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Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Ausstellung eines Personalausweises mit einem Lichtbild, das die Person mit einer Kopfbedeckung zeigt
Ein Personalausweis enthält nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 PAuswG als sichtbar aufgebrachte Angabe über den Ausweisinhaber unter anderem ein Lichtbild. Dieses Lichtbild muss die Person gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 PAuswV ohne Kopfbedeckung zeigen. Nach § 7 Abs. 3 Satz 4 PAuswV kann die Personalausweisbehörde von dem Verbot der Kopfbedeckung aus religiösen Gründen Ausnahmen zulassen. Dies setzt voraus, dass die antragstellende Person darlegt, dass sie das Tragen einer Kopfbedeckung als für sich verbindlich von den Regeln ihrer Religion vorgegeben betrachtet und sie im Falle der Erstellung bzw. Verwendung eines Lichtbilds, das sie ohne Kopfbedeckung zeigt, in einen glaubensbedingten Gewissenskonflikt geriete. Die pauschale Angabe, muslimischen Glaubens zu sein, genügt hierfür nicht. Die Vorlage einer Bestätigung der jeweiligen Religionsgemeinschaft über die Zugehörigkeit der antragstellenden Person ist zur Darlegung religiöser Gründe im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 4 PAuswV weder notwendig noch hinreichend.
Ein Anspruch auf Ausstellung eines Personalausweises mit einem Lichtbild, das die Person mit einer Kopfbedeckung zeigt, kann nicht originär aus der Gewährleistung der Glaubensfreiheit in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG hergeleitet werden.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
1 L 819/22
2In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
3w e g e n Ausstellung eines Personalausweises mit einem Lichtbild, das die Person mit einer Kopfbedeckung zeigt
4hier: Prozesskostenhilfe für einen beabsichtigten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
5hat Richter am Verwaltungsgericht Dr. Jünemann
6am 10. November 2022
7beschlossen:
8Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
9G r ü n d e
10Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist abzulehnen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor, weil jedenfalls die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Absatz 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
11Die Prüfung der Erfolgsaussicht dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz, indem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss. Dies bedeutet zugleich, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist.
12Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2014 - 1 BvR 1671/13 -, NJW 2014, 1291 = juris, Rn. 13.
13Hieran gemessen bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Erfolgschance der Antragstellerin im beabsichtigten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur eine entfernte ist.
14Der angekündigte Antrag der Antragstellerin,
15die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr einen Personalausweis mit einem Lichtbild von ihr mit Kopfbedeckung auszustellen,
16ist aller Voraussicht nach als Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zulässig, aber unbegründet.
17Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache steht einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 -, BVerwGE 146, 189 = juris, Rn. 22; BVerfG, Beschluss vom 15. August 2002 - 1 BvR 1790/00 -, NJW 2002, 3691 = juris, Rn. 18.
19Diese Voraussetzungen liegen aller Voraussicht nach nicht vor. Die Antragstellerin hat voraussichtlich bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es besteht nach der im beabsichtigten vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein vorzunehmenden summarischen Prüfung keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch auf Ausstellung eines Personalausweises mit einem Lichtbild zusteht, das sie mit einer Kopfbedeckung zeigt. Eine dahingehende Verpflichtung der Antragsgegnerin ergibt sich weder aus einfachem Recht – 1. – noch aus der Gewährleistung der Glaubensfreiheit in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG – 2. – noch aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. der Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin – 3. –.
201. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus einfachem Recht.
21Die insoweit einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage bilden § 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Personalausweisgesetz (PAuswG). Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 PAuswG werden u.a. Personalausweise auf Antrag für Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 GG ausgestellt. § 1 Abs. 1 bis 3 PAuswG regeln im Einzelnen, unter welchen Voraussetzungen Deutsche der Ausweispflicht unterliegen, und vermitteln diesem Personenkreis damit zugleich einen Anspruch auf Ausstellung eines (Personal-)Ausweises, um der Ausweispflicht genügen zu können. Darüber hinaus verleiht § 1 Abs. 4 PAuswG weiteren, nicht der Ausweispflicht unterliegenden Personen ein Ausweisrecht. Dieser einfachrechtliche Anspruch hat aber nur einen Personalausweis in der gesetzlich vorgesehenen Form zum Gegenstand.
22Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 1990 - 1 B 98.90 -, Buchholz 402.02 PAuswG Nr. 3 = juris, Rn. 4, zu § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Personalausweise i.d.F. vom 21. April 1986.
23Nach § 5 Abs. 1 PAuswG sind Ausweise nach einheitlichen Mustern auszustellen. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 PAuswG enthält der Personalausweis als sichtbar aufgebrachte Angabe über den Ausweisinhaber unter anderem ein Lichtbild. Die Einzelheiten zu den Anforderungen an das Lichtbild sind in § 7 der auf der Grundlage von § 34 PAuswG erlassenen Personalausweisverordnung (PAuswV) geregelt. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 PAuswV muss das Lichtbild die Person in einer Frontalaufnahme, ohne Kopfbedeckung und ohne Bedeckung der Augen zeigen. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 PAuswV kann die Personalausweisbehörde von diesen Vorgaben aus medizinischen Gründen, die nicht nur vorübergehender Art sind, Ausnahmen zulassen. Vom Verbot der Kopfbedeckung kann sie auch aus religiösen Gründen Ausnahmen zulassen (§ 7 Abs. 3 Satz 4 PAuswV).
24Hiernach kann die Antragstellerin aller Voraussicht nach (allein) auf der Grundlage ihrer bisherigen Angaben nicht die Ausstellung eines Personalausweises mit einem Lichtbild verlangen, das sie mit einer Kopfbedeckung zeigt. Auf medizinische Gründe für eine Abweichung von den Vorgaben des § 7 Abs. 3 Satz 1 PAuswV beruft sie sich nicht. Mit ihrem bisherigen Vorbringen hat die Antragstellerin auch nicht dargelegt, dass bezogen auf ihre Person religiöse Gründe im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 4 PAuswV eine Ausnahme vom Verbot der Kopfbedeckung gebieten.
25Die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 Satz 4 PAuswV dient der Gewährleistung des Schutzes der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürgten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Ausweisinhabers bzw. -bewerbers.
26Vgl. nur VG Potsdam, Urteil vom 13. November 2015 - VG 8 K 4253/13 -, KirchE 66, 242 = juris, Rn. 23 m.w.N.
27In Bezug auf die insoweit maßgebliche Frage, ob eine Verhaltensweise dem Schutzbereich der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit unterfällt, kommt es zunächst auf das Selbstverständnis des Grundrechtsträgers an, das in einem zweiten Schritt einer von den staatlichen Organen, letztlich den Gerichten, vorzunehmenden Ernsthaftigkeits- bzw. Plausibiliätsprüfung zu unterziehen ist.
28Vgl. nur Kokott, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 4 Rn. 19 f.; Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 4 Rn. 80 (92. Ergänzungslieferung, Stand: August 2020); jeweils m.w.N.; siehe anschaulich in Bezug auf das Tragen eines Kopftuchs BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 -, BVerfGE 108, 282 = juris, Rn. 40.
29Hiervon ausgehend ist es in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass diejenige, die – wie hier die Antragstellerin – unter Berufung auf ihr Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die Befreiung von einer vom Staat durch Gesetz allen auferlegten Pflicht begehrt, die Darlegungslast dafür trifft, dass sie durch verbindliche Ge- oder Verbote ihres Glaubens gehindert ist, der gesetzlichen Pflicht zu genügen, und dass sie in einen Gewissenskonflikt gestürzt würde, wenn sie entgegen den Ge- oder Verboten ihres Glaubens die gesetzliche Pflicht erfüllen müsste.
30Vgl. anlässlich der Befreiung einer Schülerin islamischen Glaubens vom koedukativen Sportunterricht BVerwG, Urteil vom 25. August 1993 - 6 C 8.91 -, BVerwGE 94, 82 = juris, Rn. 20; siehe auch BVerwG, Urteil vom 11. September 2013 - 6 C 12.12 -, NVwZ 2014, 237 = juris, Rn. 14, 16.
31Diesen auch in Bezug auf die hier begehrte Ausnahme vom Erfordernis eines Lichtbilds, das die Person ohne Kopfbedeckung zeigt, geltenden,
32vgl. VG Köln, Beschluss vom 6. Mai 2013 - 13 L 414/13 -, juris, Rn. 10 ff.; implizit auch VG Wiesbaden, Urteil vom 10. Juli 1984 - VI/1 E 596/82 -, NVwZ 1985, 137; OVG Berlin, Urteil vom 20. März 1991 - 1 B 21.89 -, juris, Rn. 18 f.; VG Potsdam, Urteil vom 13. November 2015 - VG 8 K 4253/13 -, KirchE 66, 242 = juris, Rn. 35; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 15. Mai 2018 - 5 So 72/17 -, NJW 2018, 2282 = juris, Rn. 8; siehe auch die von dem Rechtsbeistand der Antragstellerin zitierte Entscheidung des VG Kassel, Beschluss vom 4. Februar 2004 - 3 G 1916/03 - („Teil der religiösen Überzeugung der Antragstellerin ist […]“),
33Darlegungsanforderungen wird das bisherige Vorbringen der Antragstellerin nicht gerecht. Sie beruft sich bislang ausschließlich pauschal darauf, dass sie muslimischen Glaubens sei. Damit legt sie weder konkret und substantiiert dar, dass sie das Tragen eines Kopftuchs als für sich verbindlich von den Regeln ihrer Religion vorgegeben betrachtet bzw. das Befolgen dieser Bekleidungsregel für sie Ausdruck ihres religiösen Bekenntnisses ist, noch, dass sie im Falle der Erstellung bzw. Verwendung eines Lichtbilds, das sie ohne Kopfbedeckung zeigt, in einen glaubensbedingten Gewissenskonflikt geriete.
34Die pauschale Angabe, muslimischen Glaubens zu sein, genügte auch dann nicht den Darlegungsanforderungen, wenn man hierin die (konkludente) Behauptung erblicken wollte, das eigene Selbstverständnis decke sich mit jenem der Religionsgemeinschaft. Dies widerspräche der – im Übrigen grundrechtsschutzerweiternden – subjektiven Herangehensweise und ergibt sich darüber hinaus daraus, dass ein solches, allgemein-gültiges und eindeutiges Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft bezogen auf einzelne Verhaltensweisen schlicht nicht – und erst recht nicht durch staatliche Organe – feststellbar ist.
35Siehe zur Berücksichtigung des Selbstverständnisses der Religionsgemeinschaft im Rahmen der (erst) in einem zweiten Schritt erfolgenden Ernsthaftigkeits- bzw. Plausibiliätsprüfung des Selbstverständnisses des Grundrechtsträgers BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 -, BVerfGE 108, 282 = juris, Rn. 40.
36Zudem wäre auf diese Weise nicht sichergestellt, dass nicht schon die bloße –nicht ernsthafte, möglicherweise aus anderen Gründen vorgeschobene – Berufung auf behauptete Glaubensinhalte und Glaubensgebote, sondern erst die konkrete, substantiierte und objektiv nachvollziehbare Darlegung eines Gewissenskonfliktes als Konsequenz aus dem Zwang, der eigenen Glaubensüberzeugung zuwiderzuhandeln, geeignet ist, einen möglichen Anspruch auf Befreiung von einer konkret entgegenstehenden, grundsätzlich für alle geltenden Pflicht unter der Voraussetzung zu begründen, dass der Zwang zur Befolgung dieser Pflicht die Glaubensfreiheit verletzen würde.
37Vgl. BVerwG, vom 25. August 1993 - 6 C 8.91 -, BVerwGE 94, 82 = juris, Rn. 20.
38Von den Darlegungsanforderungen entbinden die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auch nicht die von ihr herangezogenen Passverwaltungsvorschriften (PassVwV). Dies folgt bereits daraus, dass diese für sich betrachtet als lediglich verwaltungsinterne Regelungen in Bezug auf die hier in Rede stehende Auslegung und Anwendung von § 7 Abs. 3 Satz 4 PAuswV keine Rechte für die Antragstellerin begründen (siehe zum davon zu unterscheidenden Fall der sog. Selbstbindung der Verwaltung sogleich unter 3.). Ohnehin missversteht die Antragstellerin die Erleichterungen, die Nr. 6.2.1.1.4 PassVwV vermittelt über eine daran ausgerichtete tatsächliche Verwaltungspraxis der antragstellenden Person bieten können: Sie berühren weder das Erfordernis der Darlegung der individuell als für sich verbindlich empfundenen Glaubensregeln und des daraus im konkreten Fall erwachsenden glaubensbedingten Gewissenskonflikts noch jenes der damit zusammenhängenden Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, sondern lassen – insofern: lediglich – u.a. bezogen auf das Tragen von Kopfbedeckungen von Frauen, die dem islamischen Glauben angehören, die (zusätzliche) Darlegung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft entbehrlich werden.
39Zur Klarstellung weist das Gericht darauf hin, dass die Vorlage einer Bestätigung der jeweiligen Religionsgemeinschaft über die Zugehörigkeit der antragstellenden Person, über deren Erforderlichkeit die Beteiligten (wohl) streiten, zur Darlegung religiöser Gründe im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 4 PAuswV weder notwendig noch hinreichend ist. Sie betrifft einerseits mit der Darlegung der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft lediglich einen von mehreren insoweit relevanten Aspekten. Andererseits ist es nicht ausgeschlossen – im Übrigen auch nicht nach Nr. 6.2.1.1.4 PassVwV („Dies kann z.B. durch die Bestätigung der jeweiligen Religionsgemeinschaft über die Zugehörigkeit der antragstellenden Person erfolgen.“; Hervorhebung durch das Gericht), an denen sich die tatsächliche Verwaltungspraxis regelmäßig orientiert –, die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft in einer anderen geeigneten Art und Weise konkret und substantiiert darzulegen, die über das bloße Aufstellen der verbalen Behauptung hinausgeht, muslimischen Glaubens zu sein.
402. Die Antragstellerin kann einen Anspruch auf Ausstellung eines Personalausweises mit einem Lichtbild, das sie mit Kopfbedeckung zeigt, auch nicht originär aus der Gewährleistung der Glaubensfreiheit in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG herleiten. Das Grundrecht vermittelt grundsätzlich,
41vgl. nur Germann, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 52. Edition (Stand: 15. August 2022), Art. 4 Rn. 60 ff. m.w.N.,
42wie – erst recht in Anbetracht von § 7 Abs. 3 Satz 4 PAuswV – auch in der hier vorliegenden Konstellation keine originären Leistungsansprüche gegen den Staat.
43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 1990 - 1 B 98.90 -, Buchholz 402.02 PAuswG Nr. 3 = juris, Rn. 5. Die Entscheidung des VG Wiesbaden, Urteil vom 10. Juli 1984 - VI/1 E 596/82 -, NVwZ 1985, 137, leitet einen entsprechenden Anspruch zwar aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG her, allerdings fehlte es zum damaligen Entscheidungszeitpunkt an einer § 7 Abs. 3 Satz 4 PAuswV vergleichbaren Regelung; in der Sache handelte es sich ohnehin um ein derivatives, an entsprechende Vorschriften zugunsten u.a. anderer Religionsgemeinschaften anknüpfendes Recht.
44Im Übrigen hat die Antragstellerin nach dem Vorstehenden bislang nicht dargelegt, dass das Tragen eines Kopftuchs durch sie unter den Schutz von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG fällt.
453. Schließlich kann die Antragstellerin einen Anspruch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. der Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin herleiten.
46Nach der sog. Selbstbindung der Verwaltung bindet sich die Verwaltung durch ihre ständige rechtmäßige tatsächliche Praxis in dem Sinne selbst, dass sie von dieser in einem gleichliegenden Fall nicht ohne sachlichen Grund abweichen darf.
47Hiernach besteht kein Anspruch der Antragstellerin auf Ausstellung eines Personalausweises mit einem Lichtbild, das sie mit Kopfbedeckung zeigt, weil sich jedenfalls keine Praxis der Antragsgegnerin feststellen lässt, Personen unter den bei der Antragstellerin gegebenen Umständen einen Personalausweis wie vorbeschrieben auszustellen. Nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Antragstellerin in ihrer „Eidesstattlichen Versicherung“ vom 15. September 2022 sowie der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung und dem dieser beigefügten Gedächtnisprotokoll der Sachbearbeiterin richtet die Antragsgegnerin ihre ständige (tatsächliche) Verwaltungspraxis in Bezug auf Lichtbilder (auch) für Personalausweise an den PassVwV aus. Dementsprechend lässt sie Ausnahmen vom Verbot der Kopfbedeckung aus religiösen Gründen bei Frauen, die dem islamischen Glauben angehören, nur zu, wenn diese die Zugehörigkeit zu dieser Religionsgemeinschaft (etwa) durch die Bestätigung der Religionsgemeinschaft darlegen. An dieser Darlegung durch die Antragstellerin fehlt es hier bislang.