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Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. April 2021 verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag vom 19. November 2020 eine Erlaubnis für den Einsatz von dreifachverglasten Kunststofffenstern an dem Gebäude in der Y.-straße N01 in J. zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger war vom 2. März 1984 Eigentümer des Grundstücks in J., Gemarkung J., Flur 6, Flurstück 15, Y.-straße N01. Eigentümer ist nunmehr sein Sohn. Der Kläger und seine Ehefrau sind Inhaber eines Nießbrauchrechts an dem Grundstück, das zusammen mit dem angrenzenden Flurstück 16 (Y.-straße N02) mit einem zweigeschossigen Doppelhaus bebaut ist, das nach der Denkmalwertbeurteilung des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege aus dem Jahr 1983 in unveränderter Form die für die Zeit vor dem 1. Weltkrieg (1900 – 1914) typische spätklassizistische Architekturtendenz aufzeigt, die sich auf den spätbarocken Klassizismus vom Ende des 18. Jahrhunderts beruft und eine Gegenströmung zum Jugendstil zeigt. Es bildet städtebaulich den Auftakt zu einer Reihe von für J. charakteristischen Kurpensionen und villenartigen Wohnhäusern. Das Haus ist aus bauhistorischen und städtebaulichen Gründen für J. von Bedeutung und daher schützens- und erhaltenswert.
3Die Beklagte trug das Gebäude im Juli 1984 in ihre Denkmalliste ein. Nach der Begründung über die Eintragung war das Doppelhaus noch gut – mit Ausnahme der veränderten Fenster – aus der Bauzeit erhalten geblieben.
42020 veranlasste der Kläger die Ersetzung mehrerer Fenster durch Kunststofffenster mit Dreifachverglasung, woraufhin die Beklagte die Weiterarbeit untersagte und dem Kläger anbot, die Kosten für traditionelle (handwerkliche) Holzfenster unmittelbar zu fördern, insbesondere mögliche Mehrkosten in Gänze zu tragen.
5Am 19. November 2020 stellte der Kläger einen Antrag auf Erteilung einer denkmalrechtlichen Erlaubnis zum Austausch der Fenster in der Haushälfte Nr. N01. Die Kosten hierfür gab er mit ca. 40.000,00 € an.
6Mit Bescheid vom 26. April 2021, dem Kläger am 27. April 2021 zugestellt, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Die Fenster seien in ihrer Anordnung und konkreten Ausführungsart Teil der denkmalwerten neuklassizistischen Bauweise nach dem ersten Weltkrieg, der hier architektonischer Denkmalwert zukomme. Es bestünden bauphysikalische Bedenken gegen die geplante Dreifachverglasung. Die Anforderungen an die DIN 4108-2: Mindestanforderungen an Wärmeschutz, hier insbesondere Wärmebrücken, seien nicht gegeben. Durch die beantragte Ausführungsart stellten sich hier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Schäden an der geschützten Bausubstanz (durch Kondensatausfall) ein. Insofern greife die beantragte Maßnahme über den Eingriff in die geschützte Fenstersubstanz hinaus und steigere sich zur Gefahr für das Denkmal. Da der Kläger keine weiteren flankierenden Maßnahmen plane, und der bautechnische Nachweis der schadlosen Durchführung der Maßnahme fernerhin auch nicht vollständig erbracht worden sei, sei auch die Erlaubniserteilung unter Beifügung von Nebenbestimmungen („Auflagen“) nicht in Betracht gekommen. Darüber hinaus sei auch das Erscheinungsbild des Denkmals beeinträchtigt. Der Einbau von Kunststofffenstern widerspreche auch dem Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes in Europa. Dieses fordere Erhaltungsmaßnahmen durch die Anwendung traditioneller Fertigkeiten und Werkstoffe.
7Hiergegen richtet sich die am 27. Mai 2021 erhobene Klage.
8Der Kläger trägt vor, 1984/1985 seien alle Fenster erneuert und ausschließlich Kunststofffenster eingebaut worden. Das Gebäude Y.-straße N02 habe 2010 und 2011 neue Holzfenster erhalten. Auf die Fenster des Gebäudes gestützte Bedenken könnten eine Versagung der Erlaubnis schon deshalb nicht rechtfertigen, weil die Fenster bei der Unterschutzstellung keine Rolle gespielt hätten. Ihnen käme keine prägende Bedeutung zu. Insbesondere genüge die pauschale Aussage, ein Gebäude würde aus architekturhistorischen Gründen unter Denkmalschutz gestellt, nicht, um zu ergründen, welche Teile des Gebäudes wofür Zeugnis ablegen sollen und welche Aussage ihnen jeweils zugesprochen werde. Der Text der Denkmaleintragung mache deutlich, dass das Doppelhaus nicht auch wegen der Fenster, sondern trotz der inzwischen veränderten Fenster unter Schutz gestellt worden sei. Eine prägende Bedeutung der Fenster für den Denkmalschutz des Gebäudes ergebe sich weder aus dem Bescheid über die Unterschutzstellung noch überhaupt aus den Umständen, etwa der Relevanz der Fenster für den neuklassizistischen Baustil. Deshalb sei es auch nicht erforderlich, bei der Instandhaltung des Gebäudes für die Fenster auf historische Materialien zurückzugreifen. Ferner sei eine Substanzgefährdung bei einem Austausch von vorhandenen Kunststofffenstern von Zweifach- hin zu einer Dreifachverglasung nicht zu befürchten.
9Der Kläger beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung deren Bescheides vom 26. April 2021 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 19. November 2020 die begehrte denkmalrechtliche Erlaubnis für den Fensteraustausch am Baudenkmal Haushälfte Y.-straße N01 in J. in Form von dreifachverglasten Kunststofffenstern zu erteilen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
14Die Beklagte nimmt Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und trägt ergänzend vor, die Fenster seien in ihrer Anordnung und konkreten Ausführungsart Teil der denkmalwerten neuklassizistischen Bauweise nach dem ersten Weltkrieg, sodass auch den Fenstern ein architekturhistorischer Denkmalwert zukomme. Die hier streitgegenständliche Haushälfte Nr. N01 sei bei der Unterschutzstellung noch in unveränderter Weise erhalten gewesen. Lediglich die Haushälfte Nr. N02 habe über veränderte Fenster verfügt. In der streitgegenständlichen Haushälfte Nr. N01 seien seit 1984 keine Veränderungen erlaubt worden. Deshalb sei hier der denkmalgerechte ursprüngliche Zustand wie er zum Zeitpunkt der Eintragung vorgelegen habe als Maßstab heranzuziehen. In Altbauten, gerade auch in denkmalgeschützten Gebäuden, bestehe eine erhöhte Gefahr von Kondenswasserbildung, wenn eine Dreifachverglasung eingebaut werde.
15Der Beigeladene trägt vor, die Fenster seien als konstitutives Element wörtlich im Eintragungstext genannt. Ob – auch im konstitutiven Eintragungstext – weitere Anforderungen an den Eintragungstext hinsichtlich Ausführungsdetails zu stellen seine, erscheine fraglich. Was die energetische Ertüchtigung und das klägerische Interesse hieran angehe, könne dies unter Berücksichtigung des § 9 Abs. 3 Satz 2 des Denkmalschutzgesetzes (DSchG NRW) jedenfalls nicht zu einem einzelfallunabhängigen Überwiegen privater Interessen contra die „Gründe des Denkmalschutzes“ nach Satz 1 der Vorschrift führen.
16Mit Beschluss vom 14. Mai 2024 hat die Kammer das Verfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, der anlässlich eines am 9. August 2024 durchgeführten Orts- und Erörterungstermins das Baudenkmal von außen und ein 2020 ausgetauschtes Fenster in der Wohnung in Augenschein genommen hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die Terminsniederschrift verwiesen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Satz 1 2. Fall der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Klage des Klägers ist begründet.
20Der Bescheid der Beklagten vom 26. April 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat nach § 9 Abs. 3 Satz 1 DSchG NRW in der seit dem 1. Juni 2022 geltenden Fassung einen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zum Ersetzen der Fenster des Hauses in der Y.-straße N01 in J. durch dreifachverglaste Kunststofffenster.
21Gemäß § 9 Abs. 3 DSchG NRW ist die Erlaubnis nach den Absätzen 1 und 2 zu erteilen, wenn Belange des Denkmalschutzes nicht entgegenstehen oder ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt. Bei der Entscheidung sind insbesondere auch die Belange des Wohnungsbaus, des Klimas, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie der Barrierefreiheit angemessen zu berücksichtigen.
22§ 9 DSchG NRW in der seit dem 1. Juni 2022 geltenden Fassung ist hier anzuwenden (I.). Eine Erlaubnis nach § 9 Abs. 1 Satz 1 DSchG NRW ist hier für den beantragten Einsatz von dreifachverglasten Kunststofffenstern in dem Gebäude in der Y.-straße N01 erforderlich (II.). Die Voraussetzungen für eine Erteilung einer Erlaubnis nach § 9 Abs. 3 DSchG NRW liegen vor (III.).
23I.
24Ein Kläger hat im verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit mit einem Verpflichtungsbegehren nur dann Erfolg, wenn er im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung wegen der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes und einer daraus resultierenden Rechtsverletzung einen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes oder auf Neubescheidung hat. Denn Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist nicht die Feststellung, dass der Verwaltungsakt, in dem die Ablehnung nach außen Gestalt gefunden hat, rechtswidrig ist, sondern die Feststellung, dass die Weigerung der Behörde in dem für das Verpflichtungsbegehren entscheidenden Zeitpunkt, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, die Rechtsordnung verletzt.
25Vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Mai 2007 – 3 C 8.06 –, juris, Rn. 18, vom 11. Februar 1999 – 2 C 4.98 –, juris, Rn. 18, und vom 24. Januar 1992 – 7 C 24.91 –, juris, Rn. 8; Riese, in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 45. EL, Januar 2024, § 113 VwGO, Rn. 236.
26Ob ein solcher Anspruch besteht, d. h. ob die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts wegen eines dem Kläger zustehenden Anspruchs rechtswidrig ist, beurteilt sich allein nach dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage oder eines Anspruchs selbst zu entnehmen sind, sondern auch die Antwort auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Dies ist durch Auslegung der maßgeblichen Norm zu ermitteln. Bei Rechtsänderungen sind vor allem Übergangsregelungen zu beachten. In der Regel wird es, sofern dem materiellen Recht keine entgegenstehende Regelung zu entnehmen ist, auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung ankommen.
27Vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Dezember 2014 – 4 C 33.13 –, juris, Rn. 18, und vom 11. Februar 1999 – 2 C 4.98 –, juris, Rn. 18; Riese, in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 45. EL, Januar 2024, § 113 VwGO, Rn. 236, m.w.N.
28Eine Übergangsregelung normiert hier § 43 Abs. 2 DSchG NRW n.F. Danach sind die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes – zum 1. Juni 2022 – eingeleiteten Verfahren nach dem zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Verfahren (gemeint wohl Vorschriften) fortzuführen und abzuschließen. Abweichend von Satz 1 können die Eigentümerin oder der Eigentümer sowie die sonstigen Nutzungsberechtigten eines Denkmals die Anwendung dieses Gesetzes anstelle des zur Zeit der Antragstellung geltenden Rechts beantragen.
29Ob die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 1 DSchG NRW n.F. sich nur auf eingeleitete und noch nicht nach § 9 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) durch Erlass eines Verwaltungsaktes oder Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages abgeschlossene Verwaltungsverfahren bezieht oder sich auch auf anschließende Klageverfahren erstreckt, kann hier dahingestellt bleiben, denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er eine Beurteilung seines Antrags vom 19. November 2020 nach der neue Rechtslage begehrt und damit einen Antrag nach § 43 Abs. 2 Satz 2 DSchG NRW gestellt.
30II.
31Nach § 9 Abs. 1 DSchG NRW bedarf unter anderem die Veränderung eines Baudenkmals oder seines Teils der Erlaubnis der Unteren Denkmalbehörde. Instandsetzungsarbeiten bedürfen keiner Genehmigung, wenn sie sich nur auf Teile des Denkmals auswirken, die für seinen Denkmalwert ohne Bedeutung sind.
32Der Begriff „Veränderung“ ist, ausgehend von Sinn und Zweck des präventiven Verbots, weit zu verstehen. Hierunter fallen sämtliche – auch geringfügige – Maßnahmen, durch die der bestehende Zustand optisch oder substanziell verändert wird, und zwar auch dann, wenn dieser nicht der historische Originalzustand ist.
33Vgl. VG Köln, Urteil vom 26. Juni 2013 – 4 K 2699/12 –, juris, Rn. 25; Davydov, in: Davydov, Hönes, Ringbeck, Stellhorn, Denkmalschutzgesetz NRW, 6. Aufl., § 9, Rn. 10.
34Da es der Sinn und Zweck des Denkmalschutzes nicht erfordert, Veränderung einem präventiven Verbot zu unterwerfen, wenn die Veränderung sich nur auf Teile des Denkmals auswirken, die für seinen Denkmalwert ohne Bedeutung sind, sind entsprechende Instandsetzungsarbeiten nach § 9 Abs. 1 Satz 2 DSchG NRW nicht erlaubnispflichtig.
35Der hier geplante und teilweise schon ausgeführte Austausch der Fenster ist und wäre eine Veränderung und nicht nur eine Instandsetzung, weil sowohl mit dem ausgewählten Material Kunststoff als auch der Dreifachverglasung der Zustand des Baudenkmals sowohl optisch als auch substanziell verändert würden. Hierbei ist es nicht von Belang, dass Kunststofffenster durch Kunststofffenster ersetzt werden. Maßstab für die Beurteilung einer Veränderung ist der historische Originalzustand, weil der bisherige Zustand eines Denkmals nicht immer denkmalgerecht sein muss und ein berechtigtes Interesse daran bestehen kann, Missstände aus der Vergangenheit zu beseitigen.
36Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 29. September 2017 – 16 K 1581/16 –, juris, Rn. 44; Davydov, in: Davydov, Hönes, Ringbeck, Stellhorn, Denkmalschutzgesetz NRW, 6. Aufl., § 9, Rn. 11.
37III.
38Die Erlaubnis nach den Absätzen 1 und 2 ist gemäß § 9 Abs. 3 DSchG NRW zu erteilen, wenn Belange des Denkmalschutzes nicht entgegenstehen oder ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt. Bei der Entscheidung sind insbesondere auch die Belange des Wohnungsbaus, des Klimas, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie der Barrierefreiheit angemessen zu berücksichtigen.
39Ob ein überwiegendes öffentliches Interesse für den Einsatz dreifachverglaster Kunststofffenster vorliegt, kann dahingestellt bleiben (1.), da Belange des Denkmalschutzes dem beantragten Austausch nicht entgegenstehen (2.).
401.
41Zwar ist der Klimaschutz zu den – weit zu verstehenden – öffentlichen Interessen zu zählen
42– vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 28. Januar 2021 – 28 K 8208/19 –, juris, Rn. 44 –
43und nunmehr ausdrücklich in § 9 Abs. 3 Satz 2 DSchG NRW als Regelbeispiel der Belange aufgeführt, die zu berücksichtigen sind.
44Die Verankerung des Klimaschutzes und der weiteren Belange in § 9 Abs. 3 Satz 2 DSchG NRW im Gesetz begründet aber keinen Vorrang bei der Abwägung vor den Belangen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege. Denn der Denkmalschutz ist in Art. 18 Abs. 2 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen (LVerf NRW) unter den Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände gestellt.
45Vgl. LT-Drucksache 17/16518, Seite 51 f. zur Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum nordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetz.
46Vielmehr ist nach der gesetzlichen Neuregelung weiterhin erforderlichenfalls ein gerechter, den gesetzlichen Wertungen des § 9 Abs. 3 DSchG NRW folgender Ausgleich herzustellen.
47Vgl. zu § 9 Abs. 2 lit. b) DSchG NRW a.F. VG Düsseldorf, Urteil vom 28. Januar 2021 – 28 K 8208/19 –, juris, Rn. 48 f., m.w.N.; a.A. VG Düsseldorf, Urteil vom 30. November 2023 – 28 K 8865/22 –, juris, Rn. 21.
48Es ist zweifelhaft, ob der Einsatz dreifachverglaster Fenster in dem Gebäude in der Y.-straße N01 sich messbar auf die nationale oder gar globale Klimabilanz auswirken würde, so dass es an dem Merkmal des „Verlangens“, also der überwiegenden und dringlichen Verwirklichungspflicht fehlen dürfte. Zwar könnte aufgrund dieser isolierten Betrachtung ein messbarer Beitrag dreifachverglaster Fenster für den Klimaschutz für jedes einzelne Baudenkmal verneint werden, obwohl im Falle des Einsatzes von dreifachverglasten Fenstern in einer Vielzahl von Denkmälern, ein positiver Beitrag zur Klimabilanz möglicherweise entstünde. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass im Verhältnis zum Altbaubestand derart viele Gebäude unter Denkmalschutz stehen, deren Fenster ausgetauscht werden könnten, dass bei einer Gesamtbetrachtung aller Denkmäler ein öffentliches Interesse für ein einzelnes Denkmal angenommen werden könnte.
49Vgl. Statistisches Bundesamt, Spartenbericht Baukultur, Denkmalschutz und Denkmalpflege 2018, Seite 7, wonach die rund 660.000 Baudenkmäler am Gesamtgebäudebestand in Deutschland (22,1 Millionen) einen Anteil von 2,9 % ausmachten.
502.
51Das Ergebnis der nicht in das Ermessen der Denkmalbehörde gestellten Entscheidung über die Erlaubnis zur Veränderung eines Baudenkmals hängt von einer Abwägung aller für und gegen die Veränderung sprechenden Belange ab. Bei dem Merkmal „Belange des Denkmalschutzes“ handelt es sich um einen der vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Rechtsbegriff, der sich einer für jeden Einzelfall geltenden Maßstabsfestsetzung weitgehend entzieht. Die Belange des Denkmalschutzes lassen sich damit nicht in abstrakter, auf alle denkbaren Einzelfälle anwendbarer Form benennen, sondern müssen stets aus den Besonderheiten des zur Entscheidung stehenden konkreten Falles abgeleitet werden. Vorzunehmen ist eine von der Qualität des jeweils zu schützenden Denkmals abhängige Einzelfallprüfung, ob und inwieweit die Schutzziele und -zwecke des Denkmalschutzgesetzes durch die in Rede stehende Maßnahme konkret betroffen sind und gestört oder vereitelt werden könnten.
52Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10. Juni 2022 – 10 A 4789/19 –, juris, Rn. 45, vom 30. November 2021 – 10 A 3503/20 –, juris, Rn. 32, vom 17. August 2001 – 7 A 4207/00 –, juris, Rn. 17, und vom 3. September 1996 – 10 A 1453/92 –, juris, Rn. 15 sowie bezogen auf den Einbau von Fenstern OVG NRW, Beschluss vom 2. Oktober 2002 – 8 A 5546/00 –, juris, Rn. 5, und Urteil vom 23. April 1992 – 7 A 936/90 –, juris, Rn. 7.
53Dabei kommt den die Denkmaleigenschaft des jeweiligen Objektes begründenden Umständen maßgebliche Bedeutung zu, wie sich diese namentlich aus dem Inhalt der für die Eintragung als Denkmal gegebenen Begründung und dem hierauf aufbauenden Urteil eines sachverständigen Betrachters, ob und in welchem Umfang das Denkmal nach Substanz und/oder Erscheinungsbild betroffen wird, ergeben.
54Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juni 2023 – 10 B 1250/22 –, juris, Rn. 8, sowie Urteile vom 10. Juni 2022 – 10 A 4789/19 –, juris, Rn. 47, und vom 3. September 1996 – 10 A 1453/92 –, juris, Rn. 15.
55Dass eine Erlaubnis verweigert werden darf, wenn Gründe des Denkmalschutzes der Veränderung des Denkmals „entgegenstehen“, bedeutet, dass diese Gründe ein stärkeres Gewicht haben müssen als die für die Veränderung streitenden – regelmäßig privaten – Interessen. Nicht schon jede geringfügige Beeinträchtigung denkmalrechtlicher Belange kann deshalb unter dem Etikett entgegenstehender Gründe des Denkmalschutzes zur Verweigerung einer beantragten Erlaubnis für die Veränderung des Denkmals führen. Welchen Beeinträchtigungen Belange des Denkmalschutzes entgegenstehen, lässt sich nicht nach einem für alle Fallgestaltungen einheitlichen Maßstab bestimmen. Vielmehr sind die im Einzelfall erheblichen Umstände zu ermitteln, wobei auch eine Abwägung zwischen den Belangen des Denkmalschutzes und den in der Regel privaten Interessen, die für die erlaubnispflichtige Maßnahme streiten, zu erfolgen hat. Anders als bei der Entscheidung über die Unterschutzstellung – die unabhängig von privaten Interessen allein vom Denkmalwert der Sache bestimmt wird – soll § 9 DSchG NRW nämlich den Eigentümern von Denkmälern auf der zweiten Stufe bei der auf Dauer angelegten Erhaltung und Nutzung der Denkmäler eine flexible, profitable und zeitgerechte Nutzung ihres Eigentums im Rahmen des denkmalrechtlich Vertretbaren ermöglichen.
56Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juni 2023 – 10 B 1250/22 –, juris, Rn. 8, und Urteile vom 10. Juni 2022 – 10 A 4789/19 –, juris, Rn. 49, vom 23. September 2013 – 10 A 971/12 –, juris, Rn. 49, vom 17. August 2001 – 7 A 4207/00 –, juris, Rn. 17, vom 15. August 1997 – 7 A 133/95 –, juris, Rn. 35, vom 3. September 1996 – 10 A 1453/92 –, juris, Rn. 17 ff.
57Die Vorschrift soll wesentlich dazu beitragen, dass die in § 1 Abs. 1 DSchG NRW genannte Aufgabe des Denkmalschutzes, eine sinnvolle Nutzung der Denkmäler zu ermöglichen, erfüllt werden kann, um letztlich das Ziel der dauerhaften Erhaltung denkmalwerter Substanz entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung zu erreichen, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 DSchG NRW.
58Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10. Juni 2022 – 10 A 4789/19 –, juris, Rn. 51, vom 30. November 2021 – 10 A 3503/20 –, juris, Rn. 38, vom 16. Dezember 2014 – 7 A 1638/12 –, juris, Rn. 32, vom 23. September 2013 – 10 A 971/12 –, juris, Rn. 51, und vom 27. Juni 2000 – 8 A 4631/97 –, juris, Rn. 38.
59Ausgehend hiervon erfordern die Belange des Denkmalschutzes nicht abstrakt den Einsatz von Holzfenstern bei einem Baudenkmal im Falle eines Fensteraustauschs, wenn es sich bei Holz um den Originalbaustoff für die Fensterrahmen gehandelt hat, sondern maßgeblich ist die Bedeutung der Fenster für die Denkmalwertbegründung im jeweiligen Einzelfall.
60Vgl. hierzu insbesondere OVG NRW, Urteil vom 23. April 1992 – 7 A 936/90 –, juris, Leitsatz 2.
61Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass Belange des Denkmalschutzes dem Einsatz von dreifachverglasten Kunststofffenstern in dem Gebäude Y.-straße N01 in J. nicht entgegenstehen, weil die Fenster bei diesem Baudenkmal im Vergleich zu anderen denkmalrelevanten Merkmalen keine derart gewichtige Bedeutung haben, dass sie nicht einer Veränderung zugänglich wären, und die konkrete Ausführung auf das Erscheinungsbild des Denkmals angemessen Rücksicht nimmt (a), eine Gefährdung der Bausubstanz ausgeschlossen ist (b) und das Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes in Europa insoweit nicht von Relevanz ist (c).
62a)
63Die Fenster haben für den Denkmalwert des streitgegenständlichen Baudenkmals eine eher untergeordnete Bedeutung. Aus der Stellungnahme des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege aus dem Jahr 1983 geht nur in sehr allgemeiner Form hervor, dass das Doppelhaus die für die Zeit vor dem 1. Weltkrieg typische spätklassizistische Architekturtendenz aufzeigt. Welche Elemente des Gebäudes prägend für diese Architekturtendenz sind, wird in der Stellungnahme nicht ausgeführt. Auch aus der Denkmalwertbegründung lässt sich nicht schließen, dass die Fenster wesentlich zum Denkmalwert beitragen. Allein ihre Erwähnung lässt entgegen der Auffassung des Beigeladenen noch keine Aussage über das Ausmaß ihrer Denkmalwertbedeutung zu, zumal sie nach der Denkmalwertbegründung im Zeitpunkt der Eintragung bereits verändert waren. Vielmehr sind die am Anfang des Textes der Denkmalwertbegründung aufgeführten Merkmale offensichtlich für die neuklassizistische Ausprägung entscheidend, da sie sich an die klassischen Elemente vorangegangener Epochen anlehnen. Dies betrifft vor allem den Säulenportikus, die in dorischer Ordnung gegossenen Säulen, die Loggien im Giebelbereich des ausgebauten Dachkörpers und die Rundbögen. Auch ist bei dem streitgegenständlichen Denkmal nicht ersichtlich, wie sich in der Wahrnehmung weiße Kunststofffenster von weißen Holzfenstern in einer denkmalrelevanten Weise unterscheiden. Eine fachlich brauchbare Einschätzung des Beigeladenen zu diesem Aspekt hat dieser im gesamten gerichtlichen Verfahren nicht abgegeben, sondern nur allgemein auf die Bedeutung von Fenstern für ein Denkmal abgestellt („Fenster als Augen des Hauses“). Dieser Einschätzung ist aber nicht zu folgen, weil maßgeblich ist, ob bei einem Einsatz von Kunststofffenstern beim konkret betroffenen Denkmal dessen für den Denkmalwert relevanter Gesamteindruck und dessen Identität im Wesentlichen erhalten bleiben, was hier der Fall ist, was insbesondere auch der Vergleich zwischen den Gebäudehälften Nr. N02 und Nr. N01 unter Berücksichtigung der in den Akten vorhandenen Bildaufnahmen und dem gewonnenen Eindruck während des Ortstermins zeigt, solange die Fensteröffnungen nicht verändert werden und die Fensterrahmen sich farblich einfügen, was hier zutrifft, da die bereits 2020 eingesetzten Fenster dies belegen. Das Baudenkmal bleibt ohne Abstriche auch mit Kunststofffenstern dieser Ausführung ein Zeugnis der spätklassizistischen Architekturtendenz der Zeit vor dem 1. Weltkrieg und die aus der Stellungnahme des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege aus dem Jahr 1983 ersichtliche städtebauliche Bedeutung bleibt uneingeschränkt erkennbar und erhalten.
64Im Hinblick auf die Geringfügigkeit der mit dem Vorhaben des Klägers einhergehenden Beeinträchtigung des streitgegenständlichen Denkmals überwiegt sein schutzwürdiges privates Interesse an dem Einsatz energetisch höherwertiger, wartungsärmerer und wetterbeständiger Kunststofffenster gegenüber den Belangen der Denkmalpflege, das Baudenkmal mit Holzfenstern in Bezug auf den zu verwendenden Baustoff möglichst originalgetreu zu erhalten.
65b)
66Das Baudenkmal wird durch den Einbau dreifachverglaster Fenster auch nicht in einem bestandsgefährdenden Umfang beeinträchtigt sein. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sich im Fensterbereich bei unzureichendem oder falschem Lüften Kondenswasser bilden kann. Anhaltspunkte dafür, dass es hierzu bislang bei den bereits 2020 ausgetauschten Fenstern gekommen ist, liegen nicht vor. Der anlässlich des durchgeführten Ortstermins befragte Mieter der Wohnung, in der 2020 ein dreifachverglastes Kunststofffenster eingebaut wurde, konnte weder Kondenswasser-, geschweige denn eine Schimmelbildung, bestätigen. Die mit Kondenswasserentstehung einhergehende Gefahr der Schimmelbildung kann sich jedoch nicht substanzgefährdend auf das Baudenkmal auswirken, zumal der Eigentümer zur Sicherung des Denkmals verpflichtet ist und die Beklagte nach § 7 Abs. 2 DSchG NRW Sicherungsanordnungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 DSchG NRW treffen kann. Die in § 7 Abs. 1 Satz 1 DSchG normierte Erhaltungspflicht hat verschiedene, in dieser Vorschrift genannte Ausprägungen. Die Eigentümer und sonstigen Nutzungsberechtigten sind nicht nur verpflichtet, ihre Baudenkmäler durch sachgemäße Behandlung vor zukünftigen Schäden zu schützen, sondern müssen es auch instand setzen und vorhandene Schäden beseitigen. Dies schließt grundsätzlich auch die Pflicht zu einer fachgerechten Sanierung des Denkmals ein.
67Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2007 – 10 A 3453/06 –, juris, Rn. 4; Davydov, in: Davydov, Hönes, Ringbeck, Stellhorn, Denkmalschutzgesetz NRW, 6. Aufl., § 7 Rn. 5.
68Etwaige Gefahren sind hierdurch für das Denkmal ausgeschlossen, wenn die Beklagte nach dem Einbau dreifachverglaster Kunststofffenster Zustandsbesichtigungen vornimmt und gegebenenfalls erforderliche Sanierungsmaßnahmen durchsetzt.
69c)
70Aus den im Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes in Europa vom 3. Oktober 1985 geregelten Pflichten der Vertragsstaaten ergeben sich keine unmittelbar bindenden Verpflichtungen für Denkmaleigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte. Dies gilt auch für Art. 10 Nr. 5 des Übereinkommens, auf den sich die Beklagte beruft, wonach sich jede Vertragspartei verpflichtet, integrierte Erhaltungsmaßnahmen zu treffen, welche die Anwendung von Entwicklung traditioneller Fertigkeiten und Werkstoffe wegen ihrer wesentlichen Bedeutung für die Zukunft des architektonischen Erbes fördern. Die Regelung normiert eine Förderpflicht der Vertragsparteien. Eine darüberhinausgehende Verpflichtung unmittelbar für Denkmaleigentümer oder sonstige Nutzungsberechtigte enthält die Bestimmung nicht.
71Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Beklagten gemäß § 162 Abs. 3 VwGO die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser die angefochtene Entscheidung der Beklagten verteidigt hat und damit materiell mit unterlegen ist. Ferner hat er sich durch Verzicht auf einen eigenen Sachantrag keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO.
72Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO der Zivilprozessordnung (ZPO).