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Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin auf ihren Antrag vom 6. April 2020 hin den Bauvorbescheid vom 13. August 2003 zur Errichtung eines Wohngebäudes mit zwei Wohneinheiten auf ihrem Grundstück Gemarkung D., Flur 2, Flurstück 1383 in N. für eine in ihr Ermessen gestellte Dauer zu verlängern.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Verlängerung eines ihr erteilten Bauvorbescheids für die Errichtung eines Wohngebäudes mit zwei Wohneinheiten im T. Ortsteil I..
3Sie ist Eigentümerin des bislang unbebauten Grundstücks Gemarkung D. Flur 2, Flurstück 1383. Das Grundstück ist ein sog. Pfeifenkopfgrundstück, dessen größerer östlicher Grundstücksteil – er macht rund 630 m² der Gesamtgrundstücksfläche von 769 m² aus – im rückwärtigen Bereich liegt und das nur mit seinem rund 50 m langen und nicht einmal 3 m breiten westlichen Teil mit einem leichten Trichter an den westlich verlaufenden C.-straße grenzt.
4Die Klägerin ist zudem Eigentümerin des südwestlich des Vorhabengrundstücks, d. h. südlich des „Pfeifenstiels“, gelegenen Grundstücks Gemarkung D. Flur 2, Flurstück 1924 (H.-straße N01), das mit seiner südlichen Grundstücksseite an die H.-straße Straße und mit seiner Westseite an den C.-straße angrenzt, und zudem Miteigentümerin des östlich an das Flurstück 1924 und südwestlich an das Vorhabengrundstück angrenzenden Grundstücks Flurstück 1923 (H.-straße Straße 95).
5Hinsichtlich dieser drei Grundstücke sind wechselseitig verschiedene Baulasten im Baulastenverzeichnis der Stadt N. eingetragen. So besteht zugunsten des Vorhabengrundstücks ein Wegerecht für das im Alleineigentum der Klägerin stehende Grundstück H.-straße Straße N01 (Flurstück 1924). Die mit dem Wegerecht belastete Fläche ist in einem Lageplan (grün) eingezeichnet und verläuft mit einer Breite von 3 m auf dem nördlichen Teil des Grundstücks 1924 quer von der Grundstücksgrenze im Osten zum C.-straße. Des Weiteren ist zugunsten des Vorhabengrundstücks und zu Lasten des Grundstücks 1923 (H.-straße Straße 95) ein Wegerecht verzeichnet, bei dem die betroffene Fläche ebenfalls durch einen Lageplan näher konkretisiert ist und sich in der Nordwestecke des Grundstücks 1923 befindet.
6Der C.-straße, an den das Vorhabengrundstück mit dem „Pfeifenstiel“ angrenzt, zweigt in nördliche Richtung von der in diesem Bereich von West nach Ost verlaufenden H.-straße Straße ab. Er führt zunächst rund 240 m nach Norden, kreuzt die P.-straße und knickt nach weiteren 85 m nach Westen ab. Nach gut 55 m macht er eine weitere Kurve und verläuft dann weiter in Richtung Norden, wo er nach 110 m endet. In seinem – hier maßgeblichen – ersten, südlichen Teil verläuft der C.-straße im Wesentlichen auf der nicht im (Allein-) Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Wegeparzelle 217. Eigentümer der Wegeparzelle 217 sind neben der Beklagten, die zu 1/9 Eigentümerin ist, derzeit 45 Personen zu unterschiedlichen, teils sehr kleinen (u.a. 1/270) Eigentumsanteilen.
7Am 27. November 1978, veröffentlicht in den lokalen Tageszeitungen „Neue Westfälische“ und „Westfalen Blatt“ am 4. Dezember 1978, verfügte die Beklagte die Widmung diverser Straßen als Gemeindestraßen für den öffentlichen Verkehr. Unter diesen Straßen wird auch die Straße „C.-straße“ ohne weitere Einschränkungen oder Beschränkungen aufgeführt. Der Bekanntmachung war am Ende der Zusatz „Gegen die Widmung kann innerhalb eines Monats nach dem Tage der öffentlichen Bekanntmachung Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Oberstadtdirektor der Stadt N. – Bauverwaltungsamt – […] einzulegen.“ angefügt.
8Am 28. Dezember 1978 rief ein Herr V. im Auftrag eines Herrn J., eines zum damaligen Zeitpunkt Miteigentümers des Flurstücks 217, bei der Beklagten an und teilte ausweislich eines entsprechenden Vermerks der Beklagten mit, dass Herr Z. Miteigentümer des G.-straße sei und dieser darauf hinweise, dass er mit der Widmung nicht einverstanden sei. Nachdem der Mitarbeiter der Beklagten Herrn V. erklärt hatte, dass „die Widmung mangels Zustimmung des Eigentümers nicht rechtswirksam werden könne“, bat Herr V. um eine schriftliche Bestätigung. Anhand der Unterlagen des Katasteramtes sind – so heißt es in dem Vermerk weiter – die Eigentumsverhältnisse überprüft worden und diese Prüfung ergab, dass der C.-straße (Gemarkung D. Flur 2, Flurstück 217) im Eigentum von Herrn J. steht.
9Ausweislich einer entsprechenden Verfügung im Verwaltungsvorgang erging sodann unter dem 9. Januar 1979 die gewünschte schriftliche Bestätigung. In dieser heißt es:
10„Am 04.12.1978 ist in den T. Tageszeitungen die Widmung des O.-straße öffentlich bekannt gemacht worden. Daraufhin rief mich am 28.12.1978 Herr V. an, um mir in Ihrem Auftrag mitzuteilen, daß sich der C.-straße noch in Ihrem Privateigentum befinde. Ich darf Ihnen hiermit bestätigen, was ich dazu bereits auch Herrn V. gesagt habe:
11Bei der Vielzahl von Straßen im neuen Stadtgebiet, von denen ich festgestellt habe, daß sie noch nicht gewidmet waren, konnte nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, daß irrtümlich auch einmal eine Straße erfaßt wurde, die noch im Privateigentum steht. Für solche privaten Straßen kann eine Widmung aber nur rechtswirksam werden, wenn der Eigentümer ihr ausdrücklich zugestimmt hat.
12Diese Zustimmung ist Widmungsvoraussetzung. Da Sie nachweislich nicht zugestimmt haben, brauchen Sie keine rechtlichen Nachteile zu befürchte[n.]
13Die Folge der fehlenden Zustimmung ist, daß der C.-straße seine bisherige Eigenschaft als Privatstraße behält.“
14Weitere behördliche Maßnahmen zu dem C.-straße erfolgten dann nicht.
15Mit Antrag vom 29. Juli 2001 – eingegangen bei der Beklagte am 30. Juli 2001 – beantragte die Klägerin die Erteilung eines Bauvorbescheids zu der Frage:
16„Kann das Flurstück 1383 mit einem Wohngebäude (2 WE) einschließlich erforderlicher Stellplätze bebaut werden? Die Erschließung erfolgt über den C.-straße.“
17Diesem Antrag gab die Beklagte zunächst statt. Den am 1. August 2001 erteilen Bauvorbescheid hob aber die Bezirksregierung als Widerspruchsbehörde auf einen Widerspruch einer Nachbarin hin wieder auf. Im Rahmen der dagegen erhobenen Klage der Klägerin verpflichtete sich die Beklagte dann allerdings in einem in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Minden am 3. April 2003 geschlossenen Vergleich, nach einer Änderung der Bauvoranfrage durch die Klägerin – die Zufahrt sollte wie in den Baulasten dargestellt teilweise über das südlich angrenzende ebenfalls im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück H.-straße Straße N01 (Flurstück 1924) erfolgen – einen Bauvorbescheid zu erteilen. Beteiligte des damaligen Klageverfahrens war neben den Beteiligten dieses Verfahrens u.a. auch noch die damalige Eigentümerin des westlich des Pfeifenkopfs und nördlich des Pfeifenstiels des Vorhabengrundstücks liegenden Grundstücks C.-straße 4 (Gemarkung D. Flur 2, Flurstück 626). Die Eigentümerin dieses Grundstücks verpflichtete sich in dem Vergleich vom 3. April 2023 unter Ziff. 2
18„gegen eine Bebauungsgenehmigung zur Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses mit zwei Stellplätzen bzw. Garagen auf dem Grundstück 1383 keinen Widerspruch [zu] erheben.“
19Unter dem 13. August 2003 erteilte die Beklagte entsprechend der im Vergleich übernommenen Verpflichtung einen positiven Bauvorbescheid zur „Errichtung eines Wohngebäudes mit 2 Wohneinheiten – Bebauung und Erschließung des Flurstückes 1383“. Dem Bauvorbescheid waren Nebenbestimmungen beigefügt. In der Nebenbestimmung Ni1 heißt es: Das geplante Gebäude muss sich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung und hinsichtlich der Fläche, die überbaut werden soll, in die dort vorhandene rückwärtige Bebauung einfügen.
20Die Klägerin beantragte daraufhin regelmäßig fristgemäß die Verlängerung des Bauvorbescheids, dem die Beklagte jeweils – zuletzt mit Bescheid vom 28. Oktober 2019 – nachkam.
21Am 8. April 2020 beantragte die Klägerin abermals die Verlängerung des Bauvorbescheids vom 13. August 2003. Die Beklagte hatte nunmehr aber Bedenken hinsichtlich der Erschließung, die über den C.-straße erfolgen sollte, weil sich dieser im Privateigentum befindet. Sie teilte daher der Klägerin mit Schriftsatz vom 15. September 2020 mit, dass sie beabsichtige, die beantragte Verlängerung abzulehnen, und gab der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme. Zur Begründung führte sie aus, die Erschließung des geplanten Gebäudes sei nicht gesichert, weil diese über den C.-straße verlaufen solle. Nach erneuter Prüfung sei festgestellt worden, dass es sich dabei nicht um eine öffentliche Straße handele, weil sich die Wegeparzelle, auf der der C.-straße verlaufe, zu großen Anteilen in Privateigentum befinde. Bei der Erteilung des positiven Bauvorbescheids vom 13. August 2003 sei man irrtümlich davon ausgegangen, der C.-straße sei öffentlich gewidmet.
22Die Klägerin nahm dazu Stellung und führte aus, der Umstand, dass sich das Straßengrundstück nicht oder nicht vollständig im Eigentum der Beklagten befinde, stehe einer Widmung des G.-straße nicht zwingend entgegen, weil § 6 Abs. 5 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) auch die Widmung von Flächen zulasse, die sich nicht im Eigentum des Straßenbaulastträgers befänden; der Eigentümer müsse nur zustimmen. Aber auch wenn der Eigentümer der Parzelle der öffentlich-rechtlichen Widmung nicht zustimme, führe dies nicht zur Nichtigkeit der Widmung, sondern stelle nur einen Anfechtungsgrund dar. Darüber hinaus stelle sich die Frage, ob nicht der C.-straße bereits eine vorhandene Straße i. S. d. § 60 StrWG NRW sei. Dazu seien einige Fragen maßgeblich, zu deren Prüfung sie Akteneinsicht in die Verfahrensakte des Widmungsvorgangs erbitte.
23Nachdem die Beklagte die gewünschte Akteneinsicht nicht gewährt, aber auch keine, die Verlängerung ablehnende Entscheidung getroffen hatte, hat die Klägerin am 4. Juli 2022 Klage erhoben.
24Zur Begründung trägt sie vor, ihre Klage sei auch schon ohne Vorliegen eines ablehnenden Bescheids als Untätigkeitsklage zulässig und zudem begründet. Der begehrten Verlängerung des Bauvorbescheids stehe die Frage der Erschließung nicht entgegen. Eine ausdrückliche Widmung sei zwar aufgrund des Widerspruch eines Eigentümers nicht wirksam erfolgt, der C.-straße sei aber gleichwohl als gewidmet anzusehen. Zum einen liege eine Widmung „kraft unvordenklicher Verjährung“ vor. Der C.-straße sei bereits in der Karte Preußens aus dem Jahr 1877 und in der historischen Karte der Stadt N. von 1895 eingezeichnet gewesen, habe danach auf die Hofstelle M. zu geführt und sei von der Öffentlichkeit genutzt worden, was u.a. eine in der 1950er auf der Höhe des Grundstücks C.-straße 4 betriebene Bushaltestelle belege. Eines aktiven Willens der Stadt, die Straße dem öffentlichen Verkehr widmen zu wollen, bedürfe es dafür nicht. Die Beklagte verstoße mit der nunmehrigen Weigerung, von einer Erschließung ihres Grundstücks auszugehen, auch gegen den Gleichheitsgrundsatz und den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung, weil sie über Jahrzehnte hinweg für bauliche Anlagen und Gebäude am C.-straße Baugenehmigungen erteilt und damit das Vorhandensein einer bauplanungsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Erschließung angenommen habe.
25Die Klägerin beantragt,
26die Beklagte zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 6. April 2020 hin den Bauvorbescheid vom 13. August 2003 zur Errichtung eines Wohngebäudes mit zwei Wohneinheiten auf ihrem Grundstück Gemarkung D. Flur 2, Flurstück 1383 in N. für eine in deren Ermessen gestellte Dauer zu verlängern.
27Die Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Zur Begründung trägt sie vor, der Verlängerung des Bauvorbescheids stehe entgegen, dass das Grundstück nicht erschlossen sei, denn der C.-straße, an den es angebunden werden solle, sei keine öffentliche Straße. Der C.-straße sei nicht ausdrücklich gewidmet worden. Zwar seien durch amtliche Bekanntmachung der Stadt N. vom 4. Dezember 1978 zahlreiche Straßen, darunter auch der C.-straße, dem öffentlichen Verkehr als Gemeindestraßen gewidmet worden. Gegen dessen Widmung habe jedoch ein Anwohner Widerspruch erhoben mit der Begründung, dass das Straßengrundstück mit der Flurstücksbezeichnung 217 im Besitz verschiedener Eigentümer stehe. Daraufhin habe das damalige Bauverwaltungsamt dem Eigentümer schriftlich mitgeteilt, dass der C.-straße weiterhin seine Eigenschaft als Privatstraße behalte, und so dem Widerspruch abgeholfen. Zudem habe zum Zeitpunkt der Widmung das Straßen- und Wegegesetz NRW gegolten mit dem Grundsatz, dass eine Widmung ohne Zustimmung des Eigentümers nichtig sei; hinsichtlich des G.-straße habe ein Eigentümer seine Zustimmung aktiv verweigert. Es liege für den C.-straße auch keine Widmung kraft unvordenklicher Verjährung vor. Zwar habe der C.-straße bereits im Jahr 1882 existiert, was die von der Klägerin vorgelegten Karten belegten. Es sei aber zweifelhaft, ob der Weg vor 1962 schon eine öffentliche Wegefläche gewesen ist. Eine nach der preußischen Widmungstheorie erforderliche ausdrückliche oder konkludente Zustimmung der drei maßgeblichen Wegebeteiligten (Wegeeigentümer, Wegebaulastträger und Wegepolizeibehörde) liege nicht vor. Eine solche lasse sich nicht aus der „Urbaugenehmigung C.-straße 18“ aus dem Jahre 1897 gewinnen, in welcher der C.-straße als Interessentenweg bezeichnet sei, denn Interessentenwege stellten grundsätzlich Privatwege dar. Eine konkludente Widmung könne auch nicht aus der von den Eigentümern unbeanstandet hingenommenen Nutzung des G.-straße für eine Bushaltestelle abgeleitet werden, denn der bloße Umstand, dass die Nutzung des auf dem Privatgrundstück liegenden Straßenteils beanstandungslos geduldet werde, reiche nach der Rechtsprechung hierfür nicht aus. Ebenso könne darin, dass sie – die Beklagte – in der Vergangenheit die Unterhaltung der Straße übernommen habe, keine konkludente Widmung gesehen werden, weil dies zum einen aufgrund einer früheren irrtümlichen Würdigung der Rechtslage erfolgte und sie – die Beklagte – überdies hinsichtlich des Privateigentums an der Straßenfläche schon gar nicht verfügungsbefugt sei. Weil eine Nutzung durch die Öffentlichkeit in der Zeit von 1922 bis 1962 nicht nachgewiesen werden könne, komme es nicht darauf an, ob für den Zeitraum von 1882 bis 1922 keine gegensätzlichen Erinnerungen bzw. Vermutungen vorlägen.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (1 Hefter), des Verwaltungsvorgangs die Widmung des G.-straße betreffend (1 Hefter) und des Generalverwaltungsvorgangs zur Widmung vom 27. November 1978 und der Bekanntmachung am 4. Dezember 1978 (1 Hefter) Bezug genommen.
31Entscheidungsgründe:
32I.
33Die Kammer konnte in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden, weil diese zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden ist (vgl. § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
34II.
35Die Klage der Klägerin hat Erfolg.
36A. Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 2. Fall VwGO zulässig, obwohl keine ablehnende Verwaltungsentscheidung vorliegt, weil die Voraussetzungen des § 75 VwGO – der sog. Untätigkeitsklage – vorliegen, denn die Beklagte hat über den bei ihr am 8. April 2020 eingegangenen Antrag der Klägerin auf Verlängerung ihres Bauvorbescheids vom 13. August 2003 ohne zureichenden Grund nicht entschieden.
37B. Die Klage ist auch begründet. Das Unterlassen der unter dem 8. April 2020 beantragten Verlängerung des Bauvorbescheids vom 13. August 2003 ist rechtswidrig und verletzt daher die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf Verlängerung ihres Bauvorbescheids vom 13. August 2003, denn dem Vorhaben stehen auch zu dem hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen.
38Ein Bauherr hat nur dann einen Rechtsanspruch auf Verlängerung eines ihm erteilten Bauvorbescheids nach § 77 Abs. 1 Satz 3 der Bauordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (BauO NRW), wenn das Vorhaben dem nunmehr geltenden öffentlichen Recht entspricht. Denn für die rechtliche Beurteilung, ob ein Bauvorbescheid zu verlängern ist, ist die aktuelle Sach- und Rechtslage maßgeblich und nicht etwa die zum Zeitpunkt der Erteilung des Bauvorbescheids geltende, um dessen Verlängerung es geht. Die Verlängerung eines Bauvorbescheids bedeutet in der Sache nämlich nichts anderes als dessen Neuerteilung, wenn auch unter erleichterten Verfahrensbedingungen. Daraus folgt, dass eine Behörde bei der Entscheidung über die Verlängerung der Geltungsdauer eines Bauvorbescheids nicht einmal an ihre bisherige positive rechtliche Beurteilung gebunden, sondern sie dabei ebenso „frei“ wie bei der erstmaligen Erteilung eines Bauvorbescheids ist.
39Vgl. zum niedersächsischen Recht Nds. OVG, Urteil vom 6. Januar 1995 – 1 L 457/N01 –, juris, Rn. 2; zur früher geltenden nordrhein-westfälischen Rechtslage OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1987 – 11 A 1942/87 –, BRS 47 Nr. 140; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. März 2015 – 10 K 4747/13 –, juris, Rn. 30; zum hessischen Recht VG Gießen, Urteil vom 7. April 2008 – 1 K 148/08 –, juris, Rn. 23; Johlen, in: Gädtke/Johlen/Wenzel/Hanne/Kaiser/Koch/Plum, BauO NRW, 14. Aufl. 2023, § 77, Rn. 68.
40Das der Baugenehmigungsbehörde nach § 77 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW eingeräumte Ermessen („kann“) bezieht sich nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut nur auf die Fristlänge.
41Vgl. zu einer vergleichbaren Vorgängervorschrift schon OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1987 – 11 A 1942/87 –, BRS 47 Nr. 140.
42Davon ausgehend ist der Klägerin der ihr unter dem 13. August 2003 erteilte Bauvorbescheid zu verlängern.
43Sie hat mit Schreiben vom 8. April 2020 vor Ablauf der Geltungsdauer des Bauvorbescheids vom 13. August 2003, den die Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 28. Oktober 2019 für ein weiteres Jahr bis zum 13. August 2020 verlängert hatte, erneut dessen Verlängerung schriftlich beantragt.
44Die Voraussetzungen zur Erteilung eines Vorbescheids liegen weiterhin – auch im hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt – vor.
45Nach §§ 77 Abs. 1 Satz 4, 74 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW ist ein Bauvorbescheid zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben hinsichtlich der vom Antragsteller unterbreiteten Fragen zur Genehmigungsfähigkeit keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen.
46Mit ihrem Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids will die Klägerin sinngemäß geklärt wissen, ob es grundsätzlich planungsrechtlich zulässig ist, ihr Grundstück, das Flurstück 1383, mit einem Wohngebäude mit zwei Wohneinheiten einschließlich erforderlicher Stellplätze zu bebauen, und ob dieses erschlossen ist, wenn die Zufahrt über den C.-straße erfolgt. Dies ist der Fall.
47Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Klägerin ist hier nach § 34 des Baugesetzbuches (BauGB) zu beurteilen, denn das Vorhabengrundstück liegt nicht im Gebiet eines Bebauungsplans, aber – der Bereich um das Grundstück ist im Umkreis von mehreren Hundert Metern mit Wohnhäusern bebaut, die den Eindruck von Geschlossenheit vermitteln – innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB.
48Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
49Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das Vorhaben fügt sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung ein (1.) und die Erschließung ist gesichert (2.).
501. Das geplante Bauvorhaben fügt sich als Wohnhaus nach der Art der baulichen Nutzung in die umgebende Bebauung, die überwiegend aus Wohngebäuden besteht, ein, wobei offenbleiben kann, ob das Gebiet eine Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB zulässt und – wenn das der Fall ist – wie das Gebiet einzustufen ist, denn es wird jedenfalls als ein Gebiet einzustufen sein, in dem eine Wohnnutzung grundsätzlich zulässig ist.
51Das Vorhaben fügt sich auch hinsichtlich des Maßes – nach der Anlage zum Antrag auf Erteilung des Bauvorbescheids soll sich das geplante Wohngebäude mit zwei Wohneinheiten bezüglich der Bauweise an die vorhandene rückwärtige Bebauung in diesem Bereich anlehnen – in die nähere Umgebung ein. Für eine Bebauung dieser Maße finden sich in der näheren Umgebung,
52vgl. zu deren Bestimmung ausführlicher OVG NRW, Urteile vom 1. März 2017 – 2 A 45/16 –, juris, Rn. 37 ff., vom 10. Juli 2018 – 2 A 2504/16 –, juris, Rn. 88, und vom 14. Februar 2019 – 2 A 2584/14 –, juris, Rn. 54; s. a. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 4 C 7.15 –, juris, Rn. 10, und Beschluss vom 13. Mai 2014 – 4 B 38.13 –, juris, Rn. 7,
53entsprechende Vorbilder.
54Schließlich fügt es sich auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Es stellt sich zwar als eine Bebauung im rückwärtigen Bereich dar.
55Vgl. zu den Voraussetzungen für deren Zulässigkeit ausführlicher OVG NRW, Urteile vom 20. Januar 2020 – 10 A 591/18 –, juris, Rn. 34 ff., und vom 1. März 2017 – 2 A 45/16 –, juris, Rn. 60 ff.
56Es gibt aber mit den Gebäuden C.-straße 6a (Flurstück 1449) und 8a (Flurstück 1381) nördlich des Vorhabengrundstücks Vorbilder für eine so weit von der insoweit maßgeblichen,
57vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. August 2019 – 4 B 1.19 –, juris, Rn. 6; OVG NRW, Urteile vom 20. Januar 2020 – 10 A 591/18 –, juris, Rn. 35, und OVG NRW, vom 1. März 2017 – 2 A 45/16 –, juris, Rn. 64,
58Erschließungsstraße C.-straße nach „hinten“ reichende Bebauung. Zudem sieht die Nebenbestimmung Ni 1 vor, dass sich das geplante Gebäude u. a. hinsichtlich der Fläche, die überbaut werden soll, in die dort vorhandene rückwärtige Bebauung einfügen muss.
592. Der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens steht vor allem auch nicht – dies ist zwischen den Beteiligten allein streitig – die Frage der Erschließung entgegen. Denn das Vorhabengrundstück ist durch seine Anbindung an den C.-straße erschlossen.
60Dabei grenzt das Grundstück zum einen bereits selbst an den C.-straße an und zum anderen kann – dies ist für den Bauvorbescheid, der die Zufahrt zum hinteren Grundstücksteil des Vorhabengrundstücks über die Flurstücke 1924 und 1923 vorsieht, hier maßgeblich – das Vorhabengrundstück auch über diese durch entsprechende Baulasten gesicherte Zufahrt vom C.-straße aus erreicht werden.
61Bei dem über diese beiden Zuwegungen zu erreichenden C.-straße handelt es sich um eine öffentliche Straße i. S. d. § 2 Abs. 1 StrWG NRW.
62Der C.-straße wurde 1978 wirksam als öffentliche Straße gewidmet (a)) und die Widmung wurde nicht aufgehoben (b)); auf die Frage, ob es sich bei dem C.-straße um eine vorhandene Straße i. S. d. § 60 StrWG NRW handelt, kommt es nicht an (c)).
63a) Der C.-straße wurde 1978 öffentlich als Straße gewidmet.
64Die Widmung einer Straße begründet die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft über sie. Durch sie wird das Eigentum an dem Straßengrundstück zwar nicht entzogen. Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft überlagert das Eigentumsrecht jedoch und schränkt es kraft der staatlichen Hoheitsgewalt ein (sogenannter Grundsatz des modifizierten Privateigentums). Dem Träger der Straßenbaulast steht, wenn er nicht selbst Eigentümer des Straßengrundstücks ist, die Ausübung der Rechte des Eigentümers insoweit zu, als dies die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs und die Verwaltung und Unterhaltung erfordern. In diesem Umfang obliegt es ihm, die Pflichten des Eigentümers zu erfüllen. Der Eigentümer des Straßengrundstücks kann eine bestimmte Nutzung im Rahmen des eröffneten Gemeingebrauchs hingegen nicht mehr untersagen und hat keinen Herausgabeanspruch gemäß § 985 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gegen den Straßenbaulastträger.
65Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. August 2023 – 11 A 3130/20 –, juris, Rn. 78.
66Rechtlich normiert ist die Widmung in § 6 Abs. 1 StrWG NRW bzw. für die hier im Jahr 1978 erfolgte Widmung in § 6 des Landesstraßengesetzes vom 28. November 1961 (LStrG). Danach ist die Widmung die Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 VwVfG NRW), durch die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten, vgl. § 2 Abs. 1 StrWG NRW bzw. § 2 Abs. 1 LStrG.
67aa) Zweifel an der ordnungsgemäßen Bekanntgabe der Widmung vom 4. Dezember 1978 sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Widmung wurde insbesondere entsprechend des im Zeitpunkt der Widmung geltenden § 6 Abs. 3 LStrG durch die Veröffentlichung mit Rechtsbehelfsbelehrung in den lokalen Tageszeitungen „Neue Westfälische“ und „Westfalen Blatt“ öffentlich bekannt gemacht.
68bb) Die Widmung ist überdies hinreichend bestimmt i. S. d. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW und erfasst auch die hier streitgegenständliche Wegeparzelle 217.
69Welche Verkehrsfläche von einer Widmung erfasst wird, ist durch Auslegung nach dem Empfängerhorizont zu ermitteln, denn eine Widmung unterliegt als Allgemeinverfügung der Auslegung entsprechend § 133 BGB. Insoweit ist nach dem Empfängerhorizont zu ermitteln, welche Verkehrsfläche und Bestandteile von einer Widmung erfasst und aufgrund dessen zu einer öffentlichen, dem Gemeingebrauch dienenden Straße werden. Aus dem Widmungstext und gegebenenfalls den erkennbaren äußeren Umständen muss sich mit hinreichender Bestimmtheit (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW) sowohl der Umfang des Gemeingebrauchs als auch der räumliche Umfang der gewidmeten Fläche ergeben.
70Vgl. OVG NRW, Urteile vom 30. August 2023 – 11 A 3130/20 –, juris, Rn. 85, und vom 4. März 2008 – 3 A 4639/05 –, juris, Rn. 29.
71Dabei bestehen für die Art und Weise, in der in einer Widmungsverfügung die Identität der für den öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße zu bezeichnen ist, keine zwingenden und für alle Fallkonstellationen gültigen Vorgaben. Notwendig, aber auch hinreichend für eine Widmungsverfügung gemäß § 6 StrWG NRW – oder hier § 6 LStrG – ist es, dass die widmende Behörde eine Formulierung wählt, die es dem Adressatenkreis dieser Allgemeinverfügung ermöglicht, die im jeweiligen Einzelfall betroffene Verkehrsfläche, die die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten soll, zu identifizieren. Die hiernach gegebene Abhängigkeit des notwendigen Inhalts einer Widmungsverfügung von den jeweiligen Gegebenheiten des Falles, insbesondere dem für den Adressaten vor Ort gegebenenfalls bestehenden Konkretisierungs- und Abgrenzungsbedarf der gewidmeten Verkehrsfläche von anderen, von der Verfügung nicht erfassten Flächen, verbietet es, an jede Widmung gleichlautende inhaltliche Anforderungen zu stellen, wie etwa die Angabe der jeweiligen Straßenparzellen oder die Beifügung eines Lageplans. Sie verbietet es gleichermaßen, aus dem Fehlen solcher Angaben im Einzelfall ohne weiteres auf eine Unwirksamkeit der Widmung wegen fehlender Bestimmtheit zu schließen.
72Vgl. OVG NRW, Urteile vom 30. August 2023 – 11 A 3130/20 –, juris, Rn. 87, und vom 4. März 2008 – 3 A 4639/05 –, juris, Rn. 31.
73Im Einzelfall kann etwa bereits der Straßenname zur hinreichend bestimmten Bezeichnung in der Widmungsverfügung genügen.
74Vgl. OVG NRW, Urteile vom 4. März 2008 – 3 A 4639/05 –, juris, Rn. 33, und vom 20. Dezember 1989 – 3 A 2007/86 –, juris, Rn. 42.
75Davon ausgehend ist hier der gesamte, im Zeitpunkt der Widmung vorhandene C.-straße gewidmet worden. Denn angesichts der Angabe „C.-straße“ ohne weitere Einschränkung, wie sie sich bei anderen ebenfalls in diesem Zusammenhang gewidmeten Straßen finden lässt, in der Widmungsbekanntmachung kann für einen verständigen, ortskundigen Empfänger kein Zweifel bestehen, dass die gesamte schon länger vorhandene und mittels Straßenschildern als C.-straße ausgewiesene Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr gewidmet werden sollte. Insoweit genügte hier die Angabe des Straßennamens zur hinreichenden Bestimmtheit der Widmung, denn sie ermöglicht dem Adressaten eine eindeutige Identifizierung der gewidmeten Fläche.
76cc) Die Widmung ist auch nicht unwirksam i. S. d. § 43 Abs. 3 i. V. m. § 44 Abs. 1 VwVfG NRW, weil Teile des gewidmeten G.-straße im Zeitpunkt der Widmung über privaten Grund verliefen.
77Zwar ist nach § 6 Abs. 5 StrWG NRW bzw. § 6 Abs. 2 LStrG Voraussetzung für die Widmung, dass der Träger der Straßenbaulast Eigentümer des der Straße dienenden Grundstücks ist oder, wenn er dies nicht ist, der (private) Eigentümer der Widmung zugestimmt hat. Diese Voraussetzungen für eine Widmung lagen im Zeitpunkt der Bekanntmachung der Widmung nicht für alle Teile des G.-straße vor. Die südliche Wegeparzelle, das Flurstück 217, jedenfalls stand nicht im Eigentum der Beklagten und eine dann erforderliche Zustimmung der privaten Eigentümer zur Widmung lag nicht vor. Gleichwohl führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Widmung.
78Nach § 43 Abs. 3 VwVfG NRW ist ein nichtiger Verwaltungsakt unwirksam. Nach § 44 Abs. 1 VwVfG NRW ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.
79In diesem Sinne leidet ein Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden Fehler, wenn dieser Fehler den Verwaltungsakt schlechterdings unerträglich erscheinen lässt, also mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar ist. Hierfür genügt ein bloßer Verstoß auch gegen Rechtsnormen von herausragender Bedeutung wie die Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht gemäß Art. 20 Abs. 3 GG nicht, weil diese Vorschrift keine Fehlerfolge normiert, sondern sich diese nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz richtet. Der Fehler muss schlechthin unerträglich für die Rechtsordnung sein und die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem solchem Maß verletzen, dass der Verwaltungsakt gleichsam für jedermann augenscheinlich den „Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn“ trägt und von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen. Das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers ist Bezugspunkt der vom Gesetz für die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes darüber hinaus geforderten Offensichtlichkeit.
80Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. August 2023 – 11 A 3130/20 –, juris, Rn. 109; s. a. BVerwG, Beschlüsse vom 16. September 2015 – 4 VR 2.15 –, juris, Rn. 9, und vom 27. August 2013 – 1 WB 25/12 –, juris, Rn. 31; OVG NRW, Beschluss vom 3. Juli 2019 – 15 A 24/17 –, juris, Rn. 7.
81Fehlt die Zustimmung des Privateigentümers zur Widmung der sich in seinem Eigentum befindlichen Grundstücksflächen, führt dies zwar zur Fehlerhaftigkeit und damit zur Anfechtbarkeit, jedoch nicht grundsätzlich zur Nichtigkeit der Widmung.
82Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. August 2023 – 11 A 3130/20 –, juris, Rn. 111; s. a. BGH, Urteil vom 12. Juli 1967 – V ZR 61/64 –, juris, Rn. 11 ff., m. w. N. auf die damals schon geltende herrschende Rechtsauffassung; VG Aachen, Urteil vom 5. Oktober 2020 – 10 K 1874/15 –, juris, Rn. 64 f.; VG Köln, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 18 L 682/16 –, juris, Rn. 21 ff.; Sauthoff, in: Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Aufl. 2020, Rn. 49; Herber, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 7, Rn. 32; s. a. zur schon damals herrschenden Meinung Fickert, Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1968, § 6, Anm. 5.
83Nichtig ist eine Widmung jedoch dann, wenn sie bewusst rechtswidrig ohne Zustimmung des Eigentümers vorgenommen wird. Die ohne Zustimmung erfolgende Widmung stellt einen erheblichen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht des Grundstückseigentümers aus Art. 14 Abs. 1 GG dar, die einem enteignungsgleichen Eingriff ähnlich ist. Der Erheblichkeit des Eingriffs Rechnung tragend setzt § 6 Abs. 5 StrWG NRW in den Fällen, in denen der Träger der Straßenbaulast nicht Eigentümer der zu widmenden Straße ist, voraus, dass der Eigentümer und ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt oder den Besitz durch Vertrag überlassen haben, oder dass der Träger der Straßenbaulast den Besitz des der Straße dienenden Grundstücks durch Einweisung (§ 37 EEG NRW i. V. m. § 50 StrWG NRW) oder in einem sonstigen gesetzlich geregelten Verfahren erlangt hat. In diesen Fällen sieht das Gesetz grundsätzlich einen (antragsgestützten) Erwerb des Grundstücks oder (nachfolgend) die Leistung einer Entschädigung nach §§ 10 bis 13 EEG vor (vgl. § 11 Abs. 2 StrWG NRW). Wird dem Eigentümer seine Eigentumsposition vorsätzlich faktisch unter Umgehung des Enteignungsverfahrens entzogen, liegt ein besonders schwerwiegender Fehler vor, der eine Willkürmaßnahme darstellt.
84Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. August 2023 – 11 A 3130/20 –, juris, Rn. 113; Nds. OVG, Urteil vom 13. September 2012 – 7 LB 84/11 –, juris, Rn. 30 f.; s. a. Sauthoff, in: Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Aufl. 2020, Rn. 49.
85Im vorliegenden Fall ist aber ein solcher schlechthin unerträglicher Rechtsverstoß, der ein doloses Verhalten der Beklagten begründen könnte, nicht zu erkennen. Die Beklagte hatte nach der Gebietsreform 1972 („N.-Gesetz“) hinsichtlich der Straßen im neuen Stadtgebiet geprüft, welche noch nicht gewidmet waren. Angesichts der Vielzahl von Straßen, die diese Überprüfung ergab, ist es bei lebensnaher Betrachtung naheliegend, dass nicht bei allen Straßen die Eigentumsverhältnisse überprüft wurden. Jedenfalls ist nach den vorliegenden Unterlagen zu den am 27. November 1978 verfügten und am 4. Dezember 1978 öffentlich bekanntgemachten Widmungen nicht zu erkennen, dass eine solche Prüfung hinsichtlich der Flächen des G.-straße erfolgt ist, und es finden sich auch keine anderen Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte vor der Widmung in sonstiger Weise Kenntnis von dem Privateigentum an der Wegefläche des südlichen Teils des G.-straße hatte und sich dennoch bewusst rechtswidrig über die Rechte und Interessen der damaligen Eigentümer der Wegeparzelle 217 hinweggesetzt hat. Zwar ist in der Widmungsverfügung vom 27. November 1978, in der über 18 Seiten die zu widmenden Straßen namentlich aufgeführt sind, die Eintragung „C.-straße“ mit Bleistift durchgestrichen. Aus den aus der Akte ersichtlichen Gesamtumständen ergibt sich aber zur vollen Überzeugung der Kammer, dass dies nachträglich erfolgt ist. Denn es finden sich in der Verfügung zur Bekanntmachung der Widmung im entsprechenden Verwaltungsvorgang auch Straßen, die mittels weißer Farbe („Tipp-Ex“) unkenntlich gemacht wurden und die dann – anders als die bloß durchgestrichenen Straßen – auch nicht mehr in den öffentlichen Bekanntmachungen der Widmung auftauchen. Dies spricht dafür, dass die Straßen, bei denen die Verwaltung der Beklagten vor der Bekanntmachung der Widmung erkannt hatte, dass sie nicht zu widmen waren, die Straßennamen durch weiße Farbe unkenntlich gemacht wurden, während die Straßen, bei den sich später ergab, dass sie nicht hätten gewidmet werden dürfen, durch Durchstreichungen markiert wurden. Dieses Verständnis belegt auch, dass die in der Widmungsverfügung durchgestrichenen Straßennamen zugleich auch in dem im Verwaltungsvorgang befindlichen Zeitungsauszug der „Neuen Westfälischen“ vom 4. Dezember 1978 erkennbar händisch mit rot durchgestrichen sind. Daneben spricht für eine nachträgliche Streichung und dafür, dass vor der Widmung des G.-straße gerade keine Prüfung der Eigentumsverhältnisse erfolgt ist, auch die Reaktion des Mitarbeiters der Beklagten auf den Anruf von Herrn V. am 28. Dezember 1978. Ausweislich des dazu gefertigten Vermerks vom 9. Januar 1979 wurden nach dem Anruf anhand der Unterlagen des Katasteramts die Eigentumsverhältnisse am C.-straße geprüft – eine Prüfung, die bei einer vorherigen Kenntnis von dem Privateigentum gar nicht notwendig gewesen wäre. Weil der Mitarbeiter zudem in seinem Schreiben vom 9. Januar 1979 ausführt, dass bei der Vielzahl der zu widmenden Straße nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, dass irrtümlich auch im Privateigentum stehende Straßen von der Widmung erfasst wurden, belegt dies, dass eine vorherige Überprüfung der Eigentumsverhältnisse an den zu widmenden Straßen nicht systematisch und insbesondere nicht bezüglich des G.-straße erfolgt ist. Die Streichung in der Widmungsverfügung erfolgte daher bei lebensnaher Betrachtung nur deshalb, um die Straßen, bei denen sich aufgrund späterer Erkenntnisse ergeben hatte, dass sie etwa, weil sie auf privatem Grund lagen und weil die erforderliche Zustimmung der Privateigentümer fehlte, nicht hätten gewidmet werden dürfen, als – wie die Mitarbeiter der Beklagten (wohl) irrig annahmen (s.o.) – nicht wirksam gewidmet zu kennzeichnen.
86b) Der demnach wirksam gewidmete C.-straße hat seine Eigenschaft als öffentlichen Straße auch nicht in der Folgezeit wieder verloren – weder durch Aufhebung der Widmung noch durch Einziehung nach § 7 StrWG NRW.
87aa) Eine Aufhebung der Widmung oder eine Einziehung ist nicht in der Erklärung im Antwortschreiben vom 9. Januar 1979 zu sehen.
88Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob eine Aufhebung einer Widmung nach § 48 VwVfG NRW überhaupt möglich ist oder die straßenrechtlichen Regelungen, namentlich die zur Einziehung in § 7 StrWG NRW, abschließend sind.
89Vgl. einerseits (zustimmend) Axer, in: Schoch/Eifert, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2023, Kap. 6, Rn. 69 (jedenfalls soweit die straßenrechtlichen Regelungen zur Einziehung nicht einschlägig sind) und andererseits (ablehnend) Bay. VGH, Beschluss vom 19. Februar 1998 – 27 B 96.34202 –, BayVBl 1998, 367 (370); Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 3. EL August 2022, § 48 VwVfG, Rn. 40; Sauthoff, in: Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Aufl. 2020, Rn. 167.
90Denn es kommt hier auf diese Rechtsfrage nicht an. Das Antwortschreiben vom 9. Januar 1979 ist kein Verwaltungsakt – sei es in Gestalt einer Aufhebung der Widmung vom 27. November 1978, sei es in Gestalt einer Einziehung der irrtümlich gewidmeten Straßenfläche. Denn es fehlt am Merkmal der Reglung.
91Eine Regelung im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG NRW ist dann gegeben, wenn eine behördliche Maßnahme unmittelbar auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet ist, d. h. Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden.
92Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. November 2009 – 4 C 3.09 –, juris, Rn. 15; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2007 – 6 B 1094/07 –, juris, Rn. 5.
93Ob und mit welchem Inhalt eine Regelungswirkung anzunehmen ist, ist entsprechend zu den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Auslegungsregeln zu ermitteln. Die Auslegung eines Verwaltungsaktes richtet sich dabei nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Adressaten oder der erlassenden Behörde. Maßgebend ist entsprechend der Auslegungsregel des § 133 BGB der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte.
94Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006 – 6 C 19.06 –, juris, Rn. 52; s. a. Geis, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 68, Rn. 82.
95Entscheidend ist grundsätzlich, ob der tatsächlich erlassene Hoheitsakt ein Verwaltungsakt ist, nicht in welcher Form der Hoheitsakt hätte erlassen werden müssen.
96Vgl. R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, 29. Aufl. 2022, VwGO, Anh. § 42, Rn. 5.
97Daran gemessen enthält das Schreiben keine Formulierungen, die bei objektiver Würdigung darauf hindeuten, dass die Behörde eine rechtsverbindliche Anordnung, mithin eine Regelung i. S. d. § 35 Satz 1 VwVfG NRW treffen wollte. Vielmehr ist das Schreiben von seiner Wortwahl her so formuliert, dass es nur eine – wie bereits ausgeführt rechtlich unzutreffende – rechtliche Bewertung wiedergibt, nämlich die, dass es für eine Widmung einer nicht in städtischen Eigentum stehenden Verkehrsfläche Wirksamkeitsvoraussetzung ist, dass der (Privat-)Eigentümer der Widmung zustimmt, und dass, weil eine solche Zustimmung beim C.-straße nicht vorliegt, dieser weiterhin eine Privatstraße bleibt. Gerade dieser letzte Teil der Formulierung spricht gegen einen regelnden und rechtsgestaltenden Charakter. Wenn die Widmung hätte aufgehoben werden sollen, hätte die Beklagte dies so formuliert, etwa „die Widmung wird aufgehoben und der C.-straße wird damit wieder zu einer Privatstraße“. Der Charakter als bloße Rechtsauskunft wird auch in der Passage „Diese Zustimmung ist Widmungsvoraussetzung. Da Sie nachweislich nicht zugestimmt haben, brauchen Sie keine rechtlichen Nachteile zu befürchte[n.]“ deutlich. Wenn der Verfasser einen Aufhebungsakt für erforderlich gehalten hätte und einen solchen hätte aussprechen wollen, hätte er nicht nur festgestellt, dass keine Nachteile zu befürchten sind, sondern auch erklärt, dass zur Vermeidung von Nachteilen die Widmung beseitigt wird. Zudem entspräche ein Regelungscharakter des Schreibens nicht der Rechtsauffassung des Verfassers. Ging dieser – irrig – davon aus, dass die Zustimmung des privaten Grundstückseigentümers Wirksamkeitsvoraussetzung der Widmung ist, war aus seiner Sicht die Widmung des G.-straße damit – unzutreffend, aber konsequent – unwirksam und es bedurfte deshalb keines Aufhebungsaktes.
98Darüber hinaus spricht gegen eine wirksame Aufhebung der Widmung oder Einziehung der Straße auch noch, dass das Schreiben vom 9. Januar 1979 nur an einen Adressaten gerichtet ist. Eine Einziehung nach dem damals geltenden § 7 LStrG musste als actus contrarius zur Widmung,
99vgl. Axer, in: Schoch/Eifert, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2023, Kap. 6, Rn. 69,
100in derselben Weise erfolgen wie die Widmung. Da hier die Widmung des G.-straße durch eine öffentlich bekanntgemachte Allgemeinverfügung erfolgt ist, hätte auch die Einziehung durch eine Allgemeinverfügung erfolgen müssen. Gleiches gilt für eine etwaige Aufhebung der Widmung nach § 48 VwVfG NRW. Auch hier musste die Aufhebung der durch Allgemeinverfügung vorgenommenen Widmung als actus contrarius ebenfalls durch eine Allgemeinverfügung erfolgen. Dies entspricht im Übrigen der (mittlerweile) in § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 7 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung, dass die Widmung und deren Beseitigung wegen der großen Reichweite nicht durch einen an einen bestimmten Adressatenkreis gerichteten Verwaltungsakt, sondern durch eine der breiteren Öffentlichkeit zugängliche Allgemeinverfügung erfolgen darf.
101Schließlich erweckt das Schreiben vom 9. Januar 1979 auch nicht äußerlich den Anschein eines Verwaltungsakts. So ist es weder als Bescheid oder Einziehungsverfügung bezeichnet noch enthält es – anders als bei schriftlich in Form eines Bescheids erlassenen Verwaltungsakten üblich – einen vorangestellten Tenor oder eine Rechtsbehelfsbelehrung.
102bb) Die Erklärung im Schreiben vom 9. Januar 1979 ist auch nicht als eine Abhilfeentscheidung in einem etwaigen Widerspruchsverfahren zu verstehen, die ggf. auch in Form einer Individualentscheidung und nicht als Allgemeinverfügung möglich wäre.
103Vgl. dazu grundsätzlich etwa W.-R. Schenke, NVwZ 2022, 273 (278 f.); s. a. OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2007 – 15 B 1517/07 –, juris, Rn. 4; R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 42, Rn. 21d.
104(1) Zum einen handelt es sich bei dem Telefonanruf vom 28. Dezember 1978, der dem Schreiben vom 9. Januar 1979 vorausging und auf den dieses Schreiben reagiert, schon nicht um einen Widerspruch. Es findet sich in der im Vermerk der Beklagten wiedergegebenen Erklärung des Herrn V. schon keine ausdrückliche Formulierung „Widerspruch“, obwohl in der Rechtsbehelfsbelehrung, die unter Widmungsbekanntmachung abgedruckt war, ausgeführt ist, dass gegen die Widmung Widerspruch einzulegen ist. Des Weiteren ist der Erklärung kein Begehren zu entnehmen, dass sich Herr Z., für den Herr V. vorgab, anzurufen, nicht nur gegen die Widmung wendet, sondern auch deren Aufhebung fordert. Die im Vermerk wiedergegebene Wortwahl des Anrufers deutet vielmehr darauf hin, dass der Anrufer lediglich den Umstand, dass die Fläche im Privateigentum steht, mitteilen wollte. Möglicherweise geschah dies in der Erwartung, die Beklagte werde selbst tätig oder der Gesprächspartner werde ihm sagen, was zu tun sei.
105(2) Zum anderen wirkt das Antwortschreiben vom 9. Januar 1979 nicht wie eine Abhilfeentscheidung in einem Widerspruchsverfahren, sondern lediglich wie die schriftliche Mitteilung einer Rechtsauskunft. Dafür sprechen insbesondere die äußeren Umstände, unter denen das Antwortschreiben vom 9. Januar 1979 ergangen ist. Herr V. hatte nämlich nach der Erläuterung im Telefongespräch am 28. Dezember 1978 eine schriftliche Bestätigung erbeten und der Mitarbeiter der Behörde hatte ihm dies in dem Telefonat angekündigt. Darüber hinaus fehlt es dem Inhalt des Schreibens vom 9. Januar 1979 an den typischen Begrifflichkeiten, die bei einer Abhilfe auf einen Widerspruch hin zu erwarten sind. So wird der „Widerspruch“ schon nicht in einer Betreffzeile erwähnt, was typischerweise bei Behördenschreiben erfolgt („Ihr Widerspruch vom…“). Auch im weiteren Verlauf gibt der Verfasser nicht zu erkennen, dass er den Anruf des Herrn V. als Widerspruch aufgefasst hat. Schließlich führt er nicht aus, dass damit mit diesem Schreiben dem Widerspruch abgeholfen werden und das Widerspruchsverfahren damit abgeschlossen sein soll.
106c) Ist der C.-straße demnach als öffentliche Straße gewidmet und die Widmung nicht aufgehoben bzw. keine Einziehung erfolgt, kommt es auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob der C.-straße eine vorhandene Straße i. S. d. § 60 StrWG NRW ist, weil sie nach der preußischen Widmungstheorie oder „kraft unvordenklicher Verjährung“ gewidmet ist, nicht (mehr) an.
1073. Schließlich steht der Erteilung – bzw. hier der Verlängerung des Bauvorbescheids – nicht ein etwaiger Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten des nördlich der Zufahrt liegenden Nachbargrundstücks C.-straße 4 (Flurstück 626) insbesondere wegen der an dessen Grundstück vorbeiführenden Zufahrt entgegen. Denn der Eigentümer dieses Grundstücks könnte sich auf einen etwaigen Verstoß schon gar nicht berufen, weil seine Rechtsvorgängerin sich in dem vor dem Verwaltungsgericht Minden in der mündlichen Verhandlung am 3. April 2003 geschlossenen Vergleich verpflichtet hat, gegen einen entsprechenden Bauvorbescheid keinen Widerspruch einzulegen.
108Wäre demnach ein Bauvorbescheid zu erteilen, ist dem Antrag auf Verlängerung des Bauvorbescheids vom 13. August 2003 zu entsprechen, wobei die Zeitdauer der Verlängerung ins Ermessen der Beklagten gestellt ist.
109III.
110Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).