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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Art und Höhe leistet.
Tatbestand:
2Die Beklagte erteilte dem Ehemann der Klägerin am 20. Juni 2017 eine Baugenehmigung für mehrere Gartenhütten als Unterstand für die zu haltenden Hunde und eine ca. 1,95 m hohe Einzäunung auf dem Grundstück in der Gemarkung G01 Flur 10, Flurstück 434, im O.-straße 2 in U., das seit 2018 im Alleineigentum der Klägerin steht. Als Auflage gab die Beklagte dem Ehemann der Klägerin unter anderem auf, alle Annahmen und Berechnungsgrundlagen des den Bauunterlagen beigefügten schalltechnischen Gutachtens einzuhalten. Das Gutachten beruhte auf der Annahme der Haltung von 4 Rüden und 10 Hündinnen auf dem Gelände. Vorgesehen waren 3 bis 4 Würfe pro Jahr. Pro Wurf könne von durchschnittlich 4 Welpen ausgegangen werden.
3Nach dem Vermerk einer Mitarbeiterin der Beklagten vom 26. November 2020 hätten sie und eine weitere Mitarbeiterin der Beklagten anlässlich eines Ortstermins 22 Hunde und ca. 20 Welpen auf dem klägerischen Grundstück gezählt. In der Folgezeit verhandelten die Beteiligten über Maßnahmen zur Reduzierung des Hundebestandes.
4Am 7. Februar 2022 stellten die Klägerin und ihr Ehemann einen Antrag auf Erteilung einer Nutzungsänderungsgenehmigung der Hundezwingeranlage und Errichtung baulicher Anlagen zur Minderung der Schallimmissionen. Die Betriebsbeschreibung sah vor, dass weiterhin 14 zuchtfähige Hunde in der Anlage gehalten werden. Zusätzlich sollten zukünftig 21 Hunde als „private Hunde“ gehalten werden.
5Anlässlich eines Ortstermins im April 2022 stellte der für den Kreis Y. tätige Veterinär, L., 30 Hunde auf dem Grundstück O.-straße 2 in U. fest und äußerte in einer anschließenden Stellungnahme erhebliche Bedenken gegen die beabsichtigte Nutzungsänderung und die damit verbundene Erweiterung der Hundehaltung.
6Die Beklagte teilte der Klägerin und deren Ehemann mit, dass die Haltung von 30 oder mehr Hunden auf dem Grundstück O.-straße 2 baurechtlich nicht zulässig sei und kündigte den Erlass einer Bauordnungsverfügung mit der Aufforderung zur Reduzierung der Anzahl der Hunde an und gab ihnen die Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen.
7Der Kreis Y. widerrief mit Bescheid vom 31. Mai 2023 die dem Ehemann der Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 8 Tierschutzgesetz (TierSchG) zum Züchten von Sibirien Huskys erteilte Erlaubnis vom 18. November 2018, untersagte die gewerbliche Zucht mit sofortiger Wirkung und ordnete die sofortige Vollziehung an. Hiergegen erhob dieser Klage (10 K 1506/23) und stellte einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (10 L 546/23), den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. August 2023 ablehnte.
8Mit Bauordnungsverfügung vom 14. Juni 2022 untersagte die Beklagte der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die dauerhafte Nutzung des Grundstücks O.-straße 2 zur Haltung von mehr als 2 „privaten Hunden“ sowie zum regelmäßigen Aufenthalt von „Besuchshunden“ mit einer Fristsetzung von 5 Monaten und drohte ihr die Verhängung eines Zwangsgeldes an.
9Hiergegen richtet sich die am 5. Juli 2022 erhobene Klage.
10Mit Bescheid vom 13. Februar 2023 setzte die Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 € fest und forderte Auslagen in Höhe von 3,50 € (Vollzugsverfügung). Zugleich gab sie der Klägerin auf (Ordnungsverfügung), der ursprünglichen Ordnungsverfügung innerhalb von 5 Monaten nach Zustellung dieser Verfügung nachzukommen. Konkret bedeute dies, die Zahl der gehaltenen Hunde auf bis zu 14 Zuchthunde und 2 „private Hunde“ auf dem Grundstück zu reduzieren. Zudem drohte die Beklagte die Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 8.000,00 € an, sollte die Klägerin dieser Aufforderung nicht oder nicht in ausreichendem Maße nachkommen.
11Die Klägerin hat am 15. Februar 2022 die Klage gegen diesen Bescheid erweitert.
12Im Rahmen eines Vergleichs zur Beilegung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens verlängerte die Beklagte die Frist in der Ordnungsverfügung vom 13. Februar 2023 auf 5 Monate nach Abschluss des Hauptsachverfahrens in der ersten Instanz.
13Der Berichterstatter hat einen Ortstermin durchgeführt. Hierbei wurden 47 Hunde auf dem Grundstück O.-straße 2 festgestellt.
14Die Klägerin trägt vor, für eine Anordnung dieser Art gebe es keine Rechtsgrundlage. Die Verfügung sei zudem unbestimmt. So sei nicht erkennbar bzw. nachvollziehbar, was ein „privater Hund“ sein solle oder um was es sich bei einem „Besuchshund“ handeln solle. Die Beklagte sei der Auffassung, von den „privaten Hunden“ gehe ein erhebliches „Störpotenzial“ aus, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise dazu berechtige, anzunehmen, dass es sich nicht mehr um eine eigentlich zulässige Kleintierhaltung als Annex zum Wohnen handele. Aus einer schallschutztechnischen Untersuchung der DEKRA Automobil GmbH ergebe sich jedoch, dass die Richtwerte an sämtlichen Immissionsorten, die in der Nachbarschaft untersucht bzw. betrachtet worden seien, sicher eingehalten werden könnten. Ein Verbot, „Besuchshunde“ für die Zeit des Besuchs zu beherbergen, sie in jedem Fall rechtswidrig, weil für eine solche Anordnung eine Rechtsgrundlage ersichtlich nicht bestehe. Eine solche Anordnung verstoße im Übrigen auch gegen Grundrechte, weil auf diese Art und Weise faktisch verboten wäre, dass sie Besuch mit Hundebegleitung empfangen dürfte.
15Die Klägerin beantragt,
16die Bauordnungsverfügung mit Androhung von Zwangsgeld vom 14. Juni 2022 sowie den Bescheid vom 13. Februar 2023 aufzuheben.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagte trägt vor, die angefochtene Bauordnungsverfügung vom 14. Juni 2022 sei hinsichtlich der Begriffe „privater Hund“ bzw. „Besuchshund“ nicht unbestimmt. Von Klägerseite selbst würden diese Begriffe zur Unterscheidung der gewerblichen Zuchthunde von den weiteren gehaltenen Hunden und den Hunden anderer Eigentümer verwendet. Auch in dem von den Eheleuten I. eingereichten Bauantrag (Verfahren 9 K 1955/22) werde die Bezeichnung „privater Hund“ von ihnen verwendet (siehe formlose Betriebsbeschreibung). In der Vergangenheit hätten die Eheleute zu den bei unangemeldeten Besuchen gezählten Hunden vorgetragen, dass sich „Besuchshunde“ auf dem Gelände aufhielten. Da z.B. bei einer dieser Zählungen (7. April 2022) keine Personen angetroffen worden seien, jedoch „Besuchshunde“ anwesend gewesen sein sollen, sei nicht auszuschließen, dass es sich um eine vorgeschobene Darstellung handele. Insofern sei der Zusatz zur Verhinderung der Umgehung und zur Klarstellung erforderlich. Die Verfügung, dass der regelmäßige Aufenthalt von „Besuchshunden“ untersagt werde, sei aufgrund der im Verfahren gemachten Einlassungen der Eheleute erforderlich, um Umgehungen der Beschränkung des Grundstücks zur Hundehaltung zu verhindern.
20Mit Beschluss vom 16. November 2023 hat die Kammer das Verfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
21Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Klage ist unbegründet.
24Die Bauordnungsverfügung mit Androhung von Zwangsgeld vom 14. Juni 2022 (I.) sowie der Bescheid vom 13. Februar 2023 (II.) sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
25I.
26Die Bauordnungsverfügung, mit der die Beklagte der Klägerin die dauerhafte Nutzung des Grundstücks O.-straße 2 zur Haltung von mehr als 2 „privaten Hunden“ sowie zum regelmäßigen Aufenthalt von „Besuchshunden“ untersagt (1.), sowie die Zwangsgeldandrohung (2.) sind rechtmäßig.
271.
28Die angeordnete Nutzungsuntersagung, die auf § 82 Abs. 1 Satz 2 der Bauordnung Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) als Ermächtigungsgrundlage fußt, ist formell (1.1.) und materiell (1.2.) rechtmäßig.
291.1.
30Die Nutzungsuntersagung ist insgesamt formell rechtmäßig, insbesondere hinreichend bestimmt.
31Gemäß § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts, insbesondere nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und dem mit ihm verfolgten Zweck.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 41.87 –, juris, Rn. 29, und Beschluss vom 13. Oktober 2010 – 7 B 50/10 –, juris, Rn. 8
33Ob ein Verwaltungsakt diese hinreichende Bestimmtheit besitzt, ist durch Auslegung seines verfügenden Teils im Zusammenhang mit den Gründen und sonstigen den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Umständen festzustellen.
34Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, juris, Rn. 38, und vom 16. Oktober 2013 – 8 C 21.12 –, juris, Rn. 14.
35Ausreichend ist, dass das mit der Maßnahme zu verfolgende Ziel hinreichend bestimmt ist.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2011 – 7 E 1386/10 –, juris, Rn. 5.
37Diesen Anforderungen wird die Nutzungsuntersagung hier gerecht. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin und ihr Ehemann selbst in der Vergangenheit zwischen Hunden in der gewerblichen Zucht, „privaten Hunden“ und „Besuchshunden“ differenziert haben und ihnen damit klar ist, dass im Hinblick auf den genehmigten Umfang der Haltung von 10 Hündinnen und 4 Rüden sowie den dazugehörigen Welpen sämtliche darüber hinausgehenden Hunde auf dem Grundstück „private Hunde“ sind, soweit sie im Eigentum der Klägerin oder ihres Ehemannes stehen und von ihnen als solche deklariert werden oder „Besuchshunde“ sind, wenn sie im Eigentum oder Besitz Dritter stehen und von diesen oder anderen Personen zeitlich begrenzt auf das klägerische Grundstück gebracht werden. Was mit „regelmäßiger Aufenthalt“ von Besuchshunden gemeint ist, ergibt sich aus der Begründung der angefochtenen Bauordnungsverfügung. Auf Seite 4 hat die Beklagte diese Formulierung hinreichend bestimmt definiert, da sie auf einen mehr oder weniger durchgängigen Aufenthalt der „Besuchshunde“ auf dem Grundstück aus Sicht eines objektiven Dritten abgestellt hat. Aus dieser Formulierung wird für die Klägerin hinreichend deutlich erkennbar, dass der sozial übliche, nicht tägliche, kurzzeitige Besuch einer Person mit ihrem Hund, der je nach Anlass auch mehrere Stunden umfassen kann, noch nicht zu einem „mehr oder weniger durchgängigen Aufenthalt“ zählt.
381.2.
39Auch materiell erweist sich die Nutzungsuntersagung als rechtmäßig.
40Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Überprüfung der verfügten Nutzungsuntersagung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Eine Nutzungsuntersagungsverfügung beinhaltet nicht nur das Gebot, die beanstandete Nutzung (einmalig) einzustellen, sondern auch das Verbot, auf Dauer dieselbe oder eine vergleichbare Nutzung dort wieder aufzunehmen. Weiterhin handelt es sich um eine mit der Androhung eines Zwangsgeldes verbundene Ermessensentscheidung der Behörde. Somit ist in Fällen dieser Art die Rechtmäßigkeit der Verfügung weiter unter Kontrolle zu behalten, sodass nicht auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist.
41Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 1995 – 11 A 2734/93 –, juris, Rn. 9 ff.; OVG Sa.-Anh., Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 L 73/11 –, juris, Rn. 34 m.w.N.
42Nach § 58 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW haben die Bauaufsichtsbehörden in Wahrnehmung der Aufgaben, bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. § 82 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW sieht vor, dass die Bauaufsichtsbehörde die Nutzung untersagen kann, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften in diesem Sinne gehören unter anderem die §§ 60 ff. BauO NRW, denen zufolge bestimmte Vorhaben der Einholung einer Baugenehmigung bedürfen. Wird ein solches genehmigungsbedürftiges Vorhaben ohne die erforderliche Genehmigung durchgeführt, hat die Behörde ein Einschreiten zu erwägen.
43a)
44Die Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten sind hier gegeben.
45Gemäß § 60 Abs. 1 BauO NRW bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung der Baugenehmigung, soweit in den §§ 61 bis 63, 78 und 79 nichts anderes bestimmt ist.
46aa)
47Die Nutzung des Grundstücks O.-straße 2 zur Tierhaltung und Tierzucht bedarf einer Genehmigung, die die Beklagte für die Haltung von 4 Rüden und 10 Hündinnen sowie Welpen, ausgehend von 3 bis 4 Würfen im Jahr, erteilte. Auf dem Grundstück werden jedoch deutlich mehr Hunde als die genehmigte Anzahl der Hunde für die Zucht gehalten, die die Klägerin und ihr Ehemann überwiegend als „private Hunde“ und teilweise als „Besuchshunde“ in der Vergangenheit deklarierten. Es handelt sich hierbei auch nicht mehr um Welpen, deren Haltung von der Baugenehmigung für die gewerbliche Nutzung zur Zucht gedeckt wäre, sondern um Junghunde im Alter von mittlerweile über einem Jahr, teilweise sogar über zwei Jahre. Die Haltung von Hunden, auf die sich die erteilte Baugenehmigung nicht erstreckt, ist ohne eine entsprechende Baugenehmigung für die gewerbliche Nutzung formell rechtswidrig, aber auch materiell rechtswidrig, weil weder die Klägerin noch ihr Ehemann derzeit über eine entsprechende tierschutzrechtliche Genehmigung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 lit. a) TierSchG verfügen.
48bb)
49Die Haltung von mehr als 2 „privaten Hunden“ und der regelmäßige Aufenthalt von „Besuchshunden“ ist hier auch nicht von der Baugenehmigung zur Wohnnutzung gedeckt.
50Eine Haltung von Kleintieren, die nicht in Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO), sondern traditionell und häufig zusammen mit den Tierhaltern in den Wohnräumen stattfindet, ist regelmäßig von der Baugenehmigung zur Wohnnutzung gedeckt und damit formell legal. Diese Art der Nutzung von zum Wohnen genehmigten Räumen auch für die Haltung von Haustieren ist von der Genehmigung zur Wohnnutzung gedeckt, solange die Tierhaltung nicht gewerblich motiviert und dem Wohnen zu- und untergeordnet ist. Denn die Zulässigkeit dieser Tierhaltung ist Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit, die den Einzelnen im Rahmen der Gesetze berechtigt, das Wohnen als bedeutenden Teil seiner Existenz nach seinen Vorstellungen zu gestalten, mit der Folge, dass diese Form der Tierhaltung in der Regel nicht bauordnungsrechtlich untersagt werden kann.
51Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2016 – 10 A 985/14 –, juris, Rn. 37; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17. Dezember 2019 – 8 S 2711/19 –, juris, Rn. 36.
52Anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die betreffende Tierhaltung in den Wohnräumen gewerblich motiviert ist und/oder das Wohnen gegenüber der Tierhaltung in den Hintergrund tritt, weil – etwa aufgrund der Anzahl der gehaltenen Tiere und Tierarten – die Wohnräume überwiegend für diese Tierhaltung in Anspruch genommen werden. Ob eine Tierhaltung in Wohnräumen in diesem Sinne dem Wohnen nicht mehr zu- und untergeordnet ist, muss ebenfalls anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls festgestellt werden.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2016 – 10 A 985/14 –, juris, Rn. 38.
54Die Haltung von zwei Hunden in Nebenanlagen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, also vor allem in Zwingern, im Freien ist in der Regel ebenfalls von der Baugenehmigung der Wohnnutzung noch gedeckt.
55Vgl. hierzu Nieders. OVG, Beschluss vom 19. November 2008 – 1 ME 233/08 –, juris, Rn. 12 f., m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17. Dezember 2019 – 8 S 2711/19 –, juris, Rn. 39.
56Werden die Hunde überwiegend in den Wohnräumen gehalten und der Gartenbereich nur für deren zeitweisen Auslauf genutzt, kann auch die Haltung von drei Hunden noch von der Baugenehmigung zu Wohnzwecken gedeckt sein, da eine Hundehaltung in Wohnräumen regelmäßig ein deutlich geringeres Störpotenzial aufweist als eine Zwingerhaltung im Freien. Besteht ein Wohngebäude aus mehreren Wohneinheiten, kann die Haltung auch noch weiterer Hunde auf dem Grundstück zulässig sein, da für die Frage, ob eine Hundehaltung noch als Hobby- oder Freizeittierhaltung qualifiziert werden kann, nicht allein auf das Grundstück, sondern auf die Nutzungseinheiten abzustellen ist.
57VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17. Dezember 2019 – 8 S 2711/19 –, juris, Rn. 39.
58Dieselben Erwägungen gelten entsprechend für Hunde, die von Besuchern mitgeführt werden. Eine Baugenehmigung zur Wohnnutzung erstreckt sich neben der Haltung eigener Hunde nach den dargelegten Maßstäben auch auf Hunde, die von Besuchern mitgeführt werden und nur zeitweilig auf dem Grundstück verweilen. Hiervon nicht mehr umfasst ist jedoch der „mehr oder weniger durchgängige Aufenthalt von Besuchshunden“, den die Beklagte der Klägerin untersagt hat, wenn es sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht mehr um einen der Wohnnutzung untergeordneten Aufenthalt von fremden Hunden üblicherweise zusammen mit den jeweiligen Besuchspersonen in der eigenen Wohnung oder auf dem eigenen Grundstück außerhalb der Wohnung handelt.
59Ausgehend hiervon ist eine Haltung von mehr als 2 „privaten Hunden“ und von „Besuchshunden“, wie sie die Beklagte definiert hat, auf dem klägerischen Grundstück in den Wohnräumen und im Außengelände dem Wohnen nicht mehr untergeordnet, weil eine Trennung zu den gewerblich gehaltenen Hunden weder der Rasse der Hunde noch der Art und Weise der Haltung nach durchgehend hinreichend sichergestellt ist. Bei sämtlichen Hunden der Klägerin auf dem Grundstück handelt es sich um Siberian Huskys. Die „privaten Hunde“ stammen aus der Zucht und werden lediglich aufgrund der gescheiterten Veräußerung der Welpen oder weil veräußerte Hunde wieder „zurückgenommen“ wurden, als „private Hunde“ deklariert. Durch die Haltung von sogenannten „privaten Hunden“ in dem hier vorliegenden Umfang wird damit die Begrenzung der genehmigten Anzahl der der Zucht zugeordneten Hunde umgangen. Eine andere Beurteilung könnte geboten sein, wenn auf dem klägerischen Grundstück keine Hundezucht mehr betrieben wird. Doch auch dann wäre die Anzahl der derzeit gehalten „privaten Hunden“ deutlich zu hoch. Aus den vorliegenden Berichten von Mitarbeitern der Beklagten und des Kreises Y. über durchgeführte Ortsbesichtigungen geht nicht hervor, dass es sich bei den „Besuchshunden“ um Hunde anderer Rassen als Huskys handelt, so dass auch insoweit eine Umgehung der Anzahl der gewerblich erlaubten Hunde naheliegt und damit eine Vermengung mit gewerblichen Motiven vorliegt, die ebenfalls aufgrund der Gesamtumstände den regelmäßigen Aufenthalt von Hunden von Besuchspersonen, wie ihn die Beklagte definiert hat, als von der Baugenehmigung zur Wohnnutzung umfasst hier ausschließt.
60b)
61Gegen die formell und materiell illegale Nutzung ist die Beklagte auch ermessensfehlerfrei eingeschritten. Sie hat ausweislich ihrer Ordnungsverfügung ihren Entscheidungsspielraum hinsichtlich des „Ob“ und „Wie“ eines Einschreitens erkannt und ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten, vgl. § 40 des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW (VwVfG NRW). Insbesondere trägt die angeordnete Nutzungsuntersagung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung.
62Für eine Nutzungsuntersagung reicht grundsätzlich schon die formelle Rechtswidrigkeit der Nutzung, also das bloße Fehlen einer Baugenehmigung. Eine (auch) auf die formelle Illegalität gegründete Nutzungsuntersagung stellt sich grundsätzlich selbst dann als verhältnismäßig dar, wenn das Vorhaben genehmigungsfähig ist. Das gilt auch für den Fall, dass ein entsprechender Bauantrag unverzüglich nach Kenntnis der Genehmigungspflichtigkeit des Vorhabens gestellt worden ist. Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn dieser – nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde – offensichtlich genehmigungsfähig ist und der Erteilung der Baugenehmigung auch sonst keine Hindernisse entgegenstehen.
63Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Februar 2014 – 2 A 1181/13 –, juris, Rn. 9 ff., vom 1. August 2019 – 10 B 813/19 –, juris, Rn. 6 f., und vom 9. Februar 2022 – 2 B 1964/21 –, juris, Rn. 19.
64Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Ein Bauantrag der Klägerin liegt nicht vor und wäre wohl bereits aufgrund der tierschutzrechtlichen Problematik nicht positiv zu bescheiden.
65Die Nutzungsuntersagung ist auch ansonsten verhältnismäßig. Der bei der Ermessensausübung zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert, dass eine Maßnahme zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist, sowie dass die Belastung des Betroffenen in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Interessen steht. Das ist hier der Fall.
66Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen die Geeignetheit des verfügten Nutzungsverbots. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Geeignetheit der Ordnungsverfügung ist der mit ihr angestrebte Zweck. Ziel bauordnungsbehördlichen Handelns hat es zu sein, baurechtswidrige Zustände zu beseitigen. Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus der bauaufsichtlichen Eingriffsnorm, die gerade die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften sicherstellen soll.
67Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. August 2005 – 10 A 4694/03 –, juris, Rn. 73 ff., und 8. März 2012 – 10 A 214/10 –, juris, Rn. 52.
68Die Maßnahme ist auch angemessen zur Beseitigung baurechtswidriger sowie mit dem Tierschutz nicht zu vereinbarender Zustände.
692.
70Auch die Androhung des Zwangsgeldes in Höhe 5.000 € ist rechtmäßig. Sie beruht auf §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1, 63 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Es ist nicht ersichtlich, dass die Zwangsgeldandrohung mit einem rechtlichen Fehler behaftet ist. Etwas anderes hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht.
71II.
72Die Festsetzung eines Zwangsgeldes und Erhebung von Auslagen (1.) sowie die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes (2.) in dem Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2022 sind rechtmäßig.
731.
74Die Festsetzung des Zwangsgeldes und Erhebung von Auslagen in Höhe von 5.000,00 € findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 64 Satz 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 VwVG NRW.
75Nach § 55 Abs. 1 VwVG NRW kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln – hier einem Zwangsgeld, §§ 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 VwVG NRW – durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Gemäß § 64 Satz 1 VwVG NRW setzt die Vollzugsbehörde das Zwangsmittel fest, wenn eine Verpflichtung innerhalb einer Frist, die in der Androhung bestimmt ist, nicht erfüllt wird.
76Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage sind gegeben. Dabei ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung grundsätzlich auf die behördliche Sicht im Zeitpunkt des Erlasses des Zwangsmittelbescheides („ex ante“) abzustellen.
77Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14.03.2013 – 2 B 219/13 –, juris, Rn. 13.
78Der Verwaltungszwang ist zunächst allgemein zulässig, weil ihm mit der Verfügung der Beklagten vom 14. Juni 2022 ein vollstreckbarer Grundverwaltungsakt im Sinne von § 55 Abs. 1 VwVG NRW zugrunde liegt.
79Die gegen diesen Verwaltungsakt erhobene Klage hat keine aufschiebende Wirkung, weil die Beklagte die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Die Klägerin kam bis zum Zeitpunkt des Erlasses der nunmehr angegriffenen Zwangsgeldfestsetzung der Bauordnungsverfügung vom 14. Juni 2022 nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist von 5 Monaten nach.
80Das Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 € ist auch entsprechend der Androhung festgesetzt worden (§ 64 Satz 1 VwVG NRW). Es hält sich in dem durch § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW vorgegebenen Rahmen (mindestens 10 € und höchstens 100.000 €) und berücksichtigt nach § 60 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Nichtbefolgung des unanfechtbaren Grundverwaltungsaktes, da die Reduzierung der gehaltenen Hunde mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist. Ferner steht das festgesetzte Zwangsgeld nach § 58 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Zweck.
81Die Erhebung einer Auslage in Höhe von 3,50 € ist aufgrund der Zustellung der angefochtenen Ordnungsverfügung nicht zu beanstanden. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW werden für Amtshandlungen nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW Kosten (Gebühren und Auslagen) nach näherer Bestimmung einer Ausführungsverordnung VwVG Nordrhein-Westfalen (VO VwVG NRW) von dem Vollstreckungsschuldner oder dem Pflichtigen erhoben. Zu den Auslagen gehören nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VO VwVG NRW insbesondere die Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen.
822.
83Ebenso ist die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 8.000,00 € rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1 und 63 VwVG NRW. Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 VwVG NRW kann das Zwangsmittel beliebig oft wiederholt und gegebenenfalls auch erhöht werden, bis der angestrebte Zweck erreicht ist. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden.
84Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
85Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).