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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin betreibt einen Entsorgungsfachbetrieb, der sich auf die Erfassung, Verwertung und den Handel mit Alttextilien, Altkleidern und deren Verpackungen spezialisiert hat. Mit Schreiben vom 25. Juli 2012 zeigte die Klägerin bei dem Beklagten eine geplante Sammlung von Alttextilien, Altkleidern und Verpackungen im Kreisgebiet C. an, die über stationäre Textilsammelcontainer durchgeführt werden soll. Die Container sollen auf öffentlichen und auf Grundstücken privater Grundstückseigentümer aufgestellt werden. In der Anzeige geht die Klägerin davon aus, dass sie ein Jahresvolumen von ca. 100 Tonnen im Kreisgebiet erreiche. Nachdem die Klägerin die Anzeige auf einem vom Beklagten verwendeten Formular wiederholt hatte, sah der Beklagte die Anzeige als vollständig an.
3Nach Einholung von Stellungnahmen der kreisangehörigen Städte und Gemeinden untersagte der Beklagte der Klägerin die angezeigte Sammlung, bezogen auf das Stadtgebiet der Stadt C1. , durch Bescheid vom 19. März 2014. Zur Begründung führte er unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Stadt C1. vom 19. November 2013 aus, der gewerblichen Sammlung der Klägerin stünden überwiegende öffentliche Interessen entgegen. Die Sammlung gefährde in ihrer konkreten Ausgestaltung die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, da Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt seien. Die Stadt C1. sammle außer auf ihrem Wertstoffhof durch an 26 Standorten aufgestellte Depotcontainer Alttextilien und Altschuhe. Mit der Entsorgung sei die eigenbetriebsähnliche Einrichtung F. beauftragt. Bereits jetzt würden der kommunalen Sammlung große Mengen Alttextilien durch gemeinnützige, aber auch illegale Sammlungen entzogen. Die Stadt habe für ihre Sammlung bereits jährliche Kosten von 56.000,00 Euro, hinzu kämen Kosten für die Anschaffung der Container von 20.000,00 Euro. Bestimmte Entsorgungsleistungen seien an gewerbliche Unternehmer vergeben, die Einhaltung dieser Verträge sei bei Hinzutreten weiterer gewerblicher Sammler gefährdet.
4Die Klägerin hat gegen die Ordnungsverfügung vom 19. März 2014 fristgerecht Klage erhoben. Sie macht geltend, der Sammlung stünden keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen. Die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung der Stadt C1. seien nicht beeinträchtigt. Alleine der Vortrag des Beklagten zum Mengenentzug durch gemeinnützige und illegale Sammlungen reiche nicht aus, um dies zu begründen. Zudem sei das Sammelsystem der Klägerin leistungsfähiger als das der Stadt C1. . Nachdem die Klägerin in der Klagebegründung zunächst angegeben hat, sie unterhalte im Stadtgebiet von C1. einen Containerstandort, hat sie mit Schriftsatz vom 31. August 2016 vorgetragen, es seien zwei Sammelcontainer in C1. aufgestellt, mit denen sie jeweils 1,8 Tonnen Alttextilien pro Jahr sammle. Unter Bezug auf die vom Beklagten genannten Sammelmengen der Stadt C1. seit 2012 weist die Klägerin darauf hin, diese Mengen seien trotz der gewerblichen Sammlungen über die Jahre ansteigend. Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrundegelegte „Irrelevanzschwelle“ sei unter Berücksichtigung der maßgeblichen Sammelmengen der gewerblichen Sammlungen nicht überschritten. Schließlich sei die angefochtene Ordnungsverfügung unverhältnismäßig. Der Beklagte habe versäumt zu prüfen, ob als milderes Mittel die Erteilung von Auflagen in Betracht komme.
5Die Klägerin beantragt,
6den Bescheid des Beklagten vom 19. März 2014 aufzuheben.
7Der Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Der beabsichtigten Sammlung der Klägerin stünden überwiegende öffentliche Interessen entgegen. Anknüpfend an die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung seien den Sammelmengen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers einerseits die angezeigten, noch nicht bestandskräftig untersagten sowie die rechtmäßig durchgeführten Sammlungen mit ihren tatsächlichen Sammelmengen gegenüber zu stellen. Die gemeinnützigen Sammlungen seien in C1. in das kommunale Sammelsystem integriert und führten keine eigene Sammlung durch. Der Beklagte legt zu den vorgenannten Sammlungen - auf Veranlassung des Gerichts - mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2016 (GA Bl. 180 f.) Zahlenmaterial vor, welches er durch den in der mündlichen Verhandlung zu den Akten gereichten Vermerk vom 21. März 2017 ergänzt und aktualisiert. Er macht geltend, angesichts einer Sammelmenge von ca. 500 Tonnen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (prognostiziert für das Jahr 2016) und einer Sammelmenge der gewerblichen Sammler von 77,25 Tonnen sei die sog. „Irrelevanzschwelle“ nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überschritten.
10Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
11E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
12Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
13Der Bescheid des Beklagten vom 19. März 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
14Rechtsgrundlage für die Untersagung der Sammlung ist § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG. Danach ist die Durchführung einer Sammlung zu untersagen, wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG besteht die Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG nicht für Abfälle, die durch eine gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung nicht entgegenstehen. Die Voraussetzungen für eine Untersagung der gewerblichen Sammlung der Klägerin sind erfüllt.
15Der von der Klägerin angezeigten Sammlung stehen überwiegende öffentliche Interessen entgegen. Diese liegen vor, wenn die beabsichtigte Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten gefährdet, vgl. § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG. Eine solche Gefährdung der Funktionsfähigkeit ist nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG anzunehmen, wenn die Erfüllung der nach § 20 KrWG bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird. Letzteres wiederum ist nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG insbesondere anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt. Dies gilt nicht, wenn die vom gewerblichen Sammler angebotene Sammlung wesentlich leistungsfähiger ist als die von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder dem von ihm beauftragten Dritten bereits angebotene oder konkret geplante Leistung (§ 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG).
16Die Stadt C1. bzw. die von ihr beauftragten Dritten führen hinsichtlich der durch die geplante gewerbliche Sammlung der Klägerin erfassten Abfälle eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durch. Bezugspunkt ist die Erfassung und Verwertung der konkret in Rede stehenden Abfallfraktion.
17§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG normiert bei unionsrechtskonformer Auslegung eine widerlegliche Vermutung einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Die Ausnahmesituation, in welcher die Regelvermutung nicht mehr gilt, ist ausgehend von einem Vergleich der Sammelmengen anhand einer „Irrelevanzschwelle“ zu bestimmen. Es kommt darauf an, ob durch einen Marktzugang des gewerblichen Sammlers die Grundstrukturen der Entsorgung, die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zur Gewährleistung einer sachgerechten Aufgabenerfüllung nach Maßgabe seiner organisatorischen Grundentscheidungen ins Werk gesetzt hat, wesentlich umgestaltet werden müssten. Bei der Bewertung der Auswirkungen des Marktzutritts eines gewerblichen Sammlers ist – unter Zugrundelegung der Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – dessen Sammlung nicht isoliert, sondern im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen zu betrachten. Von Bedeutung sind insoweit weitere angezeigte, nicht bestandskräftig untersagte Sammlungen, bereits rechtmäßig durchgeführte Sammlungen mit den tatsächlichen Sammelmengen und die gemeinnützigen Sammlungen. Die so ermittelten Sammelmengen auf Seiten der privaten Sammler sind den erwarteten Sammelmengen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gegenüber zu stellen und die Rückgänge bzw. verminderten Steigerungspotenziale auf Seiten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu prognostizieren und zu bewerten. Eine generalisierend festgelegte „Irrelevanzschwelle“ von 10 bis 15 % wird als angemessen erachtet. Unterhalb dieser Schwelle sind wesentliche Änderungen der Entsorgungsstruktur typischerweise nicht zu erwarten.
18Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2016, Juris, Rdnrn. 51 ff.
19In Anwendung dieser Maßstäbe ist zu vermuten, dass eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt. Die „Irrelevanzschwelle“ ist aufgrund der schon durchgeführten gewerblichen Sammlungen mit den tatsächlichen Sammelmengen sowie der angezeigten, nicht bestandskräftig untersagten Sammlungen im Ergebnis überschritten. Addiert man die prognostizierten Sammelmengen der angezeigten, nicht bestandskräftig untersagten Sammlungen zum Stichtag, gelangt man zu einem Wert von 42,1 Tonnen. Hierbei ist bereits eingestellt, dass die F1. -X. U. L. GmbH, die zunächst eine Sammelmenge von 140 Tonnen angezeigt hatte, diese Menge nunmehr im Laufe des gerichtlichen Verfahrens auf 18 Tonnen reduziert hat, wovon nunmehr auch der Beklagte ausgeht. Hinzu kommen die rechtmäßig durchgeführten Sammlungen, wobei jeweils die tatsächlichen Sammelmengen zugrunde zu legen sind. Hierbei ergibt sich eine Menge von 35,15 Tonnen. Das Gericht geht von der tatsächlichen Sammelmenge der Fa. H. (8,8 Tonnen) – vgl. deren Mitteilung an den Beklagten vom 21. März 2017 - und nicht nur von der ursprünglich angezeigten Menge von 2,5 Tonnen aus. Dies trägt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung, wonach insoweit die tatsächliche Menge entscheidend ist.
20BVerwG, a. a. O., Rdnr. 55.
21Denn die tatsächlichen Sammelmengen bilden denjenigen Zustand ab, auf den sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bereits einzustellen und an den er sich ggfls. anzupassen hatte.
22Die Summe von beiden vorgenannten Mengen in Höhe von 77,25 Tonnen auf Seiten der gewerblichen Sammler ist der prognostizierten Sammelmenge des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in Höhe von 500 Tonnen für 2016 gegenüber zu stellen. Dies ergibt einen prozentualen Anteil von 15,45 % und damit ein Überschreiten der „Irrelevanzschwelle“ um 0,45 %. Raum für eine weitere Prüfung und etwaige Korrektur ist nach der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht.
23Das Gericht folgt nicht der Vorgehensweise des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes,
24BayVGH, Beschluss vom 30. Januar 2017 – 20 CS 16.1416 -,
25Juris, Rdnrn. 32 ff.,
26wonach unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerwG in einem ersten Schritt die Anteile des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sowie der rechtmäßig durchgeführten privaten Sammlungen am Gesamtaufkommen zu ermitteln und sodann (erst) in einem zweiten Schritt das Ausmaß der anstehenden Veränderungen durch die streitgegenständliche Sammlung in deren Zusammenwirken mit den anderen angezeigten, noch nicht bestandskräftig untersagten Sammlungen zu ermitteln ist. Für diese Vorgehensweise findet sich in dem zitierten Urteil des BVerwG kein Anhalt.
27Es ist nichts Hinreichendes dafür vorgetragen, dass die von der Klägerin angezeigte Sammlung wesentlich leistungsfähiger wäre als diejenige der Stadt C1. .
28Die Untersagung ist auch verhältnismäßig. Weniger eingreifende Regelungen sind nicht ersichtlich. Hiervon ist auch der Beklagte im angefochtenen Bescheid ausgegangen. Es ist nicht Aufgabe der zuständigen Abfallbehörde, den Umfang der angezeigten Sammlung auf das gerade noch verträgliche Maß zu beschränken.
29OVG NRW, Urteil vom 21. September 2015 – 20 A 2120/14 –, Juris, Rn. 211.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
31Die Berufung war wegen klärungsbedürftiger Fragen der Auslegung und Reichweite der höchstrichterlichen Rechtsprechung zuzulassen.