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Der Bescheid des Beklagten vom 27. November 2018 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2019 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für den Besuch des studienvorbereitenden Sprachkurses „Deutsch als Fremdsprache“ an der X. X1. -Universität N. vom 15. August 2018 bis zum 28. Januar 2019 Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Ihm wurde am 8. Februar 2016 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, nachdem ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG bzw. subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuerkannt hatte. Nachdem er unter anderem einen Deutschkurs am Sprachenzentrum der X. X1. -Universität N. absolviert hatte, beantragte er am 4. September 2018 beim Beklagten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für den Besuch des studienvorbereitenden Sprachkurses „Deutsch als Fremdsprache“ an der X. X1. -Universität N. . Im Antragsformular bzw. in weiteren Schreiben gab er unter anderem an: Er habe nach seinem Abitur von August 2011 bis Juli 2015 in Aleppo Landschaftsarchitektur studiert. Das Studium habe er jedoch nicht fortführen können, nachdem nach dort neu eingeführtem Recht auch Studenten der Armee hätten beitreten müssen. Da das Grundstudium in Syrien „Bauingenieurwesen“ gewesen sei, und erst am Ende eine Spezialisierung, wie z.B. auf Architektur, reines Bauingenieurwesen oder – was er gewählt habe – Landschaftsarchitektur erfolgt wäre, möchte er hier Bauingenieurwesen an der Fachhochschule N. studieren. Nachweise über seinen Studienverlauf in Syrien könne er nicht vorlegen, weil er sein Heimatland so schnell wie möglich habe verlassen müssen. Wegen der fehlenden Nachweise könnten ihm keine Fächer für den Studiengang „Bauingenieurwesen“ angerechnet werden.
3Mit Bescheid vom 27. November 2018 lehnte der Beklagte den Antrag auf Ausbildungsförderung ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an: Da der Kläger an der Universität in Aleppo insgesamt acht Fachsemester im Studienfach „Landschaftsarchitektur“ studiert habe und nunmehr beabsichtige, Bauingenieurwesen zu studieren, liege ein Fachrichtungswechsel vor. Da zwei Fachsemester für verbrachte Studienzeiten im Ausland anrechnungsfrei gestellt werden könnten, liege ein Fachrichtungswechsel nach dem sechsten Fachsemester vor. Der somit für die beantragte Ausbildungsförderung erforderliche unabweisbare Grund für den Wechsel der Fachrichtung stehe dem Kläger nicht zur Seite. Allein die Flucht des Klägers als solche sei kein unabweisbarer Grund für einen Fachrichtungswechsel. Mit der Anerkennung als Flüchtling gelte zwar als festgestellt, dass dem Auszubildenden die Fortsetzung der nicht abgeschlossenen Ausbildung im Ausland nicht zumutbar sei. Er müsse sich aber grundsätzlich an der im Ausland getroffenen Ausbildungswahl festhalten lassen. Ein unabweisbarer Grund sei im Flüchtlingszusammenhang nur anzunehmen, wenn in Deutschland keine dem im Ausland begonnenen Studiengang vergleichbare Ausbildung angeboten werde. Dies sei hier nicht der Fall, weil der Studiengang „Landschaftsarchitektur“ auch in Deutschland angeboten werde.
4Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 13. bzw. 20. Dezember 2018 Widerspruch mit der Begründung: Anders als im Ablehnungsbescheid angeführt, habe er in Syrien nicht bis Juli 2015 studieren können. Im April 2012 sei ihr Haus in Aleppo bei einem Luftangriff zerstört worden, weshalb er habe aus Aleppo fliehen müssen. Dort sei es lebensgefährlich gewesen, auf die Straße zu gehen, weshalb es ihm unmöglich gewesen sei, sich zu exmatrikulieren. Er habe nur ein Semester studieren und lediglich drei Fächer absolvieren können. Er habe das Fach Landschaftsarchitektur nur angefangen, weil er für Bauingenieurwesen nicht zugelassen worden sei. Er hätte nach dem ersten Semester zu Bauingenieurwesen wechseln dürfen. Dies habe er auch vorgehabt, es jedoch aufgrund der Lage in Syrien nicht durchführen können.
5Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholte er die Gründe des Ausgangsbescheides und führte ergänzend im Wesentlichen aus: Die Flucht des Klägers aus Aleppo sei Folge des Krieges, begründe aber keinen Fachrichtungswechsel. Schicksalshafte Umstände wie Krieg und Verfolgung sowie Flucht begründeten keinen Wegfall der persönlichen Eignung für das Studium, sondern die zwangsläufige Aufgabe des vorherigen Studiums infolge äußerer Umstände. Grundsätzlich gelte, dass die im Ausland getroffene Wahl des Ausbildungsgangs den Auszubildenden binde und seine Umorientierung im Hinblick auf den Erhalt von Fördermitteln einschränke. Würde das Argument, eine Exmatrikulation wäre nur unter lebensgefährlichen Bedingungen möglich gewesen, grundsätzlich zur Annahme eines unabweisbaren Grundes führen, wäre dies ein Freibrief dafür, im Inland jede gewünschte Ausbildung auch bei im Ausland bereits fortgeschrittenem Studienstand aufnehmen zu können. Dies sei weder mit dem Gesetzeswortlaut zu vereinbaren noch sei ein ausbildungsförderungspolitischer Grund dafür erkennbar, Flüchtlinge besserzustellen als andere auf Ausbildungsförderung angewiesene Studierende.
6Der Kläger hat am 7. Februar 2019 beim Sozialgericht N. Klage erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25. Februar 2019 (S 11 SV 10/19) an das erkennende Gericht verwies.
7Der Kläger macht im Wesentlichen geltend: Die Förderungsfähigkeit des beabsichtigten Deutschkurses sei bereits deshalb zu bejahen, weil die Förderung des ein Studium vorbereitenden Deutschkurses nicht davon abhänge, dass auch das anschließende Studium förderungsfähig sei. Es werde bestritten, dass ein Fachrichtungswechsel vorliege. Doch selbst dann läge ein unabweisbarer Grund für den Wechsel der Fachrichtung vor. Ihm sei die Fortführung des Studiums in Syrien subjektiv unmöglich gewesen. Er habe dort lediglich ein Semester studieren können. Ursprünglich habe er Bauingenieurwesen studieren wollen. Hierfür sei allerdings die Abschlussnote seines syrischen Abiturs nicht gut genug gewesen. Es habe aber die Möglichkeit bestanden, nach einem Semester Landschaftsarchitektur in das Fach „Bauingenieurwesen“ zu wechseln. Die Lerninhalte dieser Studienfächer seien in Syrien deckungsgleich. Den Entschluss, das Studienfach zu wechseln, habe er zum Ende des ersten Semesters im April 2012 gefasst. Danach sei er kriegsbedingt am Studium gehindert gewesen. Nachdem das Haus seiner Familie 2012 zerstört worden sei, sei er mit seiner Familie zunächst nach Idlib zu einer Tante geflohen. Als die Lage auch dort nicht mehr sicher gewesen sei, sei er für zwei Monate nach Damaskus gezogen. Danach sei die Lage so dramatisch geworden, dass er ständig zwischen den nicht zerstörten Stadtteilen Aleppos und den Städten Idlib, Homs und Damaskus gependelt sei. Die Flucht innerhalb Syriens habe bis 2015 gedauert. Erst in diesem Jahr habe er befürchten müssen, zum Kriegsdienst eingezogen zu werden. Dies sei der ausschlaggebende Grund dafür gewesen, das Land zu verlassen. Er sei dann am 16. August 2015 nach Deutschland gereist. Dass er nicht zu einem früheren Zeitpunkt erwähnt habe, dass er nur ein Semester habe studieren können, habe daran gelegen, dass er davon ausgegangen sei, angeben zu müssen, wie lange er tatsächlich eingeschrieben gewesen sei. Bei seiner Ankunft in Deutschland habe er nur sehr gebrochen deutsch sprechen können und sei mit dem Antragsverfahren sprachlich überfordert gewesen. Er habe den Antrag mit Hilfe eines Freundes ausgefüllt, der ihm mitgeteilt habe, er müsse angeben, wie lange er eingeschrieben gewesen sei. Wegen der sprachlichen Barriere habe er auch nur auf Fragen geantwortet, die ihm gestellt worden seien. Er habe nicht erkannt, dass die Informationen, wann das Haus seiner Familie zerstört worden sei, und dass er das Studium der Landschaftsarchitektur nur angefangen habe, weil er keine Zulassung zum Studium im Fach „Bauingenieurwesen“ erhalten habe, von Bedeutung seien.
8Der Kläger beantragt,
9den Bescheid des Beklagten vom 27. November 2018 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm für den Besuch des studienvorbereitenden Sprachkurses „Deutsch als Fremdsprache“ an der X. X1. -Universität N. vom 15. August 2018 bis zum 28. Januar 2019 Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er wiederholt im Wesentlichen die Begründung des angefochtenen Bescheides und ist darüber hinaus der Auffassung: Der Kläger habe widersprüchliche Angaben zu seinem Ausbildungsverlauf und zu seinen Beweggründen für den Fachrichtungswechsel gemacht. Zunächst habe er zum Abbruch des Studiums in Syrien schriftlich angegeben, er habe das Studium nicht fortführen können, weil nach neuem Recht auch Studenten zum Kriegsdienst herangezogen worden seien. Dagegen habe der Kläger mit keinem Wort erwähnt, dass ein Eignungs- oder Neigungswandel vorgelegen habe und das Studium wegen der Ausbombung nicht mehr möglich gewesen sei. Dafür, dass sein Studium in Syrien nur kurz gewesen sei und er bereits zu dieser Zeit die Absicht gehabt habe, das Studium der Landschaftsarchitektur zu Gunsten von Bauingenieurwesen aufzugeben, habe er zunächst keine Hinweise gegeben. In der Gesamtschau dränge sich die Vermutung auf, dass die Erklärungen im Verlauf des Verwaltungsverfahrens dem aktuellen Bedarf und Ziel angepasst worden seien. Eine zum Fall des Klägers eingeholte Auskunft der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen in Bonn habe unter anderem Folgendes ergeben: Im angegebenen Zeitraum habe an der Universität Aleppo der Studiengang „Bauingenieurwesen, Fachbereich Topographie“ existiert, wobei nachweislich der vorliegenden Studienpläne das erste Studienjahr im Fachbereich „Allgemeines Bauingenieurwesen“ und „Topographie“ identisch aufgebaut gewesen sei, sodass durchaus eine Deckungsgleichheit der beiden Studiengänge bestanden habe. Da die Notengrenze für den Studiengang im Fach „Allgemeines Bauingenieurwesen“ leicht höher gelegen habe als für den Studiengang im Fach „Topographie“, könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger die nötige Notengrenze für den Fachbereich Allgemeines Bauingenieurwesen nicht erreicht hätte und daher nicht für diesen zugelassen worden sei. Grundsätzlich sei ein Studienfachwechsel in Syrien durch schriftlichen Antrag an jeder Universität möglich. Der Studienfachwechsel sei jedoch im Regelfall nur innerhalb der im Zulassungsjahr festgelegten Notengrenze möglich, sodass im vorliegenden Fall der reguläre Wechsel in den Fachbereich „Allgemeines Bauingenieurwesen“ nicht möglich gewesen sei. Da das Postwesen in Syrien nicht verlässlich sei, könne angenommen werden, dass ein Besuch der Universität Aleppo für die Einreichung des genannten schriftlichen Antrags notwendig gewesen sei. Für die Universität Aleppo könne ab dem Jahr 2012 von erschwerten Studienbedingungen und im späteren Jahresverlauf auch von einer allgemein erschwerten Situation inklusive schlechter bzw. unsicherer Reisewege innerhalb und um Aleppo ausgegangen werden. Es sei also durchaus möglich, dass der Kläger die Universität nicht habe erreichen können, um einen Studienfachwechsel bzw. ein Urlaubssemester zu beantragen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 VwGO zulässig und hat in der Sache Erfolg.
16Die mit dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2019 erfolgte Ablehnung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für den Besuch des Klägers des studienvorbereitenden Sprachkurses „Deutsch als Fremdsprache“ an der X. X1. -Universität N. vom 15. August 2018 bis zum 28. Januar 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO). Dem Kläger steht hinsichtlich des genannten Bewilligungszeitraums ein Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu.
17Der Kläger gehört als Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu den Ausländern, denen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BAföG Ausbildungsförderung geleistet wird. Auch handelt es sich bei dem in Rede stehenden Besuch eines studienvorbereitenden Deutschkurses an der X. X1. -Universität N. - was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 1 BAföG i.V.m. § 1 der Verordnung über die Ausbildungsförderung für die Teilnahme an Vorkursen zur Vorbereitung des Besuchs von Kollegs und Hochschulen – VorkurseV -, vom 6. September 1971, BGBl I 1971, 1542). Allerdings dürfte die Förderung des ein Studium vorbereitenden Deutschkurses voraussetzen, dass auch das anschließende Studium förderungsfähig ist. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VorkurseV wird Ausbildungsförderung nach dem Ausbildungsförderungsgesetz geleistet für die Teilnahme an Vorkursen von einer Mindestdauer von sechs Monaten, die die Zulassung zu einer Hochschule ermöglichen oder in geeigneter Weise vorbereiten. Danach kann ein studienvorbereitender Vorkurs – wie der hier in Rede stehende Deutschkurs – ausbildungsförderungsrechtlich nur im Zusammenhang mit dem anschließenden Studium betrachtet werden. Kann das beabsichtigte Studium nicht gefördert werden, ist kein Grund dafür ersichtlich, den dieses Studium vorbereitenden bzw. ermöglichenden Vorkurs zu fördern. Ausbildungsförderung etwa für einen isolierten, von einer bestimmten Ausbildung losgelösten Deutschkurs dürfte von vornherein nicht in Betracht kommen. Hierüber braucht jedoch nicht abschließend entschieden zu werden. Denn jedenfalls ermöglicht der in Rede stehende Sprachkurs dem Kläger die Aufnahme eines seinerseits förderungsfähigen Studiums.
18Das vom Kläger beabsichtigte Studium im Fach „Bauingenieurwesen“ an der Fachhochschule N. ist nach § 7 Abs. 1 BAföG förderungsfähig. Nach Satz 1 dieser Bestimmung wird Ausbildungsförderung unter anderem für zumindest drei Studienjahre berufsbildender Ausbildung bis zu einem daran anschließenden berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, längstens bis zum Erwerb eines Hochschulabschlusses.
19Der danach bestehenden Förderungsfähigkeit des Studiums des Klägers im Fach „Bauingenieurwesen“ an der Fachhochschule N. steht § 7 Abs. 3 S. 1 BAföG nicht entgegen. Nach dieser Regelung wird Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung geleistet, wenn der Auszubildende die Ausbildung 1. aus wichtigem Grund oder 2. aus unabweisbarem Grund abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt hat. Dabei gilt Nr. 1 bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen nur bis zum Beginn des vierten Fachsemesters. Nach § 7 Abs. 3 S. 4 BAföG wird bei einem erstmaligen Fachrichtungswechsel in der Regel vermutet, dass die Voraussetzungen nach Nr. 1 erfüllt sind, wenn bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen der Wechsel bis zum Beginn des dritten Fachsemesters erfolgt.
20§ 7 Abs. 3 S. 1 BAföG ist im Fall des Klägers anwendbar, weil es sich bei dem von ihm beabsichtigten Studium im Fach „Bauingenieurwesen“ um eine „andere“ Ausbildung im Sinne dieser Regelung handelt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Angaben zufolge bereits von August 2011 bis Juli 2015 an der Universität in Aleppo in Syrien ein Studium im Fach „Landschaftsarchitektur“ betrieben hat.
21Eine im Ausland aufgenommene, aber nicht berufsqualifizierend abgeschlossene Ausbildung ist förderungsrechtlich als bisherige Ausbildung anzusehen, wenn die ausländische Ausbildungsstätte den inländischen Ausbildungsstätten nach Zugangsvoraussetzungen, Art und Inhalt der Ausbildung sowie dem vermittelten Ausbildungsabschluss vergleichbar ist.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 1997 – 5 C 28.97 –, juris, Rn. 18; vgl. auch Nr. 7.3.19 Allgemeine Verwaltungs-vorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföGVwV).
23Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die ausländische Ausbildungsstätte den in § 2 Abs. 1 und 2 BAföG bezeichneten oder nach § 2 Abs. 3 BAföG bestimmten Ausbildungsstätten im Sinne von § 5 Abs. 4 BAföG gleichwertig ist. Dabei kommt es auf die institutionelle Gleichwertigkeit an und nicht darauf, ob im konkreten Fall Fachsemester oder einzelne Ausbildungsleistungen an der ausländischen Ausbildungsstätte auf die inländische Ausbildung bei Fortsetzung der Ausbildung in derselben Fachrichtung angerechnet werden würden.
24Vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 27. September 2019 – 4 ME 202/19 –, juris, Rn. 5; Sächs. OVG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 3A 227/19 –, juris, Rn. 21.
25In Anwendung dieser Maßgaben ist von einer institutionellen Gleichwertigkeit der Universität Aleppo hinsichtlich des Studiums im Fach „Landschaftsarchitektur“ auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Universität in Aleppo nach Zugangsvoraussetzungen, Art und Inhalt der Ausbildung sowie dem vermittelten Ausbildungsabschluss einer deutschen Hochschule nicht im Sinne von § 5 Abs. 4 BAföG vergleichbar ist, liegen nicht vor und werden auch nicht vorgebracht.
26Vgl. zur Gleichwertigkeit der Universität Aleppo hinsichtlich des Studiums im Fach „Maschinenbau“: Nieders. OVG, Beschluss vom 27. September 2019, a.a.O., Rn 7.
27Auch ist es unerheblich, dass der Kläger anstelle des früheren Universitätsstudiums nunmehr ein Studium an einer Fachhochschule aufnehmen will. Denn auch die Fachhochschulen gehören – ebenso wie die Universitäten – zu den Hochschulen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 BAföG.
28Vgl. Steinweg in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl. 2014, § 7 Rn. 120.
29Die damit hier maßgeblichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 S. 1 BAföG für die Förderungsfähigkeit des vom Kläger beabsichtigten Studiums im Fach „Bauingenieurwesen“ an der Fachhochschule N. sind erfüllt.
30Im Fall des Klägers richtet sich die erstrebte Ausbildungsförderung nicht nach den bei einem Ausbildungsabbruch erforderlichen Voraussetzungen, sondern nach den Voraussetzungen im Fall eines Fachrichtungswechsels.
31Ein Auszubildender bricht nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 3 S. 2 BAföG eine Ausbildung ab, wenn er den Besuch von Ausbildungsstätten einer Ausbildungsstättenart einschließlich der im Zusammenhang hiermit geforderten Praktika endgültig aufgibt. Demgegenüber liegt ein Fachrichtungswechsel nach § 7 Abs. 3 S. 3 BAföG vor, wenn er einen anderen berufsqualifizierenden Abschluss oder ein anderes bestimmtes Ausbildungsziel eines rechtlich geregelten Ausbildungsgangs an einer Ausbildungsstätte derselben Ausbildungsstättenart anstrebt.
32Dies zu Grunde gelegt, hat der Kläger sein Studium in Syrien nicht im Sinne von § 7 Abs. 3 S. 2 BAföG abgebrochen. Gegen die Annahme eines Studienabbruchs spricht schon, dass der Kläger seinen Angaben zufolge in Syrien an der Universität in Aleppo studiert hat und nunmehr ebenfalls ein Hochschulstudium anstrebt, also die Ausbildung an einer Hochschule nicht aufgegeben hat, vielmehr weiterhin den Besuch einer Ausbildungsstätte derselben Art beabsichtigt. Der Kläger hatte sein Hochschulstudium auch nicht endgültig aufgegeben.
33Als Abbruch der Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 3 S. 2 BAföG ist nur die endgültige Beendigung des Besuchs von Ausbildungsstätten einer Ausbildungsstättenart anzusehen, nicht dagegen die unter Umständen auch länger andauernde Unterbrechung im Sinne von § 20 Abs. 2 BAföG. Eine Unterbrechung bedeutet, dass der Auszubildende seine Ausbildung zeitweilig nicht mehr betreibt, das ursprüngliche Ausbildungsziel jedoch nicht aufgibt, sondern nach dem Zeitraum der Unterbrechung weiterverfolgen will. Ob ein Abbrechen oder Unterbrechen vorliegt, hängt grundsätzlich von der Vorstellung des Auszubildenden selbst ab, die allerdings so verstanden werden muss, wie sie nach außen hin erkennbar wird. Der Auszubildende muss im Falle des Abbruchs eindeutig zu erkennen gegeben, dass er die Ausbildung nicht wieder aufnehmen bzw. in derselben oder in einer anderen Fachrichtung an einer anderen Ausbildungsstätte derselben Art fortsetzen will.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1985 – 5 C 56.82 –, juris, Rn. 13; Steinweg in: Ramsauer/Stallbaum, a.a.O., § 7 Rn. 119.
35Der äußeren Kundgabe des Entschlusses des Auszubildenden kommt die ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Tatsache des Abbruchs oder der Unterbrechung und der Zeitpunkt ihres Eintritts sind aus einem diesem Entschluss entsprechenden Verhalten des Auszubildenden herzuleiten. Dabei setzt ein Ausbildungsabbruch grundsätzlich voraus, dass sich der Auszubildende exmatrikuliert. In diesem Fall ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Auszubildende seine bisherige Ausbildung abgebrochen hat. Denn für die Beendigung der bisherigen Ausbildung hat förderungsrechtlich die Exmatrikulation eine maßgebende Bedeutung.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2021 – 15 A 1087/20 -, www.nrwe.de.
37In Anwendung dieser Maßgaben ist nicht erkennbar, dass der Kläger sein Studium in Syrien abgebrochen hat. So fehlt es schon an einer Exmatrikulation. Vielmehr hat der Kläger – ohne weiteres nachvollziehbar – angegeben, es sei im April 2012 lebensgefährlich gewesen, auf die Straße zu gehen, weshalb es für ihn unmöglich gewesen sei, sich von der Universität Aleppo zu exmatrikulieren. Zur Annahme eines Studienabbruchs zwingt auch nicht die besondere Situation des Klägers, der seinen Angaben zufolge sein Studium in Syrien wegen des dortigen Krieges im Jahr 2012 nicht habe weiter fortführen können, sich anschließend bis 2015 innerhalb Syriens auf der Flucht befunden habe und am 16. August 2015 in die Bundesrepublik eingereist sei. Zwar kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es zur Zeit der kriegsbedingten Flucht eines ausländischen Auszubildenden aus seinem Herkunftsstaat in der Regel völlig offen ist, ob er seine Ausbildung im Herkunftsstaat oder anderswo fortführen kann und zum Zeitpunkt der Ausreise Überlegungen zur Fortführung der Ausbildung nicht angestanden haben.
38Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 2. März 2020 – 15 K 2516/19 -, www.nrwe.de; OVG NRW, Beschluss vom 12. November 2020 – 12 B 896/20 -, www.nrwe.de.
39Gleichwohl stellt sich die Aufgabe des Studiums des Klägers in Syrien nicht als Studienabbruch im oben genannten Sinn dar. Es fehlt an jeglichen äußerlich erkennbaren Anzeichen dafür, dass der Kläger nach seiner Flucht aus Aleppo sein Bestreben, ein Hochschulstudium zu absolvieren, endgültig fallen gelassen hatte. Vielmehr spricht sein Vorbringen, er habe schon in Syrien vorgehabt, statt „Landschaftsarchitektur“ „Bauingenieurwesen“ zu studieren, und er habe den Entschluss, das Studienfach zu wechseln, bereits zum Ende des ersten Semesters im April 2012 gefasst, eher dafür, dass er sein Ziel eines Hochschulstudiums im Fach „Bauingenieurwesen“ nach wie vor verfolgt hat. Dafür spricht auch, dass der Kläger kurze Zeit nach Erhalt seiner Aufenthaltserlaubnis Anfang 2016 mehrere Sprach- und Integrationskurse absolviert hat. So hat er schon im September 2016 die Prüfung „Start Deutsch 1“, im Januar 2017 den „Deutsch-Test für Zuwanderer“ und den Test „Leben in Deutschland“ sowie im März 2017 den Integrationskurs beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge absolviert sowie im Januar 2018 das Zertifikat „Deutsch B2“ erlangt. Auch wenn es für die Abgrenzung zwischen Abbruch und Unterbrechung auf die Vorstellung des Auszubildenden ankommt, die er bei Ausführung seines Entschlusses, die Ausbildung nicht fortzuführen, gehabt und nach außen erkennbar gemacht hat, kann ein dem nachfolgendes Verhalten des Auszubildenden von Bedeutung sein, wenn sich aus ihm belastbare Rückschlüsse auf die maßgebliche frühere Vorstellung des Auszubildenden ziehen lassen.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2021, a.a.O.
41So verhält es sich hier. Denn das geschilderte stringente Vorgehen des Klägers nach dem erfolgreichen Abschluss seines Asylverfahrens legt die Annahme nahe, dass er seinen ursprünglichen Studienwunsch von Anfang an weiterverfolgt hat.
42Indem der Kläger nach seinem Studium im Fach „Landschaftsarchitektur“ nunmehr tatsächlich ein Bauingenieur-Studium anstrebt, hat er die Fachrichtung seines Studiums gewechselt. Ein Fachrichtungswechsel liegt nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 3 S. 3 BAföG – wie oben bereits zitiert - vor, wenn der Auszubildende einen anderen berufsqualifizierenden Abschluss oder ein anderes bestimmtes Ausbildungsziel eines rechtlich geregelten Ausbildungsgangs an einer Ausbildungsstätte derselben Ausbildungsstättenart anstrebt. Dabei ist die Fachrichtung ein durch Lehrpläne, Ausbildungs-(Studien-)Ordnungen und/oder Prüfungsordnungen geregelter Ausbildungsgang, der auf einen bestimmten, berufsqualifizierenden Abschluss oder ein bestimmtes Ausbildungsziel ausgerichtet ist und für den in der Regel die Mindestdauer sowie Zahl und Art der Unterrichts-(Lehr-) Veranstaltungen festgelegt sind.
43Vgl. Ramsauer/Stallbaum, a.a.O., § 7 Rn. 126, mit weiteren Nachweisen.
44Hieran gemessen handelt es sich bei dem Wechsel vom Studium im Fach “Landschaftsarchitektur“ in Syrien zum Studium im Fach „Bauingenieurwesen“ in der Bundesrepublik Deutschland um einen Fachrichtungswechsel im Sinne von § 7 Abs. 3 S. 3 BAföG. Wie oben bereits dargelegt, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Universität in Aleppo nach Zugangsvoraussetzungen, Art und Inhalt der Ausbildung sowie dem vermittelten Ausbildungsabschluss einer deutschen Hochschule nicht im Sinne von § 5 Abs. 4 BAföG vergleichbar ist. Ebenso ist zugrundezulegen, dass die genannten Studiengänge verschiedenen Fachrichtungen im genannten Sinn zuzuordnen sind. Es mag sein, dass es sich entsprechend den Angaben des Klägers gegenüber dem Beklagten bei seinem Studium im Fach “Landschaftsarchitektur” in Syrien lediglich um die Spezialisierung des Grundstudiums “Bauingenieurwesen” gehandelt habe. Dies änderte aber nichts daran, dass die nunmehr beabsichtigte Ausbildung auf ein anderes Ausbildungsziel an einer Ausbildungsstätte derselben Ausbildungsstättenart gerichtet ist.
45Die Förderung des vom Kläger nunmehr beabsichtigten Studiums setzt indes nicht voraus, dass er die Fachrichtung aus einem unabweisbaren Grund im Sinne von § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BAföG gewechselt hat. Denn dem Kläger kann nicht entgegengehalten werden, dass er den Fachrichtungswechsel erst nach Beginn des vierten Fachsemesters vollzogen hat.
46Zwar werden für die Berechnung der Fachsemester, die im Rahmen von § 7 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 und S. 4 Halbs. 2 BAföG zu berücksichtigen sind, die in derselben Fachrichtung der bisherigen Ausbildung absolvierten Semester fortlaufend gezählt, und zwar ohne Rücksicht auf die tatsächliche Teilnahme an den Lehrveranstaltungen und den erzielten Studienfortschritt. Maßgebend ist für die Zählung der Fachsemester somit im Grundsatz allein die Immatrikulation für ein bestimmtes Studienfach. Ob der Auszubildende während der Zeit der Immatrikulation mit Gewinn studiert hat, ist nicht entscheidend, sondern nur, dass er es tun konnte. Es kommt mit anderen Worten nicht darauf an, dass der Auszubildende das frühere Studium erfolgreich betrieben hat, sondern dass er tatsächlich die Möglichkeit hatte, dies zu tun.
47Vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 11. Dezember 2019 – 4 ME 206/19 -, juris, Rn. 5; VG Potsdam, Beschluss vom 20. Februar 2020 – 7 L 985/19 -, juris, Rn. 16, jeweils mit weiteren Nachweisen.
48An der Möglichkeit, einen Studienfortschritt zu erzielen, kann es allerdings ausnahmsweise fehlen, etwa, wenn Lehrveranstaltungen in der gewählten Fachrichtung nicht angeboten werden. Gleichzustellen ist dem der Fall, dass dem Auszubildenden die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen und Prüfungen aufgrund von höherer Gewalt tatsächlich nicht möglich ist. Fachsemester, auf die dies zutrifft, dürfen bei der Zählung nicht berücksichtigt werden. Da durch die Regelung in § 7 Abs. 3 BAföG der Auszubildende dazu angehalten werden soll, seine Ausbildung umsichtig zu planen und zielstrebig durchzuführen, wäre es widersinnig, ein Fachsemester auch dann mitzuzählen, wenn der Auszubildende in dieser Zeit aus Gründen, die nicht in seinem Verantwortungsbereich liegen, auch bei umsichtiger Planung und zielstrebiger Durchführung der Ausbildung einen Studienfortschritt tatsächlich nicht erzielen kann. Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Auszubildenden nicht zugemutet werden kann, sich während eines solchen Fachsemesters zu exmatrikulieren oder beurlauben zu lassen.
49Vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 11. Dezember 2019, a.a.O., mit weiteren Nachweisen.
50Von einer solchen Situation ist im Fall des Klägers auszugehen. Der Kläger ist so zu stellen, als wenn er seinen Studiengang jedenfalls bereits bis zum Beginn des dritten Fachsemesters gewechselt hätte.
51Zwar hat der Kläger sein Studienfach tatsächlich erst nach dem Beginn des dritten Fachsemesters gewechselt, weil er seinen Angaben zufolge zunächst von August 2011 bis jedenfalls Juli 2015 an der Universität in Aleppo im Fach „Landschaftsarchitektur“ eingeschrieben war.
52Der Kläger war jedoch im oben genannten Sinn aufgrund höherer Gewalt jedenfalls noch vor seinem dritten Fachsemester tatsächlich daran gehindert, an den Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Universität teilnehmen. Dabei kann es offenbleiben, ob die Angabe des Klägers bei Antragstellung, er habe das Studium nicht fortführen können, nachdem nach dort eingeführtem Recht auch Studenten der Armee hätten beitreten müssen, bzw. sein späteres Vorbringen, er habe sein Studium nicht fortführen können, nachdem im April 2012 ihr Haus in Aleppo bei einem Luftangriff zerstört worden sei, der Wahrheit entsprechen. Dafür, dass es dem Kläger unmöglich bzw. jedenfalls unzumutbar gewesen ist, sein Studium in Aleppo nach dem ersten Fachsemester tatsächlich zu betreiben und sich zu exmatrikulieren oder beurlauben zu lassen oder die Fachrichtung zu wechseln, spricht schon die vom Beklagten eingeholte Auskunft der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen vom 15. Juli 2019. Danach wird bestätigt, dass für einen Wechsel der Fachrichtung ein Besuch des Klägers der Universität Aleppo notwendig gewesen sei, ab dem Jahr 2012 von erschwerten Studienbedingungen und im späteren Jahresverlauf auch von einer „allgemein erschwerten Situation inklusive schlechter bzw. unsicherer Reisewege innerhalb und um Aleppo ausgegangen werden“ könne, weshalb es „durchaus möglich“ sei, dass der Kläger die Universität nicht habe erreichen können, um einen Studienfachwechsel bzw. ein Urlaubssemester zu beantragen. Darüber hinaus zwingen auch die allgemein verfügbaren Informationen über die damalige Situation in Syrien, insbesondere in Aleppo, zu der Annahme, dass dem Kläger ein rechtzeitiger Wechsel der Fachrichtung unmöglich bzw. unzumutbar gewesen ist.
53Im Rahmen des seit 2011 andauernden bewaffneten innerstaatlichen Konflikts in Syrien kam es in Aleppo zwischen Juli 2012 und Dezember 2016 zu schweren Kämpfen mit unzähligen Toten und Verletzten zwischen den Regierungstruppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad und Oppositionellen, die den Ostteil der Stadt besetzt hatten. Bei den Kämpfen wurden Raketenwerfer, Panzer, Hubschrauber und Kampfflugzeuge eingesetzt, wobei mehr als 33.000 Gebäude Aleppos zerstört bzw. beschädigt wurden,
54vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Aleppo; DER SPIEGEL vom 23. Juli 2012: „Aleppo - Rebellen tragen Krieg in Assads Wirtschaftszentrum“, https://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-rebellen-tragen-den-kampf-nach-aleppo-a-845806.html.
55und schon in den ersten Tagen hunderte Menschen spurlos verschwanden, die offenbar getötet wurden, und mindestens 200.000 der 2.500.000 Einwohner aus der Stadt flohen.
56Vgl. Der Tagesspiegel vom 2. August 2012: „Schlacht um Aleppo in Syrien – Schüsse in die Menge“, https://www.tagesspiegel.de/politik/schlacht-um-aleppo-in-syrien-schuesse-in-die-menge/6950738.html.
57Wegen der aufflammenden Kämpfe hatte die im Westteil der Stadt gelegene Universität Aleppo offensichtlich ihren Betrieb im Sommersemester 2012 eingestellt. Jedenfalls hatte sie Berichten zufolge zum Wintersemester 2012/2013 trotz der Kämpfe „wieder geöffnet“, als bei zwei Explosionen in der Universität mehr als 80 Menschen getötet und 160 weitere verletzt wurden.
58Vgl. DER SPIEGEL vom 15. Januar 2013: „Krieg Syrien – Dutzende Tote bei Explosionen in Aleppos Universität, https://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-dutzende-tote-bei-anschlag-auf-universitaet-aleppo-a-877748.html; Deutschlandradio, Beitrag von 15. Januar 2013: „Viele Tote bei Anschlag auf syrische Universität“, https://www.deutschlandradio.de/viele-tote-bei-anschlag-auf-syrische-universitaet.331.de.html?dram:article_id=234367; Rheinische Post-online vom 15. Januar 2013: „Aleppo – Tote bei Anschlag auf syrische Uni“, https://rp-online.de/politik/ausland/tote-bei-anschlag-auf-syrische-uni_aid-15692965.
59Am Ende der Kämpfe im Dezember 2016 waren weite Teile der Stadt zerstört. Wegen der katastrophalen humanitären Lage mussten zehntausende Einwohner evakuiert werden.
60Vgl. Stern vom 15. Dezember 2016: „Türkei: Können 100.000 Menschen aus Aleppo in Sicherheit bringen“, https://www.stern.de/politik/ausland/aleppo--tuerkei-will-100-000-menschen-in-sicherheit-bringen-7241398.html.
61Vor diesem Hintergrund verbietet es sich nach den oben dargelegten Grundsätzen, von der Zeit, in der der Kläger an der Universität in Aleppo insgesamt eingeschrieben war, die Fachsemester nach seinem ersten Fachsemester ab Sommer 2012 bei der Berechnung der im Rahmen von § 7 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 und S. 4 Halbs. 2 BAföG zu berücksichtigenden Fachsemester mitzuzählen. Angesichts der oben dargestellten Situation in Aleppo ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass es dem Kläger – sowohl subjektiv als auch objektiv - unmöglich bzw. jedenfalls nicht zumutbar gewesen ist, auch ab dem Sommersemester 2012 an der Universität in Aleppo zu studieren oder sich zu exmatrikulieren oder Urlaubssemester zu beantragen bzw. die Fachrichtung zu wechseln. Durch den Ausbruch der Kämpfe in Aleppo im Juli 2012 ist vielmehr ein unvorhersehbares Ereignis im Sinne einer höheren Gewalt eingetreten, aufgrund dessen der Kläger tatsächlich objektiv daran gehindert war, seinen Fachrichtungswechsel bereits im Verlauf des ersten Studienjahres vorzunehmen. Angesichts der damaligen Lage in Aleppo, insbesondere der durch die oben zitierte Auskunft der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen bestätigten „erschwerten Studienbedingungen und im späteren Jahresverlauf auch … allgemein erschwerten Situation inklusive schlechter bzw. unsicherer Reisewege innerhalb und um Aleppo“ war es dem Kläger auch nicht zuzumuten, sein Studium nach der Wiedereröffnung der Universität Aleppo zum Wintersemester 2012/2013 fortzusetzen. Damit findet im Fall des Klägers die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3 S. 4 BAföG Anwendung, nach der bei einem erstmaligen Fachrichtungswechsel in der Regel vermutet wird, dass die Voraussetzungen nach Nr. 1 erfüllt sind, wenn bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen der Wechsel bis zum Beginn des dritten Fachsemesters erfolgt.
62Der Beklagte hat nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist. Nach § 188 Satz 2 VwGO werden Gerichtskosten nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
63Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 S. 1 VwGO aus dem in § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO genannten Grund zuzulassen.