Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Die bloße Teilnahme an der "Rechten Szene" zuzuordnender Veranstaltungen begründet nicht zwingend Zweifel an der Verfassungstreue des Beamten. 2. Bei der Umlegung des beamtenrechtlichen Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebotes sind auch die Grundrechte des Beamten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen und abzuwägen. 3. Eine Disziplinarmaßnahme ist nicht mehr zu verhängen, wenn die gebotene Gesamtabwägung ergibt, dass eine Disziplinarmaßnahme nicht mehr angezeigt ist. Dabei ist auch von Bedeutung, dass der Dienstherr gegenüber Medien Auskünfte über das laufende Disziplinarverfahren erteilt hat.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d :
2Der am 00.00.0000in Dortmund geborene Beklagte studierte nach der allgemeinen Hochschulreife ab dem Wintersemester 1975/76 an der Universität Dortmund Maschinenbau. Am 00.00.0000wurde ihm der akademische Grad des Diplomingenieurs verliehen. Am 00.00.0000wurde der Beklagte durch die Stadt Münster unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Städtischen Brandreferendar ernannt. Die Brandassessorprüfung bestand er am 00.00.0000mit der Note befriedigend. Mit Wirkung vom 00.00.0000wurde der Beklagte unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Städtischen Brandrat zur Anstellung bei der Klägerin ernannt. Zum 00.00.0000wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. In der Folgezeit wurde der Beklagte mehrfach laufbahngerecht befördert, zuletzt mit Wirkung vom 00.00.0000zum Leitenden Städtischen Branddirektor (Besoldungsgruppe A 16 BBesO).
3Der Beklagte war bei der Klägerin zunächst in verschiedenen Positionen bei der Berufsfeuerwehr eingesetzt, seit 00.00.0000als stellvertretender Amtsleiter und seit 00.00.0000als Leiter der Berufsfeuerwehr Dortmund. Mit Wirkung vom 00.00.0000wurde er zum Leiter des Instituts für Feuerwehr und Rettungstechnologie der Stadt Dortmund (IFR) bestellt. Dort war er bis zu seiner Freistellung vom Dienst am 00.00.0000, auf welche nahtlos die vorläufige Suspendierung erfolgte, tätig. Auch nach Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung durch das Verwaltungsgericht Münster durch Beschluss vom 11. September 2012 hat der Beklagte seinen Dienst nicht wieder angetreten, da die Klägerin auf Grund von Zweifeln an seiner Dienstfähigkeit – das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung liegt wegen eines noch einzuholenden externen medizinischen Gutachtens nicht vor - auf seine Dienste verzichtet.
4Die dienstlichen Leistungen des Beklagten waren stets überdurchschnittlich. Er ist straf- und auch disziplinarrechtlich unbelastet, da ein früherer Verweis – wie bereits im Beschluss der Kammer vom 11. September 2012 dargelegt - auf Grund des Verwertungsverbotes (§ 16 LDG NRW) nicht mehr berücksichtigt werden darf.
5Der Beklagte ist geschieden und hat zwei Töchter im Alter von 18 und 22 Jahren. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet.
6Durch Verfügung vom 00.00.0000leitete die Klägerin gegen den Beklagten das Disziplinarverfahren ein, weil der Verdacht bestand, dass er insbesondere durch die Teilnahmen an Demonstrationen von Rechtsextremen gegen seine allgemeine Treuepflicht zu seinem Dienstherrn und seine politische Treuepflicht (Verfassungstreue) verstoßen und ferner missbräuchlich städtische Arbeitsmittel genutzt habe. Die mit Verfügung vom 00.00.0000angeordnete vorläufige Dienstenthebung des Beklagten und die weiterhin angeordnete Einbehaltung von 30 % der monatlichen Bezüge des Beklagten wurden durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 11. September 2012 (13 L 461/12.O) ausgesetzt.
7Mit der am 9. Februar 2012 bei Gericht eingegangenen Klage werden ihm im Wesentlichen folgende Vorwürfe gemacht:
81.) Dem Beklagten wird zu Last gelegt, an drei politischen Veranstaltungen (5. September 2009 in Dortmund, 13. Februar 2010 in Dresden und 30. April 2010 in Dortmund) teilgenommen zu haben, die eindeutig der „Rechten Szene“ zuzuordnen sind.
92.) Dem Beklagten wird ferner vorgehalten, im Zeitraum von Januar bis April 2010 sich intensiv ‑ auch während der Dienstzeit ‑ mit politischen, darüber hinaus gezielt mit rechtsextremistischen Thematiken beschäftigt und einschlägige Dokumente auf dem städtischen Server gespeichert zu haben.
103.) Dem Beklagten wird weiter vorgeworfen, dass von ihm gefertigte Karikaturen auf rechtsextremen Seiten veröffentlicht wurden.
114.) Auch wird der Beklagte beschuldigt, im April 2010 in Anspielung auf den ein Jahr zuvor erfolgten Angriff von ca. 300 Neonazis auf den 1. Mai-Umzug des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Dortmund ein Plakat des DGB anlässlich der Kundgebung zum 1. Mai um den Text „11.15 Uhr, 2. traditioneller Naziangriff auf den DGB“ ergänzt und dieses Plakat in den Diensträumen des IFR aufgehangen zu haben.
125.) Schließlich wird dem Beklagten vorgeworfen, gegen die dienstliche Weisung vom 31. August 2008 sowie gegen das schriftliche Verbot vom 29. Juli 2010, Auskünfte an Außenstehende, insbesondere auch Presse- und Medienvertreter zu geben, verstoßen zu haben, indem er im Vorfeld eines am 22. Oktober 2010 in einer örtlichen Tageszeitung erschienenen Artikels mit dem Autor ein Gespräch über das laufende Disziplinarverfahren führte.
13Nachdem die Klägerin mit der Klage zunächst die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis beantragt hatte, beantragt sie nunmehr,
14den Beklagten zurückzustufen und in das Amt eines Städtischen Brandrates (Besoldungsgruppe A 13) zu versetzen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Personalakte sowie der Disziplinarakten Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
19Die zulässige Klage ist unbegründet. Unabhängig vom Vorliegen eines Dienstvergehens ist eine Disziplinarmaßnahme nicht mehr angezeigt.
20I.
21In tatsächlicher Hinsicht geht das Gericht von folgendem Sachverhalt aus:
221.
23a)
24Der Beklagte nahm am 5. September 2009 an einer Kundgebung der rechtsextremistischen Szene anlässlich des Antikriegstags (Weltfriedensstag, 1. September) in Dortmund teil, die unter dem Motto „Gegen imperialistische Kriegstreiberei und Aggressionskriege“ stand. Es handelte sich hierbei um eine überregional und international anerkannte Veranstaltung der rechtsextremistischen Szene. Es war die größte Aktion von Rechtsextremisten in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2009. An der Stand-Kundgebung nahmen 700 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland teil. Verantwortlich für diese Veranstaltung waren Mitglieder des neonazistischen Spektrums mit starkem Bezug zu den Autonomen Nationalisten. Ein zunächst ausgesprochenes Verbot der Veranstaltung wurde durch das Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Die Kundgebung fand unter strengsten Sicherheitsauflagen bei erhöhtem Aufgebot von Sicherheitskräften auf einem Park- und Ride-Parkplatz am Dortmunder Hafen (Speestraße) statt. Um zu verhindern, dass die Demonstranten und die Gegendemonstranten aufeinander trafen, führte die Polizei vor Ort gezielte Personenkontrollen durch. Darüber hinaus wurden die Demonstranten von der Polizei umringt und von den Gegendemonstranten isoliert, so dass sich kein Außenstehender zufällig zu den Demonstranten gruppieren konnte. Bei dieser insgesamt störungsfrei verlaufenen Demonstration hielt sich der Beklagte in der ersten Reihe an einem Banner mit der Aufschrift „Stoppt die One World Fetischisten“ auf.
25Bei den Autonomen Nationalisten handelt es sich um eine Gruppierung, welche in vollem Umfange der Neonaziszene zugeordnet werden kann. Das Erscheinungsbild der Autonomen Nationalisten ‑ nämlich schwarze Bekleidung, Sonnenbrillen, Baseballkappen ‑ wird bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen zunehmend von Rechtsextremisten der klassischen Neonaziszene sowie NPD‑Aktivisten kopiert. Obwohl es Überschneidungen zu bestehenden neonazistischen Strukturen gibt, begreifen sich die Autonomen Nationalisten als separater Bestandteil der rechtsextremistischen Szene. Ideologische Grundlage der Autonomen Nationalisten ist – wie bei den Neonazis generell - ein rassenbiologisch geprägtes völkisches Menschenbild, aus dem kollektivistische Vorstellungen für einen autoritären Staatsaufbau hergeleitet werden.
26b)
27Der Beklagte beabsichtigte, am 13. Februar 2010 am sog. Trauermarsch in Dresden teilzunehmen. Der Junge Landsmannschaft Ostpreußen e.V. – Landesverband (JLO) hatte die Demonstration unter dem Motto „Gegen Krieg, Bombenterror und Vertreibung“ angemeldet. Bei dem Trauermarsch handelt es sich um einen „Pflichttermin“ der rechtsextremistischen Szene. Unter den 6.400 Teilnehmern befanden sich Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus dem europäischen Ausland. Der Beklagte war eigens für die Demonstration mit einem Reisebus nach Dresden gereist. Auf Grund von Blockaden von Gegendemonstranten nahm der Beklagte an keiner Veranstaltung teil.
28c)
29Am 30. April 2010 nahm der Beklagte in Dortmund an einer genehmigten Demonstration der rechtsextremen Szene teil. Zu der Veranstaltung wurde er nach eigenen Angaben von Studierenden der Technischen Universität eingeladen. Die Veranstaltung wurde durch ein Mitglied der Kameradschaft Dortmund, welches gleichzeitig auch über starke Bezüge zu den Autonomen Nationalisten verfügt, unter dem Motto „Arbeitsplätze und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen!“ angemeldet. Für diese Demonstration hatte es im Vorfeld keine überregionale Werbung gegeben. Es handelte sich auch nicht um einen traditionellen Termin, der in der rechtsextremistischen Szene bekannt ist. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass es sich um einen Termin handelte, der im Rahmen der örtlichen Aktion der in Dortmund ansässigen Kameradschaft und Autonomen Nationalisten geplant wurde. Die Demonstration verlief störungsfrei mit ca. 100 hauptsächlich regional mobilisierten Teilnehmern durch die westliche Innenstadt mit Auftakt auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofes und Abschluss am S-Bahnhof Dortmund-Dorstfeld.
30Zum Hintergrund der Teilnahme des Beklagten an diesen Veranstaltungen hat das Gericht folgende Feststellungen treffen können: Der Beklagte ist parteipolitisch nicht mehr organisiert, er war bis September 2009 Mitglied der SPD. Ab spätestens Ende 2009 hatte er Kontakt zu Mitgliedern der rechtsextremistischen Szene in Dortmund und nahm zum Teil auch an deren nicht öffentlichen Veranstaltungen teil. Motiv für die Teilnahme an den Demonstrationen war, insoweit folgt das Gericht den ursprünglichen Angaben des Beklagten, die er auch in der mündlichen Verhandlung wiederholt hat, ein „politisches Informationsinteresse“. Seine weitergehende Behauptung, dass er an den Demonstrationen mit dem Ansinnen teilgenommen habe, „berufliche Vorteile zum Wohle der Klägerin zu erlangen“ sieht das Gericht hingegen als pauschale Schutzbehauptung an. Schon bei isolierter Betrachtung ist diese Einlassung unglaubhaft bzw. bereits abwegig und widerspricht den bisherigen Einlassungen des Beklagten. Es ist zudem auffällig, dass diese Behauptung erstmalig am 5. Oktober 2012 vorgetragen wurde, mithin mehr als zwei Jahre nach Einleitung des Disziplinarverfahrens. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte der Beklagte trotz umfangreicher Ausführungen nicht nachvollziehbar darlegen, welchen beruflichen Vorteil die Klägerin durch die Teilnahme des Beklagten an den Demonstrationen hätte haben können. Belege, die seine pauschale Behauptung tragen, hat er zu keinem Zeitpunkt vorgelegt. Letztlich kommt es darauf aus den unter III. dargelegten Gründen nicht an. Aus den dort dargelegten Gründen folgt weiter, dass es auch auf die – nach den vorliegenden Fotos zweifelhafte – Behauptung des Beklagten nicht ankommt, er habe am 5. September 2009 das Banner mit der Aufschrift „Stoppt die One World Fetischisten“ nicht hochgehalten.
312.
32Bei der Auswertung der durch den Beklagten dienstlich genutzten elektronischen Bürokommunikation wurde für den Zeitraum von Januar bis April 2010 anhand der vorgenommenen Zugriffe auf das Internet festgestellt, dass der Beklagte sich intensiv mit politischen, darüber hinaus gezielt mit rechtsextremistischen Thematiken beschäftigt hat, wobei es sich bei den aufgerufenen Seiten zu einem nicht unwesentlichen Teil um Seiten der politischen Gegner des Rechtsextremismus handelte. Unter anderem konnten verschiedene Dokumente (Internetblogs) mit zum Teil beleidigenden Beiträgen, das digitalisierte Buch „Freispruch für Hitler - 36 ungehörte Zeugen wider die Gaskammer“ von Gerd Honsiek, 2 Bilder (Hitler und HJ-Aufzug) etc. auf dem städtischen Server sichergestellt werden.
33Zu diesen Feststellungen hat sich der Beklagte wie folgt geäußert:
34„Der dienstliche Laptop nutzte den privaten IT-Anschluss mit einer intelligenten Telekom-IT-Box und dem gleichzeitig angeschlossenen privaten Laptop von I. Schäfer. Dies war erforderlich, da auf dem dienstlichen PC die regelmäßigen Updates der Telekomsoftware nicht installiert werden konnten, weil dieses nur mit Dosys Administratorenrechten möglich ist.
35Dass Zugriffe u.a. auch auf diverse politisch linke und rechte Seiten erfolgten, ist unbestritten ebenso wie tausende Zugriffe auf Medienplattformen, Bibliotheken, Nachrichtenportale, Internetradio etc..
36Auch die Tochter von I. T. nutzte den IT-Zugang für zwei Projekte am I1. -M. -Gymnasium „Schule gegen Rassismus“ und eine „Antifa-Projektwoche“, wo sie umfangreich im Internet Recherchen ausführte. Diese Protokolle werden sich alle auf dem dienstlichen Laptop finden, sofern er zu den Zeitpunkten über das IT-Netz von I. T. angeschlossen war“.
37Dem hat die Klägerin nicht widersprochen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die vorgeworfenen Zugriffe z. B. auch von der Tochter stammten oder vom privaten Laptop außerhalb der Dienstzeit erfolgten. Da die Klägerin keine substantiierten Anhaltspunkte für einen Zugriff allein durch den Beklagten vorgetragen hat, besteht für die Kammer auch kein Anlass zu einer weitergehenden Sachverhaltsaufklärung, zumal sich angesichts der ohne Einverständnis des Beklagten und ohne richterliche Genehmigung erfolgten Auswertung der elektronischen Bürokommunikation durch die Klägerin ein Verwertungsverbot aufdrängt.
383.
39Der Beklagte hat eingeräumt, dass von ihm entworfene Karikaturen auf rechtsextremen Seiten veröffentlicht wurden. Seinem Vortrag, er habe zu keinem Zeitpunkt einer Veröffentlichung dieser Karikaturen zugestimmt oder zu deren Veröffentlichung beigetragen, hat die Klägerin nicht substantiiert widersprochen. Der bloße Hinweis darauf, das Erscheinen der Karikaturen auf Websites sei – so die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – „komisch“, gibt keine Veranlassung die im Disziplinarverfahren unterbliebene Aufklärung im gerichtlichen Verfahren nachzuholen. Erst recht lässt sich eine Disziplinarmaßnahme nicht auf einen aus der Sicht des Dienstherrn als „komisch“ erscheinenden Sachverhalt stützen.
404.
41Ein im IFR angebrachtes Originalplakat des DGB, in welchem für die traditionelle 1. Mai-Kundgebung geworben wurde, hängte der Beklagte im April 2010 ab und veränderte es, indem er zusätzlich folgenden Text hinzufügte: „11.15 Uhr, 2. traditioneller „Nazi-Angriff“ auf den DBG“. Hintergrund ist, dass ein Jahr zuvor am 1. Mai 2009 ca. 300 Neonazis den friedlichen 1. Mai-Umzug des DGB in Dortmund überfallen hatten. Mit den Worten „Mein nachträglicher Aprilscherz“ ist der Beklagte ca. in der 16. Kalenderwoche (19. bis 25. April 2010) mit dieser Collage durch die Räume des IFR gegangen, hielt das Plakat den anwesenden Kollegen vor und hängte es anschließend wieder in den Diensträumen auf. Anfang Mai wurde das Plakat abgehangen.
425.
43Für den Beklagten besteht seit dem 31. August 2008 eine dienstliche Weisung, wonach er Medienanfragen und Medienauskünfte jeglicher Art, auch einsatzbezogen, ausschließlich mit dem zuständigen Beigeordneten abzustimmen hat. Mit der Einleitungsverfügung vom 00.00.0000wurde ihm untersagt, in Belangen, in denen ein dienstlicher Bezug zu seinen bisherigen Aufgabenbereichen besteht oder hergeleitet werden kann, Auskünfte an Außenstehende, dazu gehören ausdrücklich Presse und Medienvertreter, zu geben. Ergänzend wird ausgeführt, dass die Auskünfte aus seinem bisherigen Aufgabenbereich sich insbesondere auf feuerwehrtechnische Problematiken bzw. auf Thematiken beziehen, die im Zusammenhang mit aktuellen bzw. abgeschlossenen Projekten des IFR stehen.
44Am 22. Oktober 2010 wurde in der örtlichen Tageszeitung Ruhrnachrichten ein Artikel von I. Q. C. unter dem Titel „Arbeitslos mit 5.400 Euro im Monat“ veröffentlicht. In diesem Artikel nimmt der Redakteur der Ruhrnachrichten Bezug auf ein mit dem Beklagten geführtes Gespräch. In dem Artikel steht u.a., dass der Beklagte an seinem alten Arbeitsplatz im IFR der Stadt zurückkehren und seine Forschung fortsetzen möchte. Zur Not werde er seine Interessen in letzter Instanz vor dem Europäischen Gerichtshof durchsetzen. Er wird in dem Artikel u.a. wie folgt wörtlich zitiert: „Die Gegenseite kann nicht mehr zurückrudern, ohne ihr Gesicht zu verlieren, sie haben sich zu früh und zu weit aus dem Fenster gelehnt.“ Der Artikel basiert auf einem Gespräch zwischen dem Beklagten und dem Autor des Artikels.
45II.
46Die Würdigung der zugrundezulegenden Feststellungen ergibt, dass sich der Beklagte allenfalls durch die Teilnahme an den Demonstrationen eines Dienstvergehens schuldig gemacht hat. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begeht ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er die ihm obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt. Ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in eine für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
47Hiervon ausgehend sind die obigen Feststellungen wie folgt disziplinarrechtlich zu würdigen:
481.
49a)
50Durch die Teilnahme an den zwei Demonstrationen und die beabsichtigte Teilnahme an der Demonstration in Dresden hat der Beklagte nicht gegen seine politische Treuepflicht (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bzw. Artikel 33 Abs. 5 GG) verstoßen, wonach Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten müssen.
51Die Treuepflicht gebietet es zunächst, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung zu bejahen und dies nicht bloß verbal, sondern insbesondere dadurch, dass der Beamte die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet. Letzteres hat der Beklagte getan. Es handelte sich durchgehend um zugelassene Demonstrationen. Mit seiner Teilnahme an den Demonstrationen hat er keine Gesetze verletzt.
52Allerdings erfordert die politische Treuepflicht mehr als nur eine formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 22. 5. 1975 – 2 BvL 13/73 -, juris, Rdn. 42 ff.) erfordert die politische Treuepflicht des Beamten die Pflicht zur Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlich demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren. Ein Verstoß gegen diese Dienstpflicht folgt nicht schon aus der „mangelnden Gewähr“ des Beamten dafür, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten werde, sondern in der nachgewiesenen Verletzung jener Amtspflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. Diese Treuepflicht gilt für jedes Beamtenverhältnis. Dabei ist zu beachten, dass sich der umschriebene Inhalt der Treuepflicht des Beamten nicht völlig mit dem Inhalt der disziplinarrechtlich zu ahndenden Treuepflichtverletzung des Beamten deckt, weil zum letztgenannten Tatbestand ein Minimum an Gewicht und an Evidenz der Pflichtverletzung gehört. Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, ist daher niemals eine Verletzung der Treuepflicht, die dem Beamten auferlegt ist; dieser Tatbestand ist erst überschritten, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht.
53Bei Zugrundelegung dieser Kriterien bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte eine verfassungsfeindliche Haltung hat und den Staat ablehnt.
54Er war und ist nicht Mitglied einer rechtsextremen Partei oder Organisation. Es ist keine einzige Äußerung bekannt, die Anlass zu Zweifeln an seiner Verfassungstreue gibt. Der Beklagte hat sich vielmehr nach Bekanntwerden der Vorwürfe sowohl gegenüber der Presse als auch gegenüber seinem Dienstherrn und dem Gericht ausdrücklich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekannt und Wert auf die Feststellung gelegt, kein Rechtsextremer zu sein. Bereits unmittelbar nach der Demonstration vom 30. April 2010 hat der Beklagte gegenüber der Presse betont, dass seine Teilnahme an der Demonstration „ein Fehler“ und „instinktlos“ war und er „kein rechtes Gedankengut in sich trägt“. Auch in der mündlichen Verhandlung hat er seine Teilnahme wie bereits zuvor als eine „Dummheit“ bezeichnet. Allein die Teilnahme an Veranstaltungen rechtsextremistischer Gruppierungen und die – anzunehmende – damalige Sympathie des Beklagten für rechtsextreme Positionen begründen keine durchgreifenden Zweifel an der Verfassungstreue des Beklagten. In dem Zusammenhang ist zu beachten, dass er in der Vergangenheit auch wiederholt Veranstaltungen anderer Parteien besucht hat. So war er am Abend des 30. Aprils 2010 auf der JUSO-Veranstaltung „Rock in den Ruinen“. Im Jahre 2009 war er auf einer Großveranstaltung der Partei „Die Linken“ und hörte dort einer Rede von Gregor Gysi zu. Am Abend des 5. Septembers 2009 besuchte der Beklagte auf dem Friedensplatz die Veranstaltung „Dortmund gegen Rechts“. Die von dem Beklagten angeführte Motivation für die Teilnahme an den drei Veranstaltungen (Wahrnehmung der Rechte auf Informations-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit) hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt. Auch hat der Beklagte nach Bekanntwerden der Vorwürfe offenbar keine rechtsextremistischen Veranstaltungen mehr besucht. Die Mitteilung des Innenministeriums NRW, der Beklagte habe „Bezüge“ zur Neonazi-Szene in Dortmund, ist schon deswegen nicht geeignet, als Indiz für mangelnde Verfassungstreue des Beklagten gewertet zu werden, weil sie jegliche Konkretisierung vermissen lässt.
55b)
56Durch die Teilnahme an den zwei Demonstrationen und die beabsichtigte Teilnahme an der Demonstration in Dresden könnte der Beklagte gegen das Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot (vgl. § 33 Abs. 2 BeamtStG) verstoßen haben, wonach Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren haben, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.
57Hinsichtlich der Veranstaltung am 13. Februar 2010 in Dresden ist ein Verstoß gegen das Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot schon deshalb zu verneinen, weil der Beklagte in Dresden an keiner Veranstaltung teilgenommen hat, die geplante Veranstaltung konnte aufgrund der Gegendemonstrationen nicht durchgeführt werden. Dass allein die Anreise nach Dresden dienstrechtlich relevant ist, ist nicht ersichtlich, zumal der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, die Gruppe, mit der er angereist sei, sei „völlig friedlich“ gewesen.
58Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 17. 5. 2001 – 1 DB 15.01 -, juris, Rdn. 36) dürfte hingegen die Teilnahme des Beklagten an den Veranstaltungen vom 5. September 2009 und 30. April 2010 in Dortmund gegen § 33 Abs. 2 BeamtStG verstoßen und damit ein Dienstvergehen vorgelegen haben.
59Ein Beamter ist nach dieser Rechtsprechung im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft gehalten zu vermeiden, dass er durch sein öffentliches außerdienstliches Verhalten in vorhersehbarer und ihm daher zurechenbarer Weise den Anschein setzt, sich mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren oder auch nur mit ihm zu sympathisieren. Denn im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns ist er verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Vereinigungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts eine disziplinarrechtlich bedeutsame Dienstpflichtverletzung dar. Dies ist ausnahmsweise auch dann möglich, wenn das den "bösen Schein" begründende (außerdienstliche) Verhalten (in besonderer Weise) geeignet ist, die Akzeptanz oder Legitimation staatlichen Handelns (in bedeutsamer Weise) zu beeinträchtigen. Pflichtwidrig handelt also auch der, der zwar kein Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, durch konkretes Handeln aber diesen Rechtsschein hervorruft.
60So liegt der Fall hier. Schon die zahlreichen Presseberichte und Kommentare zeigen, dass der Beklagte durch seine Teilnahme an den Veranstaltungen, insbesondere am 30. April 2010, den Anschein erweckte, nicht verfassungstreu zu sein. Für den Beklagten lag auch auf der Hand, dass seine Teilnahme diesen Anschein hervorrufen musste. Denn er hat in keiner Weise dafür Sorge getragen, dass der Anschein nicht entstehen konnte. Im Gegenteil hat er am 5. September 2009 den in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck über seine politischen Überzeugungen dadurch verstärkt, dass er sichtbar in der ersten Reihe stand und sich (zumindest) am Banner mit der Aufschrift „Stoppt die One-World-Fetischisten“ aufhielt.
61Aus Sicht der Kammer ist es jedoch zumindest zweifelhaft, ob der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Punkt gefolgt werden kann.
62Sowohl das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 22. Mai 1975 (BVerfG, a.a.O.) als auch (noch deutlicher) der EGMR (Urteil vom 26. September 1993, 7/1994/454/535) haben betont, dass auch für (deutsche) Beamte die Meinungs- und Versammlungsfreiheit prinzipiell gilt. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der Staat kein Interesse an einer unkritischen Beamtenschaft haben.
63Vor diesem Hintergrund sind bei der Auslegung des Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebotes auch die Grundrechte des Beklagten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen und abzuwägen. Denn insbesondere außerdienstlich kann sich jeder Beamte auf die grundgesetzlich verbürgten Rechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit berufen. Eine Einschränkung dieser für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierenden Rechte bedarf grundsätzlich einer Rechtfertigung durch hinreichend gewichtige Belange oder schutzwürdige Rechte und Interessen Dritter. Somit könnten diese Grundrechte, auf die sich der Beklagte auch beruft, Vorrang haben, weil die Klägerin nicht geltend macht, dass er bei den Veranstaltungen die sich aus der Meinungs- und Versammlungsfreiheit ergebenden Grenzen überschritten hat. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Insbesondere die Teilnahme des Beklagten an Ausschreitungen ist nicht aktenkundig. Auch das Banner mit der Aufschrift „Stoppt die One-World-Fetischisten“ enthält keine von der Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht umfasste Mitteilung der Überzeugung kundgegeben.
64Ob der Beklagte mit der Teilnahme an den Demonstrationen in Dortmund gegen das Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot verstoßen hat, kann jedoch im Ergebnis letztlich offen bleiben, da aus unten noch darzulegenden Gründen eine Disziplinarmaßnahme nicht mehr angezeigt ist.
652.
66Soweit die Auswertung der elektronischen Bürokommunikation ergeben hat, dass der Beklagte sich intensiv mit politischen und insbesondere rechtsextremistischen Thematiken beschäftigt hat, ist die bloße Beschäftigung mit solchen Themen zunächst grundsätzlich disziplinarrechtlich nicht relevant. Die disziplinarrechtliche Relevanz hätte allenfalls darin liegen können, dass dies während der Dienstzeit und unter Verwendung des dienstlich zur Verfügung gestellten Eigentums der Klägerin geschah. Ob bzw. insbesondere inwieweit dies der Fall war, hat das Gericht aus den unter I. dargelegten Gründen nicht feststellen können, so dass auch insoweit keine Dienstpflichtverletzung festzustellen war. Aus dem Grunde kann auch dahinstehen, ob die Klägerin berechtigt war, ohne Einwilligung des Beklagten und richterliche Genehmigung die elektronische Bürokommunikation des Beklagten auszuwerten.
673.
68Das Zeichnen der Karikaturen ist erkennbar ohne jegliche disziplinarrechtliche Relevanz, so dass das Beharren der Klägerin auf diesen Vorwurf trotz ausdrücklichen Hinweises des Gerichts in der mündlichen Verhandlung unverständlich ist. Die Verwendung der Karikaturen hat nach den Feststellungen unter I. der Beklagte nicht zu vertreten. Der Beklagte kann sich zudem auf die Meinungs- und Kunstfreiheit berufen, deren verfassungsrechtlichen Grenzen er ersichtlich nicht überschritten hat. Nur der Vollständigkeit halber weist die Kammer darauf hin, dass die Durchsuchung des Dienstzimmers des Beklagten und die Beschlagnahme der Karikaturen ohne Einverständnis des Beklagten und ohne richterliche Anordnung evident rechtswidrig waren und dies ein Verwertungsverbot begründet.
694.
70Die Abänderung des Plakates hat der Beklagte ausdrücklich schon bei Aufhängung als nachträglichen Aprilscherz gekennzeichnet. Dem Textzusatz kann nicht entnommen werden, dass der Beklagte den Angriff von 2009 gutheißt oder gar zur Gewalt aufruft. Aus dem Textzusatz kann überhaupt nicht auf eine politische Gesinnung in welcher Form auch immer geschlossen werden. Es handelt sich lediglich um einen missglückten und angesichts der enormen Brutalität des damaligen Angriffes geschmacklosen Witz. Dies mag ‑ auch förmlich ‑ missbilligt werden, stellt aber mangels Erheblichkeit noch keine disziplinarrechtlich relevante Dienstpflichtverletzung dar.
715.
72Schließlich ist auch das vom Beklagten mit der Presse geführte Gespräch ohne disziplinarrechtliche Relevanz, insbesondere liegt kein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht vor. Bereits aus dem Schreiben vom 00.00.0000selbst ergibt sich, dass sich diese Weisung nur auf seinen Aufgabenbereich bezog, keinesfalls entfaltet sie für das vorliegende Disziplinarverfahren Wirkung. Dem Beklagten als Beteiligten des Rechtsstreits mit der Klägerin ist es insoweit unbenommen, den Medien Auskunft zu erteilen. Nichts anderes ergibt sich aus der Einleitungsverfügung vom 00.00.0000. In dem Zusammenhang kann auch nicht unbeachtet bleiben, dass die Klägerin selbst mehrere Presseerklärungen zum laufenden Disziplinarverfahren abgegeben hat und sogar – was nicht nur wegen der Tilgungsreife unzulässig war – ein früheres Disziplinarverfahren der Presse mitgeteilt hat. Schon allein aus dem Grunde steht dem Beklagten das Recht zu, seinerseits der Presse seine Sicht der Dinge darzustellen.
73III.
74Eine Disziplinarmaßnahme kommt hier nur in Betracht, sofern man der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht folgt und deswegen in der Teilnahme des Beklagten an den Veranstaltungen am 5. September 2009 und 30. April 2010 in Dortmund ein Dienstvergehen sieht.
75Ausgangspunkt für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des nachgewiesenen Dienstvergehens. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in den Beamten beeinträchtigt worden ist (§ 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW). Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 33 Abs. 1 Nr. 2 LDG NRW ist keine Disziplinarmaßnahme zu verhängen, wenn die Gesamtwürdigung ergibt, dass eine Disziplinarmaßnahme nicht mehr angezeigt erscheint. Dies ist hier der Fall.
76Zu Gunsten des Beklagten ist entscheidend zu berücksichtigen, dass er lediglich zweimal an Veranstaltungen teilgenommen hat und diese Veranstaltungen bereits mehr als bzw. nahezu drei Jahre zurückliegen. Die Teilnahme des Beklagten an der Veranstaltung am 5. September 2009 ist dem Dienstherrn und der Öffentlichkeit erst im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Veranstaltung am 30. April 2010 bekannt geworden. Der Beklagte hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe seine Teilnahme auch in der Öffentlichkeit als Dummheit bezeichnet, sich also davon distanziert. Gleichzeitig hat er seine Verfassungstreue öffentlich bekundet, an seiner Verfassungstreue bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Nach dem 30. April 2010 hat der Beklagte nicht an vergleichbaren Veranstaltungen teilgenommen, sondern vielmehr sämtliche Kontakte zur rechtsextremistischen Szene abgebrochen. Mitglied einer rechtsextremen Partei oder Organisation war und ist er ohnehin nicht. Zudem ist der Beklagte straf- und disziplinarrechtlich unbelastet. Ferner hat der Beklagte seine dienstlichen Aufgaben immer unbeanstandet, (sehr) erfolgreich und mit hohem persönlichem Engagement erfüllt.
77Angesichts der zahlreichen zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigenden Umstände wären hier – bei Unterstellung eines Dienstvergehens - eine Entfernung aus dem Dienst, eine Zurückstufung und eine Gehaltskürzung von vornherein nicht in Betracht gekommen. Denkbar wären allenfalls eine moderate Geldbuße oder ein Verweis gewesen. Auch diese Maßnahmen sind aber aus dem Rechtsgedanken des § 33 Abs. 1 Nr. 2 LDG NRW nicht (mehr) angezeigt, da der Beklagte keiner Pflichtenmahnung mehr bedarf.
78Die Vorfälle liegen nicht nur zeitlich weit zurück. Entscheidend ist, dass der Beklagte über einen Zeitraum von nahezu drei Jahren einem Disziplinarverfahren ausgesetzt gewesen ist. Er musste zumindest bis zum Beschluss der Kammer vom 11. September 2012 damit rechnen, gemäß dem Antrag der Klägerin aus dem Dienst entfernt zu werden, was allein schon eine erhebliche psychische Belastung darstellt. Bis zu dem Zeitpunkt waren seine Dienstbezüge auch gekürzt und der Beklagte vom Dienst suspendiert. Erheblich erschwerend kam für den Beklagten hinzu, dass er starkem öffentlichen Druck standhalten musste, in den Medien ist er teilweise drastisch als Person und Beamter in Frage gestellt worden. Hierzu hat die Klägerin beigetragen, weil sie Auskünfte über das laufende Disziplinarverfahren und sogar Informationen über ein früheres Disziplinarverfahren erteilt hat. Bis heute hat die Klägerin den Anspruch des Beklagten auf amtsangemessene Beschäftigung aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht erfüllt.
79All dies hat den Beklagten bereits massiv und in sanktionsähnlicher Weise getroffen, so dass es - auch bei Unterstellung eines Dienstvergehens - keiner Pflichtenmahnung durch eine Disziplinarmaßnahme mehr bedarf.
80IV.
81Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 LDG i. V. m. § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11 ZPO.