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1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte.
Gründe:
2Da die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
3Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 3 VwGO. Danach fallen die Kosten in den Fällen des § 75 VwGO stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Dies setzt das Vorliegen einer zulässigen Untätigkeitsklage im Sinne des § 75 VwGO voraus.
4Vgl. Clausing, in: Schoch/Schneider, VwGO, 44. EL März 2023, § 161 Rn. 39.
5Die Klage war als Untätigkeitsklage in Form der Bescheidungsklage zulässig. Die Verpflichtungsklage war als Untätigkeitsklage statthaft. Eine Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO in Gestalt der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO kann in Verfahren, in denen ein Vorverfahren nach § 68 VwGO nicht durchzuführen ist – hier wegen § 11 des Asylgesetzes (AsylG) –, gemäß § 75 Satz 1 VwGO erhoben werden, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden worden ist. Die dreimonatige Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO ist abgelaufen. Die Kläger haben am 16. September 2021 förmliche Asylanträge gestellt. Der Bescheid vom 20. Juni 2022, mit dem das Bundesamt die Anträge als unzulässig abgewiesen hatte (Drittstaatenbescheid), wurde durch Urteil des erkennenden Gerichts vom 11. Oktober 2022 (12 K 1900/22.A) aufgehoben. Diese Entscheidung ist seit dem 15. November 2022 rechtskräftig. Die vorliegende Klage wurde am 23. Dezember 2023 und damit auch dann erst nach Ablauf von drei Monaten erhoben, wenn für den Beginn der Dreimonatsfrist auf die Rechtskraft des Urteils vom 11. Oktober 2022 abgestellt wird.
6Im vorliegenden Fall fehlt den Klägern nicht schon deshalb das Rechtsschutzbedürfnis für ihre Klage, weil sie diese mit dem Hauptantrag allein auf eine Bescheidung ihrer Asylanträge gerichtet haben, obwohl sie bereits am 3. bzw. 5. November 2021 zu ihren Asylgründen angehört worden sind. Das besondere Rechtsschutzbedürfnis für eine auf Bescheidung gerichtete Untätigkeitsklage in Fällen, in denen die Anhörung durch das Bundesamt – wie hier – bereits erfolgt ist, ergibt sich daraus, dass Asylantragstellern anderenfalls - bei ausschließlicher Zulässigkeit einer auf ein "Durchentscheiden" gerichteten Untätigkeitsklage - ein wesentlicher, mit eigenständigen, über die Gewährleistung einer sachgerechten Anhörung hinausgehenden Verfahrensgarantien verbundener Verfahrensabschnitt verloren ginge. Diesem Verfahrensabschnitt kommt unter Berücksichtigung der spezifischen Kommunikationssituation des Asylverfahrens eine hervorgehobene Bedeutung zu, weil er durch eine erstmalige Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Asylantrag nicht adäquat ersetzt werden kann. Der Wegfall einer Entscheidung des Bundesamts beeinträchtigt zudem die Effektivität des Asylantragstellers zu gewährenden Rechtsschutzes. Die Gesamtschau dieser Umstände unter Hervorhebung der spezifischen Kommunikationsprobleme sowohl im behördlichen als auch im gerichtlichen Asylverfahren vermitteln Asylantragstellern ein besonderes schutzwürdiges Interesse an der vollständigen Durchführung des behördlichen Erstverfahrens einschließlich einer dieses Verfahren abschließenden Entscheidung.
7Vgl. VG Minden, Urteil vom 14. Februar 2022 – 1 K 6191/21.A –, juris, Rn. 63, m.w.N:
8Die Kläger durften vorliegend mit einer Bescheidung ihrer Asylanträge vor Klageerhebung rechnen. Dies ergibt sich bereits aus der Regelung des § 24 Abs. 4 Satz 1 AsylG, wonach die Beklagte im Regelfall binnen sechs Monaten gerechnet ab der förmlichen Asylantragstellung i.S.v.§ 14 Abs. 1 AsylG über einen Asylantrag zu entscheiden hat. Die Beklagte hat über die förmlichen Asylanträge der Kläger vom 16. September 2021 indes erst mit Bescheid vom 22. Februar 2024 und damit nach Ablauf der gemäß § 24 Abs. 4 Satz 1 AsylG vorgegebene Entscheidungsfrist von sechs Monaten – sowie nach Klageerhebung am 23. Dezember 2023 – entschieden; dies gilt auch dann, wenn für den Fristbeginn auf die Rechtskraft des Urteils vom 11. Oktober 2022 abgestellt wird.
9Darüber hinaus kann sich die Beklagte auch nicht auf einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung berufen, der den Klägern zudem bekannt war oder bekannt sein musste.
10Soweit die Beklagte das Vorliegen eines zureichenden Grundes für die Überschreitung der Entscheidungsfrist i.S.d. § 75 Satz 1 VwGO, § 24 Abs. 4 Satz 2 AsylG mit einem pauschalen Verweis auf eine außergewöhnlichen Belastung aufgrund hoher Asylantragszahlen begründen will, genügt dieser gänzlich substanzlose Vortrag nicht, um einen Fall des § 24 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 AsylG anzunehmen.
11Selbst wenn die Beklagte sich vorliegend auf einen zureichenden Grund für die Überschreitung der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsfrist hätte berufen können, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Beklagte eine hierauf gestützte ausdrückliche Verlängerungsentscheidung gemäß § 24 Abs. 4 Satz 2 und 3 AsylG getroffen hätte.
12Mangels substantiiert dargelegter Gründe dafür, warum über die Asylanträge der Kläger auch über ein Jahr nach der Rechtskraft des Urteils vom 11. Oktober 2022 noch nicht entschieden worden war, obwohl die Kläger bereits im November 2021 zu ihren Asylgründen angehört worden waren, wäre das Verfahren auch nicht gemäß § 75 Satz 3 VwGO unter Bestimmung einer angemessenen Frist auszusetzen gewesen.
13Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 83b AsylG.
14Der Beschluss ist unanfechtbar.