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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des beitreibaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
2Die Kläger wenden sich als Nachbarn gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage.
3Sie sind Eigentümer des Grundstückes Gemarkung N. Flur 00 Flurstück 000 (W.----straße 00, 00 in N. ), welches mit einem Einfamilienhaus und Einliegerwohnung und Garage bebaut ist. An ihr Grundstück grenzt in südwestlicher Richtung das Grundstück der Beigeladenen Gemarkung N. Flur 00 Flurstück 000 (W.----straße 00) an. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 000 „W.----straße /X.------straße /P. -Ring/T. Straße“ der Beklagten, der seit dem 9. Juli 1993 rechtwirksam ist. Der Bebauungsplan setzt in diesem Bereich ein reines Wohngebiet fest. Das zulässige Maß der baulichen Nutzung wird durch eine Grundflächenzahl (GRZ) von 0,3 und einer Geschoßflächenzahl (GFZ) von 0,5 bei einer zulässigen eingeschossigen Bauweise bestimmt. Ferner bestimmt der Bebauungsplan tlw. die Firstrichtung des Daches von Norden nach Süden. Hinsichtlich der einzelnen Belegenheiten wird auf die nachfolgenden Kartenausschnitte aus dem Bebauungsplan Nr. und aus dem Liegenschaftskataster der Beklagten verwiesen:
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Unter dem 1. April 2019 wandten sich die Beigeladenen mit einem Bauantrag an die Beklagte zwecks Errichtung des Neubaus eines Einfamilienhauses auf dem Flurstück 000. Nach den eingereichten Bauvorlagen soll das Neubauvorhaben ähnlich dem vorhandenen Gebäude in einer L-Form auf dem Grundstück angeordnet werden. An der südwestlichen Grundstücksgrenze soll auf einem Werkraum im Untergeschoss eine Garage gebaut werden. Die hintere Baugrenze soll mit einem Maß von 3,5 m auf einer Länge von 7,45 m im Erdgeschoss und im Obergeschoss auf einer Länge von 8 m überschritten werden. Dies führt zu einer Überschreitung der GFZ von 0,02. Der First soll diagonal von Nordwesten nach Südosten verlaufen.
6Mit Baugenehmigung vom 2. Oktober 2019 erteilte die Beklagte den Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses und Garage auf dem Grundstück W.----straße 00. Gleichzeitig erteilte die Beklagte den Beigeladenen eine Befreiung und Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 000 hinsichtlich der Baugrenze und der für das Dach festgesetzten Firstrichtung.
7Hiergegen haben die Kläger unter dem 25. Oktober 2019 die vorliegende Klage erhoben.
8Den am 26. März 2020 gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage lehnte das erkennende Gericht durch Beschluss vom 9. Juli 2020 – 2 L 299/20 – als unbegründet ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) durch Beschluss vom 30. März 2021 – 7 B 1132/20) zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe in den Beschlüssen verwiesen.
9Im weiteren Verlauf der verwaltungsgerichtlichen Verfahren haben die Beigeladenen ergänzende Bauvorlagen eingereicht, mit der eine fehlerhafte Berechnung der Geschossflächenzahl durch Veränderungen der Grundfläche des Erdgeschosses, des Dachgeschosses und des Kellergeschosses auf nunmehr 0,49 korrigiert wurde. Ein erforderlicher 2. Stellplatz wurde an die nördliche Grundstücksgrenze verlegt. Diese Änderungen genehmigte die Beklagte durch Baugenehmigung vom 15. September 2020 und stellte bei Einhaltung der GRZ und der GFZ die Eingeschossigkeit des Bauvorhabens fest. Mit Nachtragsgenehmigung vom 17./18. März 2021 genehmigte die Beklagte den Beigeladenen einen geänderten konstruktiven Wandaufbau für die südlich zum Flurstück 000 grenzständig errichtete Garage. Durch eine Aufkantung für das geplante Gründach der Grenzgarage ergab sich eine Erhöhung der mittleren Wandhöhe auf 3,00 m. Diese geänderte Bauausführung genehmigte die Beklagte durch Baugenehmigung vom 28. September 2021.
10Zur Begründung ihrer Klage führen die Kläger aus: Soweit die Gerichte in Drittbeteiligungsfällen im Baurecht eine Verletzung subjektiver Nachbarrechte in den Vordergrund stellten, gebe es Konstellationen, die Anlass böten, mit einer objektiven Prüfung zu beginnen. In ihrem Fall sei zunächst die objektive Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung zu prüfen, weil diese offensichtlich rechtswidrig sei und nicht durch eine fachaufsichtliche Kontrolle behoben worden sei. Hierzu sei aber das erkennende Gericht in der Lage. Anderenfalls entstünde in der rechtsstaatlichen Umsetzung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung eine verfassungsrechtliche Lücke, die mit dem Rechtsprechungsauftrag der dritten Gewalt unvereinbar sei. Die erteilte Befreiung von der hinteren Baugrenze sei objektiv rechtswidrig. Dies habe die Aufsichtsbehörde in der von ihnen initiierten Fachaufsichtsbeschwerde verkannt. Das Gericht sei berufen, einer partiellen Sanktionslosigkeit der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auch im Rahmen des subjektiven Rechtsschutzes zu begegnen. Vorliegend drohe „eine Bindungslosigkeit des Gesetzes“, „weil durch den fachaufsichtlichen Bescheid feststeht, dass die objektiv rechtswidrige Baugenehmigung nicht mehr beanstandet wird,“ wenn sie vom Gericht nicht aufgehoben werde.
11Die Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche und der Firstrichtung dienten auch ihrem Schutz, so dass bei einer Abweichung von einer nachbarschützenden Festsetzung ein Abwehranspruch bestehe. Durch die genannten Festsetzungen habe der Charakter eines Einfamilienhausgebietes sichergestellt werden sollen. Eine übermäßige Bebauung habe verhindert werden sollen und der Plangeber habe in Bezug auf die rückwärtigen Flächen die Betroffenen in ein wechselseitiges Austauschverhältnis gesetzt. Dies gelte auch für die Ausrichtung des Dachfirstes. Ziel sei es gewesen, den Gesamteindruck des Gebietes entlang der W.----straße zu wahren, wodurch die Planbetroffenen in ein nachbarliches Austauschverhältnis eingebunden würden. Die Befreiungen berührten auch die Grundzüge der Planung. Auch die Abweichung von der überbaubaren Grundstücksfläche entspreche nicht der drittschützenden Zulassung einer maßvollen baulichen Verdichtung. Bei der Würdigung seien die nachbarlichen Interessen im Rahmen der Ermessensausübung nicht fehlerfrei erfolgt. Ihre Einwendungen gegen die Planung seien nicht Teil der Ermessensausübung geworden, so dass von einem Ermessensausfall auszugehen sei. Die Abweichung von der vorgesehenen Firstrichtung führe zu einem überproportional hohem Dach, was einen Verschattungseffekt ihres Grundstückes bedinge, der durch die Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze verstärkt werde. Es sei auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes gegeben.
12Die Kläger beantragen,
13die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 2. Oktober 2019 in der Gestalt ihrer Nachtragsbaugenehmigungen vom 15. September 2020, vom 17./18. März 2021 und vom 28. September 2021 zur Errichtung eines Einfamilienhauses und Garage auf dem Grundstück Gemarkung N. Flur 00 Flurstück 000 (W.----straße 00 in N. ) sowie den Befreiungs- und Ausnahmebescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2019 aufzuheben.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie tritt den Ausführungen der Kläger wie folgt entgegen: Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungs- oder des Bauordnungsrechtes seien nicht gegeben. Zwar werde mit dem L-förmigen Baukörper die im Bebauungsplan festgesetzte hintere Baugrenze überschritten, doch sei für diese Überschreitung eine Befreiung erteilt worden. Die teilweise Befreiung sei städtebaulich vertretbar und berühre nicht die Grundzüge der Planung. Die Überschreitung in einer Tiefe von 3,50 m sei gerechtfertigt, da ein durch Baulast abgesicherter Verzicht für eine vergleichbar große Fläche im überbaubaren Bereich erklärt worden sei. Mit der Genehmigung des Bauvorhabens bleibe der Charakter des Wohngebietes als Einfamilienhausgebiet sichergestellt. Auch die Befreiung von der Firstrichtung berühre nicht die Grundzüge der Planung. Die diagonale Ausrichtung des Firstes mit straßenseitig ansteigender Traufe in nördlicher Richtung sei aufgrund der in der Umgebung vorzufindenden heterogenen Höhenausformungen städtebaulich vertretbar. Im Übrigen sei der Bebauungsplan diesbezüglich nicht hinreichend deutlich. Zudem beträfen die Befreiungen keine Festsetzungen, die dem Nachbarschutz, insbesondere dem der Kläger dienten. Eine aus ortsgestalterischen bzw. städtebaulichen Gründen festgesetzte Firstrichtung diene nicht dem Schutz von Nachbarn. Das Bauvorhaben der Beigeladenen sei auch nicht gegenüber den Klägern rücksichtslos. Eine erdrückende Wirkung komme dem Bauvorhaben gegenüber dem Grundstück der Kläger nicht zu. Unzumutbare Belichtungs- oder Belüftungsverhältnisse würden durch das Bauvorhaben ebenso wenig geschaffen. Die bauordnungsrechtlichen Abstandflächen zum Grundstück der Kläger würden eingehalten. Soweit die Kläger einen Ermessensausfall bei der Würdigung ihrer nachbarlichen Interessen rügten, werde verkannt, dass ihre Einwendungen bei der Prüfung der Bauanträge einbezogen worden seien. Eine Würdigung ihrer Interessen sei – ebenso wie die anderer Anwohner – berücksichtigt worden, nur nicht in der Bauakte gesammelt worden.
17Die Beigeladenen, die keinen Sachantrag stellen, lassen sich wie folgt ein:
18Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften liege nicht vor. Die im Bebauungsplan festgesetzte Baugrenze entfalte keine nachbarschützende Wirkung. Eine Firstrichtung sei nach dem Bebauungsplan nur für einige Grundstücke vorgesehen, nicht aber für ihr Grundstück. Ein Konflikt mit dem Bebauungsplan bestehe nicht. Die Geschossflächenzahl von 0,5 werde durch das Bauvorhaben unterschritten. Soweit die Kläger eine „Mauerwirkung“ befürchteten, sei die Anordnung des Gebäudes und die gewählte Firstrichtung gerade mit Rücksicht auf die Bebauung der Kläger erfolgt. So neige sich die Fassade zum Grundstück der Kläger, die in die Grundstückstiefe kleiner und flacher werde. Der horizontal verlaufende First entferne sich durch die gewählte Geometrie von der Fassade des Gebäudes der Kläger. Entlang der Fassade im Bereich der Baufeldüberschreitung befänden sich keine Fenster, so dass Einblicke rücksichtsvoll vermieden würden. Soweit sich die Kläger gegen eine unzumutbare Verschattung wendeten, weiche diese von einer bebauungsplankonformen Bauweise nur in geringem Umfang ab. Die geringfügige Abweichung sei hinnehmbar. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege deshalb auch nicht vor.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
21Die Klage gegen die Baugenehmigung der Beklagten betreffend die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage auf dem Grundstück der Beigeladenen W.----straße 00 in N. ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
22Die Kläger werden durch die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 2. Oktober 2019 in der Gestalt der Nachtragsbaugenehmigungen vom 15. September 2020 und vom 28. September 2020 nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
23Im Rahmen einer Drittanfechtungsklage kommt dem Gericht nur ein begrenzter Prüfungsmaßstab zu. Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung haben Nachbarn wie die Kläger nicht schon dann, wenn der Bauvorbescheid objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung darüber hinaus voraus, dass der Nachbar durch die Baugenehmigung zugleich in eigenen (Nachbar-)Rechten, d.h. in einem Recht, welches zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24Vgl. nur BVerwG, Urt. v. 15. Februar 1990 – 4 C 39/86 -, juris Rn. 13, 15; Urt. v. 6. Oktober 1989 - 4 C 14/87 -, BVerwGE 82, 343; Beschl. v. 16. August 1983 – 4 B 94.83 -, BRS 40 Nr. 190 = juris Rn. 3; Urt. v. 23. August 1974 – 4 C 29.73 -, BVerwGE 47,19 (21 ff.)..
25Soweit die Kläger allerdings diese seit Jahrzehnten bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung, auf die sowohl das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen als auch das erkennende Gericht in seinen Eilentscheidungen Bezug genommen hat, in Frage stellen und eine vorherige (objektive) Rechtmäßigkeitsprüfung der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung in der Fassung ihrer Nachtragsbaugenehmigungen aus Gründen einer aus ihrer Sicht bestehenden Lücke im System der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) reklamieren, verkennen sie ausgehend vom Kontrollmaßstab des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden subjektiven Rechtschutz.
26Nach diesem Kontrollmaßstab genügt es nicht, dass ein mit der Klage angegriffener Baubescheid sich als objektiv rechtswidrig erweist; die Kläger müssen vielmehr durch diese Rechtswidrigkeit auch in ihren subjektiven Rechten verletzt sein. Es entspricht daher einer praktischen und lebensnahen gerichtlichen Vorgehensweise, dass die Frage des nachbarschützenden Charakters einer Norm der objektiven Rechtsprüfung vorangestellt wird. Denn wird diese Frage verneint, erübrigen sich weitere Fragestellungen; der Rechtsbehelf kann nur erfolglos bleiben.
27Vgl. dazu Schulte Beerbühl, Öffentliches Baunachbarrecht, 2017, S. Rn. 43; Bamberger, in: Wysk (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 11.
28„Normative Regelungen, die Rechte des Nachbarn nicht tangieren, sind für die gerichtliche Prüfung im Nachbarprozess uninteressant, mögen sie auch noch so eklatant verletzt sein. Diese Grundsätze des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes sollen eine sog. ‚Popularklage‘ verhindern. Es soll nicht gleichsam jedermann einen hoheitlichen Akt angreifen und zur gerichtlichen Überprüfung stellen können, auch wenn ihn dieser hoheitliche Akt im Grunde nichts angeht. Im Nachbarprozess kreist die Frage daher immer wieder darum, ob einer bestimmten Norm – generell oder nur für bestimmte Betroffene – nachbarschützender Charakter zukommt, so dass sich die solchermaßen Begünstigten auf eine Verletzung dieser Norm berufen und das angegriffene Vorhaben abwehren können.“
29So Kuschnerus/Bischopink/Arnold, Das zulässige Bauvorhaben, 7. Aufl., 2016, Rn. 141.
30Eine solche Verletzung drittschützender Normen, bei denen es sich mit Blick auf den Regelungsinhalt der streitgegenständlichen Baugenehmigung allein um solche materiellen Rechte des Bauplanungsrechts handeln kann, liegt nicht vor.
31Wie bereits vom erkennenden Gericht in seinem Beschluss vom 9. Juli 2020 – 2 L 299/20 – festgestellt und durch Beschluss des OVG NRW vom 30. März 2021 – 7 B 1132/20 – bestätigt wurde, begründen weder die Festsetzungen einer hinteren Baugrenze in einem Bebauungsplan noch die Festsetzungen einer bestimmten Firstrichtung einen nachbarschützenden Charakter. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die beiden Beschlüsse verwiesen, an denen der Einzelrichter – nach nicht nur summarischer Prüfung – festhält.
32Soweit die Kläger zur Untermauerung ihrer Rechsauffassung die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts heranziehen, wonach es bei der Frage, ob Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch dem Schutz von Nachbarn zu dienen bestimmt sind, vom Willen der Gemeinde als Plangeber abhängt,
33vgl. BVerwG, Urt. v. 9. August 2018 – 4 C 7/17 –, juris,
34verhilft ihnen diese Rechtsprechung auch nicht zu Erfolg.
35„Der Umstand, dass ein Plangeber die Rechtsfolge einer nachbarschützenden Wirkung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung zum Zeitpunkt der Planaufstellung nicht in seinen Willen aufgenommen hatte, verbietet es nicht, die Festsetzungen nachträglich subjektiv-rechtlich aufzuladen. Es entspricht allgemeiner Rechtsüberzeugung, dass das öffentliche Baurecht nicht in dem Sinne statisch aufzufassen ist, dass es einer drittschutzbezogenen Auslegung unzugänglich wäre. Baurechtlicher Nachbarschutz ist das Ergebnis einer richterrechtlichen Rechtsfortbildung, welche hierbei von einer Auslegung der dafür offenen Vorschriften ausgeht.“
36So BVerwG, a.a.O., juris Rn. 16.
37„Ob der Plangeber eine Maßfestsetzung auch zum Schutze des Nachbarn trifft oder ausschließlich objektiv-rechtlich ausgestaltet, darf er regelmäßig selbst und ohne Bindung an das Eigentumsrecht des Nachbarn entscheiden:“
38So BVerwG, a.a.O., juris Rn. 17.
39Die Entscheidung des BVerwG ist im Kontext des entschiedenen Einzelfalles zu sehen, der von dem vorliegenden streitgegenständlichen Fall deutlich abweicht. „Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 ff. BauNVO) sind grundsätzlich nicht kraft Bundesrechts nachbarschützend. Die im Vergleich mit den Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung unterschiedliche Behandlung begründet das BVerwG damit, dass Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung in aller Regel den Gebietscharakter unberührt lassen und lediglich Auswirkungen auf das Baugrundstück und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke haben. Nur dann, wenn – ausnahmsweise – die Größe einer baulichen Anlage auch die Art der baulichen Nutzung erfasst, also „Quantität in Qualität“ umschlägt, wird Nachbarschutz durch Bundesrecht vermittelt. Ansonsten hängt es vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab, ob Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung drittschützend sind.“
40So Gatz, Anmerkung zum BVerwG v. 9.08.2018, 4 –c 7/17, in: jM 2019,30
41Das Bauvorhaben der Beigeladenen geht aber in seiner Quantität – anders als das der Entscheidung des BVerwG zugrundeliegende Vorhaben -, also was die Geschossigkeit und Höhe des genehmigten Einfamilienhauses angeht, nicht über die Höhe der Nachbarbebauung hinaus. Wie sich aus den Bauakten der Beklagten ergibt, liegt die Oberkante des Firstes bei dem Neubauvorhaben der Beigeladenen bei 8,05 m (Beiakte – Heft 2 – S. 5), während die des Gebäudes der Kläger bei 8,00 m (Beiakte – Heft 4 -, S. 82) liegt. Soweit das Neubauvorhaben die hintere Baugrenze überschreitet, wird angesichts der Größe des Grundstücks, auch im Verhältnis zu den Nachbargrundstücken, ebenfalls keine Größenüberschreitung vorgenommen, die im Verhältnis zu den Umgebungsgrundstücken eine andere Qualität erhält. Vielmehr ist es so, dass das vom Bebauungsplan festgesetzte Baufeld der Kläger im nördlichen Bereich des Plangebietes einen Versprung nach Osten vorsieht, auch wenn dort die Bestandsbebauung aufgenommen wird. Im südlichen Bereich des Baugebietes überschreitet eine Nebenanlage ebenfalls das Baufeld. Angesichts dieser Umstände kann nicht angenommen werden, dass die Festsetzungen des Maßes baulicher Nutzung im Bebauungsplan Nr. 000 durch die Rechtsprechung „nachträglich subjektiv-rechtlich aufzuladen“ sind. Abgesehen davon, dass dem Plangeber zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Bebauungsplans Nr. 000 der nachbarliche Drittschutz bekannt war, sehen die getroffenen Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung nach der Konzeption des Plangebers kein wechselseitiges, die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbindendes Austauschverhältnis vor, da die Art der baulichen Nutzung in diesem Baugebiet durch diese Festsetzungen des Maßes baulicher Nutzung unberührt bleibt. Letzteren kommt deshalb nach ihrem objektiven Gehalt keine Schutzfunktion zugunsten der benachbarten Grundstückseigentümer zu, so dass die Kläger die Maßfestsetzungen nicht aus einer (objektiven) eigenen Rechtsposition im Klagewege geltend machen können.
42Die Kläger haben auch nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass der Plangeber die Festsetzung der GRZ und der GFZ sowie der „Firstrichtung, Stellung der baulichen Anlage“ im Bebauungsplan gerade aus Gründen des Schutzes der Nachbarn erlassen hat, zumal der Bebauungsplan für das Flurstück 752 keinen Richtungspfeil festsetzt. Weder den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans noch der Begründung desselben sind Anhaltspunkte zu entnehmen, dass neben einer allgemeinen städtebaulichen Ordnungsfunktion von dem Plangeber nachbarschützende Funktionen mit der Richtungsanzeige der Stellung der baulichen Anlagen intendiert waren. Eines solchen Willens hätte es aber auch nach der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedurft.
43Soweit die Beklagte die Beigeladenen als Bauherren von der Einhaltung der Festsetzung der hinteren Baugrenze und der Einhaltung der Firstrichtung befreit hat, liegt ein Verstoß gegen § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB ebenfalls nicht vor.
44Erteilt eine Bauaufsichtsbehörde, wie hier die Beklagte, bei der Vorhabenzulassung auf der Grundlage des § 31 Abs. 2 BauGB Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans, so ist einklagbarer Nachbarschutz nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Es muss ein spezifischer Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn die Behörde das Vorhaben rechtswidrig von solchen Festsetzungen des Bebauungsplans befreit hat, die nachbarschützend sind.
45Aber auch dann, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans vornimmt, kommt einklagbarer Nachbarschutz in Betracht. Eine derartige Abweichung vom Bebauungsplan setzt nämlich nach § 31 Abs. 2 BauGB voraus, dass sie "auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen" mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Das auf diese Weise zugelassene Vorhaben darf sich nicht gegenüber der Nachbarbebauung als "rücksichtslos" erweisen. Auf die Baunachbarklage hin ist insoweit gerichtlich zu überprüfen, ob die Behörde mit der Vorhabenzulassung unter Befreiung nicht nachbarschützender Vorschriften gegen das (nachbarschützende) Gebot der Rücksichtnahme verstoßen hat.
46Vgl. BVerwG, Urt. v. 6. Oktober 1989 – 4 C 14/17 -, juris Rn. 13, 14.
47Zunächst ist festzuhalten, dass die hier erteilten Befreiungen keine nachbarschützenden Festsetzungen betreffen. Die für das Vorhabengrundstück geltenden Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 000 hinsichtlich Baugrenzen, Firstrichtung, von denen die Beklagte mit Blick auf die diagonale Ausrichtung befreit hat, sind Ausdruck einer vom Plangeber geschaffenen städtebaulichen Ordnung, die allein öffentlichen Belangen dient. Die Kläger können die behördliche Einhaltung dieser Festsetzungen mangels Nachbarschutzes in aller Regel und so auch hier nicht zur gerichtlichen Überprüfung stellen.
48Dabei übersieht das Gericht nicht, dass eine Kommune den Inhalt ihrer Bebauungspläne auch in der Weise erlassen kann, dass sie den damit getroffenen Festsetzungen über die städtebauliche Ordnung im Einzelfall nachbarschützenden Charakter verleiht. Das ist hier aber – wie ausgeführt - nicht geschehen. Den Festsetzungen über die Baugrenzen und der Stellung des Baukörpers im Bebauungsplan Nr. 000 kommt kein nachbarschützender Charakter zu.
49Soweit die Kläger einen Verstoß des Befreiungbescheides der Beklagten gegen das Rücksichtnahmegebot aus der Kumulation der Befreiung von den v.g. Festsetzungen herleiten wollen, ist nicht dargelegt, warum die Kläger in unzumutbarer Weise verletzt sein sollten. Nach dem Lageplan in den Bauvorlagen, die Gegenstand der Baugenehmigung sind, tritt das Bauvorhaben zwar im nördlichen Bereich des Baugrundstückes mit 3,50 m über die hintere Baugrenze hervor. Dass hierdurch das Grundstück der Klägerin unzumutbar belichtet oder belüftet würde, ist nicht ersichtlich. Soweit die Kläger durch die diagonale Ausrichtung des Firstes und die pultförmige Anordnung des Daches eines unzumutbare Verschattung ihres Grundstückes besorgen, welche sie mit einer Schattensimulation ihres Architekten belegen wollen, begründet dies keinen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen geht die Simulation von einer anderen Höhe des Firstes als der durch die Beklagte genehmigte Firsthöhe für das Bauvorhaben aus. Zum anderen ergibt sich aus der Schattensimulation bei Überschreitung des Baufeldes an 3 unterschiedlichen Tagen im Jahr, dass allenfalls in der Winterzeit, wenn die Sonne ohnehin tief steht, der Garten der Kläger in den Nachmittagsstunden im Schatten liegt. Im Frühjahr und im Sommer ist die Verschattung durch das Bauvorhaben im Rahmen des Zumutbaren. Denn in dicht besiedelten und dicht bebauten innerörtlichen Bereichen - wie hier - muss damit gerechnet werden, dass Nachbargrundstücke innerhalb des durch das Bauplanungsrecht und das Bauordnungsrecht (mit seinen Abstandsflächen) vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es durch eine Bebauung zu einer Verschattung des eigenen Grundstücks kommt. Dass die Abstandflächen zu ihrem Grundstück und damit die baurechtlichen Voraussetzungen, die für eine angemessene und zumutbare Belichtung und Belüftung der Nachbarbebauung Rechnung tragen sollen, nicht eingehalten werden, machen die Kläger nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.
50Auch das OVG NRW hat in seiner Beschwerdeentscheidung keinen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot erkannt. Insoweit nimmt der Einzelrichter wiederum Bezug auf die Gründe der vorgenannten Beschlüsse, die– nach nicht nur summarischer Prüfung – auch im Hinblick auf das Vorbringen der Kläger in der mündlichen Verhandlung fortgelten.