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Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides vom 26. März 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2009 verpflichtet, dem Kläger ab dem 00.00.0000 den Familienzuschlag gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG der Stufe 1 zu zahlen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Der 0000 geborene Kläger steht als Beamter im Dienst des beklagten Landes und wird nach der Besoldungsgruppe A 12 besoldet. Seit dem 00.00.0000 ist er mit Herrn B. U. verpartnert. Mit Schreiben vom 8. März 2009 beantragte der Kläger rückwirkend ab 00.0000 den Familienzuschlag der Stufe 1. Mit weiterem Schreiben vom 23. März 2009 teilte er dem LBV mit, dass das Einkommen seines Mannes über der Grenze des § 40 Abs. 1 Nr. 4 Bundesbesoldungsgesetz - BBesG - liege. Er sei allerdings der Meinung, dass ihm aufgrund der Richtlinie 2000/78/EG und des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG - derselbe Familienzuschlag zustehe, wie einem kinderlos verheirateten Beamten. Durch Bescheid vom 26. März 2009 lehnte das LBV den vorgenannten Antrag mit der Begründung ab, bei der Zahlung des Familienzuschlags gemäß § 40 BBesG sei die Berücksichtigung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht vorgesehen.
3Zur Begründung seines hiergegen gerichteten Widerspruchs führte der Kläger vertiefend aus, dass ihm aufgrund der Richtlinie 2000/78/EG der Familienzuschlag zustehe. Der EuGH habe in der Vorlegungssache U1. N. gegen die Versorgungsanstalt der E. C1. durch Urteil vom 1.4.2008 entschieden, dass die unterschiedliche Behandlung von Lebenspartnern und Ehegatten beim Arbeitsentgelt eine durch die Richtlinie 2000/78/EG verbotene unmittelbare Benachteiligung wegen der sexuellen Ausrichtung darstelle, wenn sich der Lebenspartner und der Ehegatte hinsichtlich des streitigen Entgelts in einer vergleichbaren Lage befänden. Unter dem Begriff Arbeitsentgelt falle nach der Rechtsprechung des EuGH auch der Familienzuschlag der Stufe 1. Da dieser an die Unterhaltspflicht anknüpfe und die gegenseitigen Unterhaltsverpflichtungen von Lebenspartnern völlig mit denen von Ehegatten überstimmten, befänden sich verpartnerte Beschäftigte hinsichtlich des Familienzuschlags in einer Lage, die mit der ihrer verheirateten Kollegen vergleichbar sei. Der Zweck "Förderung der Ehe" könne die Benachteiligung verpartnerter Beamter beim Familienzuschlag der Stufe 1 nicht rechtfertigen.
4Durch Widerspruchsbescheid vom 29. April 2009 wies das LBV den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Gesetzgeber habe die sich durch die Schaffung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - AGG - stellende Frage bezüglich des Familienzuschlags der Stufe 1 bei eingetragener Lebenspartnerschaft durchaus erkannt. Er habe aber bewusst von der Schaffung einer gesetzlichen Anspruchsberechtigung im Bundesbesoldungsgesetz abgesehen. Auch aus dem AGG selbst sei eine Anspruchsberechtigung weder direkt noch durch entsprechende Auslegung möglich. Das Bundesverfassungsgericht habe eine Beschwerde zu der Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, den Beamten, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft geschlossen hätten, den Familienzuschlag der Stufe 1, den verheiratete Beamte erhielten, nicht oder nur unter weitergehenden Voraussetzungen zu gewähren, nicht zur Entscheidung angenommen. Nach Auffassung der Richter sei § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar. Die Entscheidung des EuGH führe zu keiner anderen Bewertung, da sich das Bundesverfassungsgericht in Kenntnis dieser Entscheidung nicht veranlasst gesehen habe, in der Sache eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.
5Der Kläger hat rechtzeitig Klage erhoben und vertiefend unter Anführung entsprechender Rechtsprechung ausgeführt, dass sich verpartnerte Beamte hinsichtlich des Familienzuschlags der Stufe 1 in einer Situation befänden, die mit der Situation ihrer verheirateten Kollegen vergleichbar sei. Er habe daher aufgrund der Richtlinien 2000/78/EG ab dem 00.00.0000 Anspruch auf den Familienzuschlag der Stufe 1. Bisher habe die Mehrheit der deutschen Gerichte die Auffassung vertreten, dass das Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft mit dem Rechtsinstitut der Ehe nicht vergleichbar sei. Der Gesetzgeber dürfe die Ehe fördern, weil Ehen typischerweise zur Gründung einer Familie führten, Lebenspartnerschaften hingegen typischerweise nicht. Diese Begründung habe der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 07.07.2009 zurückgewiesen. Nach seiner Auffassung reiche die abstrakte Vermutung, dass Ehen typischerweise zur Gründung einer Familie führten, nicht aus, um zahlreichen kinderlosen Ehen eine Vergünstigung zukommen zu lassen, die kinderlosen Lebenspartnern verwehrt werde. Wenn der Gesetzgeber für die Zahlung von Kindern einen Vorteil gewähren wolle, müsse er diesen an die tatsächliche Zeugung eines Kindes anknüpfen. Die gegensätzlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hätten eine unterschiedliche Bindungswirkung. Die Beschlüsse der Ersten Kammer des Zweiten Senats seien Nichtannahmebeschlüsse. Solche Beschlüsse seien nicht bindend. Dies sei auch der Grund, warum der Erste Senat ohne Anrufung des Plenums des Bundesverfassungsgerichts anders habe entscheiden können. Bei dem Beschluss des Ersten Senats handele es sich dagegen um eine Entscheidung des Plenums. Sie sei deshalb gemäß § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG - für die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden bindend. Das gelte auch für die tragenden Gründe des Beschlusses. Dazu gehörten alle Gründe, die nicht hinweggedacht werden könnten, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis sich verändere. Danach komme es nur noch darauf an, ob es zwischen verpartnerten und verheirateten Beamten hinsichtlich des Familienzuschlags der Stufe 1 erhebliche Unterschiede gebe. Dies sei nicht der Fall. Da die Richtlinie 2000/78/EG nicht bis zum 02.12.2003 in nationales Recht umgesetzt worden sei, könne er sich unmittelbar auf die Richtlinie berufen.
6Der Kläger beantragt,
7das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 26. März 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2009 zu verpflichten, ihm ab dem 00.00.0000 den Familienzuschlag gem. § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG der Stufe 1 zu zahlen.
8Das beklagte Land beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung wird ergänzend ausgeführt, der Familienzuschlag der Stufe 1 gehöre, da er ein Bestandteil der Beamtenbesoldung sei, nicht zum Arbeitsentgelt im Sinne der EG-Richtlinie. Im Übrigen lasse die Richtlinie 2000/78/EG nach Nr. 22 der Begründungserwägungen einzelstaatliche Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt. Die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes begründeten gleichfalls keinen Anspruch auf die Zahlung des Familienzuschlags. Dies folge bereits daraus, dass dieses Gesetz insoweit lediglich die vorstehend erörterte EU-Richtlinie in das Deutsche Recht umsetze, ohne hinsichtlich des Schutzes von Lebenspartnern im Hinblick auf die hier streitbefangene Frage darüber hinauszugehen.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des LBV vom 26. März 2009 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 29. April 2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, denn er hat Anspruch auf den von ihm beantragten Familienzuschlag der Stufe 1 (§ 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
14Zwar enthält das Bundesbesoldungsgesetz für den geltend gemachten Anspruch keine Rechtsgrundlage. Nach § 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBesG wird der Familienzuschlag nach der Anlage V zu diesem Gesetz gewährt; seine Höhe richtet sich nach der Besoldungsgruppe und der Stufe, die den Familienverhältnissen des Beamten, Richters oder Soldaten entspricht. Nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG gehören zur Stufe 1 verheiratete Beamte, Richter und Soldaten. Hierzu gehört der Kläger nicht, da er nicht verheiratet ist, sondern in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt. Auch eine analoge Anwendung des § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG kommt nicht in Betracht, weil keine planwidrige Gesetzeslücke anzunehmen ist. Dies ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren zum Lebenspartnerschaftsgesetz in seiner ursprünglichen Fassung vom 16. Februar 2001 (BGBl I S. 266), wobei die ursprünglich vorgesehene Vorschrift, wonach Bestimmungen des Bundesbesoldungsgesetzes, die sich auf das Bestehen einer Ehe beziehen, auf das Bestehen einer Lebenspartnerschaft sinngemäß anzuwenden sind, nicht gesetzt wurde. Auch im Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 15. Dezember 2004 (BGBl I S. 3396) ist eine Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe nicht erfolgt. Der nordrhein-westfälische Gesetzesgeber hat sich zudem bewusst gegen eine Gleichstellung von verpartnerten Beamten mit verheirateten Beamten bezüglich der Besoldung und Versorgung ausgesprochen. Ein entsprechender Antrag der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 17. Oktober 2006 (LTDrucks 14/2724) wurde vom Landtag abgelehnt. Zur Begründung hat Minister Uhlenberg unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seinerzeit ausgeführt, eine Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften mit dem Tatbestand der Ehe sei rechtlich und verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten (vgl. Plenarprotokoll 14/55 vom 08. März 2007, S. 6199).
15Vgl. hierzu auch: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 26. Januar 2006 - 2 C 43/04 -, NJW 2006, 1828 sowie BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 2 C 33/06 -, NJW 2008, 868.
16Der Kläger hat jedoch, wie beantragt, einen Anspruch auf Familienzuschlag aus Art. 1 i. V. m. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000. Hierzu hat das VG Minden in seinem Urteil vom 22. Februar 2010 - 4 K 2026/08 - wie folgt ausführlich begründet:
17"Zweck der Richtlinie 2000/78/EG ist nach ihrem Artikel 1 die "Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion und der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten." Gemäß Artikel 2 Abs. 1 der Richtlinie darf es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben; nach Absatz 2 a) der Vorschrift liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe ein einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Diskriminierung ist nach Artikel 2 Abs. 2 b) der Richtlinie gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen u.a. mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Keine mittelbare Diskriminierung liegt jedoch vor, wenn diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind. Schließlich gilt die Richtlinie 2000/78/EG gemäß Artikel 3 Abs. 1 c) für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts, also auch für die den Beamten in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Dienstverhältnisses gewährten Vergütungen,
18vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - BVerwG 2 C 128.07 -, ZBR 2008, 320, und Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 06. Dezember 2007 - C- 300/06 -, NJW 2008, 499 = DÖD 2008, 92 = ZBR 2008, 160; jeweils auch in juris.
19Dies zugrunde gelegt stellt die durch Nichtgewährung von Familienzuschlag der Stufe 1 nach §§ 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG an Beamte, die wie der Kläger in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, eine unmittelbare Diskriminierung i.S.d. Artikel 2 Abs. 2 a) der Richtlinie 2000/78/EG dar.
20Der Familienzuschlag der Stufe 1 ist als familienbezogener Anteil der Alimentation der Beamten ein Arbeitsentgelt im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 c) der Richtlinie 2000/78/EG. Er ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BBesG Teil der C. des Beamten und besitzt eine soziale, nämlich familienbezogene Ausgleichsfunktion, indem er der Förderung der Familie, dem familiären Leistungsausgleich und der Unabhängigkeit des verheirateten Bediensteten im Interesse des Staates dient.
21Vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz Kommentar (Stand: Januar 2010), Band 3, § 40 BBesG Rn. 1 und 2.
22Dass der Familienzuschlag als Arbeitsentgelt zu qualifizieren ist, ergibt sich auch aus Artikel 141 Abs. 2 Satz 1 des EG-Vertrages (EG). Entgelt sind danach die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.
23Ebenso Verwaltungsgericht Stuttgart (VG Stuttgart), Urteil vom 05. Februar 2009 - 4 K 1604708 -, juris.
24Da die damit einschlägige Richtlinie 2000/78/EG des Rates nicht bis zum 02. Dezember 2003 (vgl. deren Artikel 18) umgesetzt worden ist, kann sich ein einzelner Betroffener seitdem unmittelbar auf deren Artikel 1 und 2 berufen, der eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung u. a. wegen der sexuellen Ausrichtung verbietet. Infolge der Verletzung dieses Diskriminierungsverbots kann der Kläger die gleiche Behandlung wie die Vergleichsgruppe verlangen, ebenso wie es bei Artikel 141 EG hinsichtlich des gemeinschaftsrechtlichen Gebots der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen der Fall ist.
25Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 29. September 2008 - 6 A 2261/05 -, juris; VG Stuttgart, Urteil vom 05. Februar 2009, a.a.O.; Streinz, EUV/EGV, Art. 141 EGV Rn. 7 m.w.N.
26Der Kläger wird wegen eines in Artikel 1 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Grundes, nämlich seiner durch die Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft dokumentierten sexuellen Ausrichtung, i.S.d. Artikels 2 Abs. 1 und 2 a) der Richtlinie diskriminiert, da er im Rahmen seines Dienstverhältnisses und damit in einer vergleichbaren Situation wie verheiratete Beamte eine weniger günstige Behandlung als jene erfährt, indem er geringer als verheiratete Beamte besoldet wird.
27Eine "vergleichbare Situation" verheirateter und in eingetragener Lebenspartnerschaft lebender Beamter liegt vor.
28Das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG) ermöglicht es Personen gleichen Geschlechts, in einer formal auf Lebenszeit begründeten Fürsorge- und Einstandsgemeinschaft zu leben. Die Möglichkeit einer Eheschließung besteht für Personen gleichen Geschlechts damit nicht; es wurde vielmehr ein aliud, ein anderes familienrechtliches Institut geschaffen. Die Bedingungen der Lebenspartnerschaft wurden denen der Ehe angeglichen, sind aber nicht identisch.
29Bei der Prüfung, ob sich ein verpartnerter Beamter in einer "vergleichbaren Situation" i.S.d. Artikel 2 Abs. 2 a) der Richtlinie 2000/78/EG wie ein verheirateter Beamter befindet, ist nur darauf abzustellen, ob sich Lebenspartner und Ehegatten konkret im Hinblick auf die fragliche Leistung, hier also in Bezug auf den Familienzuschlag, in einer vergleichbaren Situation befinden,
30vgl. EuGH, Urteil vom 01. April 2008 - N. - C-267/06 -, ZBR 2008, 375, Rn. 72 der Entscheidung, auch in juris; Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (OVG SH), Urteil vom 22. Juli 2008 - 3 LB 13/06 -, juris; im Ergebnis ebenso Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 07. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 -, juris Rn. 100, 106 ff.
31Dies ist der Fall.
32Der Familienzuschlag nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG knüpft an das bloße Bestehen der Ehe und die daraus resultierende gegenseitige Unterhaltspflicht der Ehegatten an. Er ist, wie bereits ausgeführt, ein Besoldungsbestandteil, dem eine soziale, nämlich familienbezogene Ausgleichsfunktion zukommt. Der Familienzuschlag der Stufe 1 soll einen pauschalen Beitrag zur Deckung des Mehrbedarfs leisten, der bei verheirateten Beamten aufgrund des gemeinsamen Hausstandes mit dem Ehegatten anfällt, während der kinderbezogene Teil des Familienzuschlags (Stufe 2) dazu bestimmt ist, den von Kindern verursachten Mehrbedarf zu decken. Dementsprechend haben geschiedene Beamte nur dann Anspruch auf Familienzuschlag, wenn sie aus der Ehe - weiter - zum Unterhalt verpflichtet sind (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG). Auf das Bestehen eines konkreten Unterhaltsbedarfs beim Ehegatten kommt es bei der Gewährung des Familienzuschlag nicht an. Hinsichtlich dieses pauschal unterstellten Mehraufwandes und hinsichtlich der Förderung der Unabhängigkeit des Beamten, die mit dem ehegattenbezogenen Anteil nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG erreicht werden soll, befinden sich Lebenspartner, die gemäß § 5 LPartG einander in gleicher Weise unterhaltspflichtig sind wie Ehepartner, in einer vergleichbaren Situation wie Eheleute.
33Vgl. OVG SH, Urteil vom 22. Juli 2008, a.a.O.; VG Stuttgart, Urteil vom 05. Februar 2009, a.a.O.
34Eine vergleichbare Situation von Ehegatten und Lebenspartnern lässt sich auch nicht im Hinblick darauf verneinen, dass § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG "in Anknüpfung an die verfassungsrechtliche Wertung in Art. 6 Abs. 1 GG (...) den in der Lebenswirklichkeit anzutreffenden typischen Befund <berücksichtigt>, dass in der Ehe ein Ehegatte namentlich wegen der Aufgabe der Kindererziehung und hierdurch bedingter Einschränkungen bei der eigenen Erwerbstätigkeit tatsächlich Unterhalt vom Ehegatten erhält und so ein erweiterter Alimentationsbedarf entsteht", während der Gesetzgeber bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft "in der Lebenswirklichkeit keinen typischerweise bestehenden Unterhaltsbedarf gesehen <hat>, der eine rechtliche Gleichstellung nahe legen könnte."
35So noch BVerfG, Beschluss vom 06. Mai 2008 - 2 BvR 1830/06 -, NJW 2008, 2315 = ZBR 2008, 379, auch in juris.
36Diese Differenzierung ist schon deshalb nicht tragfähig, weil der Familienzuschlag der Stufe 1, wie bereits dargelegt, an einen pauschal unterstellten Mehraufwand bei Führung eines gemeinsamen Hausstandes und die gegenseitige Unterhaltspflicht der Ehepartner anknüpft und - im Unterschied zu dem an die Existenz von Kindern geknüpften Familienzuschlag der Stufe 2 - gerade keinen konkreten Bedarf voraussetzt. Die Kammer teilt insoweit die Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart, dass der Familienzuschlag nur wegen der bestehenden, auf Dauer angelegten Partnerschaft - die aber bei Lebenspartnern in der gleichen Erwartung der Dauerhaftigkeit wie bei Ehegatten eingegangen wird - gewährt wird und nichts mit der Erwartung zu tun hat, dass aus der Ehe einmal Kinder hervorgehen oder adoptiert werden. "Das Bild einer Ehe, die automatisch und im Regelfall auf Kinder angelegt ist, ist mit den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen in dieser Pauschalität nicht mehr vereinbar."
37Vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 05. Februar 2009, a.a.O., juris Rn. 23.
38Auch das Bundesverfassungsgericht hat inzwischen klargestellt, dass die "Rechtfertigung der Privilegierung der Ehe, und zwar auch der kinderlosen Ehe (...), insbesondere wenn man sie getrennt vom Schutz der Familie betrachtet, in der auf Dauer übernommenen, auch rechtlich verbindlichen Verantwortung für den Partner" liegt, und weiter ausgeführt: "In diesem Punkt unterscheiden sich eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe aber nicht. Beide sind auf Dauer angelegt und begründen eine gegenseitige Einstandspflicht."
39Vgl. BVerfG, Beschluss vom 07. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 -, juris Rn. 102.
40Des Weiteren ist auch eine verfassungsrechtlich zulässige und geforderte Förderung von Eltern nicht auf verheiratete Eltern beschränkt, sodass auch dies eine Privilegierung der Ehe gegenüber der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht rechtfertigen kann.
41Vgl. erneut BVerfG, Beschluss vom 07. Juli 2009, a.a.O. juris Rn. 103.
42Der Kläger befindet sich nach allem im Hinblick auf den fraglichen Familienzuschlag der Stufe 1 in einer mit Ehegatten vergleichbaren Situation.
43Indem ihm ungeachtet dessen Familienzuschlag vorenthalten wird, wird er wegen seiner sexuellen Ausrichtung diskriminiert.
44Die Nichtgewährung des Familienzuschlags beruht nicht - nur - darauf, dass sich der Kläger als eingetragener Lebenspartner in einem anderen Familienstand als ein verheirateter Beamter befindet; insoweit hindert der Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2000/78/EG, nach der einzelstaatliche Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt bleiben, deren Anwendung nicht.
45So aber noch BVerwG, Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 2 C 33.06 -, a.a.O.
46Der Familienzuschlag der Stufe 1 wird nämlich nicht allein aufgrund des Familienstandes des Beamten gewährt, sondern, wie bereits dargelegt, um der mit der Ehe übernommenen Unterhaltspflicht und den zur Führung eines gemeinsamen Hausstandes erforderlichen Mehraufwendungen Rechnung zu tragen.
47Vgl. erneut VG Stuttgart, Urteil vom 05. Februar 2009, a.a.O., juris Rn. 24.
48Dementsprechend hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass Vorschriften zur Hinterbliebenenversorgung, die zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft unterscheiden, einen Lebenspartner aufgrund seiner sexuellen Orientierung diskriminieren.
49Vgl. EuGH, Urteil vom 01. April 2008 - N. - C-267/05 -, ZBR 2008, 375.
50Das Bundesverfassungsgericht hat sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in seiner Entscheidung vom 07. Juli 2009 angeschlossen und ausgeführt:
51"Die Sichtweise (...), dass der das Differenzierungskriterium bildende Familienstand den Betroffenen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung zugänglich sei, ist zu formal und wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Es ist zwar rechtlich zulässig, dass heterosexuell orientierte Menschen gleichen Geschlechts eine eingetragene Lebenspartnerschaft schließen und homosexuell orientierte Menschen unterschiedlichen Geschlechts heiraten. Dass der Gesetzgeber wegen der Achtung der Intimsphäre der Beteiligten darauf verzichtet hat, eine Geschlechtsgemeinschaft zur Voraussetzung zu machen und die jeweilige sexuelle Orientierung vor Eingehen einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft zu überprüfen, ändert jedoch nichts daran, dass das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft sich nach der Intention des Gesetzgebers an gleichgeschlechtlich orientierte Menschen richtet und in der Lebenswirklichkeit von diesen auch zur Begründung einer rechtlich abgesicherten dauerhaften Paarbeziehung genutzt wird.
52Diese Zielrichtung des Lebenspartnerschaftsgesetzes ergibt sich schon aus seiner Benennung in der Langform (Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften). (...) Der Gesetzgeber wollte homosexuellen Personen erstmals Rechte zuerkennen, die ihnen zu einer besseren Entfaltung ihrer Persönlichkeit verhelfen und die zum Abbau langdauernder Diskriminierungen führen sollten (vgl. BVerfGE 104, 51 <60>; 105, 313 <314>). Die Begründung des Gesetzentwurfs führt zudem aus, dass im Anschluss an eine entsprechende Aufforderung des Europäischen Parlaments angestrebt wird, die ungleiche Behandlung von Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung zu vermeiden, und dass dieses Anliegen mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz "hinsichtlich gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften umgesetzt" werden soll (vgl. BTDrucks 14/3751, S. 33). Nicht nur die Ehe, sondern auch die eingetragene Lebenspartnerschaft ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers also typischerweise eine auch sexuelle Gemeinschaft. (...)
53Von Bestimmungen, die die Rechte eingetragener Lebenspartner regeln, werden daher typischerweise homosexuelle Menschen erfasst, und von solchen, die die Rechte von Ehegatten regeln, heterosexuelle Menschen. Werden Ehe und Lebenspartnerschaft hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung unterschiedlich behandelt, findet mithin eine Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung statt (vgl. zur Benachteiligung wegen der sexuellen Ausrichtung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a der Rahmenrichtlinie bzw. § 1 AGG: EuGH, Urteil vom 1. April 2008 - N. - C-267/06 - ABl. EU 2008, Nr. C 128, 6; BAG, Urteil vom 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07 -, NZA 2009, S. 489 <492>)."
54Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 07. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 -, juris Rn. 89.ff.
55Dass sich diese Entscheidung nicht auf einen Beamten, sondern auf einen Arbeitnehmer bezogen hat, ändert an ihrer Relevanz auch für das vorliegende Verfahren ebenso wenig wie die Tatsache, dass es dort um die Gewährung von (Hinterbliebenen-)W. ging.
56Da der Familienzuschlag den Mehraufwand wegen einer lebenslangen Partnerschaft und die damit einhergehende gesetzliche Unterhaltspflicht ausgleichen soll, ist Grund für die Diskriminierung also nicht der Familienstand des Beamten, sondern seine sexuelle Ausrichtung.
57So ausdrücklich auch OVG SH, Urteil vom 22. Juli 2008, a.a.O.; Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 05. Februar 2009, a.a.O. Rn. 21 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH; a.A. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2006, a.a.O., VGH BW, Urteil vom 13. Oktober 2004, a.a.O., und Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 20.Juni 2007 - 1 K 1222/07 -, a.a.O.
58Dementsprechend hat auch das Bundesverwaltungsgericht inzwischen die Revision in einem gleichgelagerten Verfahren zugelassen, um "zur Klärung der Frage beizutragen, ob § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG mit der Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung vereinbar ist."
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 2 B 80.08 -, juris."
60Das erkennende Gericht schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen an. Ergänzend ist anzumerken: Soweit bisher die Mehrheit der Gerichte die Auffassung vertreten hat, das Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft sei mit dem Rechtsinstitut der Ehe nicht vergleichbar, der Gesetzgeber dürfe die Ehe fördern, weil Ehen typischerweise zur Gründung einer Familie führten, Lebenspartnerschaften hingegen typischerweise nicht, die Beschränkung des Verheiratetenzuschlags auf verheiratete Beamte sei daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
61vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 20.09.2007 - 2 BvR 855/06 - vom 08.11.2007 - 2 BvR 2466/06 - und vom 06.05.2008 - 2 BvR 1830/06 - jeweils juris; BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 2 C 33/06 - a.a.O.
62ist diese Begründung nach der im zitierten Urteil des VG Minden wiedergegebenen Senatsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2009, die sich ausdrücklich gegen die in den oben zitierten Nichtannahmebeschlüssen des Bundesverfassungsgerichts stellt, nicht mehr tragfähig. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 07.07.2009 klargestellt, dass zur Begründung der Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft die bloße Verweisung auf die Ehe und ihren durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen Schutz nicht ausreicht. Diese Feststellung bindet das Gericht. Gemäß § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG - entfalten die (Sach-)Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - anders als die oben zitierten Nichtannahmebeschlüsse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.01.1995 - 1 BvL 18/93 und 5, 6, 7/94, 1 BvR 403, 569/94 -, BVerfGE 92, 91, 107) - eine über den Einzelfall hinausgehende Bindungswirkung insofern, als sich die aus dem Tenor und den tragenden Gründen der Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Fachgerichten in allen künftigen Fällen beachtet werden müssen. Tragend für eine Entscheidung sind jene Rechtssätze, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck kommenden Gedankengang entfiele.
63Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 1997 - 1 BvR 479/92 und 307/94 -, BVerfGE 96, 375, 404.
64Danach sind die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum unzureichenden Rechtfertigungsgehalt des Schutzes der Ehe tragend und bindend, weil sie im Ergebnis darauf beruhen, dass allein mit Art. 6 Abs. 1 GG die Differenzierung zwischen eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten nicht gerechtfertigt werden könne, sondern darüber hinaus ein gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und -ziel hinreichend gewichtiger Sachgrund vorliegen müsse. Diese Ausführungen über die Interpretation der Reichweite des Schutzauftrags aus Art. 6 Abs. 1 GG sind bindend.
65Vgl. hierzu auch Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 18.03.2010 - 6 AZR 434/07 -, juris Rn. 44 f.
66Einen derart gewichtigen Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung von Lebenspartnern und Ehegatten hat das beklagte Land weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen; ein derartiger Grund ist auch nicht ersichtlich. Daher hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Familienzuschlag ab dem 00.00.0000, dem Tag der Begründung der eingetragenen Lebenspartnerschaft.
67Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.
68Die Berufung war gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen.
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