Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 15 K 2369/25.A gegen die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 5. des Bescheides der Antragsgegnerin vom 25.03.2025 wird angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
2Der zulässige – sinngemäße – Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage – 15 K 2369/25.A – gegen die unter Ziffer 5. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25.03.2025 verfügte Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat Erfolg. Er ist begründet.
5Wird – wie hier – ein Asylantrag durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) als offensichtlich unbegründet abgelehnt, hat nach § 75 AsylG die Anfechtungsklage gegen die vom Bundesamt ausgesprochene Abschiebungsandrohung keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht darf gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG bzw. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG die Aussetzung der Abschiebung (durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird.
6Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2020 – 1 C 19.19 –, juris Rn. 35; BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 – 2 BvR 1516/93 –, juris Rn. 99.
7"Angegriffen" i. S. d. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG ist im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Abschiebungsandrohung. Gegenstand dieses Verfahrens ist allein die Frage, ob die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) erlassene Abschiebungsandrohung rechtmäßig ist.
8Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 – 2 BvR 1516/93 –, juris Rn. 93.
9Dies setzt insbesondere voraus, dass die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet (§§ 29a Abs. 1, 30 AsylG) zu Recht erfolgt ist. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet ist für das Eilverfahren erschöpfend zu prüfen, ob die Antragsgegnerin aufgrund einer umfassenden Würdigung der ihr vorgetragenen oder sonst erkennbaren maßgeblichen Umstände unter Ausschöpfung aller ihr vorliegenden und zugänglichen Erkenntnismittel entschieden und in der Entscheidung klar zu erkennen gegeben hat, weshalb der Antrag offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, sowie, ob die Ablehnung als offensichtlich unbegründet auch weiterhin Bestand haben kann. Die schlichte Behauptung, der Asylantrag sei offensichtlich unbegründet, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.
10Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 11.12.1985 – 2 BvR 361/83 –, juris Rn. 50, Beschlüsse vom 22.10.2008 – 2 BvR 1819/07 –, juris Rn. 12, vom 25.04.2018 – 2 BvR 2435/17 –, juris Rn. 20, und stattgebender Kammerbeschluss vom 25.02.2019 – 2 BvR 1193/18 –, juris Rn. 18, 21.
11Ausgehend von diesen Grundsätzen geht die vorzunehmende Interessenabwägung zum Nachteil der Antragsgegnerin aus. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im streitgegenständlichen Bescheid unter Ziffer 5. verfügten Abschiebungsandrohung. Das Bundesamt hat den als Folgeantrag nach § 71 Abs. 1 AsylG eingestuften Asylantrag des Antragstellers rechtsfehlerhaft nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
12Nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer einen Folgeantrag (§ 71 Abs. 1 AsylG) oder einen Zweitantrag (§ 71 a Abs. 1 AsylG) gestellt hat und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wurde. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Ein Zweitantrag liegt nicht vor, da nichts dafür ersichtlich ist, dass zuvor bereits ein Asylverfahren des Antragstellers in einem sicheren Drittstaat erfolglos abgeschlossen worden ist. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liegt auch kein Folgeantrag im genannten Sinne vor.
13Nach § 71 Abs. 1 AsylG ist in dem Fall, wenn der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Ausländer vorgebracht worden sind, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind und der Ausländer ohne eigenes Verschulden außerstande war, die Gründe für den Folgeantrag im früheren Asylverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.
14Voraussetzung für die Annahme einer Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages im Sinne dieser Vorschrift ist allerdings, dass in diesem Rahmen eine materielle Prüfung des Schutzbegehrens des Antragstellers durchgeführt worden ist. Ein Folgeantrag liegt dagegen nicht vor, wenn im früheren Verfahren (nur) eine Entscheidung über die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens getroffen wurde, ohne dass eine sachliche Prüfung des Schutzbegehrens erfolgt ist.
15Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.08.2021 – 1 C 55.20 –, juris Rn. 18; VG Minden, Urteil vom 22.02.2023 – 1 K 4557/21.A –, juris Rn. 69 ff., 82, m. w. N.; a. A. siehe Dickten, in: BeckOK AuslR, Stand 01.10.2024, AsylG § 71 Rn. 5a, m. w. N.
16Letzteres ist hier aber gerade der Fall. Nach Aktenlage hat die Antragsgegnerin einen ersten Asylantrag des Antragstellers am 23.02.2023 als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG abgelehnt (sog. Dublin-Bescheid) und dessen Abschiebung nach Spanien angeordnet. Einen dagegen gerichteten Eilantrag hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 30.03.2023 – 12 L 206/23.A – abgelehnt. Nachdem der Antragsteller nach Spanien überstellt worden war, später erneut ins Bundesgebiet eingereist war und hier den streitgegenständlichen Asylantrag gestellt hatte, hat die Antragsgegnerin mit dem in der Hauptsache angefochtenen Bescheid den Asylantrag des Antragstellers zunächst als zulässig angesehen und – erstmals – dessen Asylgründe in der Sache geprüft und in gleicher Weise wie einen Erstantrag beschieden. Nach den obigen Maßgaben liegt daher mangels zuvor erfolgter sachlicher Prüfung des Schutzbegehrens kein Folgeantrag i. S. d. § 71 Abs. 1 AsylG vor, so dass dieser nicht nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden kann.
17Nach der in diesem Rahmen gebotenen Prüfung liegen auch keine anderen Gründe für eine Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 AsylG vor.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
19Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).