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1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der Antrag,
3„die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerrufsbescheid des Antragsgegners vom 25.07.2023 wird angeordnet“,
4mit dem der Antragsteller sich auf seine zum Aktenzeichen 8 K 2035/23 erhobene Klage bezieht und den die Kammer zu seinen Gunsten dahingehend auslegt, dass er begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage hinsichtlich Ziff. 1 und 4 des angefochtenen Bescheides anzuordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 1 VwGO) und hinsichtlich der Ziff. 2 wiederherzustellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 2 VwGO), hat keinen Erfolg.
5I. Der so verstandene Antrag ist zwar zulässig. Er ist insbesondere statthaft.
6Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 1 VwGO durch die Kammer kommt u.a. in Betracht, wenn die aufschiebende Wirkung einer Klage aufgrund einer landes- oder bundesgesetzlichen Regelung (§ 80 Abs. 2, Satz 1, Nr. 3 VwGO) entfällt. Dies trifft zum einen auf die in Ziff. 1 erfolgte Rücknahme des Kleinen Waffenscheins Nr. 120/2022 mit der Begründung, dem Antragsteller fehle die erforderliche Zuverlässigkeit nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 1, 5 des Waffengesetzes - WaffG -, zu. Die aufschiebende Wirkung einer gegen eine solche Anordnung gerichteten Klage entfällt gemäß § 45 Abs. 5 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Zum anderen trifft dies auf die in Ziff. 4 des streitgegenständlichen Bescheides erfolgte Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500,00 Euro für den Fall, dass der Antragsteller der in Ziff. 2 erfolgten Aufforderung, alle noch in seinem Besitz befindlichen Ausfertigungen der waffenrechtlichen Erlaubnisurkunden unverzüglich zurückzugeben, nicht nachkommt, zu. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen eine solche Anordnung entfällt gemäß § 112 Satz 1 JustG NRW.
7Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 2 VwGO kann die Kammer die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller erhobenen Klage ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn die Behörde im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten die sofortige Vollziehung besonders angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Eine solche Anordnung hat der Antragsgegner in Ziff. 3 des Bescheides hinsichtlich der in Ziff. 2 angeordneten Pflicht zur unverzüglichen Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnis getroffen.
8II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
9Die sowohl in dem Fall des § 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 1 VwGO als auch in dem Fall des § 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 2 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung und dem privaten Interesse des Antragstellers, vorläufig bis zum Eintritt der Bestandskraft der Verfügung von der Vollziehung verschont zu bleiben, fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung auf der Grundlage des gegenwärtigen Erkenntnisstandes spricht vieles dafür, dass die Ziff. 1, 2 und 4 der streitgegenständlichen Verfügung rechtmäßig sind und die dagegen erhobene Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
101. Die auf der Rechtsgrundlage des § 45 Abs. 1 WaffG erfolgte Rücknahme des Kleinen Waffenscheins in Ziff. 1 des Bescheides stellt sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand als rechtmäßig dar.
11Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 WaffG, wonach eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zurückzunehmen ist, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen, liegen vor. Zu versagen ist eine Erlaubnis, wenn die in § 4 WaffG normierten Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 1 WaffG setzt eine Erlaubnis u.a. voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit zum Tragen von Waffen besitzt. Wann eine Person die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, ist in § 5 WaffG geregelt. Der Antragsgegner stützt die Rücknahme des Kleinen Waffenscheins auf § 5 Abs. 2 Nr. 3a) aa) WaffG.
12Danach besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die gegen die verfassungsgemäße Ordnung gerichtet sind.
13Zur Bestimmung des Begriffs der „Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3a) aa) WaffG führt das Verwaltungsgericht Schwerin aus, dass mit dem Bundesverwaltungsgericht auf die Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 2 GG zurückgegriffen werden könne. Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung umfasse die elementaren Grundsätze der Verfassung, insbesondere die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Antisemitische oder auf rassistische Diskriminierung zielende Konzepte seien mit dem egalitären Menschenwürdegehalt der Grundrechte nicht vereinbar und verstießen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und das von diesem umfasste und in Art. 20 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommende Gewaltmonopol richte sich eine Bestrebung, wenn sie versuche, durch öffentliche Aktionen das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung zu erschüttern, um selbst anstelle staatlicher Vollzugsbehörden als Wahrer von Recht und Ordnung wahrgenommen zu werden. Im Rahmen von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG genüge ein tatsachenbegründeter Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung. Es müsse hingegen nicht bereits erwiesen sein, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt würden. Weiter müsse sich gegen diese elementaren Grundsätze „gerichtet“ werden. Eine kritische oder ablehnende Haltung reiche für sich genommen nicht aus. Ausreichend sei aber, dass die Person die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben wolle. Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen seien hingegen nicht erforderlich. Die Sicherheitsbehörden dürften dabei auch an Äußerungen anknüpfen, wenn diese Bestrebungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bzw. gegen den Gedanken der Völkerverständigung erkennen ließen.
14Vgl. VG Schwerin, Urteil vom 1. Juni 2023 - 3 A 2354/20 SN -, juris Rn. 41 f. unter Verweis auf weitere Rechtsprechung und Kommentarliteratur.
15Damit der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3a) aa) WaffG erfüllt ist, ist es folglich nicht erforderlich, dass der Antragsteller – wie er meint – bereits missbräuchlich mit seiner Waffe umgegangen ist. An ein bereits begangenes Fehlverhalten im Umgang mit Waffen knüpft der vorgenannte Unzuverlässigkeitstatbestand gerade nicht an.
16Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Person waffenrechtlich unzuverlässig ist, ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass der Begriff der Unzuverlässigkeit ein gerichtlich voll überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff ist. Im Rahmen der zukunftsbezogenen prognostischen Beurteilung ist angesichts der Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nicht der Nachweis erforderlich, dass der Betroffene den waffenrechtlichen Anforderungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht genügen wird. Es reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus und ein Restrisiko muss nicht hingenommen werden. Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine ordnungsrechtliche Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 1998 - 1 B 245.97 -, juris, Rn. 5.
18Diese Anforderungen gelten für alle erlaubnispflichtigen Waffen, mithin auch für alle Waffen, für die ein sog. Kleiner Waffenschein erforderlich ist. Auf der Grundlage dieser Ausführungen ist im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Erlasses des Bescheides davon auszugehen, dass der Antragsteller innerhalb der letzten fünf Jahre und noch vor Erteilung des Kleinen Waffenscheins Bestrebungen i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG verfolgt hat. Dies ergibt sich aus den vom Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen unter dem 22. Juni 2023 an die Kreispolizeibehörde X. übersandten Erkenntnissen über den Antragsteller. Danach hat der Antragsteller mehrfach in den Jahren 2019 bis 2022 Kommentare in öffentlich zugänglichen Medien (z.B. Telegram) verfasst, die erkennen lassen, dass er rechtsextremes Gedankengut pflegt und verbreitet. Die Kommentare sind eindeutig rassistisch, indem er Menschen, die seinem Verständnis nach nicht Deutsche sind, stigmatisiert, kriminalisiert und – hierdurch – ausgrenzt. Seine Formulierungen sind geeignet, bei Teilen der Gesellschaft Ängste hervorzurufen und zu Protest und Auflehnung gegen das politische System anzustacheln. Genannt sei an dieser Stelle nur die vom Antragsteller in einem Statement formulierte Frage danach, wie viele deutsche Frauen noch vergewaltigt und ermordet und wie viele deutsche Männer noch „gemessert“ werden sollten, bis der Migration endlich Einhalt geboten werde, oder aber die Bezeichnung Deutschlands als „Muselparadies“.
19Atypische Umstände, die geeignet sind, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG zu widerlegen, sind weder ersichtlich noch in der gebotenen Form dargelegt oder glaubhaft gemacht worden.
20Doch auch eine losgelöst von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorgenommene Interessenabwägung führt zu einem Unterliegen des Antragstellers. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber in waffenrechtlichen Widerrufsverfahren dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung schon von Gesetzes wegen den Vorrang eingeräumt hat und Gründe, die dies im vorliegenden Fall ungerechtfertigt erscheinen ließen, nicht erkennbar sind, ist es dem Antragsteller zuzumuten, für die Dauer des Klageverfahrens bis zur endgültigen Klärung auf seine waffenrechtliche Erlaubnis zu verzichten.
212. Hinsichtlich der in Ziff. 2 des streitigen Bescheides dem Antragsteller auferlegten Pflicht, alle in seinem Besitz befindlichen Ausfertigungen der waffenrechtlichen Erlaubnis unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides an den Antragsgegner herauszugeben, hat der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 2. VwGO ebenfalls keinen Erfolg.
22Der streitigen Verfügung ist zu entnehmen, dass der Antragsgegner seiner in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorgesehenen Pflicht zur Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung nachgekommen ist.
23Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die auf § 46 Abs. 1 WaffG gestützte Verfügung erweist sich nach summarischer Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit der eingangs näher bezeichneten Verpflichtung hängt maßgeblich von der Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Erlaubnis ab, die – wie zuvor ausgeführt – nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand vorliegt. Die dem Antragsteller zur Erfüllung der oben bezeichneten Verpflichtung gesetzte Frist von zwei Wochen erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig. Gründe, die gleichwohl für einen Verbleib des Kleinen Waffenscheins für die Dauer des Hauptsacheverfahrens beim Antragsteller sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.
243. Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die in Ziff. 4 des streitigen Bescheides enthaltene Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500,00 Euro für den Fall, dass er der Verfügung in Ziffer 2 nicht fristgerecht nachkommt, begehrt, hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg. An der Rechtmäßigkeit der auf §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW gestützten Verfügung bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
25III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei in Abweichung zum Streitwertkatalog Verwaltungsgerichte 2013 (50.1) 5.000,00 € für den Widerruf des Kleinen Waffenscheins
26- vgl. dazu Beschluss der Kammer vom 10. Oktober 2012 - 8 L 594/12 -; OVG
27NRW, Beschluss vom 29. Januar 2013 - 20 B 1203/12 -
28in Ansatz gebracht worden sind, die für das vorliegende Eilverfahren zu halbieren waren. Der gegen die in Ziff. 2 und 4 getroffenen Anordnungen gerichtete Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erhöht den Streitwert nicht.