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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leisten.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Klägerin ist kreisangehörige Gemeinde des Beklagten zu 2. Mit Satzung vom 7. Juni 1994 (zuletzt geändert durch Satzung vom 16. November 2000) übertrug der Beklagte zu 2. der Klägerin und den anderen kreisangehörigen Gemeinden widerruflich bei voller Kostenerstattung die Durchführung der ihm als örtlichem Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben zur Entscheidung in eigenem Namen (vgl. § 1 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im Kreis Borken; im Folgenden: Sozialhilfesatzung). Bestimmte Aufgaben nahm er von der Übertragung aus (§ 2 Abs. 1 Sozialhilfesatzung). Mit Beschluss vom 16. November 2000 änderte er seine Satzung dergestalt, dass er die den Gemeinden aus der Übertragung entstehenden Nettoaufwendungen nur noch zu 50 % - und zwar in vierteljährlicher Abrechnung - erstatte (§ 7 Abs. 3 Sozialhilfesatzung). Für die Klägerin sah er in § 7 Abs. 6 seiner Sozialhilfesatzung einen Härteausgleich in Höhe von 970.000 Euro jährlich für die Jahre 2001 bis 2003 vor.
2Mit Schreiben vom 26. Juni 2003 wandte sich die Klägerin an den Beklagten zu 1. und beantragte eine Verlängerung der Härteausgleichsregelung über das Jahr 2003 hinaus. Es bestünden erhebliche strukturelle Unterschiede im Kreisgebiet, die dazu führten, dass die Beteiligung an den Sozialhilfeaufwendungen für sie eine erhebliche Härte darstelle. Die in ihrem Gebiet lebenden Bürger repräsentierten 12,5 % aller Einwohner des Beklagten zu 2. , aber ca. 20 % aller im Kreisgebiet lebenden Sozialhilfeempfänger. Die Arbeitslosenquote in ihrem Gemeindegebiet liege ebenso wie der Anteil der Ausländer und Alleinerziehenden deutlich höher als im Kreisgebiet. Die Aufnahmequote der Klägerin in Bezug auf Aussiedler sei um 19 Personen überschritten worden. 30,3 % aller Kreiseinwohner, die sich in einer Drogenberatung befänden, lebten im Gebiet der Klägerin. Mit Blick auf diese strukturellen Gegebenheiten begründe ihre Beteiligung an den Sozialhilfeaufwendungen für sie auch deshalb eine besondere Härte, weil sie sich in der Haushaltssicherung befinde und ohne den bisher jährlich gezahlten Härteausgleich in Höhe von 970.000,00 Euro eine Haushaltskonsolidierung in absehbarer Zeit nicht erreichen könne.
3Der Beklagte zu 1. überprüfte im Folgenden, ob die zugunsten der Klägerin getroffene Härtefallregelung zu verlängern sei. Hierbei zog er die Indikatoren Sozialhilfedichte, Arbeitslosenquote, Anteil der Langzeitarbeitslosen, Sozialhilfeaufwendungen je Hilfeempfänger/Einwohner, Bestand an Sozialwohnungen, Zahl der Aussiedler, Zahl der offenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt, durchschnittliche Dauer des Sozialhilfebezugs, durchschnittliche Personenzahl je Sozialhilfefall, Anzahl der Bezieher niedriger Einkommen und Praxis der Unterhaltsheranziehung in den Gemeinden heran. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2003 setzte er die Klägerin davon in Kenntnis, dass eine Entscheidung auf der Grundlage der Daten des Jahres 2004 getroffen werden solle. Die Entscheidung solle noch im Verlauf des Jahres 2004 getroffen werden.
4Die Klägerin hat am 31. März 2004 Klage erhoben.
5Zur Begründung macht sie in Ergänzung zu ihrem bisherigen Vorbringen im Wesentlichen geltend: Die durch § 6 AG-BSHG NRW ermöglichte Beschränkung der den Gemeinden zu leistenden Erstattung verstoße gegen die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage des § 96 BSHG, die von einem Erstattungsanspruch in voller Höhe aus § 93 SGB X ausgehe. Das Ermessen des Beklagten zu 2. sei daher auf den Erlass einer Härteausgleichsregelung reduziert, die in Anbetracht der Aufwendungen der Klägerin im Rahmen der Hilfe zur Arbeit" einen Härteausgleich in Höhe von mindestens 970.000 Euro vorsehen müsse. Sie habe in den Jahren 2001 bis 2003 durch freiwillige Aufwendungen erreicht, dass die Zahl der Sozialhilfeempfänger deutlich gesunken sei. Trotz des Härteausgleichs sei für ihren Haushalt dadurch eine erhebliche Mehrbelastung entstanden. Die strukturellen Defizite, die zu der Härteausgleichsregelung für die Jahre 2001 bis 2003 geführt hätten, bestünden unverändert fort. Die daraus resultierende Belastung ihres Haushaltes würde auch nicht durch höhere Zuweisungen des Landes Nordrhein- Westfalen im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes aufgefangen werden. Die von der Klägerin im Jahr 2004 erzielten Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer hätten eine Verringerung der zukünftigen Schlüsselzuweisungen des Landes zur Folge, da sie zu 90 % hierauf angerechnet würden. Gleichzeitig werde die Klägerin zukünftig eine höhere Kreisumlage und einen höheren Solidarbeitrag zahlen müssen. Die Mehreinnahmen seien im übrigen im Rahmen der Haushaltssicherung zur Deckung von Defiziten und zur Bildung einer Rücklage zu verwenden.
6Die Klägerin beantragt,
7den Beklagten zu 1. gemäß dem Antrag der Klägerin vom 26. Juni 2003 zu verpflichten, über die 50 % Beteiligung am Sozialhilfeaufwand hinaus einen Härteausgleich i. H. v. 970.000 Euro zu bewilligen,
8hilfsweise,
9den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2004 über den erstatteten 50 % Sozialhilfeaufwand hinaus weitere 970.000 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
10äußerst hilfsweise,
11festzustellen, dass der Beklagte zu 2. verpflichtet ist, die Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im Kreis C. in der Fassung der Änderung vom 16. November 2002 in § 7 Abs. 6 der Satzung dahingehend zu ändern, dass der Stadt H. zum Ausgleich bestehender erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet über die in § 7 Abs. 3 geregelten Ausgleichszahlungen von 50 % hinaus ein weiterer, jährlicher finanzieller Härteausgleich von 50 %, insgesamt also 100 % der jährlichen Sozialhilfenettoaufwendungen zu zahlen, mindestens ein jährlicher finanzieller Härteausgleich durch Satzung festzusetzen ist.
12Die Beklagten beantragen,
13die Klage abzuweisen.
14Sie machen geltend, die Klägerin habe im Rahmen der Hilfe zur Arbeit" Zuwendungen in Höhe von ca. 4 Mio. Euro für den Zeitraum 2001 bis 2003 erhalten. Die Zahl der im Gebiet der Klägerin lebenden Sozialhilfeempfänger sei im Zeitraum 1999 bis Ende 2003 von 2048 auf 1200 Personen gesunken, so dass ihre Sozialhilfeaufwendungen - im Gegensatz zu anderen kreisangehörigen Gemeinden - erheblich (um über 2 Mio. Euro) zurückgegangen seien. Diese Entwicklung habe sich im Jahr 2004 fortgesetzt. Demgegenüber hätten die Gewerbesteuereinnahmen der Klägerin im Jahr 2004 ermöglicht, ihrer Rücklage einen Betrag in Höhe von 3,9 Mio. Euro zuzuführen, so dass sich aus der Belastung mit Sozialhilfeaufwendungen für die Klägerin keine erhebliche Härte ergebe.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (2 Bände) ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage hat keinen Erfolg.
18Sie ist mit allen Anträgen zulässig, aber unbegründet.
19Der Klägerin stehen die mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag geltend gemachten Ansprüche auf Bewilligung bzw. Zahlung eines Härteausgleichs schon deshalb nicht zu, weil es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage fehlt.
20Ein Anspruch der Klägerin auf Bewilligung bzw. Zahlung eines Härteausgleichs für das Jahr 2004 ergibt sich nicht aus § 5 Abs. 1 AG-BSHG NRW in Verbindung mit § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach der letztgenannten Vorschrift ist der Auftraggeber zur Erstattung verpflichtet, wenn ein Beauftragter Sozialleistungen für ihn erbringt. Zwar gilt diese Vorschrift nach § 5 Abs. 1 AG-BSHG NRW entsprechend in dem Fall, dass der Kreis die Gemeinden zur Durchführung der ihm als Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben heranzieht. Die uneingeschränkte Fortgeltung dieser Vorschrift trotz Änderung des § 6 Abs. 1 AG-BSHG NRW mit Wirkung ab dem 1. Januar 2001 beruht jedoch ersichtlich auf einem Versehen des Gesetzgebers, der es versäumt hat, im Zusammenhang mit der Neufassung des § 6 Abs. 1 AG-BSHG NRW die Regelung in § 5 Abs. 1 AG-BSHG NRW aufzuheben. Während das Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz in seiner Ursprungsfassung eine vollständige Erstattung der den herangezogenen Gemeinden entstandenen Aufwendungen vorsah, sollte durch Art. 19 Nr. 1 des Zweiten Modernisierungsgesetzes vom 9. Mai 2000 (GV NRW S. 462) eine hälftige Kostenbeteiligung der herangezogenen Gemeinden als Regelfall eingeführt werden, die mit einem vollständigen Aufwendungsersatz nach § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht vereinbar wäre. Nach dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori" hat § 6 Abs. 1 AG-BSHG NRW für seinen Anwendungsbereich daher § 5 Abs. 1 AG-BSHG NRW außer Kraft gesetzt.
21Ein Anspruch der Klägerin auf Bewilligung bzw. Zahlung eines Härteausgleichs für das Jahr 2004 ergibt sich auch nicht unmittelbar aus § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Diese Vorschrift ist hier nicht anwendbar. Nach § 37 SGB I gelten die Regelungen des SGB X für alle Sozialleistungsbereiche des SGB I und mithin auch für die Sozialhilfe, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Das Bundessozialhilfegesetz (nunmehr: SGB XII) mit den zu seiner Ergänzung und Abänderung erlassenen landesrechtlichen Vorschriften stellt mithin eine vorrangige Sonderregelung dar. In § 96 Abs. 1 Satz 2 BSHG in seiner bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ist eine abschließende und umfassende Ermächtigung zur landesrechtlichen Regelung des Verhältnisses zwischen den Kreisen als örtlichen Trägern der Sozialhilfe und den ihnen zugehörigen Gemeinden getroffen worden,
22- vgl. zu der entsprechenden Regelung des Verhältnisses zwischen örtlichem und überörtlichem Träger der Sozialhilfe in § 96 Abs. 2 Satz 2 BSHG: BVerwG, Beschluss vom 6. August 1992 - 5 B 135/91 -, Buchholz 436.0 § 96 BSHG Nr. 1; Hörster, Die Wahrnehmung der Sozialhilfeaufgaben im kreisangehörigen Raum in Nordrhein-Westfalen, S. 94, Fn. 306 -
23von der der nordrhein-westfälische Gesetzgeber mit dem Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz Gebrauch gemacht hat. Die von der Klägerin in Übereinstimmung mit einer Literaturmeinung
24- vgl. Wimmer, Sozialhilfe auf Kosten kreisangehöriger Gemeinden?, NWVBl. 2001, S. 8 ff. -
25sinngemäß vertretene Auffassung, ein Auseinanderfallen von Zuständigkeit und Kostenträgerschaft werde von dieser Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt, verkennt, dass das Bundessozialhilfegesetz hinsichtlich der finanziellen Bedingungen des in § 96 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 BSHG geregelten Heranziehungsverhältnisses keine Regelungen enthält. Hierzu fehlte dem Bundesgesetzgeber die Ermächtigung. Nach den finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes ist die Regelung der Finanzierung der Sozialhilfe vielmehr Sache der Länder.
26Vgl. Hörster, a. a. O., S. 148.
27Diese vollziehen das Bundessozialhilfegesetz nach Art. 83 GG als eigene Angelegenheit und tragen daher nach dem in Art. 104a GG normierten Prinzip der Konnexität von Verwaltungsaufgabe und -ausgabe die Finanzverantwortung. Da die Gemeinden und Gemeindeverbände - wie sich aus Art. 106 Abs. 9 GG entnehmen lässt - auch finanzverfassungsrechtlich den Ländern eingegliedert sind,
28vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1 und 2/88, 2 BvF 1/89, 2 BvF 1/90 -, BVerfGE 86, 148 = DVBl. 1992, 965 = DÖV 1992, 744, Sieckmann in: Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 1999, vor Art. 104a, Rn. 10,
29fällt die Ausgestaltung des interkommunalen Finanzausgleichs in den Aufgabenbereich der Länder.
30Die in den §§ 5 und 6 AG-BSHG NRW getroffene Regelung der Kostentragung stellt mithin eine gegenüber § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB X vorrangige Spezialregelung dar.
31Auf § 6 AG-BSHG NRW lässt sich der mit dem Haupt- und dem ersten Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht stützen.
32Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AG-BSHG NRW setzt der Härteausgleich seine Festsetzung durch Satzung des Kreises voraus. Eine derartige Satzungsbestimmung, die den Beklagten zu 1. zur Festsetzung eines Härteausgleichs in Höhe von 970.000,00 Euro für das Jahr 2004 oder den Beklagten zu 2. zur Zahlung eines entsprechenden Betrags verpflichtet, existiert jedoch nicht.
33Hinsichtlich der weiter hilfsweise begehrten Feststellung ist die Klage ebenfalls zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Die Klägerin begehrt im Ergebnis in Umsetzung von § 6 Abs. 1 Satz 2 AG-BSHG NRW die Aufnahme eines Härteausgleichs zu ihren Gunsten in die Satzung des Beklagten über die Durchführung der Sozialhilfe und damit eine Änderung einer Rechtsnorm im Range unterhalb eines förmlichen Gesetzes. Die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung, auch soweit diese rechtssetzend tätig wird, obliegt den Verwaltungsgerichten.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2002 - 2 C 13/01 -, NVwZ 2002, 1505 = DÖV 2003, 123 = Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2.
35Die Verwaltungsgerichte dürfen untergesetzliche Rechtsnormen, auf deren Gültigkeit es für die Entscheidung über ein Klagebegehren ankommt, als ungültig verwerfen. Der Streit um die Verpflichtung der Exekutive zum Erlass oder zur Änderung solcher Rechtsnormen ist daher verwaltungsrechtlicher Art.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2002 - 2 C 13/01 -, a.a.O.
37Die Satzung des Beklagten über die Durchführung der Sozialhilfe als untergesetzliche Rechtsnorm, deren Änderung die Klägerin begehrt, wird zwar als abstrakt-generelle Regelung im Interesse der Allgemeinheit erlassen. Das schließt es indes nicht aus, dass die einzelne, durch die Norm betroffene Kommune einen Anspruch auf ihren Erlass oder ihre Änderung haben kann. Ein solcher Anspruch kann sich aus höherrangigem Recht ergeben und als Ausfluss der in Artikel 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsschutzgarantie auch gerichtlich durchgesetzt werden.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2002 a.a.O.; Urteil vom 3. November 1988 - 7 C 115/86 -, BverwGE 80, 355 = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 238 = DÖV 1989, 449 = NJW 1989, 1495.
39Statthafte Klageart für dieses Rechtsschutzbegehren ist die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ein der Klärung im Wege der Feststellungsklage zugängliches konkretes Rechtsverhältnis der Klägerin zu dem Beklagten ist gegeben. Unter Rechtsverhältnis in diesem Sinne sind die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm des öffentlichen Rechts sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen.
40Vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, Kommentar, 13. Aufl., München 2003, § 43 Rn. 11.
41Diese Voraussetzungen sind im Verhältnis der Klägerin zu dem Beklagten erfüllt. Der Beklagte hat der Klägerin auf der Grundlage von § 96 Abs. 1 Satz 2 BSHG, § 3 Abs. 1 AG-BSHG NRW durch §§ 1 Satz 1, 3 seiner Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe die Durchführung bestimmter, ihm als Träger der Sozialhilfe obliegender Aufgaben übertragen. Die Klägerin hat infolgedessen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AG-BSHG NRW 50 % der Sozialhilfeaufwendungen zu tragen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AG-BSHG NRW hat die Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf finanziellen Härteausgleich, der in einer entsprechenden satzungsrechtlichen Regelung des Beklagten zu treffen ist. Klärungsfähig und klärungsbedürftig ist daher die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Klägerin für das Jahr 2004 die Regelung eines Härteausgleichs auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Satz 2 AG-BSHG NRW verlangen kann und ob der Beklagte durch das Unterlassen einer entsprechenden Satzungsregelung das eventuell bestehende Recht der Klägerin an der Durchführung eines finanziellen Härteausgleichs verletzt hat.
42Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, für das Jahr 2004 durch Satzung einen Härteausgleich zugunsten der Klägerin festzulegen.
43Eine solche Pflicht ergibt sich nicht aus § 6 Abs. 1 Satz 2 AG-BSHG. Diese Vorschrift stellt eine Ausnahmeregelung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 AG-BSHG NRW dar, wonach die kreisangehörigen Gemeinden 50 % der Aufwendungen tragen, soweit die Kreise sie gemäß § 3 AG-BSHG NRW zur Durchführung der den Kreisen als Trägern der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben durch Satzung heranziehen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AG-BSHG legen die Kreise durch Satzung einen Härteausgleich fest, wenn infolge erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet die Beteiligung kreisangehöriger Gemeinden an den Aufwendungen für diese zu einer erheblichen Härte führt.
44Eine erhebliche Härte, zu der erhebliche strukturelle Unterschiede im Gebiet des Beklagten führen würden, lässt sich für die Klägerin im Jahr 2004 nicht feststellen.
45Hierbei kann unentschieden bleiben, ob der Begriff der erheblichen Härte im gegebenen Zusammenhang ein dem Satzungsgeber vorbehaltenes Element politischer Bewertung enthält. Jedenfalls ist die Schwelle, von der an eine politische Bewertung zur Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Intervention einsetzen müsste, eindeutig nicht erreicht.
46Die finanzielle Beteiligung führt bei den herangezogenen Gemeinden nach dem Willen des Gesetzgebers zu einer erheblichen Härte, wenn ihnen hierdurch unverhältnismäßige Mehrbelastungen entstehen.
47Vgl. Entschließung des Landtags vom 8. Juni 1999, LT- Drs. 12/4024, S. 2.
48Zur Beurteilung dieser Frage ist die finanzielle Situation der betroffenen Gemeinde in den Blick zu nehmen.
49Vgl. im Ergebnis: Hörster, a. a. O., S. 136, Fn. 480.
50In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Sozialhilfeaufwendungen ohne eine Kostenbeteiligung der herangezogenen Gemeinden vom Kreis als örtlichem Träger der Sozialhilfe zu tragen wären und bei der Bemessung der Kreisumlage berücksichtigt werden müssten. Eine unverhältnismäßige Mehrbelastung einer betroffenen Gemeinde setzt daher zunächst voraus, dass die von ihr zu tragenden Aufwendungen den von ihr zu zahlenden Betrag der ansonsten fiktiv zu zahlenden Kreisumlage wesentlich übersteigen. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die jährliche Mehrbelastung einen Betrag von 0,25 Euro pro Einwohner übersteigt.
51Vgl. die Gesetzesbegründung zu dem Begriff der wesentlichen Belastung" in § 2 Abs. 5 Konnexitätsausführungsgesetz NRW, LT-Drs. 13/5515, S. 23.
52Die der Klägerin durch die Beteiligung entstandene Mehrbelastung betrug nach dem von dem Beklagten vorgelegten Vergleich bisherige Kreisumlage zu gesenkter Kreisumlage plus Beteiligung Sozialhilfe" (vgl. Seite 20 der Anlage 4 zum Schriftsatz vom 9. Juni 2005) für das Jahr 2004 16,2 Euro pro Einwohner und ist daher als wesentlich im oben genannten Sinn zu qualifizieren.
53Mit Blick darauf, dass die finanzielle Beteiligung der Gemeinden an den Sozialhilfeaufwendungen deren Senkung bezweckt und der Gesetzgeber daher Mehrbelastungen der Gemeinden in Kauf nimmt, kann eine erhebliche Härte aber nicht allein in einer wesentlichen Mehrbelastung bestehen. Damit diese als unverhältnismäßig qualifiziert werden kann, muss sie die betroffene Gemeinde außerdem in eine wirtschaftliche Notlage bringen, die es ihr unmöglich macht, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.
54Vgl. zum Begriff der erheblichen Härte" in § 222 AO: Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 7. Aufl. München 2000, § 222, Rn. 23.
55Das ist bei der Klägerin nicht der Fall. Die strukturellen Verhältnisse in ihrem Gebiet und ihre finanzielle Situation haben sich vielmehr deutlich gebessert. Wie sich den in Anlage 4 zum Schriftsatz des Beklagten vom 9. Juni 2005 enthaltenen Übersichten entnehmen lässt, sanken die Nettoaufwendungen für Hilfeempfänger in ihrem Gebiet von 6.111.000,00 Euro im Jahr 2000 auf 3.928.000,00 Euro im Jahr 2004 (vgl. Seite 19 der Anlage 4). Die Anzahl der Hilfeempfänger sank von 1.549 Personen im Dezember 2000 auf 1.402 Personen im Dezember 2004 (vgl. Seite 11 der Anlage 4). Die Arbeitslosenquote ist in ihrem Gebiet von 14,6 % (Stand: Juli 2003, vgl. Seite 6 der Anlage 4) auf 11,8 % (Stand: Juni 2004, vgl. Seite 5 der Anlage 4) gesunken. Den verringerten Ausgaben der Klägerin standen im Jahr 2004 erhebliche Mehreinnahmen im Bereich der Gewerbesteuer gegenüber, die dazu geführt haben, dass die Klägerin im Jahr 2004 den Fehlbetrag aus Vorjahren in Höhe von 908.234,00 Euro hat ausgleichen, ihrer Allgemeinen Rücklage einen Betrag in Höhe von 4.009.094,00 Euro zuführen (vgl. die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte tabellarische Aufstellung Rücklagenentwicklung und -verwendung der Allgemeinen Rücklage") und ein ausgeglichenes Ergebnis für den Haushalt 2004 erzielen können. Soweit die Klägerin ausführt, die Mehreinnahmen im Jahr 2004 hätten finanziell nachteilige Folgen für das Jahr 2006 (niedrigere Schlüsselzuweisungen des Landes, höhere Kreisumlage- und Solidarbeiträge) zur Folge, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 AG- BSHG NRW - konkret der dort einheitlichen Verwendung des Präsens - lässt sich entnehmen, dass die erhebliche Härte in dem Zeitraum vorliegen muss, in dem auch die ansonsten zu 50 % zu tragenden Aufwendungen entstehen. Wesentlich später eintretende nachteilige Folgen einer günstigen Entwicklung der gemeindlichen Einnahmen können daher keine Berücksichtigung finden. Ebenso wenig können die Aufwendungen der Klägerin, die bei ihren Bemühungen entstanden sind, die Zahl der in ihrem Gebiet lebenden Sozialhilfeempfänger zu senken, zur Begründung einer strukturbedingten erheblichen Härte herangezogen werden. § 6 Abs. 1 Satz 2 AG- BSHG NRW stellt lediglich auf die Aufwendungen ab, die nach dem Bundessozialhilfegesetz zu erbringen sind. Das Entstehen kommunaler Eigeninitiative zur Überwindung von Sozialhilfebedürftigkeit hat der Gesetzgeber mit der Einführung der hälftigen Kostenbeteiligung in § 6 Abs. 1 AG-BSHG NRW im übrigen gerade bezweckt. Der Landtag sah in der Kostenbeteiligung eine Möglichkeit, auch kreisangehörigen Kommunen sozialpolitische Steuerungsinstrumente an die Hand zu geben und über den Einsatz von Sozialhilfeleistungen eine eigenständige aktive kommunale Beschäftigungspolitik zu entwickeln, um Sozialhilfebedürftigkeit zu überwinden".
56Vgl. LT-Drs. 12/4024, S. 2.
57Eine eventuelle Förderung dieser Eigeninitiative ist der politischen Gestaltung im Verhältnis des Kreises zu den kreisangehörigen Gemeinden überantwortet.
58Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
59Das Gericht lässt die Berufung gegen das Urteil gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat. Die Auslegung der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 AG-BSHG NRW hat über den hier zu entscheidenden Sachverhalt hinaus allgemeine Bedeutung für die in Nordrhein-Westfalen durch die Regelung betroffenen Kreise und kreisangehörigen Gemeinde, weil eine hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen wortgleiche Regelung in § 5 Abs. 5 Satz 2 AG-SGB II NRW getroffen worden ist. Die einschlägigen Rechtsfragen sind obergerichtlich noch nicht geklärt.
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