Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die derzeit in der Bundesrepublik Deutschland eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes gem. § 80 Abs. 5 VwGO gegenüber der Abschiebungsandrohung in einem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bei Ablehnung der Schutzgesuche als offensichtlich unbegründet (§§ 30, 34 und 36 Abs. 3 AsylG) genügen den europarechtlich abgeleiteten Anforderungen des EUGH-Urteils vom 19. Juni 2018 – C – 181/16 – („Gnandi“).
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des – gerichtskostenfreien – Verfahrens.
G r ü n d e :
2I.
3Der Antragsteller, ein nach eigenen Angaben derzeit 18 Jahre alter ägyptischer Staatsangehöriger, reiste zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt im Frühsommer 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und suchte am 20. August 2018 beschränkt um Zuerkennung internationalen Schutzes nach. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte nach persönlicher Anhörung des Antragstellers am 12. September 2018 den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und den Antrag auf Gewährung subsidiären Schutzes mit Bescheid vom 13. September 2018 jeweils als offensichtlich unbegründet ab und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und drohte ihm bei Nichtbefolgung die Abschiebung nach Ägypten an. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides, dem eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, wird verwiesen.
4Der – anwaltlich vertretene - Antragsteller hat hiergegen am 20. September 2018 Klage (9 K 2785/18.A) erhoben und zugleich um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht mit dem Antrag,
5die aufschiebende Wirkung seiner Klage 9 K 2785/18.A gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. September 2018 anzuordnen.
6Er lässt ausschließlich unter auszugsweiser Zitierung geltend machen, der EuGH habe in seinem Urteil vom 19. Juni 2018 – C – 181/16 -, juris, entschieden, dass Asylsuchenden umfassender Rechtsschutz im Asylverfahren zu gewähren sei. Die in dem angegriffenen Bescheid getroffene Rückkehrentscheidung widerspreche den Vorgaben des Urteils des EuGH, da die Klage hier keine aufschiebende Wirkung entfalte und damit ein Verstoß gegen Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRK) vorliege.
7Die Antragsgegnerin hat sich in den gerichtlichen Verfahren bislang nicht geäußert.
8II.
9Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gleichen Rubrums ist zulässig, aber unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der auf §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 59 AufenthG gestützten Abschiebungsandrohung. Ernstliche Zweifel im vorgenannten Sinne liegen nur vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die behördliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung nicht standhält.
10Solche Gründe, die ernstliche Zweifel an der Beurteilung des Bundesamtes wecken könnten, die geltend gemachten Schutzgesuche auf Anerkennung als Flüchtling bzw. als subsidiär Schutzberechtigter seien offensichtlich unbegründet und auch Abschiebungsverbote in seiner Person nicht bestünden, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht vorgetragen. Im Gegenteil erscheinen die Beurteilungen des Bundesamtes zu den vom Antragsteller bei seiner Anhörung angeführten Gründen, weshalb er seine Heimat Anfang 2016 verlassen haben will, als auf der Hand liegend zutreffend. Hierauf wird verwiesen.
11Soweit der Antragsteller geltend macht, das der Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung zugrunde liegende nationale Recht, hier der gesetzlich angeordnete Wegfall der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Ablehnung seiner auf die Anerkennung als Flüchtling oder Gewährung subsidiären Schutzes gerichteten Schutzgesuche als offensichtlich unbegründet (§§ 30,75 Abs. 1 AsylG) mit der Notwendigkeit, insoweit selbst fristgerecht um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegenüber der Abschiebungsandrohung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nachzusuchen, widerspreche den europarechtlich begründeten Beurteilungen des Europäischen Gerichtshofs in dessen Entscheidung vom 19. Juni 2018 – C – 181 /16 -, kann er damit nicht durchdringen.
12Dabei bedarf es keiner Vertiefung, dass der Entscheidung des EuGH, der zur Vorabentscheidung gestellten Vorlagefrage entsprechend, maßgeblich und entscheidungstragend (jedenfalls auch) die Auslegung der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in Verbindung mit der Richtlinie 2005/85/EG des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft zugrunde lag. Dagegen ist das Schutzgesuch des Antragstellers des vorliegenden Verfahrens, das zeitlich deutlich nach dem 20. Juli 2015 angebracht worden ist, nach den die Richtlinie 2005/85/EG ersetzenden Vorschriften der Richtlinie 2013/32/EU zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes europarechtlich zu beurteilen (vgl. dort Art. 52 Abs. 1 Satz 1). Zu dieser Richtlinie hat sich der EuGH in der angeführten Entscheidung, abgesehen von der Wiedergabe des Unionsrechts in den Entscheidungsgründen als rechtlicher Rahmen, nicht geäußert. Anders als die Richtlinie 2005/85/EG (dort: Art. 39 Abs. 3) bestimmt nunmehr Art. 46 (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf) in dessen Abs. 6 ausdrücklich u.a. für den Fall der Bescheidung eines Schutzgesuchs als offensichtlich unbegründet und einer gleichzeitigen Entscheidung über den weiteren Verbleib im Mitgliedstaat, dass „das Gericht befugt ist, entweder auf Antrag des Antragstellers oder von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates verbleiben darf, wenn die Entscheidung zur Folge hat, das Recht des Antragstellers auf Verbleib in dem Mitgliedstaat zu beenden und wenn in diesen Fällen das Recht auf Verbleib in dem betreffenden Mitgliedstaat bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im nationalen Recht nicht vorgesehen ist“. In der Rechtsprechung ist hieraus bereits abgeleitet worden, dass vor diesem Hintergrund eine Übertragung der in der Entscheidung des EuGH vom 19. Juni 2018 aufgestellten Grundsätze auf jüngere Fallkonstellationen von vornherein nicht in Betracht komme.
13Vgl. VG Stade, Beschluss vom 30. Juli 2018 – 2 B 1616/18 –, asl.net M26508 – im Internet abrufbar - unter Bezugnahme eines Beschlusses des VG Hannover vom 12. Juli 2018 – 10 B 4228/18 -; vgl. demgegenüber Hruschka, Umfassender Rechtsschutz im Asylverfahren, Urteilsanmerkung zu der EuGH-Rechtssache “Gnandi“, Asylmagazin 2018, 290 ff und Internet in: Informationsverbund Asyl & Migration.
14Denn auch unabhängig davon stellt das nationale Recht der Bundesrepublik Deutschland dem Betroffenen mit § 80 Abs. 5 VwGO, § 36 Abs. 3 AsylG einen gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Abschiebungsandrohung nach Ablehnung seiner Schutzgesuche als offensichtlich unbegründet zur Verfügung, der – namentlich mit Blick auf die vom EuGH herausgestellten Anforderungen nach Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – den unionsrechtlich herausgestellten Erfordernissen an einen zu gewährenden wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf (droit à un recours effectif), der „kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung“ (l´effet suspensif de plein droit)“ genügt. Der Antragsteller kann – und hat im vorliegenden Fall – beim beschließenden Gericht fristwahrend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung beantragt und hatte in diesem Verfahren Gelegenheit, seine Einwände gegen die behördliche Entscheidung in vollem Umfang geltend zu machen, und zwar sowohl was die Ablehnung seiner Schutzgesuche überhaupt als auch was die Ablehnung als offensichtlich unbegründet betrifft. Auch steht es ihm zu, seine Beurteilung bezogen auf Abschiebungsverbote darzutun. Dieser fristgerecht gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gegen eine mit der Ablehnung eines Asylantrags bzw. des Schutzgesuchs um Flüchtlingsanerkennung /subsidiären Schutz erlassene asylrechtliche Abschiebungsandrohung hat kraft Gesetzes (§ 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG) zur Folge, dass die Abschiebung vor der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag nicht zulässig ist. Diese normative temporäre Schutzanordnung, die über eine bloße Absehensentscheidung durch den Mitgliedstaat (s`abstienne de procéder à une exécution forcée de la décision de retour) deutlich hinausgeht, bewirkt der Sache nach und im Ergebnis kraft Gesetzes eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegenüber der Abschiebungsandrohung. „Aufschiebende Wirkung“ bedeutet nämlich in diesem Zusammenhang, dass ausgelöst durch ein an das Gericht gerichtetes Schutzgesuch effektiv bis zum Abschluss dieses Verfahrens, das europarechtlich nicht zwingend das nationale asylrechtliche Hauptsacheverfahren sein muss, keine rechtlichen oder tatsächlichen Folgen oder Umsetzungsakte aus der belastenden Behördenentscheidung zu der Abschiebungsandrohung, gegen die sich der Rechtsbehelf richtet, hergeleitet werden dürfen.
15So auch: VG Münster, Beschluss vom 4. September 2018 – 4 L 891/18.A -, n. v.
16Darüber hinausgehende Anforderungen zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes vermag das Gericht der Entscheidung des EuGH, gerade vor dem Hintergrund von Art. 46 Abs. 6 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, nicht zu entnehmen.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
18Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.