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Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens je zu 1/4.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Der am 0. Juni 0000 in Teheran geborene Kläger zu 1. und die am 00. August 0000 in Varamin geborene Klägerin zu 2. sind miteinander verheiratete iranische Staatsangehörige persischer Volkszugehörigkeit. Die Kläger zu 3. und 4. sind die am 0. November 0000 bzw. 00. Oktober 0000 geborenen Söhne der Kläger zu 1. und 2. Nachdem die Kläger am 7. Februar 2019 mit italienischen Schengen-Visa auf dem Luftweg über Italien in die Bundesrepublik Deutschland eingereist waren, stellten sie am 27. Februar 2019 förmliche Asylanträge bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt).
3Die persönliche Anhörung der Kläger zu 1. und 2. vor dem Bundesamt fand am 28. Februar 2019 in I. statt. Dabei gab der Kläger zu 1. im Wesentlichen an: Sie hätten in Teheran im Stadtteil Teheranpars gelebt. Er sei CNC-Programmierer gewesen und habe zu Hause eine Werkstatt gehabt. Monatlich habe er 12 bis 13 Millionen Toman verdient. Eines Tages habe er in seiner Werkstatt an seinem Laptop gesessen und zu verschiedenen Religionen recherchiert. Der Onkel der Klägerin zu 2., der Mitglied der Sepah und für den Nachrichtendienst tätig sei, sei hereingekommen und habe sich zu ihm an den Tisch gesetzt. Dabei habe er den Bildschirm sehen können, da er auf dem Stuhl für Kunden gesessen habe, der so ausgerichtet gewesen sei, dass die Kunden auf den Bildschirm schauen könnten. Es habe eine Veränderung im Gesicht des Onkels gegeben, dann habe er sich schnell verabschiedet und sei gegangen. Etwa zehn Tage später seien zwei Personen zu ihm, dem Kläger zu 1., gekommen und hätten ihn aufgefordert, sich in einem Büro im Stadtviertel Narmak einzufinden. Dem sei er aber aus Angst nicht nachgekommen. Eine Woche bis zehn Tage später sei er festgenommen worden und in ein Gebäude gebracht worden, welches seiner Einschätzung nach kein offizielles Behördengebäude gewesen sei. Er sei einen Tag lang festgehalten und verhört worden. Man habe ihn gefragt, wie er zum Christentum und zum Bahaitum stehe. Er sei geschlagen und unter Druck gesetzt worden. Er habe aber nicht gesagt, zu einer anderen Religion konvertiert zu sein. Dies sei auch nicht der Fall. Er habe sich lediglich über andere Religionen informiert. Während seiner Inhaftierung seien seine Wohnung und die Werkstatt durchsucht worden. Man habe seinen Computer überprüft. Sein Laptop, mit dem er zu den Religionen recherchiert hätte, sei an diesem Tag nicht vor Ort gewesen, da sein Sohn diesen mit zur Schule genommen hätte. Nach seiner Freilassung habe er den Laptop vernichtet, da sich auf diesem Suchverläufe befunden hätten, und sich entschieden, den Iran verlassen. Nach drei oder vier Tagen habe er einen Schleuser gefunden und Teheran verlassen. Der Rest der Familie sei in Teheran geblieben. Zwei Monate habe er auf die Erteilung eines Visums gewartet, bis die Ausreise organisiert worden sei. Dann habe er gemeinsam mit seiner Familie den Iran verlassen.
4Die Klägerin zu 2. gab an, sie habe sich selbst nicht mit anderen Religionen beschäftigt und sei nur wegen der Probleme ihres Mannes ausgereist. Auf Nachfrage erklärte sie, dass ihr Onkel mindestens zweimal im Monat zu Besuch gekommen sei. Er sei dann auch regelmäßig in die Werkstatt des Klägers zu 1. gegangen. Darüber hinaus trug sie vor, sie habe vor der Verhaftung des Klägers zu 1. einmal aufgrund ihrer Kopfbedeckung und ihrer Kleidung Probleme mit der Sittenpolizei gehabt. Danach habe sie keine Probleme mehr gehabt. Die Kläger haben zur Untermauerung ihres Asylvorbringens ein Dokument (Bl. 194 f. der Bundesamtsakte) überreicht, bei dem es sich laut Übersetzung des Bundesamtes um eine Anklageschrift der ersten Abteilung des Landgerichts Teheran, Staatsanwaltschaft der Islamischen Republik Iran, handeln soll. Darin wird dem Kläger zu 1. unter anderem die Abwendung vom Glauben und die Konversion zum Christentum vorgeworfen.
5Nachdem für die Kläger zu 1. und 2. Taufurkunden der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde L. über ihre am 21. April 2019 erfolgten Taufen vorgelegt wurden, wurden sie am 22. Dezember 2020 ergänzend persönlich vor dem Bundesamt angehört. Dabei gab der Kläger zu 1. im Kern an, er habe sich schon im Iran entschieden, Christ zu werden. Dort hätten sie aber keinen Zugang zum Christentum gehabt. Seine Familie sei streng religiös gewesen. Er sei im Stadtteil Narmak geboren worden; dort gebe es ein Viertel, in dem Christen wohnten. Er habe Kontakt zu Christen gehabt. Viele seiner Kunden seien Christen gewesen. Im Iran nenne man sie Armenier. Ihm sei interessant vorgekommen, was die Armenier erzählt hätten, z.B. über das Kreuz. In ihren Schulbüchern hätte es geheißen, dass die Christen drei Götter hätten. Er sei einmal nach Armenien geflogen, um eine Kirche zu besuchen. Die Taufe sei auf seinen eigenen Wunsch erfolgt. Er habe sich für das Christentum entschieden, weil nach dem christlichen Glauben Gott seinen Sohn geschickt und dessen Blut gegeben habe, damit den Menschen ihren Sünden vergeben werden. Im Islam warte Gott darauf, die Menschen zu bestrafen. Früher habe er Angst vor Gott gehabt. Jetzt könne er mit Gott sprechen. Er wolle ein christliches Leben führen, ein Licht in der Welt sein, durch seine Taten überzeugen und ein Zeichen für das Christentum setzen. Zudem sei es ihm auch wichtig, andere Menschen zu missionieren. Er habe dies unter anderem bei Bekannten getan, indem er ihnen erzählt habe, dass Gott seinen Sohn geschickt habe, damit die Sünden der Menschen vergeben könnten. Außerdem könne man auch durch Taten missionieren. Die Bekannten hätte sich ebenfalls taufen lassen; er sei Ihr Taufpate gewesen. Er lebe seinen Glauben, indem er bete und aus der Bibel lerne. Zudem führe er in der Gemeinde alle anfallenden Arbeiten aus. Er fahre Menschen, die selbst nicht fahren könnten, zum Gottesdienst, erledige Gartenarbeiten und nehme an Gesprächen teil. Die Kirche sei ein zweites zu Hause für sie. Es sei für sie eine Freude, zur Kirche zu gehen. Wenn er seinen Glauben nicht mehr ausüben könnte, sei das, als ob man einer Taube die Flügel abschneide. Nach ihrer Ausreise aus dem Iran seien Beamte bei seiner herzkranken Mutter gewesen und hätten versucht, ihr Angst einzujagen. Danach hätten sie gedroht, sein Eigentum zu beschlagnahmen. Im Rahmen der Anhörung wurde zudem dem Gemeindepfarrer der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben; insofern wird auf S. 6 ff. der Niederschrift über die Anhörung des Klägers zu 1. vom 22. Dezember 2020 verwiesen. Die Klägerin zu 2. erklärte auf die Frage, wie es zur Taufe in Deutschland gekommen sei, der Kläger zu 1. habe gesagt, er wolle mit ihr in die Kirche gehen. Als sie dann am Taufkurs teilgenommen hätten, habe ihr Pastor sie früh taufen wollen. Sie gehe, soweit sie könne, sonntags und mittwochs zur Kirche. Wegen einer problematischen Schwangerschaft sei dies allerdings nicht oft möglich gewesen. Zudem sei sie aufgrund der Kinderbetreuung verhindert. Sie wolle aber in Zukunft öfter gehen. Darüber hinaus lese sie im Heiligen Buch. Die Kläger zu 1. und 2. trugen weiter vor, dass sie ihren Familien und Bekannten von der Konversion erzählt hätten. Es habe teilweise negative Reaktionen gegeben. Für den Kläger zu 3. wurde vorgetragen, er habe sich aus eigenem Entschluss taufen lassen. Er gehe gern zur Kirche. Die Kirchbesuche würden ihm gefallen, weil es dort nur Deutsche gebe. Er habe eine schlechte Erfahrung im Islam gemacht, was ihm geholfen habe, den christlichen Glauben anzunehmen. In ihrem Nachbarhaus habe es eine religiöse Versammlung gegeben. Ein Teilnehmer sei sehr emotional gewesen und habe sich ein Wasserglas gegen den Kopf geschlagen. Sein Gesicht sei voller Blut gewesen. Der Kläger zu 3. habe solche Angst gehabt, dass er danach nie wieder das Nachbarhaus betreten habe. Der Kläger zu 4. gehe mit der Grundschule immer wieder zur Kirche und möge das sehr. Jedes Mal, wenn der Kläger zu 1. zur Kirche gehe, weine der Kläger zu 4. und wolle mit. Er sei noch ein Kind und wisse nicht viel über Religion. Sie hätten gemeinsam mit dem Pfarrer entschieden, ihn taufen zu lassen. Die Klägerin zu 2. trug vor, die Kläger zu 3. und 4. seien getauft worden, da es für sie selbst und den Kläger zu 1. gut gewesen sei und daher auch für ihre Kinder gut sei. Für den Kläger zu 1. wurde noch zwei Taufpatenurkunden überreicht. Für die Kläger zu 3. und 4. wurden ebenfalls Taufurkunden über ihre am 30. Juni 2019 bzw. 6. Dezember 2020 erfolgten Taufen vorgelegt. Des Weiteren legten die Kläger eine Bescheinigung des Pastors Z. des Evangelischen Kirchenkreises L. vor. Darin wird bescheinigt, dass die Kläger zu 1. und 2. von März bis Mai 2019 regelmäßig an einem Taufkurs für Erwachsene teilgenommen hätten. Sie würden regelmäßig die Gottesdienste und Seminare der persischsprachigen Gemeinde besuchen.
6Mit Bescheid vom 30. Dezember 2020, am 6. Januar 2021 als Einschreiben zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt unter den Ziffern 1 bis 3 die Anträge der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes ab. Unter Ziffer 4 des Bescheides stellte das Bundesamt fest, dass keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorlägen. Ferner forderte es die Kläger unter Ziffer 5 auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen ab Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen, und drohte ihnen für den Fall, dass sie die Frist nicht einhielten, die Abschiebung in den Iran an. Die Ausreisefrist wurde bis zum Ablauf der zweiwöchigen Klagefrist ausgesetzt. Unter Ziffer 6 schließlich ordnete das Bundesamt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete dieses auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
7Die Kläger haben am 11. Januar 2021 Klage erhoben, zu deren Begründung sie der Bewertung ihres Vortrags als unglaubhaft durch das Bundesamt entgegentreten. Im Einzelnen lassen sie durch ihre Prozessbevollmächtigte geltend machen: Soweit das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt habe, dass es nicht plausibel sei, dass der Kläger zu 1. sich sensible Daten so auf einem Monitor anschaue, dass sie von jedem Hereinkommenden gesehen werden könnten, sei dies so nicht richtig. Der Kläger zu 1. habe sich in einem kleinen Raum befunden, der als Büro genutzt worden sei. Er habe hinter einem Tisch gesessen, auf dem sich der Monitor befunden habe. Die Tür sei gegenüber gewesen, sodass Hereinkommende gerade nicht auf den Monitor hätten schauen können. Nur wenn jemand hinter den Tisch gegangen sei und sich neben den Kläger zu 1. gestellt habe, habe er auf den Monitor sehen können. Es sei aber nicht üblich gewesen, dass jemand um den Tisch herumgekommen sei. Zwar habe sich hinter dem Kläger zu 1. eine Treppe befunden, die zur Werkstatt hinabführe. Theoretisch hätte jemand heraufkommen und auf den Monitor sehen können. Allerdings höre man zu einen, wenn jemand die Treppe heraufkomme. Zum anderen müsse unten zunächst eine Tür geöffnet werden, was ebenfalls hörbar sei. Neben dem Kläger zu 1. hätten nur drei Angestellte in dem Betrieb gearbeitet. Als der Onkel hereingekommen sei, sei der Kläger zu 1. überrascht gewesen, da zu dieser Zeit selten jemand in den Betrieb gekommen sei. Er habe gerade telefoniert und sei daher abgelenkt gewesen, weshalb er es versäumt habe, die Seiten schnell zu schließen. Es spreche nicht gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers zu 1., dass er innere Vorgänge nicht weiter berichtet habe. Er habe von anderen Geflüchteten den Rat bekommen, sachlich zu bleiben und möglichst chronologisch die Ereignisse zu schildern. Man habe ihm zudem geraten, vor allem die Fragen zu beantworten. Aufkommende Gefühle habe er bei der Anhörung unterdrückt, um sachlich schildern zu können. Überdies sei sein Redefluss durch die erforderliche Übersetzung immer wieder unterbrochen worden, was ebenfalls dazu geführt habe, dass er seine Gefühle unterdrückt habe. Die Fragen, die ihm gestellt worden seien, hätten überwiegend die äußeren Umstände betroffen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb ihm nun vorgeworfen würde, er habe seine inneren Vorgänge nicht berichtet. Es spreche auch nicht gegen seine Glaubwürdigkeit, dass sein Sohn den Laptop zur Schule mitgenommen habe. Dies habe der Sohn häufiger heimlich getan, auch wenn der Kläger zu 1. es ihm untersagt habe. Das vorgelegte Dokument habe er in gutem Glauben vorgelegt. Nach seiner Kenntnis habe sein Bruder das Dokument entgegengenommen und dann an ihn weitergeleitet. Auch die Schilderung des Klägers zu 1. zu seiner Konversion sei entgegen der Würdigung durch das Bundesamt glaubhaft. Bei einer Rückkehr seien die Kläger weiterhin gefährdet. Der Onkel der Klägerin zu 2. habe mittlerweile die Konversion des Klägers zu 1. gegenüber den iranischen Behörden offenbart. Zusätzlich zu den bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen haben die Kläger noch eine Stellungnahme des Pfarrers P. der Evangelisch-Lutherischen B. in J. vom 4. Februar 2021 vorgelegt. Auf den Inhalt wird verwiesen (Bl. 56 ff. d.GA). Zudem haben die Kläger eine Konfirmationsurkunde über die am 22. August 2021 erfolgte Taufe des Klägers zu 3. soweit eine weitere Patenurkunde für den Kläger zu 1. vorgelegt. Ferner haben die Kläger eine Fotografie überreicht, die sie bei der Teilnahme an einer Demonstration in J. am 19. November 2022 zeigen soll (Bl. 143 f. d. GA) sowie eine Fotografie, welche die Kläger in einer Kirche zeigen soll. Schließlich haben die Kläger noch eine weitere Stellungnahme von X. über das gemeindliche Engagement des Klägers zu 3. vom 27. Juni 2024 vorgelegt.
8Die Kläger beantragen,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. Januar 2021 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, ihnen den subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zu gewähren, weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Iran vorliegen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung nimmt sie auf die Gründe des angefochtenen Bescheides Bezug.
13Mit Beschluss vom 20. Juni 2023 hat die Kammer das Verfahren gemäß § 76 Abs. 1 AsylG auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
14Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung zweier amtlicher Auskünfte des Auswärtigen Amtes zu der Frage, ob das von den Klägern im behördlichen Asylverfahren vorgelegte Dokument in persischer Sprache, bei dem es sich um eine Vorladung des Revolutionsgerichts in Teheran handeln soll, authentisch ist. Hinsichtlich der Einzelheiten des Beweisthemas und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss vom 26. Januar 2024 (Bl. 96 f. d. GA) und die ergänzende Aufklärungsverfügung vom 14. Februar 2022 (Bl. 114 f. d. GA) sowie auf die die Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 31. Januar 2024 und 28. Februar 2024 (Bl. 104 f., 117 ff. d. GA) verwiesen.
15Zum Ergebnis der Beweisaufnahme trägt die Beklagte vor, dass die Auskunft des Auswärtigen Amtes bestätige, dass es sich bei dem vorgelegten Dokument um eine Fälschung handele.
16Der Kläger zu 1. lässt insoweit vortragen, dass er sich mit den Gepflogenheiten der iranischen Justiz nicht auskenne. Er habe das Schreiben einen Tag vor seiner Ausreise von seinem Bruder bekommen. Dieser arbeite ebenfalls in der Werkstatt. Der Bruder habe dem Kläger zu 1. berichtet, dass eine Person hereingekommen sei und auf Nachfrage mitgeteilt habe, dass sie einen Brief für den Kläger zu 1. habe und den Brief sodann dem Bruder ausgehändigt. Der Kläger zu 1. wisse nicht, ob bei den Angaben in dem Schreiben alles richtig gemacht worden sei und ob versehentlich ein falscher Stempel aufgebracht worden sei.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19A. Die zulässigen Klagen sind unbegründet.
20Die Kläger haben im für die Prüfung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 und 1 AsylG. Auch die hilfsweise begehrte Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 AsylG können die Kläger nicht beanspruchen. Sie haben weiter keinen Anspruch auf die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG gegeben sind. Die Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21I. Den Klägern steht kein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 bis 3e AsylG zu.
22Nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt.
23Eine Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG liegt nach § 3a AsylG bei Handlungen vor, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1959 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Als Verfolgung im Sinne des Abs. 1 können unter anderem gemäß § 3a Abs. 2 AsylG die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden oder auch unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung gelten. Dabei muss zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen. Eine solche Verfolgung kann nach § 3c AsylG nicht nur vom Staat ausgehen (Nr. 1), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nr. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
24Schutz vor Verfolgung kann gemäß § 3d Abs. 1 AsylG nur vom Staat (Nr. 1) oder Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (Nr. 2) geboten werden. Er muss nach § 3d Abs. 2 AsylG wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn geeignete Schritte eingeleitet werden, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt gemäß § 3e Abs. 1 AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat (Nr. 1) und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).
25Die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG vorausgesetzte Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23.12 –, juris, Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 04. Mai 2017 – 14 A 2023/16.A –, juris, Rn. 19.
27Gemäß § 28 Abs. 1a AsylG kann die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zu erleiden auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.
28Beim Flüchtlingsschutz gilt für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher, unionsrechtlich geprägter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (ABl. L 337/9) - sog. Qualifikationsrichtlinie - enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 01. März 2012 – 10 C 7.11 –, juris, Rn. 12, zur Vorgängerrichtlinie; OVG NRW, Urteil vom 04. Mai 2017 – 14 A 2023/16.A –, juris, Rn. 21.
30Das gilt unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Die Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie und nicht durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Verfolgungshandlungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 01. Juni 2011 – 10 C 25.10 –, juris, Rn. 21 f. zur Vorgängerrichtlinie; OVG NRW, Urteil vom 04. Mai 2017 – 14 A 2023/16.A –, juris, Rn. 23; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Januar 2018 – A 11 S 241/17 –, juris, Rn. 49.
32Entkräftet wird die Beweiskraft der Vorverfolgung nur, wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründet haben, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist.
33Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 30. Mai 2017 – A 9 S 991/15 –, juris, Rn. 28, und vom 18. April 2017 – A 9 S 333/17 –, juris, Rn. 43, sowie vom 3. November 2016 – A 9 S 303/15 –, juris, Rn. 35; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Auflage 2012, § 29 Rn. 54 ff.; weiterhin auf den Begriff der hinreichenden Sicherheit abstellend: OVG Saarland, Urteil vom 18. Januar 2018 – 2 A 287/17 –, juris, Rn. 28, wonach stichhaltige Gründe dann gegeben seien, wenn aktuell eine „hinreichende Verfolgungssicherheit“ bestehe, also mit dem Wiederaufleben der ursprünglichen Verfolgung nicht zu rechnen sei und das erhöhte Risiko einer erstmaligen gleichartigen Verfolgung aus anderen Gründen nicht bestehe.
34Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23.12 –, juris, Rn. 32; OVG NRW, Urteil vom 04. Mai 2017 – 14 A 2023/16.A –, juris, Rn. 25; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Januar 2018 – A 11 S 241/17 –, juris, Rn. 42; Nds. OVG, Urteil vom 27. Juni 2017 – 2 LB 91/17 –, juris, Rn. 32.
36Es obliegt dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur vollen Überzeugung des Gerichts (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische bzw. abschiebungsschutzrelevante Verfolgung droht. Die wahrheitsgemäße Schilderung eines realen Vorganges ist dabei erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum. An solch einer Schilderung fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 – 9 C 109.84 –, juris, Rn. 16, sowie Beschlüsse vom 21. Juli 1989 – 9 B 239.89 –, juris, Rn. 3, vom 26. Oktober 1989 – 9 B 405.89 –, juris, Rn. 8, und vom 3. August 1990 – 9 B 45.90 –, juris, Rn. 2; OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2014 – 1 A 1139/13.A –, juris, Rn. 35 f. m.w.N.
38Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Antragstellers berücksichtigt werden.
39Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, juris, Rn. 33, m.w.N.
40Bei der Frage religiös begründeter Verfolgungsgefahren, wie sie hier geltend gemacht werden, kommt es nicht nur auf zu befürchtende Eingriffe in die Freiheit, den Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren an, sondern auch auf zu befürchtende Eingriffe in die Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23.12 – juris, Rn. 24, m.w.N.
42Ein hinreichend schwerer Eingriff setzt dabei nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr der Verfolgung aussetzt. Vielmehr kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen.
43Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 27; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23.12 – juris, Rn. 26 m.w.N.
44Allerdings ist dabei die durch Taufe bewirkte Mitgliedschaft in einer christlichen Religionsgemeinschaft nur dann allein entscheidungserheblich, wenn eine Verfolgung in einem Land ausschließlich an die Kirchenzugehörigkeit anknüpft.
45Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 B 40.15 –, juris, Rn. 11.
46Ist dies jedoch - wie nach der derzeitigen Verfolgungslage im Iran - nicht der Fall
47- vgl. OVG NRW, Beschluss vom 06. Januar 2021 – 6 A 3413/20.A –, juris, Rn. 15; Bay. VGH, Urteil vom 29. Oktober 2020 – 14 B 19.32048 –, juris, Rn. 22, m.w.N.; Auswärtiges Amt, Lagebericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 5. Februar 2021 (Stand: Dezember 2020), S. 14 -,
48ist aufbauend auf der Kirchenmitgliedschaft bei der Beurteilung der Schwere einer drohenden Verletzung der Religionsfreiheit zu prüfen, ob die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis für den Asylbewerber zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist; maßgeblich ist dabei, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist
49- vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 B 40.15 –, juris, Rn. 11; BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 27 -
50ohne dass damit eine inhaltliche "Glaubensprüfung‟ verbunden ist.
51Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 31.
52Die Prüfung obliegt insoweit dem Bundesamt und den Verwaltungsgerichten.
53Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 B 40.15 –, juris, Rn. 11; BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 27.
54Bei der Prüfung der inneren Tatsache, ob der Asylbewerber die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet, dürfen sich die Verwaltungsgerichte nicht auf eine Plausibilitätsprüfung hinreichend substantiierter Darlegung beschränken, sondern haben insoweit das Regelbeweismaß der vollen Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zugrunde zu legen.
55Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 B 40.15 –, juris, Rn. 11; BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 27.
56Die religiöse Identität lässt sich dabei als innere Tatsache nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen.
57Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 33.
58Es unterliegt der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, auf welche Weise der Tatrichter versucht, sich die erforderliche Überzeugungsgewissheit vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsache der Wahrung der religiösen Identität des Asylbewerbers zu verschaffen.
59Dafür ist das religiöse Selbstverständnis des Betroffenen grundsätzlich sowohl vor als auch nach der Ausreise aus dem Herkunftsland von Bedeutung.
60Vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Mai 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 33; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23.12 – juris, Rn. 30 f., und Beschluss vom 25. August 2015 – 1 B 40.15 – juris, Rn. 14; OVG NRW, Urteil vom 18. Juni 2019 – 13 A 3930/18.A – juris, Rn. 72 sowie Beschlüsse vom 27. April 2016 – 13 A 854/16.A – juris, Rn. 10 und vom 10. September 2014 – 13 A 1171/14.A – juris, Rn. 7; VGH Baden-Würrtemberg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – A 11 S 1144/17 – juris, Rn. 63.
61Beruft sich der Schutzsuchende auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei in Deutschland zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss er die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf bloßen Opportunitätserwägungen beruht, und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt.
62Vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Mai 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 30; BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2004 – 1 C 9.03 – juris, Rn. 22.
63Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Nach dem aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde. Der vom Asylantragsteller zur vollen Überzeugung des Gerichts zu erbringende Nachweis der Hinwendung zu einer bestimmten Glaubensrichtung ist nicht bereits durch den Vollzug der Taufe und die Vorlage einer Taufbescheinigung erbracht.
64Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Januar 2020 – 6 A 3975/19.A –, juris, Rn. 13, Beschluss vom 9. Juni 2017 – 13 A 1120/17.A –, juris, Rn. 10 ff., Beschluss vom 27. April 2016 – 13 A 854/16.A –, juris, Rn. 8 ff. und Urteil vom 7. November 2012 – 13 A 1999/07.A –, juris, Rn. 37 ff.
65Bundesamt und Gerichte sind nicht an die Beurteilung des zuständigen Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des betroffenen Asylbewerbers liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zu Grunde.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 B 40.15 –, juris, Rn. 9; BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 30.
67Von einem Erwachsenen ist im Regelfall zu erwarten, dass dieser schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu den inneren Beweggründen für die Konversion machen kann und im Rahmen seiner Persönlichkeit und intellektuellen Disposition mit den Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist.
68Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 B 40.15 –, juris, Rn. 14; BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 34.
69Dabei dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, zumal Glaubens- und Konversionsprozesse individuell sehr unterschiedlich verlaufen können und nicht zuletzt von der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seiner religiösen und kulturellen Prägung und seiner intellektuellen Disposition abhängen.
70Vgl. Berlit, jurisPR-BVerwG 22/2015, Anm. 6
71Es bedarf im Rahmen der Beweiswürdigung in aller Regel der Gesamtschau einer Vielzahl von Gesichtspunkten, wie etwa der religiösen Vorprägung des Betroffenen und seiner Familie, der Frage einer Glaubensbetätigung bereits im Herkunftsland, des äußeren Anstoßes für den Konversionsprozess sowie dessen Dauer oder Intensität, der inneren Beweggründe für die Abwendung vom bisherigen Glauben, der Vorbereitung auf die Konversion und deren Vollzug, die Information und Reaktion des familiären und sozialen Umfelds, des Wissens über die neue Religion und die Konversionskirche, der Bedeutung und Auswirkungen des neuen Glaubens für beziehungsweise auf das eigene Leben sowie der Art und des Umfangs der Betätigung des neuen Glaubens wie zum Beispiel der Teilnahme an Gottesdiensten.
72Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 35 m.w.N.
73Dabei kann die Vertrautheit des Schutzsuchenden mit den Lehraussagen einer Religionsgemeinschaft zwar ein Indiz für die identitätsprägende Bedeutung eines Übertritts zu dieser Religion darstellen; eine notwendige Voraussetzung ist sie aber nicht - vielmehr kann bei Vorliegen aussagekräftiger und gewichtiger Umstände des Einzelfalls eine identitätsprägende Hinwendung zum Glauben auch ohne eine derartige Vertrautheit vorliegen.
74Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 – 2 BvR 1838/15 –, juris, Rn. 38.
75Jedoch wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist seine christliche Religion auch in seinem Heimatstaat auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommenen Konfession ausgerichtet hat.
76Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Januar 2020 – 6 A 3975/19.A –, juris, Rn. 13, Beschluss vom 9. Juni 2017 – 13 A 1120/17.A –, juris, Rn. 10 ff., Beschluss vom 27. April 2016 – 13 A 854/16.A –, juris, Rn. 8 ff. und Urteil vom 7. November 2012 – 13 A 1999/07.A –, juris, Rn. 37 ff.
77Gemessen an diesen Maßstäben besteht für die Kläger im Falle einer Rückkehr in den Iran keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung aus religiösen oder anderen Gründen. Die Kläger sind zur Überzeugung des Gerichts weder verfolgt aus dem Iran ausgereist, noch liegen relevante Nachfluchtgründe vor. Das Gericht geht nicht davon aus, dass die Kläger im Iran verfolgt worden sind oder ihnen eine Verfolgung unmittelbar drohte (1.). Auch ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Kläger im Iran oder in Deutschland dergestalt zum Christentum konvertiert sind, dass dieses nunmehr nachhaltig ihre religiöse Identität prägt (2.). Andere relevante Nachfluchtgründe gemäß § 28 Abs. 1a AsylG liegen ebenfalls nicht vor (3.).
781. Den Klägern droht keine Verfolgung aufgrund eines Vorfluchtgeschehens, sodass ihnen nicht die Vermutungsregel des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie zugutekommt. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass den als fluchtauslösend bezeichneten Geschehnissen im Iran im Kern der Wahrheit entsprechen. Das Gericht kann den diesbezüglichen Schilderungen des Klägers zu 1. keinen Glauben schenken. Die Behauptung des Klägers zu 1., der Onkel der Klägerin zu 2. habe ihn (wohl) dabei ertappt, wie er im Internet zu anderen Religionen, u.a. dem Christentum recherchiert habe, hält das Gericht für unglaubhaft. Der Kläger hat hierzu vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, der Onkel der Klägerin zu 2. sei in sein Büro gekommen und habe sich neben ihn auf einen Stuhl gesetzt. Von dort habe man den Bildschirm sehen können. Er, der Kläger zu 1., habe währenddessen telefoniert. Als er sein Telefonat beendet habe, habe er bemerkt, dass auf seinem Laptop noch eine Website mit christlichem Inhalt geöffnet gewesen sei. Er habe versucht, den Laptop ganz schnell auszuschalten. In dem Moment sei ihm aufgefallen, dass der Gesichtsausdruck des Onkels sich verändert habe. Der Onkel sei unmittelbar aufgestanden, habe sich verabschiedet und sei gegangen. Normalerweise handele er nicht so, aber er, der Kläger zu 1., habe sich gedacht, dass der Onkel in weniger als einer Minute nichts gesehen habe und er habe sich keine weiteren Gedanken darüber gemacht. Er habe ganz normal weitergearbeitet. Diese Beschreibung der betreffenden Situation durch den Kläger zu 1. entbehrt jedweder psychologischen Stimmigkeit.
79Vgl. zu diesem Glaubhaftigkeitskriterium Geipel, Handbuch der Beweiswürdigung, § 17, Rn. 135 und § 26 Rn. 95 ff.; vgl. auch LAG Bremen, Urteil vom 16. Dezember 2015 – 3 Sa 60/15 –, juris, Rn. 57; VG Meiningen, Urteil vom 9. Dezember 2019 – 2 K 1212/18 Me –, juris, Rn. 34.
80Das geschilderte Verhalten des Klägers zu 1. erscheint lebensfremd und in keiner Weise plausibel. Unter Zugrundelegung seines Vortrags musste er angesichts der beschriebenen Reaktion des Onkels zumindest den Verdacht gehabt haben, dass der Onkel den Inhalt der auf dem Laptop aufgerufenen Website wahrgenommen hatte; der Kläger zu 1. hat insofern auch ausdrücklich erklärt, dass das beschriebene Verhalten seines Onkels nicht normal gewesen sei. Warum er dann keinerlei Sicherheitsmaßnahen getroffen und die auf seinem Laptop gespeicherten Inhalte mit christlichem Bezug oder zumindest den Verlauf seines Browsers gelöscht hat, erscheint schlichtweg unbegreiflich. Seine Erklärung, dass er nicht viel über die Veränderung im Gesicht des Onkels nachgedacht und die Sache mit dem Gedanken, sein Onkel werde schon nichts gesehen haben, abgetan und dann unbekümmert weitergearbeitet habe, erscheint angesichts der Tatsache, dass der Onkel ein Sepah-Angehöriger aus einer streng religiösen Familie sein soll, in keiner Weise nachvollziehbar. Gleiches gilt für die Einlassung des Klägers zu 1., er habe sich die abrupte Verabschiedung seines Onkels (allein) damit erklärt, dass dieser schnell zu seinem Bruder gewollt habe, bei dem er eingeladen gewesen sei. Denn auch aus Sicht des Klägers zu 1. hätte es höchst ungewöhnlich erscheinen müssen, dass der Onkel der Klägerin zu 2. in sein Büro kommt und dort Platz nimmt, nur um dann kurze Zeit später unvermittelt und ohne dass es – abgesehen von der Verabschiedung – zu irgendeiner Interaktion zwischen ihnen gekommen wäre, zum Bruder des Klägers zu 1. aufzubrechen. Ebenso unerfindlich und psychologisch unstimmig ist es, dass der Kläger zu 1. nicht mal die „Spuren“ seiner Recherchen zum Christentum verwischt und entsprechende Inhalte und Suchverläufe auf seinen Computern gelöscht hat, nachdem er in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Vorfall mit seinem Onkel aufgefordert worden war, sich bei einem Polizeirevier zu melden. Ein solchermaßen unvorsichtiges Verhalten ist angesichts der erheblichen und im Iran allgemein bekannten Gefahren für Leib und Leben, denen Konvertiten im Iran ausgesetzt sind, nicht nachvollziehbar.
81Gegen die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens zum behaupteten Ausreisegrund spricht auch, dass der Kläger zu 1. sich insofern in nicht plausibel aufgelöste Widersprüche verwickelt hat. Gegenüber dem Bundesamt hatte er angegeben, dass er auf seinem Arbeitscomputer (nur) „Dinge“ angesehen, aber nichts gespeichert habe; er habe nur auf dem Laptop etwas gespeichert. Aus dem Kontext dieser Äußerung ergibt sich, dass der Kläger zu 1. mit den „Dingen“ nur kompromittierende (christliche oder andere religiöse) Inhalte gemeint haben kann, denn sie erfolgte auf die Frage des Bundesamtes, ob sein Arbeitscomputer (im Zuge der Durchsuchung seines Büros) mitgenommen worden sei, was der Kläger zu 1. verneinte. Die Aussage des Klägers zu 1., auf seinem Arbeitscomputer sei nichts gespeichert gewesen (auf seinem Laptop aber schon), kann in diesem Zusammenhang nur als Erklärung oder Vermutung des Klägers zu 1. verstanden werden, dass sein Arbeitscomputer nicht mitgenommen worden sei, weil darauf – im Gegensatz zu seinem Laptop – keine ihn belastenden Informationen (über das Christentum) gefunden worden seien. Wieso der Kläger zu 1. stattdessen darauf hinweisen sollte, dass auf seinem Arbeitscomputer generell keine Daten gespeichert gewesen seien (wohl aber auf seinem Laptop), erschließt sich nicht. Dann kann aber auch die Aussage, er habe sich auf seinem Arbeitscomputer „Dinge“ nur angesehen, nur auf kompromittierende christliche oder sonstige religiöse Inhalte bezogen sein. Hiervon deutlich abweichend insistierte der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung (zunächst) darauf, er habe seinen Arbeitscomputer nicht benutzt, um zum Christentum (oder anderen Themen privater Natur) zu recherchieren. Sein auf entsprechenden Vorhalt geäußerter Einwand, es habe sich fest vorgenommen, seinen Arbeitscomputer für private Zwecke zu nutzen, es könne aber sein, dass er auf dem Arbeitscomputer ausnahmsweise Informationen zu privaten Zwecken recherchiert habe, vermag diesen Widerspruch nicht überzeugend auszuräumen. Denn er erklärt nicht, wieso der Kläger zu 1. noch gegenüber dem Bundesamt mit Bestimmtheit sagen konnte, dass er auf seinem Arbeitscomputer zum Christentum (oder anderen Religionen) recherchiert hatte (s.o.). Auch die Mutmaßung des Klägers zu 1., es sei bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt zu einem Übersetzungsfehler gekommen, weil im Persischen nicht zwischen „Laptop“ und „Computer“ unterschieden würde, ist nicht geeignet, den aufgezeigten Widerspruch plausibel aufzulösen. Denn hätte der Kläger zu 1. bei der Anhörung vor dem Bundesamt tatsächlich zweimal den Begriff „Laptop“ statt „Computer“ oder umgekehrt verwendet, hätte seine Aussage keinen erkennbaren Sinn mehr. Im Übrigen weicht die Darstellung des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung gegenüber seinem Vorbringen vor dem Bundesamt auch insofern ab, als er in der mündlichen Verhandlung – anders als noch gegenüber dem Bundesamt – nicht mehr mit Sicherheit sagen konnte, ob christliche Inhalte auf seinem Laptop gespeichert waren.
82Überdies hat der Kläger zu 1. das Verhör, dem er unterzogen worden sein will, inkonsistent geschildert. So hatte er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, er sei (auch) geschlagen worden, als er einige Fragen verneint oder nicht beantwortet habe. Von derartigen körperlichen Übergriffen im Rahmen des Verhörs war in der mündlichen Verhandlung dagegen keine Rede mehr; hier gab er auf Bitten des Gerichts, den Ablauf des Verhörs zu schildern, lediglich an, die Verhörsperson habe „zweimal auch auf den Tisch mit der Faust gehauen.“ Sonstige gegen ihn gerichtete physischen Gewaltanwendungen erwähnte der Kläger zu 1. nicht. Auch insoweit sieht das Gericht keine Anhaltspunkte für einen Übersetzungsfehler bei der Anhörung vor dem Bundesamt. Der Kläger hat zu Beginn und am Ende der Bundesamtsanhörung ausdrücklich erklärt und durch seine Unterschrift auf dem Kontrollbogen bestätigt, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben hat. Der Kläger hat ferner auf dem Kontrollbogen bestätigt, dass eine Rückübersetzung stattgefunden habe und das rückübersetzte Protokoll der Anhörung seinen Angaben entspreche und seine Angaben vollständig und wahr seien. Es ist ferner nicht ansatzweise erkennbar, welche Motivation die sprachmittelnde Person zu einer vorsätzlich falschen Übersetzung gerade dieser Teile des klägerischen Vorbringens veranlassen sollte.
83Zu einer anderen Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers zu 1. führt auch nicht das von ihm vorgelegte Dokument, bei dem es sich um eine Vorladung eines iranischen Gerichts handeln soll.
84Das Gericht sieht dieses Dokument unter Berücksichtigung der eingeholten Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 31. Januar und 28. Februar 2024 als Fälschung an. Für ausländische öffentliche Urkunden gilt die Echtheitsvermutung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 437, 438 Abs. 1 ZPO) nicht. Das Gericht kann nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 438 Abs. 1 ZPO über die Echtheit der Urkunde nach Ermessen befinden.
85Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2002 – 2 BvR 191/02 –, juris, Rn. 5 m.w.N.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 6. November 2019 – 6 A 11200/18 –, juris, Rn. 14.
86Als Fälschung kann eine Urkunde nur angesehen werden, wenn es daran keine vernünftigen Zweifel gibt. Bleiben Zweifel an der Echtheit der ausländischen Urkunde, muss das Gericht sich die nötige Überzeugungsgewissheit etwa durch Ersuchen an die zuständige Auslandsvertretung verschaffen.
87Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 2010 – 5 B 49.09 –, juris, Rn. 3.
88Das Auswärtige Amt hat bezüglich der an die Kläger zu 1. gerichteten „Vorladung der Ersten Kammer des Strafgerichts 1 Provinz Teheran vom 11/1397“ (= 21. Januar 2019 bis 19. Februar 2019) ausgeführt, dass Vorladungsnummer, Aktenzeichen, Archivnummer und Datumsangabe nicht der dem Auswärtigen Amt bekannten, bei der iranischen Justiz gebräuchlichen Systematik entsprächen. Der aufgeführte Stempel weiche von der ausstellenden Behörde im Rubrum ab; der Stempel nenne die Erste Kammer des Revolutionsgerichts. Es sei ausgeschlossen, dass es sich um ein- und dasselbe Gericht handele. Die ausführliche Aufzählung der (schweren) Tatvorwürfe in einer Vorladung sei unüblich. Zuständig für die in der Vorladung genannt en Tatvorwürfe wäre nach Mitteilung des Kooperationsanwalts der Botschaft Teheran das Daadgah-e Kayfari Ostan (Tehran District Penal Court/Bezirksstrafgericht Teheran). Bei dem Schriftstück handele es sich um ein Dokument, das dem Auswärtigen Amt in leicht abgewandelter Form in den vergangenen Jahren mehrfach zur Beurteilung der Authentizität vorgelegt worden sei. Es könne ohne größeren Aufwand im Internet abgerufen werden.
89Das Gericht erachtet diese Einschätzung, aus der sich nach Auffassung des Gerichts deutliche Fälschungsmerkmale ergeben, in der Gesamtschau der aufgezeigten Auffälligkeiten für uneingeschränkt plausibel, zumal es für iranische Staatsangehörige relativ leicht ist, an gefälschte Dokumente zu gelangen. Dokumentenfälschungen haben seit den krisenhaften Entwicklungen im Frühjahr 2018 zugenommen. Auch echte Dokumente unrichtigen Inhalts sind einfach zu beschaffen.
90Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. November 2021 – 10 A 1072/19 -, juris, Rn. 27; VG Aachen, Urteil vom 11. November 2020 – 10 K 3601/18.A –, juris, Rn. 50; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 28. Januar 2022, Stand: Dezember 2021, S. 23.
91Der Kläger zu 1. hat der nachvollziehbaren Einschätzung des Auswärtigen Amtes inhaltlich nicht widersprochen, sondern nur geltend gemacht, er habe auf die Echtheit des Dokuments vertraut und dieses in gutem Glauben vorgelegt. Damit hat der Kläger zu1 die sich aus der amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes ergebenden Hinweise auf eine Fälschung nicht ansatzweise entkräftet; im Übrigen hat der Kläger zu 1. selbst die Vermutung geäußert, sein Onkel – und damit kein Gericht – habe ihm die Vorladung zukommen lassen, um ihn einzuschüchtern.
92Das Gericht hat nach alledem nicht die Überzeugung gewonnen, dass den behaupteten Fluchtgründen der Kläger reale Begebenheiten zu Grunde liegen. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers zu 1. erscheint dem Gericht vielmehr insgesamt frei erfunden. Damit kann auch der Behauptung der Kläger, der Onkel der Klägerin zu 2. sie, die Kläger, nunmehr wegen ihrer Konversion bei den iranischen Behörden denunziert und Beamte hätten die Mutter des Klägers zu 1. aufgesucht und eingeschüchtert, kein Glauben geschenkt werden.
932. Das Gericht hat auch nicht die volle Überzeugung gewinnen können (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass den Klägern bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund ihrer geltend gemachten Konversion zum Christentum droht.
94a) Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Taufe des Klägers zu 1., wie erforderlich, eine innere religiöse Überzeugung zu Grunde liegt und er in seiner religiösen Identität spezifisch christlich geprägt ist, sodass auch nicht angenommen werden kann, dass er nach ihrer Rückkehr in den Iran entsprechend christlicher Glaubensvorstellungen leben und sich dadurch einer Verfolgung durch den Staat bzw. diesem zurechenbare nichtstaatliche Akteure aussetzen, respektive nur unter dem Druck drohender Verfolgung in unzumutbarer Weise auf die Glaubensausübung verzichten würde.
95Die Unglaubhaftigkeit der Angaben des Klägers zu 1. zum angeblich fluchtauslösenden Geschehen hat zur Folge, dass ihm auch im Übrigen sein Vorbringen – jedenfalls soweit es in einem inhaltlichen Zusammenhang mit seinem behaupteten Verfolgungsschicksal steht – nicht geglaubt werden kann. Dies schließt auch die Behauptung des Klägers zu 1. ein, er habe sich im Iran aufgrund des Kontakts zu armenischen Christen und eigener Recherchen innerlich dem christlichen Glauben zugewandt. Insoweit vermag das Gericht in Anbetracht der unglaubhaften und bislang nicht revidierten Angaben zum unmittelbar fluchtauslösenden Geschehen jedenfalls nicht mehr die volle Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) vom Wahrheitsgehalt des Vorbringens des Klägers zu 1. zu den Beweggründen und Umständen seiner Beschäftigung mit dem christlichen Glauben, die überhaupt erst zu den angeblich fluchtauslösenden Ereignissen geführt haben soll, zu gewinnen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass aus der fehlenden Glaubhaftigkeit von einzelnen Teilen des Vorbringens nicht gleichsam "automatisch" der Schluss auf ein insgesamt unglaubhaftes Vorbringen des Asylbewerbers gezogen werden kann.
96Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2006 – 19 A 2171/06.A –, juris; Bay. VGH, Beschluss vom 16. Juni 1999 – 27 ZB 98.33989 –, juris, Rn. 2, m.w.N.; zu Rückschlüssen auf die Glaubhaftigkeit von anderen, selbstständig zu beurteilenden Fluchtgründen, insbesondere Nachfluchtgründen: BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. November 1996 – 2 BvR 1318/95 –, juris.
97Vorliegend ist die Behauptung einer Konversion oder zumindest einer Hinwendung zum christlichen Glauben indes inhaltlich derart mit dem vermeintlich ausreiseursächlichen Geschehen verschränkt, dass dem Gericht insofern eine Aufspaltung in einen glaubhaften und einen unglaubhaften Teil nicht mit der erforderlichen Überzeugungsgewissheit möglich ist. Es ist dabei nicht Aufgabe des Gerichts, den Asylbewerber zu einem schlüssigen Vortrag hinzuführen
98– vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 24. Februar 2021 – 5 A
99527/19.A –, juris, Rn. 27 -
100oder bei der Unterbreitung eines zusammenhängenden, aber in wesentlichen Teilen der Schilderung unglaubhaften Sachverhaltskomplexes zu versuchen, noch einen wahren Kern herauszuschälen und dabei entstandene Lücken in der Darstellung des behaupteten asylerheblichen Sachverhalts - wie etwa hinsichtlich des tatsächlichen Ausreisegrundes - mit „wohlwollend“ unterstellten Annahmen zu Gunsten des Asylbewerbers zu schließen.
101Die unterbreitete Konversionserzählung des Klägers zu 1. lässt zur Überzeugung des Gerichts auch ungeachtet des Vorstehenden nicht auf einen authentischen Konversionsprozess schließen. Die Angaben des Klägers zu seinem Glaubenswechsel ergeben kein stimmiges, psychologisch nachvollziehbares und lebensechtes Bild eines tatsächlich durchlebten religiösen Wandlungsprozesses. Sein Vorbringen lässt keine glaubhafte Motivation für eine Hinwendung zum christlichen Glauben erkennen.
102Ein ernstlicher Glaubenswechsel ist nach Überzeugung des Gerichts nur glaubhaft vorgetragen, wenn auch die Beweggründe für den Glaubensübertritt nachvollziehbar und glaubhaft geschildert werden. Ein geborener Muslim, der zum christlichen Glauben übertritt, muss nach den konversionsfeindlichen Verhältnissen im Iran regelmäßig bereit sein, sich aus seinen bisherigen gesellschaftlichen und familiären Zusammenhängen zu lösen und/oder seinen neuen Glauben zumindest zu verheimlichen, und hat zudem bekanntermaßen Gefahren zumindest für seine physische Freiheit zu fürchten. Vor dem Hintergrund dieser schwerwiegenden Konsequenzen ist zu erwarten, dass ein echter Konvertit die Gründe für den Glaubenswechsel ernst und intensiv erwogen hat. Dementsprechend kann von einem echten Konvertiten erwartet werden kann, dass er sich zu den in Rede stehenden Gründen und Motiven seines Glaubenswechsels und vor allem auch zu den zentralen Inhalten des neuen Glaubens - jeweils nach Maßgabe seiner Erkenntnis-, Einsichts- und Ausdrucksmöglichkeiten - eingehend und sachhaltig äußern kann. Fehlt es einem (angeblichen) Konvertiten an dieser Fähigkeit, wird die Konversion nach Überzeugung des Gerichts nur aus asyltaktischen Gründen behauptet, ohne dass hinter dieser Behauptung eine echte Glaubensüberzeugung stünde.
103Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 3. April 2019 – 5 K 5819/17.A –, juris, Rn. 30.
104Er hat weder ein von ihm als „Schlüsselerlebnis“ gedeutetes singuläres Ereignis
105- vgl. zum Begriff VG Würzburg, Urteil vom 19. Dezember 2014 – W 1 K 12.30183 –, juris, Rn. 33 -
106als Auslöser eines plötzlichen, radikalen religiösen Überzeugungswandels, noch einen (längerfristigen) Transformationsprozess als Ausdruck einer religiösen Reflexion und Neuorientierung
107- vgl. OVG NRW, Urteil vom 02. Juli 2019 – 1 A 4920/18.A –, juris, Rn. 58; vgl auch VG Würzburg, Beschluss vom 8. Mai 2018 – W 1 S 18.30820 –, juris, Rn. 28 -
108oder den Konversionsprozess initiierende soziale oder psychologische Faktoren jenseits theologischer Wahrheitsfragen - etwa in Gestalt einer persönlichen Krise - substantiiert und glaubhaft geschildert.
109Der beschriebene Konversionsprozess wirkt schon mit Blick auf dessen zeitliche Dimension zweifelhaft. So will der Kläger zu 1. bereits vor etwa zwölf Jahren begonnen haben, sich mit einem armenischen Nachbarn – dessen Nachname ihm bezeichnenderweise nicht mehr präzise in Erinnerung war – über das Christentum auszutauschen. Angesichts dessen bleibt unbegreiflich, welche Erkenntnisse der Kläger zu 1. noch durch seine „Recherchen“ gewonnen haben will, die letztlich ausschlaggebend dafür gewesen sein sollen, dass das Thema Konversion dann erst zwei Jahre vor seiner Ausreise für ihn ernst geworden sein soll. Wenn der Kläger zu 1. insoweit sinngemäß darauf abstellt, dass er erst dann die christliche Heilsbotschaft verstanden haben will, erklärt sich nicht, worüber bei den Gesprächen mit seinem armenischen Nachbarn, die „immer wieder“ stattgefunden haben sollen, überhaupt gesprochen worden sein soll. Durchgreifende Zweifel an einem aufrichtigen Glaubenswechsel ergeben sich auch daraus, dass der Kläger zu 1. auf Nachfrage des Bundesamtes bei seiner ersten Anhörung am 28. Februar 2019 erklärt hat, dass er seinen Glauben noch nicht gewechselt habe. Er habe sich nur informieren wollen und vielleicht werde er sich hier weiter informieren. Diese Antwort mag zwar noch insoweit erklärlich sein, als der Kläger zu 1. die Frage nach einem Glaubenswechsel auf eine formale Konversion bezogen haben könnte, die seinerzeit mangels Taufe in der Tat noch nicht stattgefunden hatte. Es bleibt aber unerfindlich, warum der Kläger zu 1. gegenüber dem Bundesamt angegeben hatte, dass er sich im Iran nur zum Christentum informiert habe und sich hier vielleicht weiter informieren werde, obwohl er in der mündlichen Verhandlung bekundet hat, schon im Iran den christlichen Glauben (innerlich) angenommen und an Gott, Jesus Christus und den Heiligen Geist geglaubt zu haben. Soll die religiöse Neuorientierung des Klägers zu 1. damit schon im Iran abgeschlossen oder jedenfalls so weit vorangeschritten gewesen sein, dass er „unbedingt ein Christ werden“ (Bl. 19 des Protokolls zur mündlichen Verhandlung) wollte, bleibt unverständlich, warum er hierauf nicht schon gegenüber dem Bundesamt hingewiesen hat, sondern dort eine weitere Beschäftigung mit dem christlichen Glauben sinngemäß als noch ungewiss bezeichnet hat. Mit letzterer Darstellung nicht in Einklang zu bringen ist zudem die Tatsache, dass der Kläger zu 1. – wie auch die Klägerin zu 2. – dann schon im März einen Taufkurs besucht und sich nicht ganz zwei Monate nach der ersten Anhörung hat taufen lassen. Wenn der Kläger zu 1. im Zeitpunkt der ersten Anhörung sich bislang nur über das Christentum informiert haben noch nicht einmal entschlossen gewesen sein will, sich überhaupt weiter darüber zu informieren, lässt diese gewählte Art der „Schnelltaufe“ den starken Verdacht eines rein asyltaktischen Vorgehens aufkommen.
110Mangels glaubhafter Darlegung des Konversionsprozesses ist das Gericht auch nicht davon überzeugt, dass der Kläger zu 1. nach seiner Ausreise aus dem Iran aufgrund eines ernst gemeinten religiösen Einstellungswandels zum Christentum übergetreten und die Betätigung dieses Glaubens nunmehr prägender Bestandteil seiner religiösen Identität ist. Nach dem Bekunden des Klägers zu 1. soll sein Glaubenswechsel bereits im Iran seinen Ausgang genommen haben, weil er sich bereits hier dem Christentum zugewandt haben will. Damit hat der Kläger zu 1. selbst einen Bezug seiner Konversion zu seiner – nach Überzeugung des erkennenden Gerichts wie auch des Gerichts des Asylerstverfahrens – insgesamt gerade nicht glaubhaften Schilderung der Geschehnisse im Iran hergestellt.
111Diese Bezugnahme auf unglaubhaftes Vorbringen wirkt sich auf die Glaubhaftigkeit des Nachfluchtvorbringens aus, sodass insgesamt keine hinreichend schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben zu den Umständen der behaupteten Konversion vorliegen.
112Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 25. Februar 2019 – 14 B 17.31462 –, juris, Rn. 58; in diese Richtung auch VG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2018 – A 11 K 5550/17 –, juris, Rn. 50; VG Osnabrück, Urteil vom 6. Januar 2020 – 2 A 219/17 –, juris.
113Einen neuen, das Vorfluchtgeschehen überlagernden Strang, dem sich ein identitätsprägender religiöser Einstellungswandel losgelöst von seinen unglaubhaften Vorfluchtschilderungen entnehmen ließe
114- vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Mai 2019 – 1 B 42.19 – juris, Rn. 4 f.; Bay. VGH, Urteile vom 25. Februar 2019 – 14 B 17.31462 –, juris, Rn. 57 und vom 29. Oktober 2020 – 14 B 19.32048 –, juris, Rn. 40; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24. März 2020 – 2 LB 20/19 –, juris, Rn. 38; VG Bayreuth, Urteile vom 23. Mai 2022 – B 8 K 19.31797 –, juris, Rn. 100 und vom 9. August 2021 – B 10 K 19.30219 –, juris, Rn. 61; VG München, Urteil vom 29. September 2021 – M 28 K 18.34426 –, juris, Rn. 53 -
115hat der Kläger zu 1. nicht geschildert.
116Das Gericht geht nach alledem davon aus, dass dem formalen Glaubensübertritt der Klägerin zu 1. kein ernsthafter religiöser Einstellungswandel zu Grunde liegt, sondern sie sich aus rein asylverfahrenstaktischen Gründen hat taufen lassen.
117Das Gericht bezweifelt nicht, dass der Kläger zu 1. sich mit dem Christentum beschäftigt und sich einige Kenntnisse darüber angeeignet hat. Bei diesen Kenntnissen handelt es sich aber um ein bei gehöriger Anstrengung für jedermann erlernbares Wissen, ohne dass hierfür ein Glaubensübertritt aus innerer, identitätsprägender Überzeugung erforderlich wäre.
118Vgl. etwa VG Bayreuth, Urteil vom 23. Mai 2022 – B 8 K 19.31797 –, juris, Rn. 108; VG Magdeburg, Urteil vom 9. September 2019 – 3 A 398/17 –, juris, Rn. 94; VG Stuttgart, Urteil vom 14. März 2017 – A 11 K 7407/16 –, juris, Rn. 50; VG Lüneburg, Urteil vom 17. August 2015 – 5 A 218/14 –, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 26. Juni 2013 – 3 A 2822/12 –, juris.
119Solche Kenntnisse wird sich auch jeder halbwegs intelligente Asylbewerber, der sich ein Aufenthaltsrecht in Deutschland auf der asyltaktisch aussichtsreichen "Konversionsschiene" verschaffen will, anzueignen wissen. Ein positiver Erkenntniswert für die Ernsthaftigkeit der Konversion ist daher mit einem solchen Wissen allein in aller Regel nicht verbunden.
120Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2019 – 5 K 9351/17.A –, juris, Rn. 35; VG Magdeburg, Urteil vom 9. September 2019 – 3 A 398/17 –, juris, Rn. 94; vgl. auch VG Köln, Urteil vom 11. Juni 2013 – 23 K 4671/12.A –, juris, Rn. 36.
121Abstraktes Wissen dürfte meist mit intellektueller Befähigung korrelieren. Wer auf die Fragen des Gerichts nach den Kerninhalten einer Religion – nach entsprechender Vorbereitung – zutreffend antwortet, stellt damit lediglich unter Beweis, dass er die Anforderungen des Gerichts zuverlässig antizipieren konnte.
122Im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit eines Glaubenswechsels wirklich aussagekräftig werden Kenntnisse über die neue Religion erst, wenn sie in eine glaubhafte "Zuwendungsgeschichte" und entsprechend glaubhafte "religiöse Lebensgeschichte" eingebunden sind, woran es hier aus den genannten Gründen fehlt.
123Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2019 – 5 K 9351/17.A –, juris, Rn. 35.
124Dass die nach außen gewandten konversionsbezogenen Handlungen des Klägers zu 1. - die Teilnahme am Gottesdienst und an Bibel- und Taufkursen usw. - zwingend von einer die religiöse Identität prägenden Annahme des Christentums getragen sein müssen, vermag das Gericht ebenfalls nicht zu erkennen.
125Vgl. VG Aachen, Urteil vom 22. Januar 2021 – 10 K 3480/18.A –, juris, Rn. 56.
126Vielmehr kann die Eingliederung in eine christliche Gemeinde auch in dem Wunsch nach Anschluss, persönlichen Bekanntschaften und menschlicher Zuwendung, kurzum dem Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit wurzeln.
127Vgl. VG Ansbach, Urteil vom 26. April 2022 – AN 17 K 17.34206 –, juris, Rn. 34; VG Oldenburg, Urteil vom 26. Juni 2013 – 3 A 2822/12 –, juris, S. 26 des Urteilsabdrucks und Urteil vom 1. Dezember 2021 – 13 A 6199/17 –, juris, S. 21 des Urteilsabdrucks.
128Nicht zuletzt kann ein solches Verhalten – wie ausgeführt – auch allein asylverfahrenstaktisch motiviert sein. Vor diesem Hintergrund vermögen allein die Einbindung des Klägers in eine Kirchengemeinde in Deutschland und seine Kenntnisse über christliche Glaubensinhalte nicht das Fehlen einer nachvollziehbaren und glaubhaften Schilderung des Konversionsprozesses zu kompensieren.
129Vgl. zur Zulässigkeit eines solchen Schlusses erneut BVerwG, Beschluss vom 21. Mai 2019 – 1 B 42.19 –, juris, Rn. 5; VG Oldenburg, Urteil vom 26. Juni 2013 – 3 A 2822/12 –, juris; so im Ergebnis auch VG Aachen, Urteil vom 22. Januar 2021 – 10 K 3480/18.A –, juris, Rn. 56.
130Gleiches gilt für einen behaupteten Wandel in der eigenen Lebensweise. Die Hinwendung zu einem Streben nach persönlicher Verbesserung und die Hilfe für Mitmenschen können zwar auf einer christlichen Motivation und auf der Annahme als verbindlich empfundener christlicher Werte und Moralvorstellungen beruhen; zwingend ist ein solcher Zusammenhang aus den genannten Gründen jedoch nicht.
131b) Das Gericht hat auch nicht die volle Überzeugung von einem identitätsprägenden Glaubenswechsel der Klägerin zu 2. zum Christentum gewinnen können, weil sich auch ihrem Vortrag keine glaubhafte Schilderung eines Konversionsprozesses entnehmen lässt. Dies folgt schon daraus, dass ihr Konversionsnarrativ nicht gleichsam unverbunden neben demjenigen des Klägers zu 1. steht, sondern eng mit dessen - gerade nicht glaubhaften - Schilderungen zu einer angeblich bereits im Iran erfolgen Auseinandersetzung mit dem Christentum verknüpft ist. Denn immerhin soll die Initiative zum Kirchbesuch in Deutschland von dem Kläger zu 1. ausgegangen sein. Diese Verflechtung mit der unglaubhaften Konversionsgeschichte des Klägers zu 1. bewirkt, dass auch im Falle der Klägerin zu 2. der starke Verdacht einer nur asylverfahrenstaktischen Beschäftigung mit dem Christentum besteht. Überdies hat auch sie ihren behaupteten Glaubenswandel nicht in einer Weise beschrieben, die auch nur für sich betrachtet überzeugend wäre. Es fehlt auch unter Ausblendung der vorbeschriebenen Zweifel an einem Konversionsnarrativ, das auf eine tatsächliche Konversion schließen lässt. So konnte die Klägerin zu 2. gegenüber dem Bundesamt nicht nachvollziehbar darlegen, welche spezifisch religiösen Inhalte sie am Christentum fasziniert haben und was sie gerade in spiritueller Hinsicht zum Christentum hingezogen hat. Auf die Frage, warum sie an einem Taufkurs teilgenommen habe, erklärte die Klägerin zu 2., sie habe viele positive Sachen über das Christentum gehört wie „Barmherzigkeit, Hilfe für andere, jemandem etwas Gutes tun.“ Auf die Frage, was sie so überzeugt habe, dass sie sich habe taufen lassen, antwortete die Klägerin zu 2., dass der Taufspruch sie beeindruckt habe und dass sie gesehen habe, wie froh die Menschen in ihrer Umgebung seien, wenn sie zu Kirche gingen. Persönlich bedeute ihr das Christentum, dass sie ein Ziel habe, dass sie Hoffnung geschöpft habe und dass sie innere Ruhe erlangt habe. Das Wichtigste am Christentum, die zentralen Glaubensinhalte für sie seien, dass die Menschen sich versammelten und (füreinander) beteten. Abgesehen von ihrer Floskelhaftigkeit und Austauschbarkeit lassen diese Äußerungen keinen Bezug zu spezifisch christlichen Glaubenssätzen oder auch nur einen Transzendenzbezug erkennen. Auf Kerninhalte des christlichen Glaubens wie etwa die Bedeutung von Jesus Christus als Gottes Sohn und Erlöser oder die Vorstellungen von der Vergebung der Sünden oder dem ewigen Leben ging die Klägerin zu 2. nicht ein, obwohl ihr diese Konzepte auch schon bei ihrer zweiten Anhörung vor dem Bundesamt nicht gänzlich unbekannt gewesen sein können. Eine spezifisch religiöse Motivation für den behaupteten Glaubensübertritt wird daher nicht deutlich. Es tritt hinzu, dass das Wissen der Klägerin zu 2. über christliche Glaubensinhalte Lücken aufweist, die bei einem ernsthaften Interesse an der neu angenommenen Religion nicht zu erwarten wären. So konnte sie zwar das Osterfest benennen und erwähnte sie auch die Auferstehung; sie konnte zwischen beiden aber offenbar keinen Zusammenhang herstellen. Weihnachten werde (nur) am 25. Dezember gefeiert; den 24. und 26. Dezember brachte die Klägerin zu 2. nicht mit Heiligabend bzw. dem zweiten Weihnachtsfeiertag in Verbindung. Pfingsten verwechselte sie mit Christi Himmelfahrt. Die Weihnachtsgeschichte verortete sie im Alten Testament, obwohl sie angab, dass sie regelmäßig in der Bibel lese und dass auch bei den Gottesdiensten am Mittwoch aus dem Heiligen Buch gelesen werde. Zudem bezeichnete sie die Evangelien als „die gesamten Bücher, die die Bibel betreffen und zusammengelegt wurden“. Auch eine solche Aussage verwundert angesichts der behaupteten regelmäßigen Bibellektüre. Die Klägerin zu 2. war schließlich nicht in der Lage, das Vaterunser auf Persisch oder Deutsch vollständig aufzusagen. Derartige Wissenslücken sind zur Überzeugung des Gerichts bei einer nunmehr angeblich über fünf Jahre währenden Glaubensausübung auch nicht lediglich mit der Nervosität der Klägerin zu 2. zu erklären. Hinsichtlich der fehlenden Aussagkraft der nach außen gewandten religiösen Aktivitäten gilt das zum Kläger zu 1. Ausgeführte entsprechend.
132c) Der Kläger zu 3. ist zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls nicht aus ernsthafter, fester innerer Überzeugung zum christlichen Glauben übergetreten, sodass auch nicht angenommen werden kann, dass die Ausübung des christlichen Glaubens eine besondere, unverzichtbare Bedeutung zur Wahrung seiner religiösen Identität für ihn hätte. Der unterbreiteten Konversionserzählung des Klägers zu 3. liegt nach Auffassung des Gerichts ebenfalls kein authentischer Konversionsprozess zu Grunde. Die Angaben des Klägers zu seinem Glaubenswechsel ergeben schon deshalb kein stimmiges, psychologisch nachvollziehbares und lebensechtes Bild eines tatsächlich durchlebten religiösen Wandlungsprozesses, weil seine Ausführungen dazu, wie sich seine Religiosität konkret vor seiner Annahme des christlichen Glaubens dargestellt haben soll, unstimmig sind. Insofern hat der Kläger zu 3. einerseits angegeben, er sei, als er nach Deutschland gekommen sei, noch kein Christ gewesen, habe aber an einen Gott geglaubt; dieser Gott sei ein Gott gewesen, der ihm immer geholfen habe. Er sei eine spirituelle Energie gewesen, eine Person, die immer bei ihm gewesen sei, die sozusagen in ihm gewesen sei. Auf die Frage, woher er diese Vorstellung von Gott gehabt habe, erklärte der Kläger zu 3., er habe das einfach gespürt. Hiermit unvereinbar ist jedoch die weitere Aussage des Klägers zu 3., er habe den islamischen Gott wie einen schrecklichen Menschen gespürt; er habe ihm nicht vertrauen können und mit ihm nicht über Anliegen, die ihn betrafen, sprechen können. Diese beiden Gottesbilder sind unvereinbar. Bleibt aufgrund dieser ungereimten Angaben die religiöse Vorprägung des Klägers zu 3. somit unklar, lässt sich auch die Nachvollziehbarkeit seiner behaupteten Annahme des christlichen Glaubens nicht mit der erforderlichen Überzeugungsgewissheit feststellen. Darüber hinaus sind auch die Kenntnisse des Klägers zu 3. über die christliche Religion angesichts einer angeblich über fünf Jahre andauernden Beschäftigung mit dieser deutlich zu lückenhaft, als dass von einem ernsthaften, von einer aufrichtigen Glaubensüberzeugung getragenen Interesse am Christentum ausgegangen werden könnte. Den Geburtsort Jesu gab der Kläger mit Jerusalem an, wobei diese Ungenauigkeit trotz der geographischen Nähe zu Betlehem angesichts der ausdrücklichen Nennung von Betlehem als Geburtsort sowohl im Lukas-, als auch im Matthäusevangelium sehr verwundert. Zu den Umständen, die nach der biblischen Überlieferung dazu geführt haben, dass Jesus Christus in einem Stall geboren wurde, konnte der Kläger zu 3. sich nicht sachhaltig äußern. Wo Jesus Christus gekreuzigt wurde, konnte er ebenfalls nicht angeben. Ferner gab er an, das Vaterunser sowohl auf Persisch als auch auf Deutsch nur teilweise zu kennen. Die religiöse Bedeutung der Kreuzigung war ihm offenkundig ebenfalls nicht bekannt. Insofern gab er auf die Nachfrage seiner Prozessbevollmächtigten, ob er wisse, warum Jesus Christus gestorben sei, dies wisse er nicht. Auf weitere Nachfrage, zu welchem Zweck Jesus Christus gestorben sei, erklärt der Kläger zu 3., die Juden hätten nicht gemocht, was Jesus Christus gesagt habe. Mit der Vergebung der Sünden brachte der Kläger zu 3. die Kreuzigung bei alledem nicht in Verbindung. Hinsichtlich der fehlenden Aussagkraft der nach außen gewandten religiösen Aktivitäten gilt das zum Kläger zu 1. Ausgeführte entsprechend.
133d) Für den Kläger zu 4. ist eine innerlich schon vollendete Übernahme christlicher Glaubensüberzeugungen nicht geltend gemacht worden. Unabhängig davon geht das Gericht davon aus, dass bei einem nicht ganz Zwölfjährigen angesichts der in diesem Alter regelmäßig noch nicht abgeschlossenen Persönlichkeitsentwicklung allenfalls in außergewöhnlichen Einzelfällen von einer bereits unumkehrbaren, identitätsprägenden Glaubensentscheidung und einem darauf aufbauenden zwingenden Bedürfnis der religiösen Betätigung ausgegangen werden kann. Für einen solchen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich oder vorgetragen. Ob der Kläger sich schon deshalb nicht auf eine identitätsprägende Hinwendung zum christlichen Glauben berufen kann, weil er noch nicht (eingeschränkt) religionsmündig ist nach § 5 Satz 1 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung
134- so wohl VG Berlin, Urteil vom 3. Februar 2023 – 35 K 222.18 A –, juris, Rn. 41 -
135kann deshalb dahinstehen.
136e) Allein der Umstand, dass die Kläger zweifellos formal gesehen getaufte Christen sind, reicht nach dem oben Ausgeführten nicht aus, um eine von einer festen religiösen Überzeugung getragene Konversion zu belegen.
137f) Ist nach alledem nur von einem rein formalen, aus asylverfahrenstaktischen Erwägungen erfolgten Glaubenswechsel der Kläger auszugehen, besteht kein Grund zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ein von Art. 4 GG, Art. 9 EMRK, Art. 10 GrCh geschützter Glaube ist gerade nicht vorhanden. Ihre wahren Glaubensüberzeugungen müssen die Kläger gerade nicht verleugnen.
138Vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 21. September 2017 – 6 K 5105/17.WI.A –, juris, Rn. 33.
139Es gibt auch keine Erkenntnisse dahingehend, dass einem allein aus formalen bzw. asylverfahrenstaktischen Gründen zum christlichen Glauben Übergetretenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran allein wegen des formalen Glaubenswechsels oder wegen seiner bisherigen religiösen Betätigung in Deutschland eine asylrelevante Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
140Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Mai 2021 – 6 A 3129/19.A –, juris, Rn. 16, m.w.N.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24. März 2020 – 2 LB 20/19 –, juris, Rn. 33; Bay. VGH, Beschluss vom 07. November 2016 – 14 ZB 16.30380 –, juris, Rn. 7; Urteil vom 25. Februar 2019 – 14 B 17.31462 –, juris, Rn. 25, m.w.N; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2019 – 5 K 9351/17.A –, juris, Rn. 41.
141Dem formal, nicht ernsthaft identitätsprägend Konvertierten ist es zuzumuten, sich nicht (mehr) auf seine - rein formale - Konversion zu berufen, sofern es im Rückkehrfall zu einer Befragung kommt, die für sich genommen keine relevante, einen Schutzstatus begründende Handlung darstellt. Von einer solchen Verhaltensweise dürfte im Hinblick auf eine ansonsten möglicherweise eintretende Gefährdungslage nach allgemeiner Lebenserfahrung zudem auszugehen sein.
142Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Mai 2021 – 6 A 3129/19.A –, juris, Rn. 15.
143Selbst wenn die - rein formale – Konversion der Kläger den iranischen Sicherheitsbehörden zu Kenntnis gelangt sein sollte, ergäbe sich daraus keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr in den Iran. Soweit die Konversion eines ehemaligen Muslimen den iranischen Sicherheitsbehörden nachgewiesenermaßen bekannt geworden oder aber diese in einer Art und in einem Umfang öffentlich kundgetan wurde, die es hinreichend wahrscheinlich machen, dass sie den iranischen Behörden in Zukunft bekannt werden wird, ist für die zu prognostizierende Ergreifung von Sanktionen durch iranische Behörden im Anschluss an eine Überprüfung entscheidend, ob der bekanntgewordene Glaubenswechsel bzw. die Abkehr vom Islam aus Sicht der iranischen Behörden als Ausdruck einer regimekritischen Haltung nachvollziehbar identitätsstiftend erfolgt ist oder aber lediglich eine für das Asylverfahren strategisch motivierte Entscheidung getroffen wurde.
144Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Mai 2021 – 6 A 3129/19.A –, juris, Rn. 16; m.w.N.; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderreport 10, Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019, Seite 11 unter Bezugnahme auf Danish Immigration Service, Iran: House Churches and Converts, February 2018, Seite 8; vgl. auch Sächs. OVG, Urteil vom 30. November 2021 – 2 A 488/19.A –, juris, Rn. 50.
145Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden.
146Vgl. VG Würzburg, Urteil vom 25. Januar 2021 – W 8 K 20.30746 –, juris, Rn. 28.
147Den iranischen Sicherheitsbehörden ist bekannt, dass Asylbewerber aus dem Iran überwiegend aus anderen als politischen Gründen versuchen, in Deutschland einen dauernden Aufenthalt zu erreichen, hierzu Asylverfahren betreiben und dabei auch häufig eine Konversion zu anderen Religionen behaupten.
148Vgl. Bay. VGH, Beschlüsse vom 7. November 2016 – 14 ZB 16.30380 –, vom 8. August 2017 – 14 ZB 17.30924, vom 28. August 2017 – 14 ZB 30.625 – und vom 9. Juli 2018 – 14 ZB 30670 –, jew. juris; VG Ansbach, Urteil vom 31. März 2022 – AN 17 K 17.33896 –, juris, Rn. 35.
149Bei der Rückkehr in den Iran kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen, insbesondere zu Kontakten während dieser Zeit. Die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Keiner westlichen Botschaft ist aber bislang ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren oder im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Es gibt derzeit auch keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis.
150Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2019 – 6 A 3923/19.A – juris; Beschluss vom 10. Februar 2017 – 13 A 293/17.A – juris; Bay. VGH, Urteil vom 29. Oktober 2020 – 14 B 19.32048 –, juris, Rn. 23; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2015 – A 3 S 1459/13 – juris; Sächs. OVG, Urteil vom 14. Januar 2014 – A 2 A 911/11 – juris; Bay. VGH, Beschluss vom 25. Februar 2013 – 14 ZB 13.30023 – juris; Beschluss vom 21. Januar 2013 – 14 ZB 12.30456 – juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. Mai 2011 – 13 LA 176/10 – AuAS 2011, 174; VG Düsseldorf, Urteile vom 11. Oktober 2011 – 5 K 7134/10.A und vom 9. März 2011 – 5 K 3257/10.A;VG Ansbach, Urteil vom 31. März 2022 – AN 17 K 17.33896 –, juris.
151Da die Kläger zur Überzeugung des Gerichts nicht aufgrund einer schützenswerten religiösen Überzeugung, sondern allein aus asylverfahrenstaktischen Motiven lediglich formal zum Christentum konvertiert sind, ist es ihnen bei einer Rückkehr in den Iran zumutbar, ihre Konversion zu widerrufen, sollte diese den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt geworden sein und ihnen Anlass zu einer Befragung der Kläger bei deren Rückkehr in den Iran geben.
1523. Relevante Nachfluchttatbestände i.S.d. Gemäß § 28 Abs. 1a AsylG liegen nicht vor.
153a) Soweit die Kläger eine Fotografie überreicht haben, die sie bei der Teilnahme an einer Demonstration in J. am 19. November 2022 zeigen soll, wird daraus unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles kein exilpolitisches Engagement erkennbar, aufgrund dessen den Klägern bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung wegen einer politischen Überzeugung drohen würde (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG).
154Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seinem Urteil vom 18. März 2024 – 6 A 1605/20.A – (abrufbar bei juris, dort Rn. 84 ff.) unter eingehender Auswertung der verfügbaren Erkenntnismittel ausgeführt:
155„Der Senat hält in Auswertung des aktuellen Erkenntnismaterials an seiner Einschätzung fest, wonach eine exilpolitische Betätigung eines iranischen Staatsangehörigen (erst) dann schutzrechtlich relevant ist, wenn sie in einem nach außen hin in exponierter Weise erfolgtem Auftreten besteht. Welche Anforderungen dabei in tatsächlicher Hinsicht an eine exilpolitische Tätigkeit gestellt werden müssen, damit sie in diesem Sinne als exponiert anzusehen ist, lässt sich nicht allgemein beantworten. Maßgeblich ist, ob die Aktivitäten den jeweiligen Asylsuchenden aus der Masse der mit dem iranischen Regime Unzufriedenen herausheben und als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen lassen. Je größer öffentliche Sichtbarkeit, Reichweite und (potentieller) Einfluss des Betreffenden sind, umso eher wird dieser bei Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgung rechnen müssen. Es gibt jedoch keine Erkenntnisse, die die Annahme rechtfertigen, dass der Iran zu einer lückenlosen (Total-)Überwachung sämtlicher exilpolitischer Aktivitäten weltweit in der Lage ist. Zwar wurde die Überwachung möglicher Regimekritiker infolge der Unruhen nach dem Tod von Jîna Mahsa Amini im September 2022 verstärkt. Zugleich ist aber auch die Anzahl der aus Sicht des Regimes potentiell überwachungswürdigen Aktivitäten im Ausland und im Iran selbst erheblich gestiegen. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass die iranischen Sicherheitsdienste ihre begrenzten Ressourcen im Allgemeinen dort einsetzen, wo sie die größte Gefahr für das islamische Regime vermuten. Wie Fälle nachweislich ins Visier der iranischen Behörden geratener Personen zeigen, ist insoweit insbesondere die (anzunehmende) Möglichkeit der Betreffenden relevant, ggfs. auch vom Ausland aus aufgrund der großen Sichtbarkeit ihrer kritischen Äußerungen Einfluss auf die öffentliche Meinung im Iran zu nehmen. Von Überwachung betroffen sind deshalb etwa Personen, die über soziale Medien oder sonst online mit einer hohen Reichweite und Vernetzung aktiv sind, Personen, die auf Fernsehsendern wie Iran International oder Y. (VOA) zu sehen sind, Angehörige von im Iran verbotenen Parteien und Organisationen sowie Journalisten, wobei der Schwerpunkt der Überwachung jedenfalls der sozialen Medien auf Inhalten in persischer Sprache liegt und der Reichweite der Äußerungen eine größere Bedeutung zukommt als ihrer Quantität. Neben der Möglichkeit der Einflussnahme auf die öffentliche Meinung kann auch die Bedeutung bzw. Funktion einer Person innerhalb der iranischen Diaspora bzw. für eine Aktion oder Demonstration entscheidend dafür sein, ob jemand als "Schlüsselperson" in den Fokus der iranischen Behörden gerät. Überwacht werden eher Anführer, Organisatoren und Redner, während etwa einfache Teilnehmer an Demonstrationen eine Überwachung ihrer Aktivitäten und daran anknüpfende "Sanktionen" eher nicht befürchten müssen.“
156Unter Zugrundelegung dieser Einschätzung der Gefährdungslage exilpolitisch aktiver Iraner, die sich das Gericht zu eigen macht und die auch seiner bisherigen Rechtsprechung entspricht, genügt die einmalige, einfache Teilnahme der Kläger an einer Demonstration nicht, um von einem exponierten, potentiell verfolgungsträchtigen exilpolitischen Engagement der Kläger auszugehen.
157b) Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass den Klägern sonst bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung droht, etwa wegen des Auslandsaufenthalts oder der Asylantragstellung in Deutschland. Allein der Umstand, dass sich eine Person in Deutschland (länger) aufgehalten und ggf. einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr in den Iran nach wie vor nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit staatliche Repressionen aus.
158Vgl. ausführlich OVG NRW, Urteil vom 18. März 2024 – 6 A 1605/20.A –, juris, Rn. 53 ff.
159II. Die Kläger können ferner auch keinen subsidiären Schutz gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG beanspruchen. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Nach dem oben bereits Gesagten ist das Vorliegen entsprechender Umstände nicht ersichtlich.
160III. Ferner bestehen für die Kläger keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Insoweit wird gem. § 77 Abs. 3 AsylG auf die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesamtes im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht sich nach Überprüfung anschließt.
161IV. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des angefochtenen Bescheides, deren Rechtmäßigkeit sich nach § 34 AsylG i.V.m. §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG bestimmt, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Da die Kläger Staatsangehörige des Iran sind, ist nicht zu bemängeln, dass ihnen die Abschiebung gerade in diesen Staat angedroht wurde. Auch im Übrigen ist die Abschiebungsandrohung rechtsfehlerfrei.
162V. Das auf § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gestützte und auf 30 Monate begrenzte Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziffer 6 des angegriffenen Bescheides erweist sich ebenfalls als rechtmäßig.
163Gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten.
164Die Beklagte hat die Frist im Fall der Kläger auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung und damit im mittleren Bereich des durch § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffneten Spielraums festgesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Befristung nicht rechtmäßig ist bzw. der Kläger einen Anspruch auf eine weitergehende Verkürzung der gesetzten Frist hätte, sind nicht ersichtlich oder vorgebracht worden.
165B. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 83b Abs. 1 AsylG.
166Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.