen Aspekte in den Blick, lasse aber die rechtlichen Besonderheiten der Ersatzschulfinanzierung unberücksichtigt. Insoweit sei insbesondere an die Zweckbindung des Landeszuschusses zur Ersatzschulfinanzierung zu denken (vgl. § 105 Abs. 5 Satz 2 SchulG NRW). Gegen diese werde verstoßen, wenn die Rückzahlungssumme i.H.v. € 171.761,24 nicht aus dem Treuhandkonto an ihn ausgekehrt würde, sondern in die Insolvenzmasse flösse. Er habe einen Anspruch auf die Herausgabe der zu Unrecht vom Kläger einbehaltenen Abschlagszahlung für Mai auf Grundlage des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Der Rechtsgrund für diese Abschlagszahlung sei weggefallen, weil der Kläger den Mai-Abschlag einbehalten und nicht zur Aufrechterhaltung des Schulbetriebes verwendet habe. Dem könne der Kläger auch keinen Ausschlussgrund entgegenhalten. Der Betrag liege auf einem separaten Treuhandkonto und könne vom Kläger jederzeit i.H.v. € 171.761,24 herausgegeben werden. Er gehöre auch nicht zur Insolvenzmasse, weil ihm ein Aussonderungsrecht gem. § 47 S. 1 InsO zustehe, das aus dem schon dargelegten Herausgabeanspruch folge. Überdies könne der Mai-Abschlag aufgrund des in § 105 Abs. 5 Satz 2 SchulG NRW normierten Abtretungs- und Verpfändungsverbotes gem. § 36 InsO i.V.m. § 851 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zur Insolvenzmasse i.S.v. § 35 InsO gehören. Im Übrigen habe es zum Zeitpunkt der Buchung des Mai-Abschlages durch den Beklagten am 23. April 2019 weder Sicherungsmaßnahmen gegeben noch sei bereits ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter bestellt gewesen. Der Kläger habe zu diesem Zeitpunkt keine Befugnis gehabt, Gelder der Schulträgerin einzufrieren oder Verfügungsbeschränkungen auszusprechen.
19Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 16. Januar 2023 der in der Einbeziehung des Änderungsbescheids vom 1. Februar 2021 liegenden Klageänderung zugestimmt.
20Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs und der beigezogenen Akten des AG Münster zum Insolvenzverfahren der Schuldnerin Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23A. Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
24B. Die Klage hat nur teilweise Erfolg. Der Klageantrag zu 1. ist bereits unzulässig (I.), der Klageantrag zu 2. hingegen ist zulässig und begründet (II.).
25I. Der Klageantrag zu 1. ist bereits unzulässig.
261. Der Klageantrag zu 1. richtet sich nach der in der Einbeziehung des Änderungsbescheids vom 1. Februar 2021 liegenden Klageänderung nunmehr gegen den Bescheid des Beklagten vom 7. Juli 2020 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. Februar 2021. Diese Klageänderung ist zulässig, weil der Beklagte darin eingewilligt hat (§ 91 Abs. 1 VwGO).
272. Der geänderte Klageantrag zu 1. ist unzulässig. Die erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO) erweist sich bereits als unstatthaft, weil der Kläger nicht die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes i.S.v. § 35 VwVfG begehrt, wenn er verlangt, den Bescheid vom 7. Juli 2020 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. Februar 2021 (nur) insoweit aufzuheben, als ihm darin aufgegeben wird, die Rückzahlung an den Beklagten in Höhe von € 171.761,24 außerhalb des Insolvenzverfahrens und unmittelbar aus dem Treuhandkonto „U. 180“ zu leisten. Denn einen Verwaltungsakt dieses Inhalts enthält der Bescheid vom 7. Juli 2020 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. Februar 2021 nicht. Eine entsprechende Regelung liegt insbesondere nicht in den Ausführungen des Beklagten auf Seite 4 Abs. 5 des Bescheides
28- „Da sich mein errechneter Rückzahlungsanspruch allein aus der nicht zweckmäßigen Verwendung des Maiabschlages i.H.v. 180.000 € ergibt, ist die Rückzahlung an mich in Höhe von 171.059,01 € aus dem Treuhandkonto „U1. 000“ zu leisten. Nur so kann die Zweckbindung der §§ 105 ff. SchulG NRW von Ihnen erfüllt werden.“ -,
29in denen bei Auslegung aus dem maßgeblichen objektivierten Empfängerhorizont
30- vgl. nur BVerwG (stRspr.), Beschluss vom 24. Juli 2018 – 6 B 75.17 –, juris Rn. 8 m.w.N. -
31schon ihrem Wortlaut nach lediglich ein Hinweis auf die aus Sicht des Beklagten bestehende Rechtslage liegt, nicht jedoch eine einseitig verbindliche Regelung, die vom Beklagten beanspruchte Rückzahlung außerhalb des Insolvenzverfahrens und unmittelbar aus dem auf dem Treuhandkonto vorhandenen Guthaben zu leisten. Für dieses Verständnis spricht zudem sowohl der (Binnen-)Aufbau der fraglichen Formulierung
32- der Beklagte schickt die Begründung seiner Rechtsauffassung („Da sich mein errechneter Rückzahlungsanspruch allein aus [...] ergibt,“) der Darlegung seiner Rechtsauffassung („ist die Rückzahlung an mich [...] aus dem Treuhandkonto zu leisten“) voraus, während bei einer regelnden Verfügung üblicherweise ein verfügender Teil der Begründung vorgeht -
33als auch der Umstand, dass sich die Formulierung in dem mit „Begründung“ überschriebenen Teil am Ende des Bescheides vom 7. Juli 2020 befindet, statt
34- wie üblich und vom Beklagten hinsichtlich der eindeutig als Verwaltungsakt zu bewertenden Festsetzung des Landeszuschusses auch im Bescheid vom 7. Juli 2020 praktiziert -
35im verfügenden Teil am Anfang des Bescheides.
36Lediglich ergänzend und ohne dass es für die Auslegung der fraglichen Formulierung im Bescheid vom 7. Juli 2020 darauf ankäme, weist das Gericht darauf hin, dass es dem Beklagten für den Erlass eines Verwaltungsaktes, mit dem dessen Adressaten die Erfüllung eines auf dem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch gründenden Rückzahlungsanspruchs wegen überzahlter Abschläge auf den Landeszuschuss nach § 105 SchulG NRW aus einem bestimmten (Treuhand-)Konto, Barbestand etc. aufgegeben wird, an einer Ermächtigungsgrundlage mangelte.
37II. Der Klageantrag zu 2. ist zulässig und begründet.
381. Dabei geht das Gericht mit Blick auf die Ausführungen in der Klagebegründung und die in § 5 Nr. 2 der Vereinbarung vom 14. Mai 2019 allein zur etwaig gerichtlichen Klärung vorgesehenen Ansprüche davon aus, dass der Kläger nur die Feststellung begehrt, dass der Beklagte seinen Rückzahlungsanspruch i.H.v. € 171.761,24 weder im Wege der Aus- oder Absonderung bezüglich des auf dem Treuhandkonto “U. 000“ separierten Betrages (§§ 47-51 InsO) noch als sonstige Masseverbindlichkeit außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen kann (§§ 53, 55 InsO). Bereits mit dieser Feststellung wird die zwischen den Beteiligten letztlich allein umstrittene Frage abschließend geklärt, ob der Beklagte seinen unstreitigen Rückzahlungsanspruch außerhalb des Insolvenzverfahrens und damit unabhängig vom Gang der Verteilung (vgl. § 187 ff. InsO) geltend machen darf oder nicht.
392. Der so verstandene Klageantrag zu 2. ist zulässig.
40Der Zulässigkeit der statthaften Feststellungsklage steht ihre Subsidiarität gegenüber einer möglichen bzw. möglich gewesenen Rechtsverfolgung durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) nicht entgegen. Denn als etwaiger Aus- / Absonderungspflichtiger bzw. Schuldner einer etwaigen sonstigen Masseverbindlichkeit kann der Kläger eine gerichtliche Klärung der Frage, ob der Beklagte seinen Rückzahlungsanspruch außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen kann, nicht durch Gestaltungs- und Leistungsklage, sondern nur mittels der (negativen) Feststellungsklage erreichen. Mit Blick darauf, dass die Möglichkeit eines Zugriffs auf den separierten Betrag außerhalb des Insolvenzverfahrens ausweislich § 5 Nr. 2 der Vereinbarung vom 14. Mai 2019 zwischen den Beteiligten von Anfang an im Streit stand und sich der Beklagte etwa im Bescheid vom 7. Juli 2020 (Seite 4 Abs. 5) und der Klageerwiderung vom 12. November 2020 (Bl. 59 f. GA) eines entsprechenden Anspruchs berühmt, kommt dem Kläger auch das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse zu.
413. Der zulässige Klageantrag zu 2. ist auch begründet.
42Der Beklagte kann seinen Rückzahlungsanspruch i.H.v. € 171.761,24 weder im Wege der Aus- oder Absonderung bezüglich des auf dem Treuhandkonto “U. 000“ separierten Betrages [a) bis c)] noch als sonstige Masseverbindlichkeit außerhalb des Insolvenzverfahrens [d)] geltend machen.
43a) Der Beklagte kann seinen Rückzahlungsanspruch i.H.v. € 171.761,24 nicht im Wege der Aussonderung nach § 47 InsO bezüglich des auf dem Treuhandkonto „U. 000“ separierten Betrages außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen.
44aa) Nach § 47 Satz 1 InsO ist, wer auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, kein Insolvenzgläubiger. Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands bestimmt sich nach Satz 2 der Vorschrift nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten.
45Die Vorschrift ermöglicht einem Dritten
46- als insolvenzrechtliche Parallele zur Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO in der Einzelzwangsvollstreckung, vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – IX ZR 73/10 –, juris Rn. 24 und Thole, in: Karsten Schmidt, InsO, 29. Auflage 2023, Rn. 4 auch zu den Unterschieden zwischen beiden Rechtsinstituten -
47die Verteidigung (s-)eines massefremden Rechts gegen den Zugriff des Insolvenzverwalters. Dazu weist sie dem auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts an einem Gegenstand aussonderungsberechtigten Dritten die Befugnis zu, das betroffene dingliche oder persönliche Recht außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend zu machen.
48Vgl. Ganter, in: MüKo InsO, 4. Auflage 2019, § 47 Rn. 5 und 6; Thole, in: Karsten Schmidt, InsO, 29. Auflage 2023, Rn. 1 und 5; Uhlenbruck/Brinkmann, InsO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 3.
49Aussonderung kann nur in Bezug auf Gegenstände, also Sachen und Rechte, geltend gemacht werden. Dazu gehören bewegliche wie unbewegliche Sachen sowie Forderungen und sonstige Rechte. Sie muss auf einen konkreten, individuell bestimmten oder bestimmbaren Gegenstand gerichtet sein (Bestimmtheitserfordernis), der vom Insolvenzverwalter rechtlich oder tatsächlich für die Insolvenzmasse beansprucht wird (Massebefangenheit).
50Vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 – IX ZR 120/02 –, juris Rn. 11 m.w.N. und Urteil vom 19. Juni 2008 – IX ZR 84/07 –, juris Rn. 14; Ganter, in: MüKo InsO, 4. Auflage 2019, § 47 Rn. 15, 32 und 35a m.w.N.; Haneke, BeckOK Insolvenzrecht, 28. Edition Stand: 15.07.2022, § 47 Rn. 15 f. m.w.N.; Thole, in: Karsten Schmidt, InsO, 29. Auflage 2023, § 47 Rn. 6 ff.
51Ein Aussonderungsrecht kann sich aus der dinglichen oder persönlichen, also schuldrechtlichen Berechtigung eines Dritten an dem Gegenstand ergeben. Entscheidend ist, dass diese Berechtigung dazu führt, dass der Gegenstand, auf den sie sich bezieht, als massefremd anzusehen ist. Maßgeblich ist insoweit, welchem Vermögen der Gegenstand haftungsrechtlich zuzuordnen ist, d.h. für wessen Verbindlichkeiten der betreffende Gegenstand nach Sinn und Zweck der einschlägigen Regelungen haftet.
52Vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – IX ZR 73/10 –, juris Rn. 19 m.w.N.; Ganter, in: MüKo InsO, 4. Auflage 2019, § 47 Rn. 340; Haneke, in: BeckOK Insolvenzrecht, 28. Edition Stand: 15.07.2022, § 47 Rn. 3a sowie Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 9, wonach Paradigma die vermietete Sache ist, die nicht für die Verbindlichkeiten des Mieters haftet und deshalb vom Vermieter über § 985 oder § 546 BGB ausgesondert werden kann.
53bb) Nach diesen Maßgaben kann der Beklagte seinen Rückzahlungsanspruch i.H.v. € 171.761,24 nicht im Wege der Aussonderung nach § 47 InsO bezüglich des auf dem Treuhandkonto „U. 000“ separierten Betrages außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen, weil es ihm jedenfalls an einem Aussonderungsrecht fehlt.
54(1) Dabei kommt als etwaiges Aussonderungsrecht des Beklagten von vornherein nur (s-)ein Rückzahlungsanspruch in Betracht, der sich aus der Spitzabrechnung der für den Festsetzungszeitraum Mai bis Juni 2019 gezahlten Abschläge mit dem für diesen Zeitraum festgesetzten Landeszuschuss gem. § 112 Abs. 6 Satz 3, 1. Alt. SchulG NRW ergibt (vgl. Seite 1 des Bescheides vom 7. Juli 2010 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. Februar 2021 = Bl. 88 BA Heft 3). Der Beklagte kann hingegen nicht unabhängig davon geltend machen, dass die Schuldnerin die Abschlagszahlung auf den Landeszuschuss für den Monat Mai 2019 nicht zur Aufrechterhaltung des Schulbetriebes verwendet habe, so dass der Rechtsgrund für diese Zahlung entfallen und der Kläger (wohl) i.H.v. € 171.761,24 außerhalb des Insolvenzverfahrens im Wege der Aussonderung herauszugeben habe (vgl. Seite 7 der Klageerwiderung vom 12. November 2019 = Bl. 65 GA). Denn § 112 Abs. 5 und 6 SchulG NRW sehen keinen isolierten Ausgleich für nicht oder zweckwidrig verwendete Abschlagszahlungen innerhalb des jeweils maßgeblichen Festsetzungszeitraums, sondern lediglich einen (Gesamt-)Ausgleich nach Spitzabrechnung des festgesetzten Landeszuschusses mit der Summe aller für den einschlägigen Festsetzungszeitraum geleisteten Abschläge vor. Davon geht der Beklagte in seinem insoweit bestandskräftigen Bescheid vom 7. Juli 2020 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. Februar 2021 auch selbst aus, wenn er den nicht zur Fortführung des Schulbetriebs eingesetzten Mai-Abschlag neben den anderen Abschlagszahlungen und in voller Höhe bei der Berechnung des Rückzahlungsbetrages nach § 112 Abs. 6 Satz 3, 1. Alt. SchulG NRW berücksichtigt (vgl. Seite 3 des Bescheides vom 7. Juli 2020 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. Februar 2021 = Bl. 101 BA Heft 3).
55(2) Die Rückzahlung des sich aus der Spitzabrechnung der für den Festsetzungszeitraum Mai bis Juni 2019 gezahlten Abschläge mit dem für diesen Zeitraum festgesetzten Landeszuschuss ergebenden Überschusses findet mangels spezialgesetzlicher Regelung ihre Rechtsgrundlage im öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch
56- vgl. Jülich/van den Hövel, Schulrechtshandbuch NRW, 82. Erg.Lfg. – Stand 27. Juli 2022, § 112 Rn. 4 f. -,
57und könnte damit allenfalls ein persönliches Recht i.S.v. § 47 Satz 1 InsO begründen. Wie der zivilrechtliche Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB
58- dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen mit denen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs identisch sind, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 22. Februar 2018 – 9 B 6.17 –, juris Rn. 6 m.w.N. -
59vermittelt jedoch auch der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch keine Aussonderungsberechtigung. Denn auch er bringt nicht zum Ausdruck, dass der herausverlangte Gegenstand haftungsrechtlich nicht der Insolvenzmasse, sondern dem Anspruchsteller zuzuordnen ist. Vielmehr ist er im Gegenteil darauf gerichtet, eine rechtsgrundlos zugunsten des Schuldners erfolgte Vermögensverschiebung aus der Masse zu korrigieren. Derartige Verschaffungsansprüche begründen kein Aussonderungsrecht, sondern – abseits der sogleich noch zu prüfenden Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 InsO – nur eine Insolvenzforderung.
60Vgl. zu Bereicherungsansprüchen aus § 812 BGB nur BGH, Teilurteil vom 9. Januar 2018 – XI ZR 17/15 –, juris Rn. 22 = BGHZ 217, 178-199 m.w.N.; Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, 15. Auflage 2019, § 47 Rn. 62; Ganter, in: MüKo InsO, 4. Auflage 2019, § 47 Rn. 347; Haneke, in: BeckOK Insolvenzrecht, 28. Edition Stand: 15.07.2022, § 47 Rn. 116a, jew. m.w.N.
61Entgegen der Auffassung des Beklagten folgt nichts anderes daraus, dass § 105 Abs. 5 Satz 2 SchulG NRW anordnet, dass die Landeszuschüsse zweckgebunden sind und nicht abgetreten oder verpfändet werden dürfen. Losgelöst von allen sonstigen Erwägungen folgt das bereits daraus, dass die Anordnung des § 105 Abs. 5 Satz 2 SchulG NRW sich ausweislich des Wortlauts allein auf „die Landeszuschüsse“ und damit gerade nicht auf den nach der endgültigen Festsetzung des Landeszuschusses ggf. unverzüglich zurückzuzahlenden Überschuss erstreckt, zwischen denen das SchulG NRW etwa in § 112 Abs. 6 SchulG NRW begrifflich klar unterscheidet. Darüber hinaus führt § 105 Abs. 5 Satz 2 SchulG NRW entgegen der Auffassung des Beklagten gerade nicht dazu, dass der Anspruch auf den Landeszuschuss im Falle einer Insolvenz des Ersatzschulträgers nicht Teil der Insolvenzmasse i.S.v. § 35 InsO wird.
62Vgl. dazu die Ausführungen auf Seite 20 Abs. 2 bis Seite 21 Abs. 4 des Urteils vom 22. März 2023 im Verfahren gleichen Rubrums (1 K 2330/19).
63Deshalb könnte der Beklagte selbst dann nichts Günstiges für sich daraus herleiten, wenn man die von § 105 Abs. 5 Satz 2 SchulG NRW getroffenen Anordnungen über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch auf den Rückzahlungsanspruch des Beklagten erstrecken wollte. Schließlich besteht für die von § 105 Abs. 5 Satz 2 SchulG NRW zur Sicherung des Finanzbedarfs des Ersatzschulbetriebs (vgl. § 105 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW) angeordnete Zweckbindung hinsichtlich der zurückzuzahlenden Überschüsse und des Rückzahlungsanspruchs nach endgültiger Festsetzung des Landeszuschusses auch kein Raum mehr. Denn wie sich für Pauschalmittel ausdrücklich aus § 106 Abs. 4 Satz 2 SchulG NRW und im Übrigen daraus ergibt, dass der zweckgemäße bzw. -widrige Mitteleinsatz (nur, vgl. oben) bei der Festsetzung des Landeszuschusses zu berücksichtigen ist (vgl. §§ 112 Abs. 5, 113 SchulG NRW), sind nur solche Mittel zurückzuzahlen, die nicht oder zweckwidrig verbraucht wurden, also im maßgeblichen Festsetzungszeitraum ohnehin nicht mehr zweckgemäß i.S.d. § 105 Abs. 1 und 5 Satz 2 SchulG NRW verwendet werden können. Im Übrigen änderte die Zweckbindung ohnehin nichts an der aus der einschlägigen Rechtsgrundlage – dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch – folgenden haftungsrechtlichen Zuordnung des Rückzahlungsanspruchs zur Insolvenzmasse.
64b) Der Beklagte kann seinen Rückzahlungsanspruch i.H.v. € 171.761,24 auch nicht im Wege der Ersatzaussonderung (§ 48 InsO) außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen. Es ist bereits nichts dafür ersichtlich, dass ein der Aussonderung durch den Beklagten unterliegender Gegenstand vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußert worden ist.
65c) Der Beklagte kann seinen Rückzahlungsanspruch i.H.v. € 171.761,24 auch nicht im Wege der Absonderung (§§ 49 bis 51 InsO) außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen. Er hat nichts dafür vorgetragen und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass dem Beklagten ein für die abgesonderte Befriedigung nach den §§ 49 bis 51 InsO vorausgesetztes
66- aber nicht dort, sondern im materiellen Recht geregeltes, vgl. Thole, in: Karsten Schmidt, InsO, 29. Auflage 2023, § 49 Rn. 1 sowie die Aufzählung der Absonderungsrechte bei Ganter, in: MüKo InsO, 4. Auflage 2019, Vorbemerkungen vor §§ 49 bis 52 Rn. 16 -
67Absonderungsrecht an einem zur Masse gehörenden Gegenstand i.S.d. §§ 49 bis 51 InsO zusteht.
68d) Schließlich kann der Beklagte seinen Rückzahlungsanspruch i.H.v. € 171.761,24 auch nicht als sonstige Masseverbindlichkeit außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen (§§ 53, 55 InsO).
69Zwar sind nach § 53 InsO aus der Insolvenzmasse die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg zu berichtigen, so dass der Massegläubiger bei vorhandener Masse vor den Insolvenzgläubigern und in diesem Sinne außerhalb des Insolvenzverfahrens befriedigt wird („Vorwegbefriedigung“).
70Vgl. Hefermehl, in: MüKo InsO, 4. Auflage 2019, § 53 Rn. 1; Thole, in: Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 20. Auflage 2023, § 53 Rn. 7 und § 55 Rn. 1.
71Der vom Beklagten geltend gemachte Rückzahlungsanspruch betrifft jedoch offensichtlich keine Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) und stellt außerdem auch keine sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) dar. Weil der Rückzahlungsanspruch seine Grundlage im öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch findet, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen mit denen des zivilrechtliche Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB identisch sind
72- vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 22. Februar 2018 – 9 B 6.17 –, juris Rn. 6 m.w.N. -,
73käme zwar grundsätzlich seine Einordnung als Verbindlichkeit aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO) in Betracht. Allerdings setzt ein Massebereicherungsanspruch nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO eine Bereicherung gerade der „Masse“ voraus, so dass die Vermögensmehrung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Leistung oder auf andere Weise ohne rechtlichen Grund eingetreten sein muss. Für die Abgrenzung zur Insolvenzforderung ist deshalb maßgeblich, ob der Eintritt der Bereicherung zeitlich vor oder erst nach Insolvenzeröffnung erfolgt, d.h. ob die Bereicherung dem Schuldnervermögen oder der Masse zugeflossen ist. Entscheidend ist für das Entstehen eines Massebereicherungsanspruchs in zeitlicher Hinsicht deshalb der Zufluss des Vorteils nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ob der Rechtsgrund erst nach oder mit Eröffnung wegfällt, ist dann unerheblich.
74Vgl. nur BGH, Urteile vom 29. Januar 2015 – IX ZR 258/12 –, juris Rn. 16 = BGHZ 204, 74-83, 13. Januar 2011 – IX ZR 233/09 –, juris Rn. 11 f. und vom 20. September 2007 – IX ZR 91/06 –, juris Rn. 8 jew. m.w.N.; Hefermehl, in: MüKo InsO, 4. Auflage 2019, § 53 Rn. 1; Thole, in: Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 20. Auflage 2023, § 55 Rn. 37.
75Der Vermögenszufluss in Gestalt der Abschlagszahlungen für Mai und Juni 2019 fand jedoch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Juni 2019 statt. Die letzte Abschlagzahlung für den Juni 2019 wurde bereits am 28. Mai 2019 auf dem vom Kläger entsprechend § 5 Nr. 1 der Vereinbarung vom 14. Mai 2019 bei der VerbundSparkasse F. -P. eingerichteten Treuhandkonto „Betriebsfortführung“ gutgeschrieben (vgl. Bl. 29 BA Heft 3). Zu Vermögensverschiebungen zugunsten der Masse ist es nach der Verfahrenseröffnung nicht gekommen.
76Auch § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO verleiht dem Rückzahlungsanspruch des Beklagten nicht die Qualität einer Masseverbindlichkeit. Zwar gelten nach dieser Vorschrift Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Allerdings bezieht sich diese Erweiterung des Kreises der Masseverbindlichkeiten nach dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 InsO nur auf solche Verbindlichkeiten aus der Zeit des Eröffnungsverfahrens, die von dem vorläufigen Insolvenzverwalter „begründet“ worden sind oder auf einem Dauerschuldverhältnis beruhen, im Rahmen dessen der vorläufige Verwalter eine Leistung in Anspruch genommen hat. Die Vorschrift stellt damit erkennbar nur auf die von § 55 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 InsO erfassten Fälle ab, während der Bereicherungsanspruch nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO gerade nicht erwähnt wird. Als spezielle Vorschrift mit dem Zweck, Unternehmensfortführungen zu erleichtern, muss § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO eng ausgelegt werden. Unabhängig von den weiteren Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 InsO können deshalb während des Eröffnungsverfahrens beim Schuldner eingetretene ungerechtfertigte Bereicherungen im nachfolgenden Insolvenzverfahren nicht als Masseverbindlichkeit gelten.
77Vgl. Hefermehl, in: MüKo InsO, 4. Auflage 2019, § 55 Rn. 212 sowie Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, 15. Auflage 2019, § 55 Rn. 85 ff., jew. m.w.N. auch zur Gegenansicht; offengelassen von BGH, Urteil vom 29. Januar 2015 – IX ZR 258/12 – juris Rn. 20.
78C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 1 ZPO.