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Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Dem Kläger wurden in einem Berufungsverfahren vor dem O. Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 3. März 2016 (Az. L 5 KR 313/15 WA) Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 SGG in Höhe von 250,00 € auferlegt.
3Mit Schreiben vom 3. Mai 2016 forderte das O. unter Bezugnahme auf das Urteil vom 3. März 2016 vom Kläger die Verschuldenskosten unter Fristsetzung bis zum 1. Juni 2016 an.
4Mit Schreiben vom 6. Mai 2016 bat der Kläger um nähere Erläuterung der Kostenanforderung. Er könne in dem Schreiben weder eine formgerechte Rechnung erkennen noch könne er nachvollziehen, warum das Schreiben „Auf Anordnung“ ergangen sei.
5Mit Schreiben vom 10. Mai 2016 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass ihm am 3. März 2016 Verschuldenskosten auferlegt worden seien und dass die im Schreiben vom 6. Mai 2016 bestimmte Frist weiter Gültigkeit habe.
6Mit am 17. Mai 2016 beim Beklagten eingegangenen Schreiben nahm der Kläger auf sein Schreiben vom 6. Mai 2016 Bezug und teilte mit, dass seine Fragen durch das Schreiben vom 10. Mai 2016 nicht beantwortet worden seien. Er könne nicht nachvollziehen, warum durch das Schreiben vom 3. Mai 2016, das nicht mit „Rechnung“ überschrieben worden sei, Fristen in Gang gesetzt worden sein sollten. Das Schreiben habe auch keinen gesetzlichen Gebührentatbestand bezeichnet. Er wolle wissen, auf wessen Anordnung die Unterzeichnerin gehandelt habe.
7Mit Schreiben vom 1. Juni 2016 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Zahlungsaufforderung vom 3. Mai 2016 keine Kostenrechnung im Sinne des § 7a GNotKG oder § 5b GKG darstelle.
8Mit an den Kläger gerichtetem Schreiben vom 17. Juni 2016 erinnerte der Beklagte an die Zahlungsaufforderung vom 3. Mai 2016 und bestimmte eine Frist bis zum 15. Juli 2016.
9Mit Schreiben vom 12. Juli 2016 führte der Kläger aus, dass die Zahlungsaufforderung vom 3. Mai 2016 bislang nicht ordnungsgemäß begründet worden sei und daher rechtswidrig sein dürfte. Der darin enthaltene Verweis auf das Urteil vom 3. März 2016 lasse keinen Anspruch gegen sich erkennen. Die Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG seien nicht erfüllt gewesen und die Verschuldenskosten ihm nicht ordnungsgemäß auferlegt worden. Darüber hinaus handele es sich bei der Entscheidung vom 3. März 2016 um ein Nichturteil, das die Instanz nicht beendet habe, daher nicht in Rechtskraft erwachsen und ihn auch nicht zu einer Kostentragung verpflichten könne. Er bitte daher um erneute Überprüfung und Rücknahme der Kostenanforderung.
10Mit Schreiben vom 15. August 2016 erinnerte der Beklagte erneut an die Zahlung der Verschuldenskosten und bestimmte eine Frist bis zum 12. September 2016. Falls die Zahlung bis dahin nicht geleistet werde, würden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet.
11Mit Schreiben vom 16. August 2016 führte der Kläger im Wesentlichen aus, dass er mit dem Schreiben vom 12. Juli 2016 Widerspruch gegen die Kostenanforderung vom 3. Mai 2016 eingelegt habe, über den bisher nicht entschieden worden sei. Vor Bearbeitung des Widerspruchs sei von einer Vollstreckung abzusehen. Die Mahnung vom 15. August 2016 weise er zurück. Deren Verfasserin sei nicht zuständig gewesen und nicht mit „Kostenbeamtin“ bezeichnet worden. Ferner sei unklar, warum das Schreiben „Auf Anordnung“ ergangen sei.
12Zur Beitreibung der Verschuldenskosten wurde ein Zwangsvollstreckungsverfahren bei der Zentralen Zahlstelle Justiz eingeleitet (Az. 50 EÜB 205/16). Der Kläger zahlte den angeforderten Betrag am 6. März 2017.
13Am 2. Februar 2018 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Klage gegen die Zahlungsaufforderung vom 3. Mai 2016 (Az.: 3 K 644/18). Mit Beschluss vom 11. April 2019 erklärte das Gericht nach vorheriger Anhörung der Beteiligten den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies die Sache an das O., wo sie unter dem Aktenzeichen L 5 AR 19/19 geführt wird. Die vom Kläger gegen den Beschluss eingelegte Beschwerde verwarf das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch Beschluss vom 10. Mai 2019 (Az. 4 E 367/19).
14Mit an das O. gerichtetem Schreiben vom 4. Juli 2019 regte der Kläger an, zu überprüfen, „ob für den vom VG Gelsenkirchen verwiesenen Rechtsstreit die Rechtsprechung überhaupt zuständig ist“. Eine Erinnerung dürfte jedenfalls nicht zulässig sein. „Möglicherweise“ sei der Bezirksrevisor für die Entscheidung über seinen Widerspruch gegen die Zahlungsaufforderung vom 3. Mai 2016 zuständig, nicht das Gericht. Sofern dennoch das Gericht eine Entscheidung treffen wolle, möge darin die Herleitung der Zuständigkeit und des einschlägigen Rechtsbehelfs dargelegt werden.
15Aufgrund einer Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 8. Juli 2019 wurde die Sache beim 5. Senat des J. ausgetragen und an den Bezirksrevisor für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen abgegeben, wo sie in der Folge unter dem Aktenzeichen L E 432/02-568 geführt wurde.
16Der Bezirksrevisor teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29. November 2019 mit, dass mit der Abgabe an sich der Vorgang L 5 AR 19/19 im 5. Senat abgeschlossen sei. Eine Zuständigkeit des Bezirksrevisors sei indes nicht gegeben, weshalb er die Angelegenheit als erledigt ansehe. Die Akten wurden an den 5. Senat zurückgegeben.
17Mit an den Bezirksrevisor gerichtetem Schreiben vom 10. Dezember 2019 führte der Kläger aus, dass er diesen für zuständig halte, über seinen Widerspruch gegen die Zahlungsaufforderung vom 3. Mai 2016 zu entscheiden. Der Widerspruch möge nunmehr beschieden und dabei geklärt werden, ob die Zahlungsaufforderung rechtmäßig und zweckmäßig gewesen sei. Anschließend möge die Sache an den 5. Senat des J. zurückgegeben werden.
18Mit Schreiben vom 9. Januar 2020 teilte der Bezirksrevisor dem Kläger mit, dass es nach Würdigung des Vortrags des Klägers bei den Ausführungen im Schreiben vom 29. November 2019 verbleibe. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Schreiben vom 3. Mai 2016 um eine Verfügung der Kostenbeamtin handele, gegen die Widerspruch und Klage nicht zulässig seien.
19Mit an den Bezirksrevisor gerichtetem Schreiben vom 21. Januar 2020 führte der Kläger im Wesentlichen aus, dass er daran festhalte, dass der Bezirksrevisor für die Entscheidung über seinen Widerspruch zuständig sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass er Vorgesetzter der Kostenbeamtin sei, die das Schreiben vom 3. Mai 2016 verfasst habe. Die Zahlungsaufforderung, dessen Aufhebung er begehre, lasse keinen Kostenansatz im Sinne des § 4 Abs. 1 KostVfg erkennen, wobei Kosten nach § 192 SGG ohnehin gesondert zu behandeln seien. Es handele sich bei § 192 SGG um eine Schadensersatznorm. Verschuldenskosten nach der Vorschrift fielen nicht unter § 4 Abs. 1 KostVfg. Es handele sich um „sonstige Ansprüche“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 10 JBeitrG. Er gehe davon aus, dass die Kostenbeamtin nicht zuständig gewesen sei. Jedenfalls sei nicht eine Erinnerung statthaft gewesen, sondern ein Widerspruch. Der Bezirksrevisor möge prüfen, ob die Kostenbeamtin zuständig gewesen sei, und ggfs. auch eine Prüfung in der Sache vorzunehmen. Er bitte um Aufhebung der Zahlungsaufforderung vom 3. Mai 2016, damit er von der Zentralen Zahlstelle Justiz eine Erstattung verlangen könne.
20Mit Bescheid des Bezirksrevisors vom 19. Februar 2020 lehnte dieser unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 29. November 2019 eine Sachentscheidung über den Widerspruch des Klägers ab, da seine Zuständigkeit nicht gegeben sei. Der Bescheid wurde dem Kläger am 21. Februar 2020 zugestellt.
21Der Kläger hat am 4. März 2020 Klage erhoben und zur Begründung sein Vorbringen aus dem vorherigen Schriftverkehr mit dem O. und dem Bezirksrevisor wiederholt und vertieft. Im Wesentlichen hat der Kläger Folgendes vorgetragen: Die Rechtmäßigkeit der Zahlungsaufforderung vom 3. Mai 2016 solle überprüft werden. Diese weise schwere inhaltliche und formale Mängel auf. Die angewandte Kostenvorschrift werde nicht bezeichnet und es fehle eine Rechtsbehelfsbelehrung. Er habe daher Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eingereicht. Der dort ergangene Verweisungsbeschluss vom 11. April 2019 sei fehlerhaft gewesen, da das O. nicht zuständig sei. Es sei verkannt worden, dass er einen Bescheid der Kostenbeamtin angefochten habe, der nicht auf einer Vorschrift des Kostenrechts beruhe. Eine Erinnerung sei nicht statthaft gewesen. Nach seiner Auffassung habe es der Kostenbeamtin auch an der Zuständigkeit gefehlt, da das Urteil des J. vom 3. März 2016 keine Regelung zu den Gerichtskosten enthalte und es sich bei Missbrauchskosten um pauschalierten Schadensersatz handele. Außerdem lägen aufseiten des Beklagten wohl „Vertretungsmängel“ vor. Er habe die Klage ausdrücklich gegen das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Bezirksrevisor gerichtet.
22In der Klageschrift hat der Kläger ausgeführt, dass er beabsichtige, zu beantragen, den Bescheid des Bezirksrevisors vom 19. Februar 2020 aufzuheben und den Bezirksrevisor zu verpflichten, seinen „Widerspruch vom 06.05.2016 gegen den Leistungsbescheid der Kostenbeamtin vom 3. Mai 2016 formgerecht mit Abhilfebescheid, bzw. Widerspruchsbescheid zu bescheiden“, „ggf. soll der Leistungsbescheid vom 03.05.2016 aufgehoben werden“.
23Der Kläger beantragt nunmehr,
24die Kostenanforderung vom 3. Mai 2016 („Leistungsbescheid“) aufzuheben,
25hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, hinsichtlich der Kostenanforderung vom 3. Mai 2016 eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen, die angewandten Kostenvorschriften zu bezeichnen und zu prüfen, ob nach dem Urteil des J. Nordrhein-Westfalen vom 3. März 2016 überhaupt ein Schadensersatzanspruch gegen den Kläger festgestellt ist und deshalb eine Kostenverfügung überhaupt zu erlassen war.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Zur Begründung seines Klageabweisungsbegehrens hat der Beklagte im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Das Urteil vom 3. März 2016 sei einschließlich der Kostenentscheidung rechtskräftig geworden. Der Bescheid vom 19. Februar 2020 sei rechtmäßig. Der Bezirksrevisor habe zu Recht seine Unzuständigkeit festgestellt. Bei vom Gericht auferlegten Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG handele es sich um Gerichtskosten im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrG, die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle durch eine Kostenrechnung (§§ 4, 24 KostVfG) festgesetzt würden. Gegen den Ansatz dieser Kosten durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle sei gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrG das Rechtsmittel der Erinnerung gegeben. Hinsichtlich der Vorschriften, nach denen die Erinnerung zu behandeln sei (§ 66 GKG bzw. § 189 SGG), würden unterschiedliche Auffassungen vertreten, jedenfalls sei aber nicht der Bezirksrevisor bzw. der Beklagte zur Entscheidung über die Erinnerung berufen. Entsprechende Entscheidungen oblägen nach den genannten gesetzlichen Grundlagen vielmehr dem Richter. Für die Entscheidung über das von dem Kläger eingelegte und von ihm wiederholt als „Widerspruch" bezeichnete Rechtsmittel gegen den mit Schreiben vom 3. Mai 2016 erfolgten Kostenansatz sei der Bezirksrevisor somit nicht zuständig gewesen, weshalb eine verfahrensabschließende Entscheidung in Form eines Widerspruchsbescheides nicht habe ergehen können. Soweit die Klage auf eine Verpflichtung zum Erlass eines Abhilfe- bzw. Widerspruchsbescheides gerichtet sei, sei sie bereits unzulässig. Es sei schon nicht ersichtlich, dass der Verwaltungsrechtsweg insoweit eröffnet sei, weshalb auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die Sache seinerzeit an das O. verwiesen habe. Darüber hinaus sei eine Untätigkeitsklage weder zulässig noch begründet. Zum einen liege bereits keine entsprechende Untätigkeit vor, wie schon der Bescheid vom 19. Februar 2020 zeige. Zum anderen bestehe keine Zuständigkeit des Beklagten im Hinblick auf eine verfahrensabschließende Entscheidung über das von dem Kläger gegen den Kostenansatz vom 3. Mai 2016 eingelegte Rechtsmittel. Soweit die Klage auf Aufhebung des Kostenansatzes vom 3. Mai 2016 gerichtet sei, könne sie ebenfalls keinen Erfolg haben. Das Begehren des Klägers sei bereits Gegenstand des vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen an das O. verwiesenen Rechtsstreits und könne daher vom Kläger nicht zulässig erneut geltend gemacht werden. Das Verfahren L 5 AR 19/19 sei – auch wenn es aufgrund der Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 8. Juli 2019 und der Abgabe an den Bezirksrevisor zunächst ausgetragen worden sei – beim O. noch anhängig.
29Die Kammer hat das Verfahren durch Beschluss vom 5. Januar 2024 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Sitzungsprotokoll vom 9. Februar 2024 sowie den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakte des Beklagten Bezug genommen.
31Entscheidungsgründe:
32Die Klage hat insgesamt keinen Erfolg.
33Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, nicht mehr sicher zu sein, ob der Bezirksrevisor für eine Entscheidung über seine Einwendungen gegen die Zahlungsaufforderung vom 3. Mai 2016 zuständig sei, und davon ausgehend nur noch die aus dem Sitzungsprotokoll und dem Tatbestand ersichtlichen Anträge gestellt. Das Gericht hat daher nur noch über diese Anträge zu entscheiden. Ein mit der Klageschrift schriftsätzlich gestellter Antrag ist nämlich insoweit ein lediglich angekündigter, als es dem Kläger grundsätzlich unbenommen ist, zu einem späteren Zeitpunkt – etwa, wie hier, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – einen anderen, inhaltlich abweichenden Antrag zu stellen.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. August 2010 – 18 A 2928/09 –, juris, Rn. 3.
35Darin, dass der Kläger von den ersten beiden in der Klageschrift angekündigten Anträgen abgerückt ist und diese nicht mehr zur Entscheidung gestellt hat, liegt eine diesbezügliche konkludente Teil-Klagerücknahme, weshalb das Verfahren insoweit entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen war. Eines gesonderten Einstellungsbeschlusses bedurfte es dafür nicht. Vielmehr bleiben die Einstellung des Verfahrens und die Kostenentscheidung bei einer Teilrücknahme grundsätzlich dem abschließenden Urteil in dem weiter anhängigen Verfahren vorbehalten; dies gebietet die Einheitlichkeit der Kostenentscheidung.
36Vgl. Peters/Axer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 92 Rn. 84.
37Hinsichtlich des vom Kläger gestellten Hilfsantrags kommt es zudem auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 91 VwGO an. Auch wenn schriftsätzlich gestellte Anträge – wie bereits ausgeführt – „nur“ angekündigte Anträge sind, sind sie nicht etwa unerheblich, sondern wirksam und für das weitere Verfahren von maßgeblicher Bedeutung. Kommt es etwa zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, so ist der (angekündigte) Antrag der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen, falls er nicht vorher vom Kläger geändert wird. Im Falle einer Änderung des (angekündigten) Klageantrags – und damit erst recht bei Stellung eines nicht im Voraus angekündigten Antrags in der mündlichen Verhandlung – ist der geänderte bzw. nicht zuvor angekündigte Antrag zudem an den Voraussetzungen für eine Klageänderung zu messen.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. August 2010 – 18 A 2928/09 –, juris, Rn. 3 f. m.w.N.
39Ist damit von einer Klageänderung auszugehen, ist diese vorliegend aber als sachdienlich und damit zulässig anzusehen. Sachdienlich im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Klageänderung regelmäßig dann, wenn sie die Möglichkeit bietet, den Streitstoff zwischen den Beteiligten endgültig zu bereinigen und keine erhebliche Verzögerung des ansonsten entscheidungsreifen Rechtsstreits nach sich zieht. Dies ist anzunehmen, wenn der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und die Zulassung die endgültige Beilegung des Streites fördert und einen neuen Prozess vermeidet. Das Gericht wird im Sinne der Prozessökonomie die Sachdienlichkeit regelmäßig zunächst dann bejahen können, wenn sich die eigentliche Beurteilungslage nicht oder doch nur unwesentlich geändert hat. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die Klageänderung diesen endgültig klären kann. Wird neuer Streitstoff eingeführt, kann die Prozesswirtschaftlichkeit dennoch gegeben sein, wenn das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden kann. Dies kann vor allem dann gegeben sein, wenn kein völlig neuer Streitstoff zur Entscheidung gestellt und der thematische Kern der bereits zuvor formulierten Frage nicht modifiziert wird. Ob dies Fall ist, hängt von den besonderen Gegebenheiten des Einzelfalls ab und lässt sich nicht allgemeingültig festlegen.
40Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. September 2019 – 15 A 2751/15 –, juris, Rn. 52; Wolff/Decker, in: BeckOK-VwGO, 67. Ed. Stand 1. Oktober 2023, § 91 Rn. 27 m.w.N.
41Dies zugrunde gelegt, ist hier die Sachdienlichkeit zu bejahen, da kein völlig neuer Streitstoff zur Entscheidung gestellt und die endgültige Beilegung des Streites gefördert wird, ohne dass damit eine Verzögerung des Rechtsstreits einherginge.
42Der Verwaltungsrechtsweg ist für die demnach zulässig zur Entscheidung gestellten Anträge nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Zwar ist für die vom Kläger in der Sache erhobenen Einwendungen gegen die Zahlungsaufforderung vom 3. Mai 2016 an sich das Rechtsmittel der Erinnerung gegeben. Dass und warum dies der Fall ist, hat der Beklagte in seinem Klageerwiderungsschriftsatz vom 23. April 2020 (dort S. 3 f.) zutreffend dargelegt, weshalb auf die Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen wird. Der Kläger will seine Eingabe hier jedoch ausdrücklich nicht als Erinnerung verstanden und behandelt wissen. Vielmehr wollte er sich von Anfang an mit den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfen Widerspruch und Klage gegen die Zahlungsaufforderung vom 3. Mai 2016 zur Wehr setzen und hier eine Aufhebung (gerade) durch das Verwaltungsgericht erwirken. Einer solchen Klage liegt damit ein anderes Begehren zugrunde als einer Erinnerung (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrG), was – in Übereinstimmung mit der Rechtauffassung des Beklagten – unzulässig sein mag. Die Entscheidung, dass eine solche, beim Verwaltungsgericht dennoch erhobene Klage unzulässig ist, ist jedoch im Verwaltungsrechtsweg zu treffen.
43Entgegen der Auffassung des Klägers ist richtiger Klagegegner das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Präsidenten des J. (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in Verbindung mit A. I. Nr. 1. lit. d Vertretungsordnung JM NRW). Ein Fall der Vertretung durch den Bezirksrevisor nach A. I. Nr. 2. lit. a (1) (bb) Vertretungsordnung JM NRW liegt schon deshalb nicht vor, weil der Kläger gerade kein –ohnehin in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallendes – Verfahren nach § 8 Abs. 1 JBeitrG betreiben, sondern eine Aufhebung der Kostenanforderung vom 3. Mai 2016 durch das Verwaltungsgericht erreichen will.
44Die Klage ist mit dem Hauptantrag jedoch schon wegen anderweitiger Rechtshängigkeit gem. § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG unzulässig. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG kann die Sache während der Rechtshängigkeit von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Dies gilt nicht nur innerhalb eines Rechtswegs, sondern auch – wie vorliegend – im Verhältnis der Rechtswege untereinander. Doppelprozesse und divergierende Gerichtsentscheidungen sollen dadurch vermieden werden. Die anderweitige Rechtshängigkeit ist ein Prozesshindernis. Stellt sich für ein Gericht heraus, dass eine Streitsache bereits rechtshängig ist, muss es die Klage durch Prozessurteil abweisen, und zwar selbst dann, wenn es den zuerst beschrittenen Rechtsweg für nicht eröffnet hält. Eine Verweisung an das zuerst angerufene Gericht scheidet aus. Ansonsten würde bei diesem eine doppelte Rechtshängigkeit eintreten.
45Vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 17 GVG Rn. 23 m.w.N.; Gerhold, in: BeckOK-GVG, 21. Ed. Stand 15. November 2023, § 17 GVG Rn. 11 m.w.N.
46Die Rechtswegsperre des § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG gilt nur, wenn dieselbe Sache bereits bei einem anderen Gericht rechtshängig ist. Um dieselbe Sache in diesem Sinne handelt es sich dann, wenn der Streitgegenstand der Klagen identisch ist, wobei sich der Streitgegenstand aus einer Zusammenschau der Angabe des Gegenstandes der Klageschrift, des Grundes des erhobenen Anspruchs und des in der Klageschrift gestellten Antrags ergibt. Eine Identität ist auch dann zu bejahen, wenn das jeweilige Klagebegehren unterschiedlich formuliert wird, dem Inhalt nach aber jeweils auf keine andere Entscheidung hinwirkt.
47Vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 17 GVG Rn. 24 m.w.N.
48Davon ausgehend steht schon die nach dem Schriftsatz des Beklagten vom 5. Februar 2024 fortbestehende Rechtshängigkeit des sozialgerichtlichen Verfahrens L 5 AR 19/19, das wie die vorliegende Klage auf Abwehr der Zahlungsaufforderung vom 3. Mai 2016 gerichtet ist, der Zulässigkeit des Hauptantrags entgegen. Der Kläger ist gehalten, seine Einwendungen gegen die Zahlungsaufforderung im dortigen Verfahren weiter zu verfolgen. Nicht entscheidungstragend weist das Gericht ergänzend darauf hin, dass auch dann, wenn die Sache nicht anderweitig rechtshängig wäre, von einer Unzulässigkeit des Hauptantrags auszugehen wäre. Denn die Einwendungen des Klägers gehören – wie bereits ausgeführt – der Sache nach in das vollstreckungsrechtliche Erinnerungsverfahren, weshalb jedenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren auf Aufhebung der Zahlungsaufforderung besteht. Schließlich dürfte die Klage, selbst wenn man entgegen der Auffassung des Beklagten Widerspruch und Anfechtungsklage gegen entsprechende Kostenanforderungen grundsätzlich für statthaft hielte, jedenfalls wegen Verfristung unzulässig sein, da der Kläger die Klage nicht innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, sondern erst mehrere Jahre nach Ergehen der Zahlungsaufforderung erhoben hat. Der von ihm erhobene Widerspruch dürfte nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 110 Abs. 1 Satz 1 JustG NRW unstatthaft gewesen sein.
49Da die Klage nach dem Vorstehenden mit dem Hauptantrag keinen Erfolg hat, war auch über den Hilfsantrag zu entscheiden. Auch insoweit ist die Klage bereits unzulässig.
50Es kann – was von der Frage der Identität des Streitgegenstands abhängt – offenbleiben, ob dies, soweit der Hilfsantrag auf Verurteilung des Beklagten zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung und Angabe der angewandten Kostenvorschriften gerichtet ist, ebenfalls schon aus der fortbestehenden Rechtshängigkeit des sozialgerichtlichen Verfahrens L 5 AR 19/19 folgt. Denn es fehlt jedenfalls an der entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis. Diese setzt voraus, dass der Kläger die Möglichkeit eines Anspruchs auf das begehrte Verwaltungshandeln geltend machen kann. Dabei ist die Klagebefugnis (nur) zu verneinen, wenn ein Anspruch von vornherein ausgeschlossen erscheint.
51Letzteres ist hier der Fall. Eine Norm, aus der sich ein subjektives Recht auf Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung oder Nennung der angewandten Kostenvorschriften ergeben könnte, hat der Kläger nicht genannt und ist für das Gericht auch nicht ersichtlich. Die Folgen einer fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung hat der Gesetzgeber für das verwaltungsgerichtliche Verfahren in § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO normiert; für ein darüber hinausgehendes einklagbares Recht auf Erteilung einer solchen ist indes nichts ersichtlich. Für das Fehlen einer Angabe der angewandten Vorschriften gilt nichts anderes. Insofern könnte allenfalls ein Begründungsmangel vorliegen, der indes im Erinnerungsverfahren geltend zu machen wäre.
52Soweit der Kläger mit dem Hilfsantrag eine Prüfung der Frage begehrt, ob er aufgrund der Entscheidung des J. vom 3. März 2016 überhaupt Verschuldenskosten schuldet und diese daher von ihm anzufordern waren, versteht das Gericht das Begehren unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags dahingehend, dass es auf eine verwaltungsgerichtliche Prüfung dieser Frage abzielt, nicht aber – was vom Wortlaut des Antrags gedeckt wäre, aber nicht zielführend erscheint und ebenfalls unzulässig wäre – auf eine Verurteilung des Beklagten zur dortigen Vornahme dieser Prüfung. Der so verstandene Antrag des Klägers ist jedoch gleichfalls unzulässig. Die Auferlegung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG kann, sofern sie – wie hier – durch Urteil erfolgt, (nur) zusammen mit der Hauptsacheentscheidung im Sozialrechtsweg angegriffen werden,
53vgl. Krauß, in: BeckOGK, Stand 1. November 2023, § 192 SGG Rn. 68,
54sodass für ein diesbezügliches verwaltungsgerichtliches Verfahren von vornherein kein Raum besteht. Greift der Betroffene – wie hier – die Auferlegung der Verschuldenskosten nicht auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg an und erhebt später, nachdem die Kosten von ihm angefordert wurden, Einwendungen, die den beizutreibenden Anspruch selbst betreffen, sind diese im Erinnerungsverfahren geltend zu machen (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrG), weshalb auch insoweit eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle nicht infrage kommt.
55Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 VwGO, soweit die Klage (konkludent) zurückgenommen wurde; im Übrigen aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.