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1. Zur Aufhebung von bereits erfolgten Beförderungen bei der Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs eines Beamten, dessen Auswahl als möglich erscheint (hier: bejaht)
2. Zur Rechtswidrigkeit von im Ankreuzverfahren erstellten Regelbeurteilungen, wenn die Gesamturteilsbildung auf der schematischen Anwendung einer Gesamtpunkteskala und zudem einem Übergewicht der Befähigungs- vor den Leistungsmerkmalen beruht
Die Ernennung des Beigeladenen zu 1. zum Leitenden S. und der Beigeladenen zu 2. zur Leitenden S1. wird mit Wirkung ab Rechtskraft dieses Urteils aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin steht als S1. (A 15 LBesO) im Dienste des Beklagten und ist als Referentin bei der P. NRW tätig. Die Klägerin wurde für den Beurteilungszeitraum 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015 (Beurteilungsstichtag 31. Dezember 2015) beurteilt. Die Regelbeurteilung vom 30. März 2016 endete mit dem Gesamturteil „gut“ sowie der Feststellung der Beförderungseignung. Im Rahmen der Leistungsbeurteilung wurde die Klägerin in den Einzelmerkmalen Arbeitsweise, Arbeitsgüte, Sozialverhalten und Führungsverhalten jeweils mit 4 Punkten bewertet (= entspricht in vollem Umfang den Anforderungen). Die Befähigungsbeurteilung weist in den Ausprägungsmerkmalen Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft, Auffassungsgabe, Analysefähigkeit und geistige Beweglichkeit, Zuverlässigkeit, Verhandlungs- und Durchsetzungsvermögen sowie Kommunikationsfähigkeit die Note 4 (= sehr stark ausgeprägt) und in den Ausprägungsmerkmalen Entscheidungs- und Entschlussfähigkeit sowie Verantwortungsbereitschaft und Kritikfähigkeit die Note 3 (= stark ausgeprägt) auf.
3Der Beigeladene zu 1., der sich im damaligen Zeitpunkt ebenfalls im Amt eines S2. befand, wurde zum 31. Dezember 2015 mit dem Gesamturteil „sehr gut“ beurteilt; die Leistungs- und Befähigungsmerkmale weisen jeweils 4 Punkte aus. Die Beigeladene zu 2., die sich im damaligen Zeitpunkt ebenfalls im Amt einer S1. befand, wurde zum 31. Dezember 2015 mit dem Gesamturteil „sehr gut“ beurteilt; die Leistungsmerkmale wiesen 3 x 4 und 1 x 5 Punkte aus, die Befähigungsmerkmale 2x 3 und 5 x 4 Punkte.
4Mit Datum vom 16. Oktober 2017 wurde bei der P. NRW die Besetzung zweier Referatsleitungen (Besoldungsgruppe A 16 LBesO) in der C. – Dienstsitz N. /E. – ausgeschrieben. Hierauf bewarben sich die Klägerin sowie die Beigeladenen.
5Mit Schreiben vom 27. November 2017 – persönlich übergeben am 1. Dezember 2017 – wurde der Klägerin durch die P. NRW mitgeteilt, dass ihrer Bewerbung auf die ausgeschriebenen Stellen nicht habe entsprochen werden können. Gleichzeitig mit diesem Schreiben wurde der Klägerin mündlich mitgeteilt, dass der Beigeladene zu 1. „soeben“ ernannt worden sei und die Beigeladene zu 2. „gleich“ ernannt werde, was auch erfolgte.
6Mit Schreiben vom 00.00.0000 wandte sich die Klägerin mit dem Hinweis auf ein fehlerhaftes Beförderungsverfahren an die P. . Diese teilte mit Schreiben vom 00.00.0000 mit, dass die fehlende Information über die Stellenbesetzung aufgrund besonderer Umstände bei der Stellenbesetzung erfolgt sei. Die Auswahlentscheidung sei aber im Übrigen rechtmäßig und fehlerfrei erfolgt. Die Klägerin weise im Verhältnis zu den beiden ausgewählten Konkurrenten ein schlechteres Gesamturteil in der maßgeblichen dienstlichen Beurteilung auf.
7Die Klägerin erhob unter dem 00.00.0000 Widerspruch gegen die Auswahlentscheidung des Beklagten und begründete diesen mit Schreiben vom 00.00.0000 im Wesentlichen damit, dass das Auswahlverfahren rechtsfehlerhaft durchgeführt worden sei. Für die Auswahlentscheidung sei zudem eine Anlassbeurteilung zu erstellen gewesen, da im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nahezu zwei Jahre seit der letzten Regelbeurteilung vergangen seien. Sie habe seit dem Stichtag der letzten Regelbeurteilung wesentlich andere Aufgaben wahrgenommen, da sich ihr Aufgabenbereich deutlich erweitert habe. Sie habe im Beurteilungszeitraum 1. Januar 2016 bis 6. Oktober 2017 zwei Referate parallel geleitet.
8Die Klägerin hat am 00.00.0000 die Klage 4 K 2935/18 erhoben, die mit Wirkung vom 00.00.0000 in den Zuständigkeitsbereich der 5. Kammer übergegangen ist. Zur Begründung wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor: Die Differenzierung in den der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden dienstlichen Beurteilungen sei nicht nachvollziehbar und nicht gerechtfertigt. Sie und der Beigeladene zu 1. seien in der Leistungsbewertung gleich beurteilt; im Rahmen der Befähigungsbeurteilung sei der Beigeladene zu 1. in zwei von sieben Ausprägungsmerkmalen besser beurteilt worden. Dies rechtfertige die Vergabe von unterschiedlichen Gesamtnoten nicht. Insbesondere ergebe sich auch aus den zusammenfassenden Würdigungen nicht, dass die Differenzierung bei den Gesamtnoten gerade im Hinblick auf die beiden hier in Rede stehenden Befähigungsmerkmale erfolgt sei. In der Begründung werde ausschließlich auf die Leistungen abgestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 2 A 1.14) komme den Befähigungsmerkmalen außerdem keine große Bedeutung bei der Bildung des Gesamturteils im Rahmen einer Regelbeurteilung zu. Auch die Beigeladene zu 2. sei im Wesentlichen gleich wie sie selbst – die Klägerin – beurteilt worden. Sie habe nach Ende des Beurteilungszeitraums zusätzliche Aufgaben übernommen, die das von ihr bearbeitete Aufgabengebiet erheblich ausgeweitet und verändert hätten. Während des Beurteilungszeitraumes habe sie das Referat 00 geleitet. Ab dem 1. Januar 2016 sei ihr zusätzlich die Leitung des Referates 00 für einen Zeitraum von einem Jahr und neun Monaten übertragen worden. Bei dem neuen Aufgabenbereich habe es sich um einen völlig anderen Aufgabenbereich gehandelt, den sie nicht nur vertretungsweise, sondern aufgrund einer Aufgabenzuweisung übernommen habe. Auch die Arbeitsbelastung im Referat 00 sei aufgrund des erhöhten C1. erheblich angestiegen. Im Hinblick darauf liege somit keine aussagekräftige dienstliche Beurteilung vor und es hätte eine Anlassbeurteilung erstellt werden müssen. Der Beklagte könne zudem nicht darlegen, wie er die einzelnen Beurteilungsmerkmale sowie die Befähigungsmerkmale jeweils gewichte. Aus den Beurteilungsrichtlinien ergebe sich insoweit keine Vorgabe. Mit Schreiben vom 00.00.0000 hat die Klägerin die „Orientierungshilfe – Ausschärfung“ übersandt, auf deren Inhalte Bezug genommen wird.
9Die Klägerin beantragt,
10die Ernennungen der Beigeladenen zur Leitenden S1. bzw. zum Leitenden S. und deren Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 sowie die diesen Auswahlentscheidungen zugrunde liegende Auswahlentscheidung aufzuheben.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Er habe zwar den Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin im vorliegenden Verfahren verletzt, indem er ihr die Auswahlentscheidung nicht mindestens 14 Tage vor der Ernennung mitgeteilt habe. Die Klägerin wäre allerdings auch bei fehlerfreier Durchführung des Auswahlverfahrens nicht ausgewählt worden. Die rechtsfehlerfreie Beurteilung der Klägerin sei schlechter ausgefallen als die der Beigeladenen und sie habe daher nicht ausgewählt werden können. Entgegen der Annahme der Klägerin komme den Befähigungsmerkmalen auch Bedeutung bei der Gesamtwürdigung zu. Selbst bei gleichen Gesamturteilen wäre jedoch im Rahmen einer inhaltlichen Ausschöpfung von einem Vorsprung der Beigeladenen auszugehen. Gerade im Bereich der S1. komme dem Befähigungsmerkmal „Entscheidungs- und Entschlussfähigkeit“ große Bedeutung zu. Das Auswahlverfahren sei anhand der Regelbeurteilungen zum Stichtag 31. Dezember 2015 vorzunehmen gewesen. Während dieses Zeitraums habe die Klägerin das Teilreferat 00 geleitet. Zum 1. Januar 2016 sei ihr dann vertretungsweise bis zur Nachbesetzung der Referentenstelle die Leitung des U. 00 übertragen worden. Die Tätigkeiten der Referenten in der C. seien grundsätzlich untereinander vergleichbar und wichen nur wenig voneinander ab. Bei der von der Klägerin vorgelegten „Orientierungshilfe – Ausschärfung“ handele es sich um ein Hilfswerkzeug der Beurteiler zur Überprüfung der Schlüssigkeit der Beurteilungen. Anhand der Orientierungshilfe würden Beurteilungen nicht erstellt.
14Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
15Das Gericht hat die Sache in Kammerbesetzung am 00.00.0000 mit den Beteiligten erörtert.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Personalakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs.
17Entscheidungsgründe
18I. Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig (1.) und begründet (2.).
191. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO).
20a) Die Anfechtungsklage ist statthaft. Die Klägerin kann die Ernennung der Beigeladenen anfechten, weil die Ernennung eines nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG ausgewählten Bewerbers für ein Amt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG darstellt, der darauf gerichtet ist, unmittelbare Rechtswirkungen für den durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Bewerbungsverfahrensanspruch der unterlegenen Bewerber zu entfalten.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris, Rn. 17; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 82.
22Der Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen die Ernennung der Beigeladenen steht nicht der – von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung durchweg so angenommene – Grundsatz der Ämterstabilität entgegen, weil der Klägerin der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG gebotene Rechtsschutz vor der Ernennung nicht gewährt worden ist. Aus diesem Grund ist eine inhaltliche Nachprüfung der Ernennung verfassungsrechtlich geboten.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 84.
24Die Ernennung des ausgewählten Bewerbers ist nach dem Grundsatz der Ämterstabilität in aller Regel rechtsbeständig und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das (Status-)Amt ist mit der Ernennung daher unwiderruflich vergeben, und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob die Ernennung mit Art. 33 Abs. 2 GG im Einklang steht. Dementsprechend gehen auch die Bewerbungsverfahrensansprüche der unterlegenen Bewerber durch die Ernennung unter.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris, Rn. 27; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 85.
26Eine Aufhebung der Ernennung des ernannten Beamten kommt in einem gerichtlichen (Hauptsache-)Verfahren grundsätzlich ebenso wenig in Betracht wie gegen die bereits erfolgte Ernennung gerichteter Eilrechtsschutz.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 A 5.18 -, juris, Rn. 24.
28Die Rechtsbeständigkeit einer Ernennung aus Gründen der Ämterstabilität ist mit dem Grundrecht auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG jedoch nur vereinbar, wenn unterlegene Bewerber ihren Bewerbungsverfahrensanspruch vor der Ernennung in der grundrechtlich gebotenen Weise gerichtlich geltend machen können. Es muss sichergestellt sein, dass ein unterlegener Bewerber die Auswahlentscheidung des Dienstherrn vor der Ernennung in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen kann, das den inhaltlichen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG genügt. Hierfür hat sich eine Praxis der Verwaltungsgerichte herausgebildet, die den gerichtlichen Rechtsschutz in den Zeitraum zwischen der Auswahlentscheidung und der Ernennung verlagert. Ein unterlegener Bewerber ist zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs darauf verwiesen, eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO zu beantragen, durch die dem Dienstherrn die Ernennung des ausgewählten Bewerbers untersagt wird. Erwächst eine einstweilige Anordnung dieses Inhalts in Rechtskraft, so muss der Dienstherr das Auswahlverfahren, wenn er es nicht zulässigerweise abbricht, je nach Inhalt und Reichweite des Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG vollständig oder teilweise wiederholen und auf der Grundlage des wiederholten Verfahrens eine neue Auswahlentscheidung treffen. Der Dienstherr darf den ausgewählten Bewerber erst ernennen, wenn feststeht, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg hat. Ein Hauptsacheverfahren findet dann wegen der Rechtsbeständigkeit der Ernennung nicht mehr statt.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris, Rn. 31; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 89.
30Hatte ein unterlegener Bewerber Gelegenheit, die Rechtsschutzmöglichkeiten zur gerichtlichen Nachprüfung der Auswahlentscheidung vor der Ernennung auszuschöpfen, so sind seine Ansprüche aus Art. 33 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG erfüllt. Dies gilt unabhängig davon, ob den gerichtlichen Entscheidungen materiell rechtliche oder prozessuale Mängel anhaften. Das Grundrecht auf gerichtlichen Rechtsschutz gibt weder einen Anspruch auf eine „richtige“ Entscheidung noch darauf, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch zweimal, nämlich vor und nach der Ernennung gerichtlich verfolgt werden kann. Eine Anfechtung der Ernennung ist in diesen Fällen verfassungsrechtlich nicht geboten. Die Wirksamkeit des Rechtsschutzes vor der Ernennung hängt aber davon ab, dass der Dienstherr die gerichtliche Nachprüfung seiner Auswahlentscheidung ermöglicht. Er muss mit der Ernennung des ausgewählten Bewerbers zuwarten, bis die unterlegenen Bewerber ihre Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschöpft haben. Daher ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG Mitteilungs- und Wartepflichten des Dienstherrn, mit denen Ansprüche der unterlegenen Bewerber korrespondieren: Zunächst muss der Dienstherr die Auswahlentscheidung vor der Ernennung den unterlegenen Bewerbern mitteilen. Danach muss er eine angemessene Zeit zuwarten, damit die Unterlegenen das Verwaltungsgericht anrufen können. In der Praxis der Verwaltungsgerichte hat sich eine Wartezeit von zwei Wochen ab Zugang der Mitteilung über die Ablehnung der Bewerbung als angemessen herausgebildet. Beantragt ein Bewerber rechtzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung, darf der Dienstherr die Ernennung erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens vornehmen. Auch danach bestehen nochmals Wartepflichten.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris, Rn. 33 ff; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 91.
32Die aus Art. 19 Abs. 4 i. V. m. Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitende Verpflichtung des Dienstherrn, unterlegene Bewerber um ein Beförderungsamt rechtzeitig über das Ergebnis des Auswahlverfahrens zu unterrichten, besteht unabhängig davon, ob der Beamte sich beworben hat oder ob er mangels Ausschreibung von seinem Dienstherrn von Amts wegen bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen ist.
33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 95.
34Bei der Beförderungsauswahl unterlegene Beamte haben demnach stets und unabhängig von der Ausgestaltung des Auswahlverfahrens als Bewerbungsverfahren oder sonstiges Verfahren der Vergabe von Beförderungsplanstellen einen Anspruch auf eine verbindliche Information durch den Dienstherrn über das Ergebnis der Beförderungsauswahl.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 95.
36Vorliegend ist der Grundsatz der Ämterstabilität durchbrochen, weil der Beklagte – wie er selbst einräumt – die Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes für die Klägerin verhindert hat.
37Verstößt der Dienstherr vor der Ernennung gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG, so muss der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz nach der Ernennung nachgeholt werden. Der Dienstherr kann sich auf die Ämterstabilität nicht berufen, um Verletzungen des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu decken. Ansonsten hätte er es in der Hand, die Grundrechte unterlegener Bewerber durch vorzeitige Ernennungen auszuschalten. Gefährdungen der Funktionsfähigkeit von Justiz oder Verwaltung kann der Dienstherr vermeiden, indem er die Anforderungen der Rechtsschutzgarantie beachtet. Im Übrigen liegen sie wegen der überschaubaren Zahl der Fälle der Rechtsschutzverhinderung fern.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris, Rn. 37; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 98.
39Nach der Ernennung des ausgewählten Bewerbers kann unterlegenen Bewerbern gerichtlicher Rechtsschutz nur im Wege der Anfechtungsklage gegen die Ernennung gewährt werden. Eine andere Möglichkeit zur Durchsetzung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs besteht nicht.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris, Rn. 339; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 100.
41Nach diesen Grundsätzen können sich der Beklagte und die Beigeladenen nicht auf die Stabilität der erfolgten Ernennungen berufen. Der Beklagte hat die aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG folgende Mitteilungspflicht verletzt, indem er davon abgesehen hat, der Klägerin vor der Ernennung des Beigeladenen zu 1. die Auswahlentscheidung mitzuteilen und mit der Ernennung der Beigeladenen zu 2. eine ausreichende Zeit abzuwarten. Damit hat er der Klägerin zugleich die Möglichkeit genommen, vor der Ernennung der Beigeladenen um vorläufigen Rechtsschutz nachzusuchen. Für die danach gegebene Rechtsschutzvereitelung ist es ohne Belang, ob die Klägerin vor den Beförderungen der Beigeladenen von diesen wusste oder hätte wissen müssen.
42b) Der Rechtsstreit hat sich bezüglich des gegen die Ernennung des Beigeladenen zu 1. gerichteten Antrags nicht dadurch erledigt, dass – wie der Beklagte mit Schriftsatz vom 00.00.0000 vorträgt – der Beigeladene zu 1. seit dem 00.00.0000 nicht mehr das Amt eines Leitenden S2. innehat und die streitgegenständliche Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 nicht mehr mit diesem besetzt, sondern unbesetzt ist. Auf die Frage, welchen Dienstposten der Beigeladene zu 1. innehat oder ob der von diesem innegehabte Dienstposten nunmehr unbesetzt ist, kommt es für die hier streitgegenständliche statusrechtliche Frage der Ernennung des Beigeladenen zu 1. nicht an. Auch im Übrigen hat sich das Begehren der Klägerin durch eine etwaige weitere Beförderung des Beigeladenen zu 1. nicht erledigt. Aus der insoweit allein maßgeblichen Sicht der Klägerin kommt der Ernennung des Beigeladenen zu 1. zum Leitenden S. weiterhin belastende Wirkung zu, weil mit dieser ihr Bewerbungsverfahrensanspruch untergegangen ist und erst im Fall der gerichtlichen Aufhebung der Ernennung wieder auflebt. Auf die Fragen, ob sich die ggf. weitere Ernennung als eine gemäß § 19 Abs. 5 und 5 LBG NRW unzulässige Sprungbeförderung darstellt und ob diese ggf. gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 BeamtStG korrigiert werden könnte, kommt es hier nicht an.
43c) Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin keinen Antrag gestellt hat, über ihren Bewerbungsverfahrensanspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Dies versteht sich von selbst, nachdem durch die Aufhebung der Ernennungen der Beigeladenen das Auswahlverfahren fortzuführen ist und dieses von dem Beklagten entweder durch eine erneute Auswahlentscheidung oder anderweitig zu einem Abschluss zu bringen ist.
442. Die Klage ist begründet (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Ernennungen der Beigeladenen zum Leitenden S. bzw. zur Leitenden S1. verletzen die Klägerin in ihrem Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG auf ermessensfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Es erscheint überdies möglich, dass die Klägerin bei rechtsfehlerfreier Durchführung des Stellenbesetzungsverfahrens anstelle der Beigeladenen auszuwählen ist.
45a) Der Beklagte hat den Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin verletzt.
46aa) Der Beklagte hat den Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin zunächst dadurch verletzt, dass er die zu besetzenden Beförderungsstellen ohne Abzuwarten unverzüglich mit den Beigeladenen besetzt und die Ernennungsurkunden ausgehändigt hat.
47bb) Der Beklagte hat den Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin nicht dadurch verletzt, dass er es unterlassen hat, eine Anlassbeurteilung für die Klägerin zu erstellen. Für die Klägerin musste wegen ihrer seit dem 00.00.0000– zusätzlich zu ihrer Tätigkeit im Referat 00 – ausgeübten Tätigkeit im Referat 00 (M. des Referates) keine Anlassbeurteilung gefertigt werden.
48Soll ein Beförderungsamt oder ein Beförderungsdienstposten besetzt werden, so ist der Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung zwischen Bewerbern an die Bestimmung des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden. Dieser gewährleistet – unbeschränkt und vorbehaltlos – jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach darf der Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung keinen Bewerber übergehen, der im Vergleich mit anderen Bewerbern die vom Dienstherrn – etwa im Rahmen eines Anforderungsprofils für die Stelle bzw. den Dienstposten – aufgestellten Kriterien am besten erfüllt. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf solche Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen; anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung zugemessen werden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist bzw. erst dann, wenn sich aus dem Vergleich von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt.
49Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. September 2007 - 2 BvR 1972/07 -, juris, Rn. 8; BVerwG, Urteil vom 25. November 2004 - 2 C 17.03 -, juris, Rn. 13 f.; OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2012 - 1 B 681/12 -, juris, Rn. 4.
50Wird das insoweit durch Art. 33 Abs. 2 GG vermittelte (grundrechtsgleiche) subjektive Recht, der sog. Bewerbungsverfahrensanspruch, durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, so folgt daraus zwar regelmäßig kein Anspruch auf Beförderung oder Vergabe des begehrten Dienstpostens; der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint.
51Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2012 - 1 B 681/12 -, juris, Rn. 6.
52Den für die Auswahlentscheidung nach dem Vorstehenden maßgeblichen Leistungs- und Eignungsvergleich der Bewerber hat der Dienstherr regelmäßig anhand aussagekräftiger, also hinreichend differenzierter und auf gleichen Beurteilungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 16.02 -, juris, Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2012 - 1 B 681/12 -, juris, Rn. 8.
54Für den Bewerbervergleich maßgeblich sind dabei in erster Linie die Aussagen in den jeweils aktuellen dienstlichen Beurteilungen. Dies können je nachdem die letzten (zeitlich noch hinreichend aktuellen) Regelbeurteilungen oder aber aus Anlass des Besetzungsverfahrens erstellte Anlass- oder Bedarfsbeurteilungen sein. Bei der Betrachtung der jeweiligen Beurteilung kommt es in erster Linie auf das abschließende Gesamturteil an, welches anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet wurde.
55Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 1120/12 -, juris, Rn. 12; BVerwG, Beschluss vom 27. September 2011 - 2 VR 3.11 -, juris, Rn. 23.
56Die Aktualität dienstlicher Beurteilungen bemisst sich nach dem verstrichenen Zeitraum zwischen ihrer Erstellung (bzw. dem Beurteilungsstichtag) und dem Zeitpunkt der Auswahlentscheidung.
57Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2017 - 2 VR 2.16 -, juris, Rn. 53.
58Eine Regelbeurteilung ist grundsätzlich hinreichend aktuell, wenn der Beurteilungsstichtag höchstens drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Auswahlentscheidung liegt.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 - 2 C 1.18 -, juris, Rn. 34.
60Nach Ziffer 3.1 der hier maßgeblichen Richtlinien für die Beurteilung und Beförderung der Beamtinnen und Beamten der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (BuBR) sind Beamte grundsätzlich alle drei Jahre zum 31. Dezember zu beurteilen.
61Der Beurteilungsstichtag der hier maßgeblichen Regelbeurteilung zum 31. Dezember 2015 lag weniger als drei Jahre (nämlich 2 Jahre, 10 Monate und 27 Tage) vor der streitgegenständlichen Auswahlentscheidung vom 27. November 2017. Das Gericht sieht keinen Anlass, von der durch das Bundesverwaltungsgericht gezogenen Grenze von drei (vollen) Jahren Abstand zu nehmen.
62Ggf. anderer Ansicht OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2020 - 6 B 1002/20 -, juris, Rn. 20 bei einem Zeitraum von zwei Jahren, elf Monaten und 25 Tagen.
63Allerdings kann auch bei einem auf turnusgemäßen Regelbeurteilungen beruhenden Beurteilungssystem die Notwendigkeit entstehen, die Beurteilungsgrundlage im Hinblick auf eine zu treffende Auswahlentscheidung zu aktualisieren. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 9. Mai 2019 (2 C 1.18, juris, Rn. 37 ff.) ausgeführt:
64„Allerdings kann auch bei einem auf turnusgemäßen Regelbeurteilungen beruhenden Beurteilungssystem die Notwendigkeit entstehen, die Beurteilungsgrundlage im Hinblick auf eine zu treffende Auswahlentscheidung zu aktualisieren. Nach der Rechtsprechung des Senats kann das der Fall sein, wenn der Beamte nach dem Beurteilungsstichtag der letzten Regelbeurteilung während eines erheblichen Zeitraums (1) wesentlich andere Aufgaben (2) wahrgenommen hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Februar 2009 - 2 A 7.06 - Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 44 Rn. 20, vom 30. Juni 2011 - 2 C 19.10 - BVerwGE 140, 83 Rn. 23 und Beschluss vom 10. Mai 2016 - 2 VR 2.15 - BVerwGE 155, 152 Rn. 23).
65Zur Frage, wann das damit angesprochene zeitliche (1) und qualitative (2) Element erfüllt ist, hat sich eine breite, aber uneinheitliche Kasuistik der Tatsachengerichte entwickelt. Von daher besteht ein Bedarf an maßstäblicher Präzisierung beider Elemente. Der Senat ist - in Modifizierung und Fortentwicklung seiner Rechtsprechung - der Ansicht, dass ein erheblicher Zeitraum im vorstehenden Sinne dann vorliegt, wenn bei einem dreijährigen Regelbeurteilungszeitraum die anderen Aufgaben während des (deutlich) überwiegenden (mit zwei Dritteln anzusetzenden) Teils des Beurteilungszeitraums wahrgenommen wurden, also zwei Jahre lang. Bei einem zweijährigen Regelbeurteilungszeitraum ist das zeitliche Element hiernach regelmäßig nicht erfüllt. Wesentlich andere Aufgaben im vorstehenden Sinne liegen nur vor, wenn der Beamte in seinem veränderten Tätigkeitsbereich Aufgaben wahrnimmt, die einem anderen (regelmäßig höherwertigen) Statusamt zuzuordnen sind.“
66Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist im Streitfall weder das zeitliche noch das qualitative Element für eine Anlassbeurteilung der Klägerin gegeben. Sie hat ihre neue Tätigkeit als M1. des Referates 00 nach ihrem Vorbringen über einen Zeitraum von ca. 22 Monaten (1. Januar 2016 bis 6. Oktober 2017) seit der letzten Regelbeurteilung ausgeübt. Stichhaltige Argumente dafür, dass die „neue“ Tätigkeit im Referat 00 einem höherwertigen Statusamt zugeordnet war, hat die Klägerin nicht vorgebracht und sind auch sonst nicht ersichtlich.
67cc) Der Beklagte hat den Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin dadurch verletzt, dass dem Auswahlvorgang Beurteilungen der Beigeladenen zugrunde gelegt worden sind, die in ihrem Gesamturteil nicht plausibel sind (1). Die Beurteilung der Klägerin vom 30. März 2016 ist einer gerichtlichen Kontrolle hingegen entzogen (2).
68(1) Die Beurteilungen der Beigeladenen sind in ihrem Gesamturteil nicht plausibel begründet.
69Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den - regelmäßig zahlreichen - Einzelbewertungen herleiten lässt. Dabei steht es im Ermessen des Dienstherrn, festzulegen, welches (unterschiedliche) Gewicht er den einzelnen Merkmalen beimessen will. Das abschließende Gesamturteil darf sich nicht auf die Bildung des arithmetischen Mittels aus den einzelnen Leistungsmerkmalen beschränken. Vielmehr kommt im Gesamturteil die unterschiedliche Bedeutung der Einzelbewertungen durch ihre entsprechende Gewichtung zum Ausdruck. Das abschließende Gesamturteil ist danach durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen, auf die Bestenauswahl bezogenen Gesichtspunkte zu bilden. Diese Gewichtung bedarf bei sog. Ankreuzbeurteilungen schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Die Anforderungen an die Begründung für das Gesamturteil sind umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist. Gänzlich entbehrlich ist eine Begründung für das Gesamturteil jedoch nur dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note - vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null - geradezu aufdrängt.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 - 2 C 1.18 -, juris, Rn. 65 f.; OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2020 - 1 B 344/20 -, juris, Rn. 8.
71Auf dieser Grundlage sind die Begründungen der Gesamturteile in den Beurteilungen der Beigeladenen nicht plausibel.
72(a) § 92 Abs. 1 LBG NRW i. V. m. § 8 Abs. 1 LVO NRW i. V. m. Nr. 3.1, 6.3 und 7 der Richtlinien für die Beurteilung und Beförderung der Beamtinnen und Beamten der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung des Erlasses vom 19. Januar 2015 (BuBR 2011) schreibt ein System von Regelbeurteilungen – grundsätzlich im dreijährigen Abstand –, die Bildung eines abschließenden Gesamturteils und die Aussage einer Beförderungseignung vor. Das Gesamturteil setzt sich zusammen aus der Leistungs- und Befähigungsbeurteilung unter Würdigung der Gesamtpersönlichkeit der/des einzelnen im Vergleich zu den übrigen Beamtinnen und Beamten derselben Besoldungsgruppe. Der Befähigungsbeurteilung soll ein stärkeres Gewicht als der Leistungsbeurteilung zukommen, was bereits durch die höhere Anzahl der zu bewertenden Einzelmerkmale zum Ausdruck gelangen soll. Dies soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Befähigungsbeurteilung für die weitere Entwicklung der Beamtinnen und Beamten, insbesondere die künftigen Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten, von größerer Bedeutung ist. Um der Leistungsbeurteilung gleichwohl ein angemessenes Gewicht zukommen zu lassen, sind die hier zu bewertenden Einzelmerkmale mit einer breiteren Bewertungsskala versehen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt Nr. 6.3 BuBR 2011).
73Entsprechend ihrer rechtlichen Herleitung sind Verwaltungsvorschriften nicht wie Rechtsvorschriften aus sich heraus, sondern als Willenserklärung der anordnenden Stelle unter Berücksichtigung der tatsächlichen Handhabung auszulegen. Da Verwaltungsvorschriften zur Disposition des Vorschriftengebers stehen, ist bei der Auslegung die tatsächliche Verwaltungspraxis jedenfalls insoweit heranzuziehen, wie sie vom Urheber der Verwaltungsvorschriften gebilligt oder doch geduldet wurde oder wird. Dementsprechend ist jeweils zu erforschen, in welchem Sinne die betreffende Behörde die von ihr herausgegebenen Richtlinien in einem maßgebenden Punkte verstanden wissen wollte und tatsächlich verstanden und angewandt hat.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2020 - 2 C 2.20 -, juris, Rn. 19.
75Macht der Dienstherr, wie hier durch das Finanzministerium als oberste Dienstbehörde, hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe Vorgaben, sind die Beurteiler aufgrund des Gleichheitssatzes an die vom Dienstherrn erlassenen Richtlinien gebunden. Weicht eine Behörde von diesen Vorgaben ab, hat der Dienstherr durch geeignete Maßnahmen die einheitliche Anwendung seiner Richtlinien sicherzustellen.
76Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2020 - 2 C 2.20 -, juris, Rn. 21.
77Die gleiche Gewichtung von Einzelmerkmalen bei der Bildung der Gesamtnote ist möglich und zulässig. Art. 33 Abs. 2 GG gibt die Gewichtung einzelner Merkmale nicht vor; sie ist Sache des Dienstherrn. Für die Ermittlung des Gesamturteils einer dienstlichen Beurteilung besteht kein (generelles) „Arithmetisierungsverbot“. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Arithmetisierung nur insoweit beanstandet, als Beurteilungsrichtlinien mit einer großen Anzahl von Einzelmerkmalen ohne Vorgaben des Dienstherrn zu deren Gewichtung betroffen waren; in diesen Fallkonstellationen ist die rein rechnerische Bildung der Gesamtnote aus dem arithmetischen Mittel von Einzel- oder Teilnoten beanstandet und eine Begründung des Gesamturteils für erforderlich gehalten worden.
78Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1994 - 2 C 21.93 - BVerwGE 97, 128 zu 30 Einzelmerkmalen in zwei Teilblöcken; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 2. März 2017 - 2 C 21.16 -, juris, Rn. 30 zu 19 Einzelmerkmalen.
79Dem liegt die Annahme zugrunde, dass es bei einer derart großen Zahl von Einzelmerkmalen ausgeschlossen erscheint, dass diesen nach der Vorstellung des Dienstherrn, der - wie dargelegt - die Gewichtung bestimmen kann, sämtlich ein und dasselbe, gleich große Gewicht zukommen soll.
80Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2020 - 2 C 2.20 -, juris, Rn. 25.
81Der dem Dienstherrn eröffnete Wertungsspielraum bei der Gewichtung der Einzelmerkmale einer dienstlichen Beurteilung findet allerdings dort eine Grenze, wo eine von ihm abstrakt vorgegebene Gewichtung dem Bedeutungsgehalt der Begriffe von "Eignung, Befähigung und fachliche Leistung" i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG - offensichtlich - nicht mehr gerecht wird. Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn der Dienstherr vorgäbe, dass bei einer Vielzahl von zu bewertenden Einzelmerkmalen diesen sämtlich das gleiche Gewicht zukommen soll mit der Folge, dass selbst solche Einzelmerkmale, die für eine Bewertung von "Eignung" und "fachliche Leistung" eines Beamten regelmäßig im Vordergrund stehen (weil sie den Kern dieser Begriffe ausmachen) wie z. B. "Arbeitsgüte" und "Arbeitsmenge" (Qualität und Quantität der Arbeitsergebnisse) - lediglich - mit dem gleichen Gewicht in das Gesamturteil einfließen sollen wie andere, zwar ebenfalls bedeutsame, aber im Vergleich dazu doch nachrangige Einzelmerkmale wie etwa "Fortbildungsbereitschaft" oder "Offenheit für Innovationsprozesse".
82Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2018 - 2 A 10.17 –, juris, Rn. 46.
83Nach Nr. 5 und 6.3 BuBR 2011 sind in den Beurteilungen regelmäßig – und so auch im Fall der Klägerin und der Beigeladenen – die vier Leistungsmerkmale zu beurteilen: Arbeitsweise, Arbeitsgüte, Sozialverhalten und Führungsverhalten. Das Merkmal „Arbeitsmenge“ geht in der Bewertung des Führungsverhaltens auf. Hierfür können zwischen ein (entspricht nicht den Anforderungen) und fünf Punkte (übertrifft erheblich die Anforderungen) vergeben werden.
84Für die Befähigungsbeurteilung sind sieben Merkmale zu bewerten, wobei zwischen einem (weniger ausgeprägt) und vier Punkte (sehr stark ausgeprägt) vergeben werden können.
85Bezogen auf die für die Bildung des Gesamturteils vorzunehmende Gewichtung dieser Merkmale liegt Nr. 6.3 Satz 2 und 4 BuBR der Gedanke zugrunde, dass zunächst die einzelnen Merkmale innerhalb der Leistungsbeurteilung und der Befähigungsbeurteilung jeweils gleich zu gewichten sind, insgesamt aber die Befähigungsbeurteilung ein höheres Gewicht erhält. Dies relativiert sich allerdings wiederum dadurch, dass die Merkmale im Rahmen der Leistungsbeurteilung breiter bewertet werden können, sprich: dass diesbezüglich bis zu fünf statt nur vier Punkte erreicht werden können. Soweit der Beklagte in seinem Schreiben vom 00.00.0000 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin klarstellen wollte, das Gesamturteil sei anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet worden (Hervorhebung durch das Gericht), lässt sich dies weder mit der BuBR noch der Verwaltungspraxis in Einklang bringen.
86Die Gesamturteilsbildung wird auf dieser Grundlage in der allein maßgeblichen Beurteilungspraxis des Beklagten nach mathematischen Grundsätzen gehandhabt. Die sog. „Orientierungshilfe – Ausschärfung“ (vgl. Blatt 113 der Gerichtsakte) gibt hinreichenden Aufschluss darüber, wie der Beklagte das Beurteilungssystem handzuhaben wünscht und wie es auch angewandt wird. Mit ihr liegt auf der Hand, in welcher Weise die Gesamturteilsbildung im gesamten Zuständigkeitsbereich des Finanzministeriums vom Urheber der Richtlinie nicht nur geduldet, sondern gebilligt und gefordert wird.
87Die anfänglich von dem Beklagten aufgestellte Behauptung, eine solche schematische Berechnung erfolge nicht und es existiere insbesondere keine „Matrix“ zur Ermittlung des Gesamtergebnisses, ist nach den nunmehr vorliegenden Erkenntnissen und jetzigen Einlassungen des Beklagten widerlegt. Der gegenteilige – erstmals durch die Beigeladenen und die Klägerin im Erörterungstermin am 00.00.0000 erhobene – Vortrag, die Gesamtnote werde anhand einer „Matrix“, in die die Werte der Einzelmerkmale eingespeist würden, ermittelt, wurde durch die Vorlage einer Kopie der „Orientierungshilfe – Ausschärfung“ seitens der Klägerin bekräftigt. Der Beklagte hat auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die sich aus der „Orientierungshilfe – Ausschärfung“ vorgegebene Zuordnung eines Gesamtwertes zu einer Gesamtnote für die Beurteiler nicht zwingend ist bzw. ihnen ein Spielraum verbleibt. Dies wäre dem Beklagten im Übrigen auch unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens nicht (mehr) abzunehmen, da er sich zunehmend in Widersprüche verstrickt hat. Während die Vertreterin des Beklagten zunächst die Existenz einer „Matrix“ im Erörterungstermin vom 00.00.0000 noch gänzlich abgestritten hat, hat sie diese im Schriftsatz vom 00.00.0000 eingeräumt, nachdem die Klägerin dem Gericht eine Kopie der „Orientierungshilfe – Ausschärfung“ vorgelegt hatte.
88Der Beklagte hat mit seinem aktuellsten Vorbringen, bei der „Orientierungshilfe – Ausschärfung“ handele es sich nicht um einen Bestandteil der BuBR 2011, sondern lediglich um eine „Arbeitshilfe“, um am Ende des Beurteilungsverfahrens Schlüssigkeitsdefizite hinsichtlich des vergebenen Gesamturteils erkennen zu können, gerade nicht dargelegt, dass der Orientierungshilfe bei der Gesamturteilsbildung keinerlei Bedeutung zukommt. Die Orientierungshilfe, die nach seinen eigenen Angaben anlässlich der Informationsveranstaltungen für die Dienststellenleitungen zur Einführung der BuBR 2011 im Jahr 2011 den Dienststellenleitungen vom Finanzministerium zur Verfügung gestellt worden ist, veranschaulicht vielmehr, wie ein Gesamturteil nach dem Willen des Richtliniengebers als plausibel gebildet anzusehen ist. Diese Plausibilisierung erfolgt auf rechnerischem Weg, indem die vier Leistungsmerkmale jeweils bis zu dem Faktor 5 und die sieben Befähigungsmerkmale jeweils bis zu dem Faktor 4 multipliziert und die Produkte sodann summiert werden. Dies führt auf einen Höchstwert von 48 (20 + 28). Dass dies der gelebten Verwaltungspraxis entspricht, lässt sich auch dem Besetzungsvermerk des Beklagten (Bl. 17, Heft 1) im konkreten Auswahlverfahren entnehmen, der für den Beigeladenen zu 1. 44, die Beigeladene zu 2. 43 und für die Klägerin 42 „Auss_Pkt“ ausweist. Hiermit sind ersichtlich die nach der Orientierungshilfe zu bildenden Ausschärfungspunkte gemeint (für den Beigeladenen zu 1.: 11 x 4, für die Beigeladene zu 2.: 1 x 5 + 8 x 4 + 2 x 3. für die Klägerin: 9 x 4 + 2 x 3). Diese Ausschärfungspunkte werden überdies ausdrücklich in die Beförderungsliste aufgenommen; hierfür existiert zudem unter X. der jeweiligen Beurteilungen der Beigeladenen und der Klägerin ein eigens vorgedrucktes Feld.
89Die Vergabe des Gesamturteils „sehr gut“ im Verhältnis zu „gut“ hängt sodann nach der „Orientierungshilfe – Ausschärfung“ davon ab, ob die Summe dieses Rechenergebnisses zu einer Zahl zwischen 43 und 45 führt oder lediglich zu einer Zahl zwischen 40 und 42. Anhaltspunkte dafür, dass die Beurteiler frei gewesen wären, das Gesamturteil „sehr gut“ auch dann zu vergeben, wenn lediglich 42 Punkte erreicht worden sind oder umgekehrt trotz einer Summe von 43 Punkten lediglich das Gesamturteil „gut“ zu vergeben, hat das Gericht nicht. In Anbetracht der mit Wissen und Willen des Finanzministeriums in Umlauf gegebenen Orientierungshilfe und ihrer offensichtlichen und von dem Beklagten im aktuellsten Schriftsatz hervorgehobenen Bedeutung bezogen auf die Herstellung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabes bis hinein in das Auswahlverfahren spricht hierfür nichts. Auch der Beklagte hat in seinem Schriftsatz vom 00.00.0000 nur darauf hingewiesen, dass es keine verbindliche Anweisung gegeben habe, die Orientierungshilfe zu benutzen; dass sie von den Beurteilern – und im Vorfeld auch von denjenigen Vorgesetzten, die Beurteilungsbeiträge (sprich: die vorbereitete Beurteilung) erstellt haben – aber tatsächlich so genutzt worden ist, hat der Beklagte ebenso wenig substantiiert in Abrede gestellt wie er plausibilisiert hätte, dass die Gesamturteilsbildung tatsächlich jemals und insbesondere in den Beurteilungsfällen der Beigeladenen entgegen dem Ergebnis des mathematischen Rechenvorgangs vorgenommen worden wäre.
90Faktisch führt die Anwendung der Orientierungshilfe in der Gesamtbetrachtung nicht nur zu einer zu beanstandungswürdigen schematischen Gewichtung von Leistungs- und Befähigungsmerkmalen, sondern sogar zu einem unzulässigen Übergewicht der Befähigungsbeurteilung auf der Grundlage eine schlichten arithmetischen Rechenoperation. Den Befähigungsmerkmalen kommt bei einer Regelbeurteilung nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Denn eine Regelbeurteilung beschränkt sich anders als eine Anlassbeurteilung, die eine Prognose über die voraussichtliche Bewährung des Bewerbers im angestrebten höheren Statusamt umfasst, auf die Bewertung der im bisherigen Statusamt und auf dem bisherigen Dienstposten erbrachten Leistungen.
91Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2016 – 2 A 1.14 -, juris, Rn. 37.
92Befähigungsmerkmale entziehen sich einer generellen und bezugsunabhängigen Gesamtbewertung oder gar Notenvergabe. Nach welchen Maßstäben und zu welchem Zweck die Eigenschaften des Beamten, die weder in der auf dem Dienstposten gezeigten Leistung Ausdruck gefunden haben noch als Eignungsmerkmale für die Anforderungen des angestrebten Amtes zu berücksichtigen sind, in einer umfassenden persönlichen Befähigungsgesamtnote zusammengefasst werden sollten oder könnten, ist nicht ersichtlich. Eine derartige Gesamtsaldierung widerspricht vielmehr dem Sinn der Befähigungsanalyse, mit der individuelle Stärken und Schwächen des Beamten herausdifferenziert werden sollen, um eine fundierte Erkenntnisgrundlage für die künftige Verwendung des Beamten zu schaffen.
93Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 12.14 -, juris, Rn. 44.
94Befähigung umfasst die Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und sonstigen Eigenschaften, die für die dienstliche Verwendung wesentlich sind (vgl. § 2 Abs. 3 BLV). Damit werden allgemein für die dienstliche Verwendung bedeutsame Eigenschaften des Beamten angesprochen, die - weil nicht auf ein bestimmtes Amt und die hierfür bestehenden Anforderungen bezogen - unter den Begriff der Befähigung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG fallen, wie z. B. Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, schriftliche Ausdrucksfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit, Planungs- und Organisationsfähigkeit, Selbstständigkeit, Dienstleistungs-/Kundenorientierung, Flexibilität/Innovationsfähigkeit, kognitive Fähigkeiten, körperliche Belastungsfähigkeit, Stressfähigkeit oder Führungsfähigkeit.
95Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 12.14 -, juris, Rn. 42.
96Die über eine Gleichstellung einzelner Leistungsmerkmale mit Befähigungsmerkmalen, wie sie der Beklagte ausweislich der Befähigungsbeurteilung im Einzelnen ausformuliert (z. B. „Leistungsfähigkeit“, „Kritikfähigkeit“), hinausgehende Höhergewichtung ergibt sich daraus, dass z. B. für das zentrale Leistungsmerkmal der Arbeitsgüte bis zu 5 Punkte vergeben werden können, wobei 4 Punkte der Bewertung „entspricht in vollem Umfang den Anforderungen“ entsprechen: Schon eine sehr stark ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit wird ebenfalls mit 4 Punkten bewertet und steht dem Leistungsmerkmal damit gleich, ohne dass dies in der Gesamturteilsbildung wertend berücksichtigt werden könnte, da diese schematisch rechnerisch erfolgt.
97Insgesamt ist das Übergewicht der Befähigungsmerkmale gegenüber den Leistungsmerkmalen deutlich ausgeprägt. In der Leistungsbeurteilung sind 20 Punkte (4 x 5) und in der Befähigungsbeurteilung 28 Punkte (7 x 4) zu erreichen. Selbst wenn also isoliert betrachtet ein Leistungsmerkmal gegenüber einem Befähigungsmerkmal bedeutsamer in die Gesamturteilsbildung einfließen kann (5 Punkte zu 4 Punkten), verschiebt sich dies in der Gesamtbeurteilung aber dahin, dass alle Leistungsmerkmale zusammen lediglich so viel Gewicht besitzen wie fünf (von sieben) Befähigungsmerkmale und in das Gesamturteil für die Befähigungsbeurteilung bis zu 28 und für die Leistungsbeurteilung lediglich 20 Punkte einfließen. Zur Einordnung der Bedeutung dieses Werts ist zu berücksichtigen, dass nach der „Orientierungshilfe – Ausschärfung“ die unterste Beurteilungsstufe „nicht bewährt“ einen Punktekorridor von 11 - 20 Punkten ausweist.
98Hieran ändert der Einwand des Beklagten nichts, dass auf der Grundlage der Orientierungshilfe lediglich eine nachträgliche Plausibilitätskontrolle durchgeführt werden sollte. Dem liegt nämlich gerade die Vorstellung zugrunde, dass die schematisch rechnerische Bewertung aller Einzelmerkmale zu einem plausiblen Gesamturteil führt. Überdies zeugen – wie bereits ausgeführt – schon das Feld unter X. der Beurteilung und der Auswahlvermerk im Besetzungsvorgang eindrucksvoll von der Relevanz der sog. Ausschärfungspunkte sowohl im Beurteilungs- als auch im Auswahlvorgang.
99(b) Auf dieser Grundlage genügt die den Beurteilungen der Beigeladenen beigefügte Begründung des Gesamturteils nicht den Anforderungen. Der Beklagte ist diesen Anforderungen auch nicht ausnahmsweise deshalb gerecht geworden, weil das Leistungsbild der Beigeladenen bei den Einzelbewertungen einheitlich wäre. Erst recht ist die Begründung für das Gesamturteil nicht vollständig entbehrlich, weil sich die vergebenen Noten „sehr gut“ nicht vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null geradezu aufdrängen.
100Dies gilt bereits deswegen, weil die Leistungsmerkmale einer anderen – fünfstufigen - Bewertungsskala folgen als die Befähigungsmerkmale (vierstufig) und dies zudem in ein siebenstufiges Gesamturteilssystem von „nicht bewährt“ bis „hervorragend“ eingeordnet werden muss. Die Notwendigkeit der Begründung drängt sich schon hinsichtlich der Gewichtung von Befähigungs- zu Leistungsmerkmalen auf. Insgesamt sollen die Befähigungsmerkmale nach Nr. 6.3 BuRB 2011 stärker gewichtet werden als die Leistungsmerkmale. Inwieweit dies – ungeachtet der rein arithmetischen Berechnung auf der Grundlage der „Orientierungshilfe – Ausschärfung“ – erfolgt ist, lässt sich den Begründungen der Gesamturteile in den Beurteilungen der Beigeladenen nicht entnehmen. Diese verhalten sich – abgesehen von allgemeinen Illustrationen einzelner Aspekte, die gleichermaßen Leistungs- und Befähigungsmerkmalen zugeordnet werden können – zu einer Gewichtung und Darstellung des Gesamturteils nicht.
101Dass es einer vertieften Begründung der Gesamturteile bedurft hätte, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der Beigeladene zu 1. zwar in den Befähigungsmerkmalen durchweg die höchste Bewertung mit vier Punkten, in den Leistungsmerkmalen aber durchweg nur die zweithöchste Bewertung (mit vier Punkten) erhalten hat. Auch bei der Beigeladenen zu 2. ist das Bild nicht so einheitlich, dass von einer Erläuterung hätte abgesehen werden können (ein Leistungsmerkmal mit der höchsten Bewertung, drei mit der zweithöchsten; fünf Befähigungsmerkmale mit der höchsten, zwei Befähigungsmerkmale mit der zweithöchsten Bewertung).
102Schließlich genügt die Begründung des Gesamturteils auch nicht in ihrer abschließenden Zusammenschau von Leistung und Befähigung den Anforderungen. Ausführungen zur Übertragung in das siebenstufige System sind nicht erkennbar. Auf die „Orientierungshilfe – Ausschärfung“, die diese Funktion der Übertragung der Einzelbewertungen in das Gesamtsystem in der Beurteilungspraxis des Beklagten übernommen hat, darf – wie ausgeführt – nicht abgestellt werden. Eine andere Erklärung zur Gesamturteilsbildung lässt sich den Beurteilungen der Beigeladenen aber nicht entnehmen.
103(2) Die Beurteilung der Klägerin vom 30. März 2016 ist einer gerichtlichen Kontrolle hingegen entzogen, weil sich die Klägerin gegen diese nicht innerhalb einer Jahresfrist zur Wehr gesetzt hat.
104Die dienstliche Beurteilung eines Beamten ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mangels einer Regelung mit bestimmten unmittelbaren Rechtswirkungen kein Verwaltungsakt. Für sie besteht nicht die Notwendigkeit baldigen Eintritts der Unanfechtbarkeit und deshalb einer Befristung der Anfechtbarkeit. Der Beamte kann daher im Grundsatz seine Einwendungen gegen die dienstliche Beurteilung zu einem späteren Zeitpunkt, etwa in einem Konkurrentenstreitverfahren, geltend machen und damit die dienstliche Beurteilung einer inzidenten Rechtmäßigkeitsprüfung zuführen. Dies gilt indessen nur in den Grenzen der Verwirkung.
105Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juni 2014 - 2 B 108.13 -, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 2019 - 6 B 714/19 -, juris, Rn. 12 ff.
106Eine Verwirkung sowohl des materiellen Rechts auf Überprüfung und gegebenenfalls Änderung der dienstlichen Beurteilung als auch des prozessualen Klagerechts tritt ein, wenn der beurteilte Beamte während eines längeren Zeitraums unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung der Rechtsstellung unternommen zu werden pflegt, so dass beim Dienstherrn der Anschein erweckt worden ist, er werde bezüglich der Beurteilung nichts mehr unternehmen. Die Bemessung des Zeitraums hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
107Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. September 2018 - 6 A 1510/17 -, juris Rn. 19 ff. und vom 4. Juli 2011 - 6 A 1343/10 -, juris Rn. 5.
108Die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO bietet hierfür eine zeitliche Orientierung.
109Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juni 2014 - 2 B 108.13 -, juris, Rn. 11.
110Einwendungen gegen ihre unter dem 30. März 2016 erstellte Regelbeurteilung hat die Klägerin erst im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens – konkret mit Schriftsatz im vorliegenden Verfahren vom 00.00.0000 – und damit erst nach über drei Jahren geführt. Sie hat auch im Übrigen auf ihre Beurteilung, über welche am 16. Juni 2016 ein Beurteilungsgespräch geführt worden ist, nicht in einer Weise reagiert, die den Beklagten zu der Annahme veranlassen konnte, sie werde diese nicht akzeptieren. Gründe, die die Klägerin an einer entsprechenden, zeitlich angemessenen Reaktion gehindert haben, sind weder dargelegt noch ersichtlich.
111b) Das Recht der Klägerin, die Verletzung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs durch die Anfechtung der Ernennung der Beigeladenen geltend zu machen, ist weder verjährt noch verwirkt.
112Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 103 ff., 179, 180 ff.
113Ihr kann nicht entgegengehalten werden, sie habe es versäumt, die Ernennungen der Beigeladenen rechtzeitig anzugreifen. Vielmehr ist sie unverzüglich gegen die erfolgten Ernennungen der Beigeladenen vorgegangen. Sie hat sich bereits mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 00.00.0000 gegen die ihr erst nach dem 00.00.0000 mitgeteilte Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren gewandt.
114c) Auf ein Verschulden des Beklagten kommt es nicht an.
115Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 B 38.19 -, juris, Rn. 10.
116Ungeachtet dessen hat der Beklagte schuldhaft gehandelt. Soweit er im Schreiben vom 00.00.0000 darauf hingewiesen hat, dass das Unterlassen der Information der Klägerin „aufgrund besonderer Umstände bei der Stellenbesetzung“ erfolgt sei, lässt dies auf vorsätzliches Handeln schließen; jedenfalls wird durch die Unterlassung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerwiegendem Maße verletzt (grobe Fahrlässigkeit).
117d) Die Auswahl der Klägerin erscheint bei fehlerfreier Durchführung des Auswahlverfahrens als möglich.
118Der im Auswahlverfahren unterlegene Bewerber kann im Falle einer fehlerbehafteten, sein subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzenden Auswahlentscheidung nur unter der weiteren Voraussetzung eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn sich ergibt, dass seine Aussichten, in einem zweiten, rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. wenn seine Auswahl möglich erscheint. Daran fehlt es, wenn die gebotene wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls klar erkennbar ergibt, dass der Rechtsschutzsuchende auch im Fall einer nach den Maßstäben der Bestenauslese fehlerfrei vorgenommenen Auswahlentscheidung im Verhältnis zu den Mitbewerbern chancenlos sein wird.
119Vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, juris, Rn. 13 f., und vom 25. November 2015 - 2 BvR 1461/15 -, juris, Rn. 19 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 19. April 2021 - 1 B 1390/20 -, juris, Rn. 23, vom 23. Mai 2017 - 1 B 99/17 -, juris, Rn. 9 bis 13, vom 23. Oktober 2018- 1 B 666/18 -, juris, Rn. 32 f. und vom 9. März 2021 - 1 B 1703/20 -, juris, Rn. 17.
120Dabei ist zu beachten, dass es im Hinblick auf den dem Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichtes ist, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen.
121Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, juris; OVG LSA, Beschluss vom 31. August 2018 - 1 M 79/18 -, juris Rn. 24, und Beschluss vom 31. März 2021 - 1 M 12/21 -, juris, Rn. 36.
122Solche Fälle, die eine Auswahl als möglich erscheinen lassen, sind z. B. erwogen worden, wenn es überhaupt an der Einbeziehung von dienstlichen Beurteilungen in den Auswahlprozess fehlt,
123vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 178,
124oder zunächst zumindest eine Beurteilung erst noch zu erstellen ist.
125vgl. OVG LSA, Beschluss vom 31. März 2021 - 1 M 12/21 -, juris, Rn. 36.
126Als chancenlos angesehen wurde dagegen ein Bewerber, dessen Konkurrent bei gleichem Gesamturteil eine um mehrere Stufen höherwertige Tätigkeit wahrgenommen hat,
127vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. April 2021 - 1 B 1390/20 -, juris, Rn. 27,
128oder ein Bewerber, der in der Gesamtnote einen Punkt weniger und in fünf Einzelmerkmalen sechs Punkte weniger erhalten hat als seine Konkurrenten,
129vgl. VG E. , Beschluss vom 9. Juli 2018 – 2 L 1058/18 -, juris, Rn. 22,
130oder wenn er auch durch die „Hinzurechnung eines angemessenen „Sicherheitszuschlags“ voraussichtlich nicht befördert worden wäre.
131Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. März 2015 - 2 C 12.14 -, juris, Rn. 51.
132Nach dieser Maßgabe ergibt im vorliegenden Fall die gebotene wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls nicht klar erkennbar, dass die Klägerin auch im Fall einer nach den Maßstäben der Bestenauslese fehlerfrei vorgenommenen Auswahlentscheidung im Verhältnis zu den Beigeladenen chancenlos gewesen wäre.
133Nach dem Auswahlvermerk des Beklagten vom 8. November 2017 sollten die S. entsprechend der Leistungsreihenfolge mit den Beigeladenen besetzt werden. Die Leistungsreihenfolge weist für den Beigeladenen zu 1. auf Platz 1 das Merkmal „sg“ (für: sehr gut) und 44 sog. Ausschärfungspunkte aus, für die Beigeladene zu 2. auf Platz 2 das Merkmal „sg“ und 43 und für die Klägerin auf Platz 3 das Merkmal „g“ (für: gut) und 42 Punkte. In der Stellungnahme des Beklagten im Schreiben vom 00.00.0000 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird klargestellt, dass bei einem Vergleich der Beurteilungen „maßgeblich auf die bessere Gesamtbeurteilung der Mitbewerber“ abgestellt worden sei. Die Klägerin habe das Gesamturteil „gut“, die Mitbewerber jedoch das Gesamturteil „sehr gut“ erreicht. Die Klägerin sei demnach nicht ausgewählt worden, da die Beigeladenen ihr gegenüber einen Qualifikationsvorsprung aufweisen würden. Die die Auswahlentscheidung begründenden Maßstäbe seien auch im Besetzungsvermerk vom 8. November 2017 festgehalten, indem auf die sich aus den Gesamturteilen der Beurteilungen ergebende Leistungsreihenfolge verwiesen worden sei.
134Auf dieser Grundlage ist die Chancenlosigkeit der Klägerin nicht klar erkennbar. Das Gericht müsste, um die Möglichkeit der Auswahl der Klägerin zu beurteilen, eine unzulässige eigene Prognose der Erfolgsaussichten ihrer Bewerbung vornehmen. Dies bedeutete insbesondere, dass das Gericht zunächst hypothetisch klären müsste, wie der Beklagte bei einer Behebung des Beurteilungsmangels bezogen auf die Gesamtbeurteilungen der Beigeladenen entschieden hätte. Eine möglicherweise besser ausfallende Gesamtbewertung der Klägerin selbst darf in die Betrachtung nicht eingestellt werden, da sie – wie bereits oben ausgeführt – ihre diesbezüglichen Rechte verwirkt hat.
135Die Behebung des Beurteilungsmangels könnte dazu führen, dass auch die Beigeladenen nur mit der Gesamtnote „gut“ zu beurteilen wären. Dem Vermerk des Beklagten vom 8. November 2017 ist aber, wie dieser mit Schreiben vom 00.00.0000 ausdrücklich bestätigt hat, zu entnehmen, dass der angenommene Leistungsvorsprung der Beigeladenen gegenüber der Klägerin auf das Gesamturteil gestützt worden ist; eine alternative oder weitergehende Betrachtung von Qualifikationsvorsprüngen der Beigeladenen hat der Beklagte im Auswahlzeitpunkt nicht angestellt. Würde die Gesamtnote bei allen drei Bewerbern aber gleich ausfallen, müsste zunächst versucht werden, im Wege der Ausschärfung der Beurteilungen einen Qualifikationsvorsprung zu ermitteln.
136Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist. Sind danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann der Dienstherr auf einzelne Gesichtspunkte abstellen, wobei er deren besondere Bedeutung begründen muss. So kann er der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren Beurteilungen ergibt, besondere Bedeutung beimessen.
137Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 – 2 C 16.09 -, juris, Rn. 46.
138Es mag sein, dass ein solcher Leistungsvorsprung von dem Beklagten mit dem Ergebnis angenommen werden könnte, dass die Beigeladenen besser qualifiziert seien als die Klägerin, weil der Beigeladene zu 1. in zwei Befähigungsmerkmalen und die Beigeladene in einem Leistungsmerkmal besser als die Klägerin bewertet worden sind. Im Hinblick auf den Beigeladenen zu 1. könnte es insbesondere sein, dass der Beklagte den Befähigungsmerkmalen nur eine untergeordnete Bedeutung zumisst.
139Vgl. zur Bedeutung der Befähigungsmerkmale im Beurteilungssystem BVerwG, Urteile vom 19. März 2015 - 2 C 12.14 -, juris, Rn. 41 ff., und vom 28. Januar 2016 – 2 A 1.14 -, juris, Rn. 37.
140Bezogen auf den Beigeladenen zu 1. gilt dies zudem deswegen, weil – nach dem Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 20. Dezember 2017 – die Auswahlentscheidung auf einem Gesamturteil beruht haben soll, das anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet worden sei. Der Vorsprung des Beigeladenen zu 1. gegenüber der Klägerin besteht aber „lediglich“ in zwei Befähigungsmerkmalen.
141Hinreichend verlässlich kann das Gericht den hypothetischen Auswahlprozess allerdings nicht beurteilen; es steht ihm auch nicht zu. Ebenso könnte der Beklagte im Rahmen des ihm bei der Auswahlentscheidung zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums dazu kommen, dass er unter Berücksichtigung eines einzigen besseren Leistungsmerkmals oder zweier Befähigungsmerkmale zu dem Ergebnis kommt, dass die Beurteilungen im Wesentlichen gleich sind und zulässigerweise auf weitere Erkenntnismittel wie z. B. Vorbeurteilungen zurückgreift. Die Beigeladenen wurden zum 31. Dezember 2012 jeweils mit „gut“, d. h. nach Eignung, Befähigung und Leistung insgesamt über dem Durchschnitt (hiernach folgen noch „sehr gut“ und „hervorragend“) und die Klägerin unter dem 12. Juli 2012 mit „4 Punkten“, d. h. übertrifft die Anforderungen (hiernach folgt lediglich noch „übertrifft die Anforderungen in besonderem Maße“) beurteilt. Wie der Beklagte diese nach unterschiedlichen Beurteilungssystemen erfolgten Beurteilungen vergleichbar macht, obliegt zunächst seiner Einschätzung, die das Gericht nicht vorwegnehmen darf. Jedenfalls drängt sich für das Gericht nicht auf, dass die – im selben Statusamt erfolgte – Vorbeurteilung der Klägerin schlechter wäre als diejenigen der Beigeladenen.
142Führen leistungsbezogene Instrumente des Bewerbervergleichs nicht weiter, ist es schließlich nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte – jedenfalls im Verhältnis der Klägerin zum Beigeladenen zu 1. – gemäß § 19 Abs. 6 LBG NRW Aspekte der Frauenförderung in seine Überlegungen einbezieht.
143Hinzu kommt, dass das Gericht auch nicht verlässlich beurteilen kann, wie der Leistungsvergleich zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zum jetzigen Zeitpunkt ausfallen würde.
144Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 – 2 C 16.09 -, juris, Rn. 58: Verpflichtung zur Einbeziehung des verstrichenen Zeitraums.
145Dass die Klägerin unter diesem Aspekt offensichtlich chancenlos wäre, lässt sich schon in Anbetracht des Umstands, dass über den aktuellen Leistungsstand der Beigeladenen nichts bekannt ist und dass die Klägerin ihre Beurteilung für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2018 angegriffen und der Beklagte diese in der mündlichen Verhandlung am 00.00.0000in dem Verfahren 00 aufgehoben hat, nicht feststellen.
146e) Nach alledem ist die Ernennung des Beigeladenen zu 1. zum Leitenden S. und der Beigeladenen zu 2. zur Leitenden S1. mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Aufhebung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Vornahme scheidet aus, weil die mit der Ernennung verbundene Statusänderung jedenfalls ohne gesetzliche Grundlage nicht nachträglich ungeschehen gemacht werden kann. Das BeamtStG sieht die Aufhebung für die Vergangenheit nur in den Fällen vor, in denen ein Rücknahmetatbestand erfüllt ist (vgl. § 12 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtStG). Zudem erklärt es die Ernennung auf einen zurückliegenden Zeitpunkt für unzulässig und insoweit unwirksam (§ 8 Abs. 4 BeamtStG). Gleiches muss für die Aufhebung der Ernennung gelten, zumal diese zeitliche Beschränkung Rechte übergangener Bewerber nicht berührt.
147Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris, Rn. 184.