Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für zwei stationäre Krankhausbehandlungen der Klägerin in der Zeit vom 26. Mai bis zum 2. Juni 2003 sowie vom 5. bis zum 13. August 2003 aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen.
3Die am 09. Juni 1964 geborene Klägerin gehörte im streitgegenständlichen Zeitraum zum leistungsberechtigten Personenkreis nach § 1 a des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG). Am 23. Mai 2003 befand sich die Klägerin in vorstationärer Behandlung in der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des V. Münster; am 26. Mai 2003 wurde sie stationär aufgenommen und am 2. Juni 2003 aus der stationären Behandlung wieder entlassen. Ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindlichen ärztlichen Berichtes an den Hausarzt der Klägerin war die Diagnose traumatische Trommelfellperforation rechts" getroffen worden, welche nach den eigenen Angaben der Klägerin nach einem Schlag auf das rechte Ohr entstanden war. Die Aufnahmeanzeige wurde dem Beklagten am 2. Juni 2003 durch das Universitätsklinikum Münster per Telefax zugeleitet. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 3. Juni 2003 erläuterte die Klägerin zu dieser stationären Krankenhausbehandlung, dass die Verletzung bei einem Streit mit ihrem Ehemann entstanden sei, in dessen Verlauf er ihr eine Ohrfeige gegeben habe. Sie habe sich zunächst zur ambulanten Untersuchung begeben und einen Termin für den 26. Mai 2003 zur stationären Aufnahme erhalten.
4Mit Bescheid vom 29. Juli 2003 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für die stationäre Krankenhausbehandlung der Klägerin ab. Zur Begründung führte er aus, dass gemäß § 4 AsylbLG für geplante oder planbare Behandlungen vorab die Genehmigung des Sozialamtes als Kostenträger erforderlich sei. Die Krankenhausbehandlung der Klägerin, die nicht vorab genehmigt worden sei, könne nicht unter die Leistungsvoraussetzungen des § 4 AsylbLG subsummiert werden, da kein akuter, unaufschiebbarer Behandlungsbedarf vorgelegen habe. Wenn eine Notaufnahme nicht vorliege, könne die Übernahme stationärer Behandlungskosten nicht nachträglich innerhalb einer angemessenen Frist beantragt werden, sondern der Bedarf für den Aufenthalt in der Einrichtung müsse dem Kläger der Sozialhilfe vorher, spätestens am Tag der Aufnahme, bekannt sein. Der Kostenaufnahmeantrag der Klägerin sei aber erstmals am Tag ihrer Entlassung beim Beklagten bekannt geworden. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 22. August 2003 ohne nähere Begründung Widerspruch ein.
5Am 5. August 2003 wurde die Klägerin erneut zur stationären Behandlung in der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des V. Münster aufgenommen. Diese stationäre Behandlung dauerte bis zum 13. August 2003 an. Als Aufnahmediagnose war sonstige chronische nichteitrige Otitis media" (Mittelohrentzündung) sowie Tabakmissbrauch" aufgeführt. Ein Antrag auf Kostenübernahme wurde dem Beklagten unter dem 5. August 2003 übermittelt. Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 15. September 2003 als unbegründet ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin es versäumt habe, sich vor Beginn der Behandlung an den Beklagten zu wenden und die Behandlung genehmigen zu lassen. Die Behandlung könne auch nicht unter die Leistungsvoraussetzungen des § 4 AsylbLG subsummiert werden, da kein akuter, unaufschiebbarer Behandlungsbedarf vorgelegen habe. Gegen diesen Widerspruch legte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 22. Oktober 2003 wiederum ohne nähere Begründung Widerspruch ein.
6Mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2003 lehnte der Beklagte die Widersprüche der Klägerin als unbegründet ab. Zur Begründung führte er aus, dass eine Zusammenfassung und Bescheidung in einem Widerspruchsbescheid angezeigt sei, da der Sachverhalt bei beiden Vorgängen identisch sei. Da eine Widerspruchsbegründung nicht gegeben worden sei, könne inhaltlich auf die Gründe der ablehnenden Bescheide verwiesen werden.
7Daraufhin hat die Klägerin am 17. Dezember 2003 - rechtzeitig - die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt sie vor, dass es sich bei beiden Behandlungen um einen Notfall gehandelt habe; zum Beleg hierfür beruft sie sich auf die Angaben der behandelnden Ärzte.
8Die Klägerin beantragt - sinngemäß - schriftsätzlich,
9den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 29. Juli 2003 und vom 15. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2003 zu verpflichten, für die Klägerin Krankenhilfe in der Weise zu gewähren, dass der Beklagte sich dem Universitätsklinikum Münster gegenüber bereit erklärt, die Kosten für die stationären Aufenthalte der Klägerin in der Zeit vom 25. Mai bis zum 2. Juni 2003 und vom 5. bis zum 13. August 2003 zu übernehmen. Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung beruft er sich auf die Gründe der ablehnenden Bescheide.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten Hefte 1 und 2) Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14Das Gericht konnte in der Sache entscheiden, obgleich weder die Klägerin noch ihr Prozessbevollmächtigter zum Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Denn sie ist ordnungsgemäß und insbesondere fristgerecht (§ 102 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) geladen und gemäß § 102 Abs. 2 VwGO mit der Ladung darauf hingewiesen worden, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
15Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die ablehnenden Bescheide des Beklagten vom 29. Juli 2003 und vom 15. September 2003 und sein Widerspruchsbescheid vom 19. November 2003 sind im Ergebnis rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO), weil die Klägerin keinen Anspruch darauf hat, dass der Beklagte die Kosten für die streitgegenständlichen stationären Klinikbehandlungen trägt.
16Die Klägerin gehörte im streitgegenständlichen Zeitraum - unstreitig - zum leistungsberechtigten Personenkreis nach § 1 a AsylbLG. Die Bewilligung von Leistungen zur Gesundheitsfürsorge nach diesem Gesetz ist in § 4 AsylbLG geregelt. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ist die erforderliche ärztliche Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen zu gewähren. Hinsichtlich des ersten Klinikaufenthalts der Klägerin in der Zeit vom 26. Mai bis zum 2. Juni 2003 ist allerdings ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindlichen ärztlichen Stellungnahme zum Antrag auf Übernahme der Krankenhauskosten davon auszugehen, dass es bei diesem Aufenthalt der Klägerin um die Behandlung einer akuten Erkrankung gegangen ist. Der Übernahme der Kosten durch den Beklagten steht aber entgegen, dass die Klägerin dem Beklagten die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung nicht vor Aufnahme in die Klinik mitgeteilt hat. Aus dem aus der Vorschrift des § 5 Abs. 1 BSHG abzuleitenden Gedanken, dass Sozialhilfeleistungen nicht für bereits in der Vergangenheit liegende Zeiträume gewährt werden, ergibt sich, dass dem Sozialhilfeträger ein entsprechender Bedarf vor seiner Deckung bekannt gegeben werden muss. Zwar fehlt im Asylbewerberleistungsgesetz eine entsprechende Vorschrift; nach Auffassung des Gerichts ist die Regelung des § 5 Abs. 1 BSHG aber - entgegen der in der Kommentarliteratur überwiegend vertretenen Auffassung
17vgl. Birk in Lehr- und Praxiskommentar (LPK) zum BSHG, § 2 AsylbLG, Randnr. 10; Schellhorn, Kommentar zum BSHG, § 2 AsylbLG, Rdn. 17; Gemeinschaftskommentar zum AsylbLG, § 2 Rdn. 119 -
18auch bei der Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG entsprechend anwendbar. Denn die Leistungen nach dem AsylbLG sind Sozialleistungen; deshalb müssen die Strukturprinzipien des Sozialhilferechts, zu denen auch die Regelung des § 5 BSHG gehört, auch im Rahmen des Asylbewerberleistungsrechts gelten, solange nicht ausdrücklich besondere Regelungen getroffen sind, was insoweit nicht der Fall ist, oder der Sinn und Zweck des AsylbLG dem zwingend entgegen steht, was nach Ansicht des Gerichts nicht erkennbar ist.
19So auch Deibel, Weihnachtsbeihilfe für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge, in NWVBl. 1998, S. 423.
20Diese Auffassung geht konform damit, dass nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung die Vorschrift des § 121 BSHG im Rahmen des Asylbewerberleistungsrechts entsprechend anzuwenden ist
21vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 17. Oktober 2000 - 22 A 4408/99 - und vom 5. Dezember 2000 - 22 A 3164/99 -;
22danach sind auch im Rahmen des Asylbewerberleistungsrechts auf Antrag demjenigen, der in einem Eilfall einem anderen Hilfe gewährt, die der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis gewährt haben würde, bei Vorliegen auch der übrigen Voraussetzungen die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten. Diese entsprechende Anwendung des § 121 BSHG im Asylbewerberleistungsrecht macht nur Sinn, wenn es grundsätzlich auf die Kenntnis des Sozialhilfeträgers ankommt, mithin - entsprechend § 5 Abs. 1 BSHG - Leistungen grundsätzlich erst einsetzen, wenn der Sozialhilfeträger Kenntnis von dem Bedarf hat. Dies war vorliegend aber erst nach Beendigung des Krankenhausaufenthaltes der Fall. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bedarf nicht etwa auf die Bezahlung der Rechnung, sondern vielmehr auf die stationäre Behandlung im Krankenhaus gerichtet ist. Dieser Bedarf war zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte Kenntnis von dem Krankenhausaufenthalt erhalten hat, bereits gedeckt, weil die Klägerin die Krankenhausbehandlung gerade bereits erhalten hatte. Damit handelte es sich aber um die Geltendmachung eines in der Vergangenheit liegenden und bereits gedeckten Bedarfes. Zur Abdeckung etwaiger Schulden - hier: Bezahlung der Krankenhausrechnung - sind Sozialhilfeleistungen nicht zu gewähren, weil Schuldenübernahme grundsätzlich nicht Aufgabe der Sozialhilfe ist, sondern vielmehr nur Hilfe in einer gegenwärtigen Notlage.
23Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn es sich um eine notfallmäßige Aufnahme ins Krankenhaus gehandelt haben sollte. Allerdings ist davon schon deshalb nicht auszugehen, weil die entsprechende ärztliche Stellungnahme zum Antrag auf Übernahme von Krankenhauskosten eine entsprechende Frage ausdrücklich verneint. Dem entspricht es, dass die Klägerin bereits einige Tage vor dieser Aufnahme zu einer Untersuchung in der Klinik vorstellig wurde und ihr bei dieser Gelegenheit ein Termin für die stationäre Aufnahme gegeben worden war; bei Vorliegen eines Notfalles wäre demgegenüber ein sofortiger Verbleib in der Klinik notwendig gewesen. Dies bedurfte jedoch keiner abschließenden Würdigung. Denn selbst wenn es sich um einen Notfall gehandelt haben würde, wäre nämlich nicht die Klägerin anspruchsberechtigt, sondern vielmehr der Nothelfer, vorliegend also das Krankenhaus.
24Auch bezogen auf ihren zweiten Klinikaufenthalt in der Zeit vom 5. bis zum 13. August 2003 hat die Klägerin keinen Anspruch auf Übernahme der Krankenhauskosten gegen den Beklagten. Denn bei der in diesem Falle behandelten Krankheit hat es sich ausweislich der Aufnahmediagnose nicht um eine akute Erkrankung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, sondern um eine chronische Erkrankung, nämlich um eine chronische nichteitrige Mittelohrentzündung gehandelt. Die Behandlung chronischer Erkrankungen wird aber vom Regelungsbereich des § 4 Abs. 1 AsylbLG ausdrücklich nicht erfasst.
25Vgl. auch Verwaltungsgericht Münster, Urteile vom 26. November 2002 - 5 K 2248/98 - und vom 7. Oktober 2005 - 5 K 1318/04 - m. w. N.
26Der entsprechende Krankenhausaufenthalt der Klägerin war auch nicht zur Behandlung von Schmerzzuständen erforderlich im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, wobei in diesem Zusammenhang offen bleiben kann, ob in § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nur akute oder auch chronische Schmerzzustände gemeint sind.
27Vgl. zum Streitstand: Hohm, Gemeinschaftskommentar zum Asylbewerberleistungsgesetz, § 4 Randnrn. 23 - 26.
28Denn den in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindlichen entsprechenden ärztlichen Berichten lässt sich nichts dafür entnehmen, dass die Klägerin überhaupt unter Schmerzzuständen gelitten hat. Zwar mag ungeachtet der fehlenden ärztlichen Feststellungen hierzu eine Vermutung dafür sprechen, dass eine chronische - wenn auch nichteitrige - Mittelohrentzündung Schmerzen verursacht. Es ist aber jedenfalls nichts dafür erkennbar, dass eine zehntägige stationäre Klinikbehandlung zwingend erforderlich war, um etwaige Schmerzen zu lindern, und eine Beseitigung etwaiger Schmerzzustände auf andere Weise nicht möglich gewesen wäre. Es spricht vielmehr alles dafür, dass eine entsprechende Therapie zur Schmerzbehandlung hätte ambulant durchgeführt werden können. Da die Klägerin unanfechtbar ausreisepflichtig war, war im streitgegenständlichen Zeitraum davon auszugehen, dass sie sich nur vorübergehend in der Bundesrepublik Deutschland aufhielt; während dieses vorübergehenden Aufenthaltes konnte sie nur die unabdingbar notwendige medizinische Behandlung beanspruchen. Dazu gehörte jedenfalls nicht eine zehntägige stationäre Klinikbehandlung einer Mittelohrentzündung.
29Auch bezogen auf diesen Klinikaufenthalt im August 2003 ergibt sich aus den in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindlichen ärztlichen Berichten nichts, was dafür spricht, dass es sich etwa um einen Notfall gehandelt haben könnte; dem widerspricht schon, dass es um die Behandlung einer chronischen Erkrankung gegangen ist. Auch dies bedurfte allerdings keiner weiteren Klärung und abschließenden Würdigung, weil - wie bereits dargelegt - anspruchsberechtigt in einem solchen Fall keinesfalls die Klägerin, sondern allein der Nothelfer, also das Krankenhaus, sein kann.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
31