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Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung Münster vom 3. August 2018 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 11. September 2018 verpflichtet, (auch) eine „Posttraumatische Belastungsstörung“ als weitere Folge des Dienstunfalls vom 0000 anzuerkennen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Anerkennung (auch) der psychischen Erkrankung als weitere Folge des Dienstunfalls vom 0000.
3Die Klägerin ist als Lehrerin an der O-schule, einer Förderschule des Kreises C. mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung, in C. tätig. Am 0000 erlitt sie gegen 15 Uhr einen Unfall im Klassenraum der Unterstufe 1. Aus der Dienstunfallanzeige vom 0000 ergibt sich, dass es zu einer Auseinandersetzung mit einem achtjährigen Schüler kam, der den Unterricht massiv störte. Er griff nach einem Stuhl und drohte, diesen nach der Klägerin zu werfen. Anschließend stieg er auf einen Tisch und bewarf sie mit Bauklötzen. Während der gesamten Zeit beschimpfte, beleidigte und bespuckte er die Klägerin. Sie forderte den Schüler auf, dieses Verhalten einzustellen. Als er dies nicht tat, forderte sie ihn auf, sich in einen Nebenraum zu begeben. Dieser warf sich daraufhin auf den Boden. Beim Versuch, den Schüler in den Nebenraum zu verbringen, zog dieser heftig am rechten Arm der Klägerin, wodurch diese fast stürzte und ein heftiger Ruck durch ihren Rücken ging.
4Der behandelnde Arzt, Dr. L. aus T., gab am 0000 als unfallbedingte Befunde an: Multiple HWS-Blockierungen mit führender Atlasblockierung beidseits, Muskelhartspann, schmerzhafte Bewegungseinschränkung, Angstsyndrom als Folge der Handgreiflichkeiten des Schülers.
5Am 24. April 2018 beauftragte der Beklagte das Gesundheitsamt des Kreises C. mit einer amtsärztlichen Untersuchung, ob der Unfall ursächlich für die geltend gemachten Unfallfolgen ist. Im Gutachtenauftrag wies der Beklagte bereits darauf hin, dass beabsichtigt sei, das von der Klägerin geltend gemachte „Angstsyndrom“ als Folge der Handgreiflichkeiten des Schülers nicht als Folge des Unfalls vom 0000 anzuerkennen. Es sei davon auszugehen, dass der Unfall nicht geeignet gewesen sei, bei einer durchschnittlichen Lehrerin eine psychische Erkrankung hervorzurufen. Sofern bei der Klägerin dennoch eine derartige Erkrankung aufgetreten sei, falle dies in die Risikosphäre der Lehrkraft. Hierbei handele es sich nicht um eine medizinische, sondern um eine dienstrechtliche Bewertung.
6Im (Ober-)Gutachten der Frau W., Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen beim Kreis C., vom 0000 stellt diese fest, dass der Unfall vom 0000 als wesentliche Ursache der psychiatrischen beschriebenen Unfallfolgen anzusehen sei. Die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung bestehe weiterhin, das psychiatrische Syndrom habe aber eine gute Prognose. Grundlage dieser Beurteilung ist die psychiatrische Begutachtung der Frau Dr. V. T1., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie beim Kreis C., mit Untersuchung der Klägerin 0000. Frau W. nahm eine (Zusatz-)Begutachtung der körperlichen Störungen der Klägerin am 0000 vor und nimmt zu diesen in ihrem Gutachten ebenfalls Stellung.
7Durch Bescheid der Bezirksregierung Münster vom 3. August 2018 erkannte der Beklagte als Folgen des Dienstunfalls vom 0000 an: „HWS-Blockierung, Atlasblockierung bds.“. Die Anerkennung eines „Angstsyndroms“ als weitere Dienstunfallfolge lehnte die Bezirksregierung ab. Zur Begründung führt sie aus: Der im Dienstunfallrecht maßgebende Ursachenbegriff ziele auf eine dem Schutzbereich der Dienstunfallfürsorge entsprechende sachgerechte Risikoverteilung ab. Der Dienstherr solle nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollten dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen, insbesondere persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben. Die Annahme des nach § 36 LBeamtVG NRW erforderlichen Ursachenzusammenhangs sei – insbesondere bei psychischen Erkrankungen – wegen der dem Dienstunfallrecht zu Grunde liegenden Risikoverteilung auch dann immer ausgeschlossen, wenn es sich bei dem geltend gemachten Vorfall um einen solchen handele, dem zwar nicht mehr sozialadäquates Verhalten zu Grunde liege, der aber bei einem durchschnittlichen Beamten in derselben Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Erkrankung geführt hätte. Denn in einem solchen Fall könne angenommen werden, dass persönliche Anlagen wesentliche Ursache für die Erkrankung seien. Es gehöre zu den typischen Aufgaben eines Lehrers, sich auch Konfliktsituationen mit Schülern auszusetzen, die ggfs. im Einzelfall auch eskalieren könnten.
8Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch der Klägerin, der sich gegen die Nichtanerkennung des „Angstsyndroms“ richtete, wies der Beklagte durch Widerspruchbescheid der Bezirksregierung Münster vom 11. September 2018 zurück. Zur Begründung führt sie aus: Die Feststellungen in dem amtsärztlichen Gutachten genügten nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Das Geschehen am 0000 stelle kein traumatisierendes Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß dar, auf das die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung gestützt werden könne.
9Die Klägerin hat am 18. Oktober 2018 Klage erhoben. Zu deren Begründung führt sie aus: Der Beklagte verkenne, dass kein normales dienstliches Ereignis vorliege, es sich bei dem Vorfall vom 0000 also nicht um eine normale Auseinandersetzung zwischen Lehrer und Schüler, wie sie alltäglich vorkomme, gehandelt habe. Vielmehr handele es sich um ein extremes Ereignis, das so auch an einer Förderschule nicht als alltäglich anzusehen sei.
10Die Klägerin beantragt,
11„den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 3. August 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2018 zu verpflichten, als Folge des Dienstunfalls vom 0000 auch ein Angstsyndrom anzuerkennen.“
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Ausführungen des Widerspruchsbescheides. Ergänzend führt er aus: Das Vorliegen eines Angstsyndroms sei anlässlich der amtsärztlichen Untersuchung nicht isoliert als Diagnose festgestellt worden. Die Klägerin habe auch keine weiteren ärztlichen Stellungnahmen vorgelegt, aus denen die Diagnose „Angstsyndrom“ hervorgehe.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Einzelrichterin entscheidet ohne mündliche Verhandlung, weil die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
19I. Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO zulässig, da die Klägerin den Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes begehrt, nämlich die Anerkennung einer Erkrankung als Dienstunfallfolge. Das Gericht versteht das genaue Klagebegehren mit Blick auf § 88 VwGO dahin, dass das Begehren der Klägerin auf die Anerkennung (auch) der psychischen Folgen des Dienstunfalls vom 0000 – unabhängig von deren genauer Diagnose: Angstsyndrom oder Posttraumatische Belastungsstörung – gerichtet ist. Ihr Klageantrag bezieht sich zwar ausdrücklich auf die Anerkennung eines Angstsyndroms, in der Klagebegründung vom 17. Januar 2019 (dort S. 6) macht sie jedoch deutlich, dass es ihr um die durch den Dienstunfall erlittene seelische Beeinträchtigung geht. Das so ausgelegte Klagebegehren hat die Klägerin auf Nachfrage der Einzelrichterin im November 2020 ausdrücklich bestätigt.
20Für das so näher konkretisierte Klagebegehren ist auch ein Vorverfahren (§§ 68 ff. VwGO) durchgeführt worden. Zwar hat die Klägerin lediglich einen Antrag auf Anerkennung eines Angstsyndroms als Dienstunfallfolge gestellt und nicht hinsichtlich der Anerkennung einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Dies ist jedoch unschädlich, da es sich zwar medizinisch um unterschiedliche Diagnosen im Sinne des ICD 10 handelt, nämlich Angstsyndrom F 41.1. und PTBS F 43.1. Inhaltlich und substantiell besteht jedoch nach Auffassung des Gerichts kein Unterschied, weil es sich in beiden Fällen um die psychischen Folgen der Ereignisse vom 0000 handelt. Dafür spricht auch, dass die Diagnose einer (bestimmten) psychischen Erkrankung keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines Dienstunfalls ist. Für das Vorliegen eines Körperschadens ist vielmehr (nur) eine nachteilige Veränderung des Gesundheitszustandes erforderlich.
21Vgl. auch VG Münster, Urteil vom 7. April 2020 – 4 K 1699/18 –, juris, Rn. 34.
22Schließlich ist auch die Klagefrist von einem Monat (§ 74 VwGO) eingehalten worden.
23II. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Bezirksregierung Münster vom 3. August 2018 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 11. September 2018 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Sie hat einen Anspruch gegen den Beklagten, dass dieser (auch) die von den Amtsärztinnen als Posttraumatische Belastungsstörung identifizierte psychische Erkrankung als Folge des Dienstunfalls vom 0000 anerkennt. Der Anspruch der Klägerin auf Anerkennung dieser Dienstunfallfolge ergibt sich aus §§ 54 Abs.3 Satz 2 i.V.m. 36 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG NRW.
241. Nach § 54 Abs. 3 Satz 2 LBeamtVG NRW entscheidet die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle u. a. darüber, ob ein Dienstunfall im Sinne des § 36 LBeamtVG NRW vorliegt. Die daraus abzuleitende Entscheidungsbefugnis umfasst auch die Entscheidung darüber, ob bestimmte Leiden (und ggf. welche) Folge eines als Dienstunfall anerkannten bzw. anzuerkennenden Ereignisses sind. Hierüber kann bereits in dem Anerkennungsbescheid oder durch gesonderten Verwaltungsakt entschieden werden. Der betroffene Beamte hat gegenüber seinem Dienstherrn auch einen Anspruch auf eine solche Entscheidung. Das gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - Streit darüber besteht, ob ein bestimmter Körperschaden Dienstunfallfolge ist, und der Dienstherr insoweit eine Anerkennung bereits abgelehnt hat.
25Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. November 2015 – 1 A 857/12 –, juris, Rn. 61 sowie OVG NRW, Urteil vom 23. Mai 2014 – 1 A 1988/11 –, juris, Rn. 47 f.
262. Die psychische Erkrankung der Klägerin (Posttraumatische Belastungsstörung) ist Folge des Dienstunfalls vom 0000.
27Ein Dienstunfall ist nach § 36 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG NRW ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.
28Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei der Auseinandersetzung am 0000 um einen Dienstunfall handelt. Der Beklagte hat die körperlichen Beschwerden der Klägerin auch bereits als Dienstunfallfolgen anerkannt. Streitig ist zwischen den Beteiligten (nur), ob auch die psychische Erkrankung auf den Dienstunfall zurückzuführen ist. Dies ist zur Überzeugung des Gerichts der Fall, da die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG auch im Hinblick auf die psychische Erkrankung der Klägerin vorliegen.
29a) Die psychische Erkrankung der Klägerin stellt einen Körperschaden i.S.d. § 36 LBeamtVG NRW dar. Ein Körperschaden in diesem Sinne liegt vor, wenn sich der physische oder psychische Gesundheitszustand des Beamten nachteilig verändert hat und diese Veränderung aus medizinischer Sicht Krankheitswert besitzt.
30Vgl. ausführlich OVG NRW, Urteil vom 23. November 2015 – 1 A 857/12 –, juris, Rn. 64 ff. m.w.N. und Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 14 Rn. 11.
31Der psychische Gesundheitszustand der Klägerin hat sich durch den Vorfall vom 0000 erheblich nachteilig verändert. Sie leidet u.a. unter folgenden Symptomen: Nachhallerinnerungen, emotionaler Eingeschränktheit, vegetativer Übererregtheit, Schlafstörungen und Meideverhalten. Die beiden Amtsärztinnen des Kreises C. haben die psychische Erkrankung der Klägerin in ihren Gutachten vom 0000 und vom 0000 als Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und damit den Krankheitswert bestätigt. Das Gericht folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen und Bewertungen der Amtsärztinnen des Kreises C., denen der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten ist.
32Die Amtsärztin Frau Dr. T1. führt in ihrem Gutachten vom 0000 aus, dass es sich bei dem als Unfallfolge zu bewertenden psychiatrischen Störungsbild um eine posttraumatische Belastungsstörung nach ICD 10: F 43.1 handele. Symptome seien aufgetreten nach einer außergewöhnlichen Bedrohungssituation, körperlichem Angriff und Verletzung sowie einem Gefühl der Machtlosigkeit. Die Symptome äußerten sich bei der Klägerin in Form von Nachhallerinnerungen (wiederkehrende Erinnerung auch in Träumen), emotionaler Eingeschränktheit, Verlust von Freude, Meideverhalten, vegetativer Übererregtheit, Hypervigilanz, Schlafstörung und Grübeln. Die Amtsärztin Frau W. bestätigt in ihrem Gutachten vom 0000 diese Diagnose.
33Es besteht kein Anlass, die übereinstimmenden Ausführungen der beiden amtsärztlichen Gutachterinnen in Zweifel zu ziehen. Die psychiatrische Gutachterin Frau Dr. T1. hat ihr Gutachten aufgrund einer eigenen Untersuchung der Klägerin einschließlich Exploration erstellt. Die Amtsärztin hat die von ihr gestellte Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung in überzeugender Weise plausibilisiert.
34Zunächst hat sie den Ablauf der Geschehnisse am 0000, so wie ihn die Klägerin ihr geschildert hat, wiedergegeben: Ein als hochgradig emotional sozial auffälliger Schüler – durch heftige körperliche Konflikte vorbekannt – habe durch Verhaltensauffälligkeiten eine Situation „vollkommener Machtlosigkeit“ hergestellt. Die Klägerin sei beschimpft und beleidigt und mit Gegenständen beworfen worden. Der Schüler habe sogar nach einem Stuhl gegriffen. Er habe regelrecht auf den Tischen getanzt. Besonders belastend sei für die Klägerin in der Nachbewertung gewesen, dass er ihr ins Gesicht und ins Auge gespuckt habe, dies mit einem vor Aggressivität verzerrten Gesichtsausdruck. Zur Entschärfung der Situation habe sie ihn aus dem Raum bringen wollen, wobei er sie so am Arm gepackt habe, dass es geknackt habe und sie sofort im Schulter-Arm-Bereich „höllische Schmerzen“ gehabt habe. Der Ablauf der Auseinandersetzung mit dem Schüler ist unstreitig. Die Schilderung der Gutachterin deckt sich mit den Angaben der Klägerin in der Unfallanzeige und den Angaben der „Zeugen“, wobei diese bei dem eigentlichen Geschehen im Klassenraum nicht anwesend waren. Auch der Beklagte schildert die Konfliktsituation in der Klageerwiderung im Wesentlichen übereinstimmend. Er weist allein darauf hin, dass die Zeugen ausschließlich von der körperlichen Auseinandersetzung berichteten, während die Klägerin den Fokus auf das Anspucken und Beschimpfen gelegt habe.
35In der weiteren Exploration berichtete die Klägerin der Amtsärztin von den Auswirkungen des Vorfalls auf ihr Leben, privat wie beruflich: Jetzt habe sie anhaltend das Gefühl „in die Knie gezwungen“ worden zu sein. Sie sei anhaltend irritiert. Sie bereite zurzeit akribisch den Unterricht vor. Innerlich drehe sich alles weiterhin um den Jungen. Sie habe auch anhaltend Angst verspürt. Er wohne in unmittelbarer Nachbarschaft. Sie beobachte sich im Meiden bestimmter Wege um ihre eigene häusliche Umgebung herum, um ihm nicht zu begegnen. Sie habe das Gefühl, eine Art Schutzhülle hinsichtlich ihrer Unversehrtheit sei gerissen. Nun sei sie „immer auf der Hut vor allem“, sie habe ständig „alle Antennen weit ausgefahren“, was sie auch gleichzeitig als anstrengend empfinde. Sie habe auch durch den vielerlei kollegialen Austausch erkannt, dass es vielen Kollegen hinsichtlich der Ängste vor Aggressivität ähnlich gehe. Dennoch habe sie eine Schlafstörung. Ihr Leben sei irgendwie anstrengend geworden. Die Leichtigkeit sei weg, die Unbekümmertheit, sie lache viel weniger. Anfangs habe sie von der Szene geträumt, sei auch ganz zittrig gewesen. Besonders anfangs habe sie Nachhallerinnerungen gehabt, insbesondere von dem Gesichtsausdruck des Täters, aber auch ein Empfinden von Ekel vor der Spucke. Nachts liege sie oft wach und grüble, ob sie bei dieser Arbeit noch richtig sei. Tagsüber, z.B. in Pausen, fühle sie sich von Kollegen beobachtet unter dem Aspekt, ob sie denn wohl einen angemessenen Umgang mit Schülern in Belastungssituationen habe, was sie stresse.
36In der psychiatrischen Bewertung stellt die Amtsärztin fest, dass Symptome nach einer außergewöhnlichen Bedrohungssituation in Form eines körperlichen Angriffs mit Verletzung und einem Gefühl der Machtlosigkeit aufgetreten seien. Die Symptome benennt sie wie folgt: Nachhallerinnerungen (wiederkehrende Erinnerung auch in Träumen), emotionale Eingeschränktheit, Verlust von Freude, Meideverhalten, vegetative Übererregtheit, Hypervigilanz (erhöhte Wachsamkeit), Schlafstörung, Grübeln. Diese Bewertung ist für das Gericht angesichts der vorangegangenen Schilderung ohne weiteres nachvollziehbar.
37Die Herleitung der Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung deckt sich zudem mit den Erkenntnissen des Gerichts aus früheren Verfahren der Kammer. In dem dem Beklagten bekannten Verfahren VG Münster – 4 K 1699/18 – ,
38VG Münster, Urteil vom 7. April 2020 – 4 K 1699/18 –, juris,
39hat das Gericht ein psychiatrisches Sachverständigengutachten bei Herrn Prof. Dr. T2. N., U., zur Frage des Ursachenzusammenhangs einer psychischen Erkrankung mit einer gegen eine Lehrerin ausgesprochene Bedrohung mit dem Tod eingeholt. In seinem Gutachten vom 0000 definiert der vorgenannte Sachverständige eine Posttraumatische Belastungsstörung wie folgt: „Nach der Definition der „Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) handelt es sich dabei um eine mögliche Folgereaktion eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse (wie z.B. das Erleben von körperlicher und sexualisierter Gewalt, Vergewaltigung, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person, Entführung, …., Unfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit), die an der eigenen Person, aber auch an fremden Personen erlebt werden können“. Der Sachverständige führt zur Diagnose einer PTBS weiter aus: „Die Diagnose einer PTBS darf nach aktuellem Stand des Klassifikationssystems ICD 10 nur dann gestellt werden, wenn mindestens drei Symptomkomplexe vorliegen: Starke Nachhallerinnerungen, vegetative Übererregbarkeit und Vermeidungsverhalten“.
40Übertragen auf den hier zu beurteilenden Fall lässt sich festhalten, dass die Klägerin am 0000 jedenfalls einen gewalttätigen und körperlichen Angriff durch den Schüler auf die eigene Person erlebt hat. Auch die drei o. g. Symptomkomplexe liegen hier nach den Ausführungen im Gutachten der Amtsärztin Frau Dr. T1. vor.
41Letztlich bestreitet auch der Beklagte nicht, dass der Dienstunfall bei der Klägerin eine psychische Erkrankung ausgelöst hat. Der Beklagte bezweifelt lediglich die gestellte Diagnose und das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der äußeren Einwirkung bzw. den Ursachenzusammenhang. Mit Blick auf die Diagnosestellung weist er darauf hin, dass die Feststellungen der Amtsärztin nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an die Diagnose einer PTBS genügten. Dieser Einwand überzeugt jedoch nicht. Der Beklagte substantiiert hier nicht näher, welche Anforderungen der Rechtsprechung er in diesem Zusammenhang meint. Das Gericht geht mangels anderer Anhaltspunkte davon aus, dass der Beklagte sich dabei auf die in der Asylrechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den Mindestanforderungen an ein ärztliches Attest, das eine behandlungsbedürftige PTBS zum Gegenstand hat, bezieht.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8.07 –, BVerGE 129, 251 = juris, Rn. 15; OVG NRW, Beschluss vom 21. März 2017 – 19 A 2461/14.A –, juris, Rn. 15 ff.
43Die vorgenannte Rechtsprechung ist ersichtlich nicht auf das vorliegende Verfahren übertragbar. Denn einerseits steht nicht ein ärztliches Attest, sondern ein amtsärztliches Gutachten in Rede. Und zum anderen ist hier der Ablauf des traumatisierenden Geschehens zwischen den Beteiligten unstreitig und wird der Ablauf der Ereignisse am 0000 auch vom Gericht nicht in Zweifel gezogen. Anders jedoch in Asylverfahren, in denen die Glaubhaftigkeit des vom Asylbewerber vorgetragenen Sachverhalts eine entscheidende Rolle spielt und der Überprüfung bedarf.
44b) Der Körperschaden ist auch durch eine „äußere Einwirkung“ hervorgerufen worden. Die rechtliche Beurteilung, ob eine solche äußere Einwirkung vorliegt, hat anhand eines objektiven Maßstabs zu erfolgen. Das Merkmal "äußere Einwirkung" dient der Abgrenzung äußerer Vorgänge von krankhaften Vorgängen im Innern des menschlichen Körpers. Entscheidend für die Abgrenzung eines Unfalls von sonstigen Körperbeschädigungen ist danach, ob die Einwirkung auf Umständen beruht, für die eine in körperlicher oder seelischer Hinsicht besondere Veranlagung des Betroffenen oder das willentliche Verhalten des Betroffenen die wesentliche Ursache war. Auch herabsetzende Reden, Beleidigungen und Beschimpfungen können eine äußere Einwirkung sein, weil sie "von außen her" die seelische Verfassung des Betroffenen beeinflussen und zu körperlichen Beeinträchtigungen führen können.
45Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2018 – 2 B 3.18 –, juris, Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 2. August 2019 – 1 A 1713/17 –, juris, Rn. 28.
46Diese Rechtsprechung knüpft an die dem Dienstunfallrecht zugrundeliegende Risikoverteilung an. Der Gesetzgeber wollte mit den Dienstunfallvorschriften dem Dienstherrn nicht unbeschränkt das Risiko für alle von den Beamten erlittenen Körperschäden auferlegen. Er ist vielmehr von dem allgemeinen Grundsatz ausgegangen, dass die Folgen "schicksalsmäßiger" Einwirkungen von dem Geschädigten selbst zu tragen sind. Hierzu gehören Ereignisse, mit denen während der Dienstausübung typischerweise gerechnet werden muss. Dem liegt die Einschätzung zugrunde, dass derartige "sozialadäquate" bzw. "diensttypische" Vorgänge von einem "durchschnittlichen" Beamten verarbeitet werden können, andernfalls wäre ein geordneter Dienstbetrieb unmöglich. Solche Vorgänge lassen vermuten, dass mangelnde persönliche Verarbeitungsfähigkeit des Beamten oder eine andere nicht der Risikosphäre des Dienstherrn zuzurechnende persönliche Veranlagung den Körperschaden hervorgerufen hat. Nur dann, wenn das Ereignis den Rahmen des "sozialadäquaten" bzw. "diensttypischen" überschreitet, ist ein auf dieser psychischen Einwirkung beruhender Körperschaden, namentlich ein seelischer Schaden, wertungsmäßig der Sphäre des Dienstherrn und nicht der Sphäre des Beamten aufgrund seiner besonderen individuellen Veranlagung zuzurechnen. Allein in einem solchen Fall gibt es eine innere Rechtfertigung, dem Beamten über die auch in diesen Fällen stets zu gewährenden Beihilfeleistungen hinaus den besonderen Schutz des Dienstunfallfürsorgerechts zukommen zu lassen.
47BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2018 – 2 B 3.18 –, a. a. O., Rn. 14; Nds. OVG, Urteil vom 24. Oktober 2017 – 5 LB 124/16 –, juris, Rn. 103 ff.; VG Münster, Urteil vom 7. April 2020 – 1 K 1699/18 –, juris, Rn. 37, jeweils m. w. N.
48Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich bei der Auseinandersetzung mit dem Schüler am 0000 um eine äußere Einwirkung i.S.d. § 36 LBeamtVG NRW. Denn für eine Vorbelastung bei der Klägerin im Sinne einer besonderen seelischen Veranlagung bestehen hier keinerlei Anhaltspunkte. Auch dies ergibt sich in medizinischer Hinsicht aus dem amtsärztlichen Gutachten der Frau Dr. T1. vom 0000. Die Amtsärztin führt insoweit aus: In der Vorgeschichte ließen sich keine psychiatrischen Auffälligkeiten oder Vorerkrankungen eruieren; die Klägerin sei weder in psychiatrischer noch in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Nach dem Eindruck der psychiatrischen Untersuchung handele es sich bei der Klägerin um eine auffallend reife und introspektionsfähige Persönlichkeit mit hoher Bereitschaft zu kritischer und selbstkritischer Reflektion und Verantwortungsübernahme. Es gebe keine Hinweise für eine Traumatisierung in der Vorgeschichte. Es sei auch keine aus der Persönlichkeit heraus begründbare Neigung zu Traumafolgeschäden erkennbar. Auch diese Ausführungen sind für das Gericht plausibel und nachvollziehbar.
49In dienstrechtlicher Hinsicht handelt es sich um einen Vorgang, der der Risikosphäre des Dienstherrn zuzuordnen ist. Denn entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei dem Vorfall vom 0000 um einen Geschehensablauf der weit über das hinausgeht, womit Lehrer (auch an einer Förderschule) üblicherweise zu rechnen haben. Dem Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass Konfliktsituationen mit Schülern zum Alltag eines Lehrers gehören. Die Ereignisse vom 0000 überschreiten jedoch das übliche Maß, das im Schulalltag vorkommt, deutlich. Denn die Klägerin ist beschimpft und beleidigt, bespuckt sowie mit Gegenständen beworfen worden. Außerdem hat der Schüler ihr durch das Reißen am Arm auch eine Körperverletzung (§ 223 StGB) zugefügt. Das Beschimpfen und Bespucken erfüllt zudem den Straftatbestand einer Beleidigung (§ 185 StGB), das Bespucken als sog. tätliche Beleidigung (§ 185, 2. Alt. StGB) sogar in qualifizierter Form. Die Schuldunfähigkeit des Schülers (§ 19 StGB) ändert nichts daran, dass sein Verhalten deutlich über das dienstunfallrechtlich hinzunehmende Maß des „Sozialadäquaten“ hinausgeht.
50c) Es liegt zudem ein plötzliches Ereignis im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG NRW vor. Das Tatbestandsmerkmal „plötzlich“ dient der Abgrenzung eines Einzelgeschehens von dauernden Einwirkungen. Es kommen nur einmalige, kurzzeitige Begebenheiten in Betracht, die sich allerdings häufen können. Schädliche Dauereinwirkungen sind grundsätzlich kein plötzliches Ereignis. Die Abgrenzung von der Dauersituation bedarf einer wertenden Betrachtung.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2019 – 2 A 1.19 –, juris, Rn. 24, zu der vergleichbaren Vorschrift des § 31 Abs.1 Satz 1 BeamtVG.
52Danach liegt hier bei wertender Betrachtung ein plötzliches Ereignis vor. Die geltend gemachte Erkrankung ist nicht aufgrund einer Dauereinwirkung, sondern aufgrund einer einmaligen und kurzzeitigen Begebenheit eingetreten. Allein der Vorfall vom 0000 hat zu der psychischen Erkrankung der Klägerin geführt. Etwaige, andere Konfliktsituationen mit diesem Schüler werden zwar im Verwaltungsvorgang angedeutet („durch heftige körperliche Konflikte vorbekannt“), jedoch ist keine weitere konkrete Auseinandersetzung der Klägerin mit diesem Schüler aktenkundig.
53d) Der Vorfall vom 0000 erfolgte unstreitig auch in Ausübung des Dienstes der Klägerin. Die Klägerin befand sich im Unterricht, konkret im Klassenraum der Unterstufe 1, als sich die Auseinandersetzung mit dem Schüler ereignete.
54e) Die von der Klägerin geltend gemachte psychische Erkrankung wurde schließlich auch durch den Vorfall vom 0000 verursacht.
55Im Dienstunfallrecht der Beamten sind als Ursache im Rechtssinne nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise an dessen Eintritt mitgewirkt haben, die also insofern als "wesentlich" anzusehen sind (Theorie der wesentlich mitwirkenden Ursache). Dies zielt auf eine sachgerechte Risikoverteilung. Dem Dienstherrn sollen nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit oder die nach der Lebenserfahrung auf sie zurückführbaren, für den Schaden wesentlichen Risiken aufgebürdet werden. Diejenigen Risiken, die sich aus persönlichen, von der Norm abweichenden Anlagen oder aus anderen als dienstlich gesetzten Gründen ergeben, sollen hingegen bei dem Beamten belassen werden. Dementsprechend ist der Dienstunfall dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) beigetragen hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt. Wesentliche Ursache im Dienstunfallrecht kann auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder (nur) beschleunigt, wenn diesem Ereignis nicht im Verhältnis zu anderen Bedingungen - zu denen auch die bei Eintritt des äußeren Ereignisses schon vorhandene Veranlagung gehört - eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zukommt, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtung allein als maßgeblich anzusehen sind. Nicht Ursachen im Rechtssinne sind demnach zum Beispiel sog. Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienstunfall eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte. Haben hieran gemessen mehrere Bedingungen im Rechtssinne einen bestimmten Erfolg (Körperschaden) herbeigeführt, so sind sie jeweils als wesentliche (Mit-) Ursachen einzustufen. Die materielle Beweislast für den Nachweis des geforderten Kausalzusammenhangs trägt ausgehend von den auch im Dienstunfallrecht anwendbaren allgemeinen Beweisgrundsätzen der (anspruchstellende) Beamte. Grundsätzlich bedarf es insoweit des vollen Beweises im Sinne "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit".
56BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2019 – 2 A 6.18 –, juris, Rn. 17; OVG NRW, Urteil vom 2. Juli 2019 – 1 A 2356/15 –, juris, Rn. 32 f., jeweils m. w. N.
57In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Vorfall am 0000 ursächlich dafür ist, dass die Klägerin in der Folgezeit an psychischen Beschwerden litt. Diese (auch rechtliche) Bewertung beruht in medizinischer Hinsicht ebenfalls auf der Beurteilung der beiden Amtsärztinnen Frau W. und der Frau Dr. T1. in ihren jeweiligen Gutachten. Die Ausführungen der Amtsärztinnen sind widerspruchsfrei und für das Gericht plausibel und nachvollziehbar.
58Die Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen beim Kreis C., Frau W., stellt in ihrem Gutachten vom 0000 fest, dass der Unfall vom 0000 als wesentliche Ursache der psychiatrischen beschriebenen Unfallfolgen anzusehen sei. Die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung bestehe weiterhin, das psychiatrische Syndrom habe aber eine gute Prognose. Grundlage ihrer Beurteilung war die psychiatrische Begutachtung durch Frau Dr. V. T1., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie beim Kreis C., mit Untersuchung am 0000. In ihrem Gutachten vom 0000 führt Frau Dr. T1. aus, dass das psychiatrische Störungsbild, nämlich die PTBS als Unfallfolge zu bewerten sei. Die Symptome seien nach einer außergewöhnlichen Bedrohungssituation, körperlichem Angriff und Verletzung sowie einem Gefühl der Machtlosigkeit aufgetreten. In der Vorgeschichte ließen sich keine psychiatrischen Auffälligkeiten oder Vorerkrankungen eruieren; die Klägerin sei weder in psychiatrischer noch in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Nach dem Eindruck der psychiatrischen Untersuchung handele es sich bei der Klägerin um eine auffallend reife und introspektionsfähige Persönlichkeit mit hoher Bereitschaft zu kritischer und selbstkritischer Reflektion und Verantwortungsübernahme. Es gebe keine Hinweise für eine Traumatisierung in der Vorgeschichte. Es sei auch keine aus der Persönlichkeit heraus begründbare Neigung zu Traumafolgeschäden erkennbar.
59Auch diese Beurteilung ist für das Gericht plausibel und nachvollziehbar. Die Amtsärztinnen haben übereinstimmend festgestellt, dass die Ereignisse vom 0000 kausal für den eingetretenen Körperschaden sind. Dies machen sie einerseits am Ausmaß der Ereignisse und den anschließend aufgetretenen Symptomen der Klägerin fest und andererseits führen sie es darauf zurück, dass bei ihr zuvor keinerlei psychiatrische Vorerkrankungen vorlagen.
60Den Feststellungen und Bewertungen in den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten kommt auch deshalb besondere Aussagekraft zu, weil es sich dabei um amtsärztliche Gutachten handelt. In ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Beurteilung in einem amtsärztlichen Gutachten – jedenfalls im Verhältnis zu privatärztlichen Stellungnahmen – grundsätzlich ein größerer Beweiswert zukommt. Dieser Vorrang von amtsärztlichen Einschätzungen im Konfliktfall findet seinen Grund in der Neutralität und Unabhängigkeit des beamteten Arztes. Der Amtsarzt nimmt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor. Er steht dem Dienstherrn und Beamten gleichermaßen fern. Darüber hinaus sind die in der Regel besseren Kenntnisse des beamteten Arztes hinsichtlich der Belange des öffentlichen Dienstes und der von den Beamten zu verrichtenden Tätigkeiten sowie seine größere Erfahrung bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit oder von Dienstunfällen maßgebend. Die Neutralität und Unabhängigkeit verleiht neben dem speziellen Sachverstand der Beurteilung durch den Amtsarzt ein höheres Gewicht.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 1 D 3.02–, juris, Rn. 22 und OVG Rh. - Pfalz, Urteil vom 22. Mai 2013 – 2 A 11083/12 –, juris, Rn. 34.
62Auch hinsichtlich des Kausalzusammenhangs decken sich die Feststellungen der Amtsärztinnen mit den Erkenntnissen des Gerichts aus dem Verfahren des VG Münster – 4 K 1699/18 –. Der Sachverständige Herr Prof. Dr. T2. N. führt in seinem Gutachten vom 0000 zum Ursachenzusammenhang wie folgt aus: „Dass es sich bei dem Vorfall um ein gravierendes Ereignis gehandelt hat, bedeutet nicht automatisch, dass die nachfolgenden Symptome durch den Vorfall verursacht wurden, vielmehr muss die Art und der Umfang der Folgesymptome für einen solchen Zusammenhang typisch sein. Es müsste sich in der Symptomkonstellation somit eine Ähnlichkeit mit einer PTBS zeigen. Die Diagnose einer PTBS darf nach aktuellem Stand des Klassifikationssystems ICD 10 nur dann gestellt werden, wenn mindestens drei Symptomkomplexe vorliegen: Starke Nachhallerinnerungen, vegetative Übererregbarkeit und Vermeidungsverhalten.“ Die drei Symptomkomplexe liegen bei der Klägerin nach den Ausführungen im Gutachten von Frau Dr. T1. vor (vgl. die obigen Ausführungen unter a).
63Schließlich war das Gericht nicht gehalten, ein weiteres Gutachten einzuholen. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann geboten, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil die vorliegenden Gutachten objektiv ungeeignet sind, ihm die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn das vorliegende Gutachten grobe, offen erkennbare Mängel aufweist, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht.
64Vgl. nur BVerwG, Urteile vom 26. Juni 2020 - 7 BN 3/19 -, juris, Rn. 6 und vom 29. Februar 2012 – 7 C 8.11 -, juris, Rn. 37 jeweils m.w.N.
65Diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor.
66Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
67Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.