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1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der Antrag,
3„die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen“,
4mit dem sich die Antragstellerin auf ihre zum Aktenzeichen 7 K 2937/22 erhobene Klage gegen die Untersagung, ihren Arbeitsplatz im I. H2. I in der Klinik für H3. und H4. des F. Klinikums C. , C1. 13, C2. zu betreten und dort tätig zu werden, sowie die Androhung eines Zwangsgeldes im Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. September 2022 bezieht, hat keinen Erfolg.
5Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn - wie hier hinsichtlich des Betretungs- und Tätigkeitsverbots nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 20a Abs. 5 Satz 4 IfSG und hinsichtlich der Androhung eines Zwangsgeldes nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW - die aufschiebende Wirkung der Klage kraft Gesetzes entfällt. Hierbei hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dem privaten Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Durchsetzung des Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben, ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegenüberzustellen, wobei hinsichtlich § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO die gesetzgeberische Wertung des Entfallens der aufschiebenden Wirkung der Klage zu beachten ist. Ausgangspunkt dieser Interessenabwägung ist eine - im Rahmen des Eilrechtsschutzes allein mögliche und gebotene summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ergibt diese Prüfung, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und ist deshalb die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann grundsätzlich kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Erweist sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, ist die Entscheidung auf der Grundlage einer umfassenden Folgenabwägung zu treffen.
7Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Denn der angefochtene Bescheid erweist sich nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.
8Das mit Ziffer 1 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 14. September 2022 angeordnete Betretens- und Tätigkeitsverbot bzgl. des o.g. Arbeitsplatzes der Antragstellerin ist rechtmäßig.
9Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da es sich bei dem angeordneten Betretens- und Tätigkeitsverbot um einen Dauerverwaltungsakt handelt.
10Vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13. Oktober 2022 - 24 L 2054/22 -, juris Rn. 9, und vom 30. August 2022 - 29 L 1703/22 -, juris Rn. 8; VG Neustadt a.d.W., Beschluss vom 20. Juli 2022 - 5 L 585/22.NW -, juris Rn. 20.
11Rechtsgrundlage der Anordnung des gegenständlichen Betretungs- und Tätigkeitsverbots ist § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG in der Fassung vom 16. September 2022. Nach dieser Vorschrift kann das Gesundheitsamt unter anderem einer Person, die trotz einer Anforderung nach § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Einrichtung oder eines dort genannten Unternehmens dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird. § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG sieht wiederum vor, dass die in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Personen dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG vorzulegen haben. Gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IfSG müssen Personen, die in den in § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 IfSG im Einzelnen genannten Einrichtungen oder Unternehmen des Pflege- und Gesundheitssektors tätig sind, ab dem 15. März 2022 über einen Impf- und Genesenennachweis im Sinne des § 22a Abs. 1 oder Abs. 2 IfSG verfügen, es sei denn, sie können aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden (vgl. § 20a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 IfSG).
12Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand lässt sich im vorliegenden Eilverfahren nicht feststellen, dass die Vorschrift des § 20a IfSG gegen höherrangiges Recht verstößt, und schon deshalb das Aussetzungsinteresse überwiegt.
13Im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes sind an die Nichtanwendung eines Gesetzes im formellen Sinn wegen der Annahme seiner Grundgesetzwidrigkeit mit Blick auf das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts (Art. 100 Abs. 1 GG) hohe Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist, dass das beschließende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Vorschriften überzeugt ist. Dies bedeutet im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dass der Grundrechtsverstoß offenkundig ist - sein muss.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2022 - 13 B 859/22 -, juris Rn. 6 m.w.N.
15Zu einer solchen Überzeugung ist die Kammer nicht gelangt. Von einer greifbaren materiellen Verfassungswidrigkeit des § 20a IfSG ist nicht auszugehen.
16Das Bundesverfassungsgericht hat noch in seinem Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - erklärt, dass den Interessen der von der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht Betroffenen von Verfassungswegen nicht der Vorrang gebühren müsste, und dazu - bezogen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung - ausgeführt, die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose, die verfügbaren Impfstoffe würden auch gegenüber der Omikron-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 eine noch relevante Schutzwirkung entfalten, sei durch die weitere Entwicklung des Pandemiegeschehens nach Verabschiedung des Gesetzes ausweislich der Stellungnahmen der im dortigen Verfahren als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften nicht durchgreifend erschüttert worden. Dies gelte insbesondere auch für die gesetzgeberische Prognose, die verfügbaren Impfstoffe könnten vor einer Infektion schützen und - sollten sich Betroffene gleichwohl infizieren - zu einer Reduzierung des Transmissionsrisikos beitragen. Die zugrundeliegenden Stellungnahmen der als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften bezifferten eine Impfstoffwirksamkeit gegenüber „der Omikron-Variante“ des Coronavirus SARS-CoV-2 - vorbehaltlich wissenschaftlicher Bewertungsunsicherheiten - bei dreifach Geimpften auf 40 bzw. 50 bis 70 %; bei einer Grundimmunisierung sei die Schutzrate (teils mit 42,8 % beziffert) zwar reduziert, aber nicht bzw. erst nach Ablauf von 15 Wochen nach der Grundimmunisierung aufgehoben. Zudem bestehe eine im Allgemeinen niedrigere Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch eine geimpfte Person nach Infektion mit der Omikron-Variante. Vor diesem Hintergrund sei weiterhin davon auszugehen, dass eine Impfung jedenfalls einen relevanten - wenn auch mit der Zeit abnehmenden - Schutz vor einer Infektion auch mit der aktuell vorherrschenden Omikron-Variante des Coronavirus biete. Dabei sei auch nicht erkennbar, dass die Impfwirksamkeit so sehr reduziert wäre, dass die Verwirklichung des mit dem angegriffenen Gesetz verfolgten Zwecks des Schutzes vulnerabler Menschen nur noch in einem derart geringen Maße gefördert würde, dass im Rahmen der Abwägung den widerstreitenden Interessen der von der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht Betroffenen von Verfassungs wegen der Vorrang gebühren müsste.
17Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris Rn. 184 f., 237 ff.
18Nach der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung ist nicht festzustellen, dass sich die wissenschaftliche Erkenntnislage seit Ergehen der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts derart geändert hat, dass die ursprüngliche Annahme des Gesetzgebers, eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 schütze in nennenswertem Umfang vor einer weiteren Transmission des Virus, offenkundig unzutreffend geworden und deshalb nunmehr von einer greifbaren materiellen Verfassungswidrigkeit des § 20a IfSG auszugehen wäre.
19Vgl. dazu nach durchgeführter Sachverständigenanhörung auch BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 2.22, 1 WB 5.22 -, bislang noch nicht veröffentlicht, siehe aber Pressemitteilung, abrufbar unter https://www.bverwg.de/pm/2022/44; sowie OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2022 - 13 B 859/22 -, juris Rn. 11; Nds. OVG, Beschluss vom 8. September 2022 - 14 ME 297/22 -, juris 9 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 2. September 2022 - 6 B 10723/22 -, juris Rn. 7 ff.
20Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Datenlage nach wie vor lückenhaft ist und jedenfalls die Impfstoffe, welche bislang zur Verfügung standen, eine Infektion mit dem Virus - insbesondere in den Omikron-Varianten - sowie auch dessen Weitergabe nicht vollständig ausschließen.
21So auch OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2022 - 13 B 859/22 -, juris Rn. 15; VG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Oktober 2022 - 24 L 2054/22 -, juris Rn. 32.
22Nach den Ausführungen auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts (im Folgenden: RKI), der nationalen Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 IfSG), stellt sich die Erkenntnislage indessen - zusammengefasst - weiter so dar, dass die Covid-19-mRNA-Impfstoffe Comirnaty (BioNTech/Pfizer) und Spikevax (Moderna) sowie der Vektor-Impfstoff JCOVDEN (Johnson & Johnson) vor der Omikron-Variante weniger Schutz als vor der sog. Delta-Variante böten, die das Infektionsgeschehen in Deutschland zuvor dominiert hatte. Die Studienergebnisse zeigten, dass die Wirksamkeit nach zwei Impfstoffdosen (Grundimmunisierung) gegenüber jeglicher oder symptomatischer Erkrankung durch die Omikron-Variante insgesamt gering sei und zudem mit der Zeit deutlich nachlasse. Durch eine Auffrischimpfung könne die Schutzwirkung verbessert werden. Gegen schwere Erkrankungen biete die Impfung weiterhin einen guten Schutz. Die Datenlage deute darauf hin, dass auch hier die Schutzwirkung nach der Grundimmunisierung abfalle, jedoch weniger stark als im Vergleich zu jeglichen bzw. symptomatischen Erkrankungen. Nach einer Auffrischimpfung sei die Wirksamkeit gegenüber schweren Erkrankungen erneut hoch. Daten wiesen auch nach einer Auffrischimpfung auf einen nachlassenden Schutz vor (symptomatischer) Infektion über die Zeit hin. Die hohe Schutzwirkung gegenüber schweren Infektionen bleibe aber mindestens über sechs bis neun Monate nach der Auffrischimpfung bestehen. Über die Transmission, das heißt die Virusübertragung, unter Omikron gebe es bisher keine ausreichenden Daten; sie scheine bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein, wobei das Ausmaß der Reduktion nicht vollständig geklärt sei. Haushaltsstudien aus Norwegen und Dänemark zeigten, dass eine Impfung auch unter vorherrschender Zirkulation der Omikron-Variante die Übertragbarkeit um ca. 6 bis 21 % nach Grundimmunisierung und nach Auffrischimpfung um weitere 5 bis 20 % reduziere.
23Vgl. RKI, Wie wirksam sind die Covid-19-Impfstoffe?, Stand: 13. Oktober 2022, abrufbar unter https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Wirksamkeit.html, zuletzt abgerufen am 16. November 2022.
24Bestehen danach weiterhin Anhaltspunkte für eine nicht nur unwesentliche Reduzierung des Transmissionsrisikos, werden die bisherigen Annahmen des Gesetzgebers zu einer relevanten Schutzwirkung der Impfung gegenüber vulnerablen Personen nicht durchgreifend erschüttert.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2022 - 13 B 859/22 -, juris, Rn. 22; VG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Oktober 2022 - 24 L 2054/22 -, juris Rn. 38.
26Dem steht - entgegen der Ansicht der Antragstellerin, die auf ein Interview der Präsidentin für internationale Märkte beim Pharmaunternehmen Pfizer Janine Small verweist - auch nicht entgegen, dass im Rahmen der Phase-III-Studie als primärer Endpunkt für die Wirksamkeit des Impfstoffs die Prävention einer symptomatischen Coronainfektion und als sekundärer Endpunkt für die Wirksamkeit die Prävention einer schweren Erkrankung angegeben wurden
27- vgl. https://investors.biontech.de/de/news-releases/news-release-details/pfizer-und-biontech-veroeffentlichen-weitere-daten-aus-phase-3, abgerufen am 21. November 2022 -
28und nicht bereits die Prävention einer Infektion mit dem Virus selbst oder die Prävention einer Weitergabe des Virus.
29Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem wöchentlichen Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 28. April 2022,
30abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-04-28.pdf?__blob=publicationFile,
31auf den die Antragstellerin Bezug nimmt und wonach - worauf die Antragstellerin verweist - ausgehend von Abbildung 22 die Impfeffektivität in Bezug auf eine symptomatische Infektion (Erwachsene) in den Meldewochen 14 bis 16 bei 0% liegt. Insoweit übersieht die Antragstellerin, dass nach ausdrücklichen Angaben des RKI zu der Abbildung 22 insbesondere für die letzten beiden Kalenderwochen - namentlich die Meldewochen 15 und 16 - aufgrund von zu erwartenden Nachmeldungen mit Änderungen der berechneten Impfeffektivität zu rechnen ist. Überdies zeigt die Abbildung 22 neben der Impfeffektivität in Bezug auf eine symptomatische Infektion (Erwachsene) auch die Impfeffektivität im Hinblick auf Hospitalisierung und Tod auf. Diese liegen deutlich im oberen Bereich. Insgesamt geht das RKI bei Auswertung der insgesamt gesammelten Daten - darunter auch, aber nicht nur die oben dargestellten Erkenntnisse zur Impfeffektivität - weiterhin auch bei Dominanz der Omikron-Variante von einem sehr guten Impfschutz gegenüber einer schweren COVID-19-Erkrankung aus. Dass diese Annahme, die auf eine Vielzahl wissenschaftlicher Erkenntnisse und Auswertungen beruht, unzutreffend ist, hat die Antragstellerin, die sich allein auf die berechnete Impfeffektivität in Bezug auf symptomatische Infektion (Erwachsene) in den Meldewochen 14 bis 16 bezieht, nicht ansatzweise dargelegt. Im Übrigen kann nach den - hier allein relevanten - aktuellen Erkenntnissen des RKI gemäß dem Monatsbericht vom 3. November 2022 weiterhin von einem sehr guten Impfschutz gegenüber einer schweren COVID-19- Erkrankung ausgegangen werden.
32Vgl. Monitoring des COVID-19-Impfgeschehens in Deutschland Monatsbericht des RKI vom 03.11.2022, S. 19, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Monatsberichte/2022-11-03.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen am: 17. November 2022.
33Diesem sowie den vorhergehenden Monatsberichten lassen sich auch Auswertungen zur Impfeffektivität sowie zur Inzidenz aufgrund von COVID-19 hospitalisierter Fälle pro 100.000 nach Altersgruppen und Impfstatus entnehmen. Die Annahme der Antragstellerin, Daten zur Impfeffektivität seien nicht veröffentlicht worden, um einen Gesichtsverlust der Politik zu vermeiden (vgl. Seite 8 der Antragsschrift), dürfte insoweit widerlegt sein. Abgesehen davon vermag die vom RKI ermittelte Impfeffektivität, also die Häufigkeit und Verteilung der Impfdurchbrüche, keine direkte Aussage über das Transmissionsrisiko von Geimpften zu treffen. Aus den genannten Gründen vermag auch die Annahme der Antragstellerin, das RKI verzichte seit dem 5. Mai 2022 in seiner Risikoeinschätzung auf eine Differenzierung nach dem Impfstatus - was wie bereits dargelegt nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht -, weil die Infektionsgefahr für alle Gruppen gleich hoch sei, nicht zu verfangen.
34In der gebotenen Gesamtschau ergibt sich nach alledem kein Bild einer wissenschaftlichen Erkenntnislage, die die Annahme, die verfügbaren Impfstoffe würden eine gerade zum Schutz vulnerabler Personen noch als relevant zu betrachtende Wirkung entfalten, offensichtlich oder mit jedenfalls hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr trägt.
35So auch OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2022 - 13 B 859/22 -, juris Rn. 28 ff.
36Auch im aktuellen Epidemiologischen Bulletin des RKI vom 6. Oktober 2022, STIKO: 22. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung, zum Fremdschutz - wie schon in vorherigen Impfempfehlungen - wird ausgeführt, die COVID-19-Impfung verfolge auch das Ziel, die Transmission von SARS-CoV-2 in der gesamten Bevölkerung zu reduzieren. Insbesondere in Umgebungen mit einem hohen Anteil vulnerabler Personen (z.B. Schwangere, Hochbetagte) und/oder einem hohen Ausbruchspotenzial solle durch die Impfung die Virustransmission vermindert werden, um so einen zusätzlichen Schutz zu bewirken.
37Vgl. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2022/Ausgaben/40_22.pdf?__blob=publicationFile, S. 4; ebenso auch schon STIKO: 21. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung, 18. August 2022, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2022/Ausgaben/33_22.pdf?__blob=publicationFile, S. 4.
38Der Umstand, dass Unsicherheiten hinsichtlich Ausmaß und Dauer der Impfstoffwirksamkeit gegenüber insbesondere der aktuell vorherrschenden Omikron-Variante bestehen, gebietet von Verfassungswegen zum jetzigen Zeitpunkt kein Absehen von der mit § 20a IfSG eingeführten Nachweispflicht.
39Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass mittlerweile an die derzeit vorherrschenden Omikron-Varianten BA.1, BA.4 und BA.5 angepasste Impfstoffe von der Europäischen Kommission zugelassen worden sind, von denen angenommen werden kann, dass sie die Immunität nach einer Impfung gegenüber den neuen Varianten verbessern.
40Eine greifbare materielle Verfassungswidrigkeit des § 20a IfSG ergibt sich ferner nicht unter dem Gesichtspunkt möglicher Nebenwirkungen einer Impfung. Dazu hat das VG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 13. Oktober 2022 - 24 L 2054/22 - (abrufbar unter juris, Rn. 40 ff.) u.a. ausgeführt:
41„Auch diese wurden durch das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen bereits berücksichtigt. Danach greife die durch § 20a IfSG eingeführte Nachweispflicht mit erheblichem Gewicht in das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein. Die Impfung löse konkrete körperliche Reaktionen aus, die sich als Immunantwort auf die Verabreichung des Impfstoffes darstellen. Zwar klängen diese nach relativ kurzer Zeit vollständig ab. Dies lasse aber die mit der Immunantwort nicht selten einhergehenden Nebenwirkungen wie etwa Kopf- und Gliederschmerzen unberührt, die die Betroffenen auch über mehrere Tage in ihrem körperlichen Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigen könnten. Daneben könnten im Einzelfall auch schwerwiegende und/oder länger andauernde Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen eintreten. Zwar handele es sich bei den gemeldeten schwerwiegenden Nebenwirkungen zunächst nur um Verdachtsfälle, die nur zu einem Teil auch nachweislich zwingend kausal auf die Impfung zurückzuführen seien. Auch seien die gemeldeten schwerwiegenden Nebenwirkungen sehr selten und in der Regel nicht von Dauer. Gleichwohl müsse davon ausgegangen werden, dass eine Impfung im ganz extremen Ausnahmefall auch tödlich sein könne. Dies erhöhe die Eingriffstiefe maßgeblich auch deshalb, weil die Impfung einem in der Regel gesunden Menschen verabreicht werde, und zwar grundsätzlich zweifach und ab 1. Oktober 2022 auch dreifach.
42Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris Rn. 207 ff.
43Auf der anderen Seite hat das Bundesverfassungsgericht indessen auch berücksichtigt, dass in § 20a Abs. 1 Satz 2 IfSG bei einer medizinischen Kontraindikation eine Ausnahme von der Verpflichtung vorgesehen ist, sich impfen zu lassen.
44...
45Hinzu komme, dass die Sicherheit der COVID-19-Impfstoffe der fortlaufenden Überprüfung durch das Paul-Ehrlich-Institut unterliege und die Ständige Impfkommission ein festgestelltes, auch nur geringes Risikoprofil solcher Impfstoffe schon zum Anlass für angepasste Impfempfehlungen nehme. Dadurch sei auch institutionell eine beständige Evaluation der Impfstoffsicherheit gewährleistet.
46Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris Rn. 213.
47Seiner Beurteilung legte das Bundesverfassungsgericht den Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 26. Oktober 2021 zugrunde. Danach gab es in Deutschland insgesamt 172.188 gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung mit Comirnaty, Spikevax, Vaxzevria und COVID-19 Vaccine Janssen bei 107.888.714 in diesem Zeitraum durchgeführten Impfungen. Die Melderate habe zusammenfassend für alle Impfstoffe 1,6 Meldungen pro 1.000 Impfdosen, für schwerwiegende Reaktionen 0,2 Meldungen pro 1.000 Impfdosen betragen. Bei den Auffrischimpfungen sei die Melderate geringer gewesen. Sie habe 0,1 pro 1.000 Impfungen und für schwerwiegende Reaktionen 0,03 pro 1.000 Impfungen betragen. Es habe insgesamt 1.802 Verdachtsfallmeldungen über einen Todesfall in unterschiedlichem zeitlichem Abstand zu einer Impfung gegeben (0,02 pro 1.000 Impfungen).
48Dabei hat das Bundesverfassungsgericht berücksichtigt, dass es sich insoweit um Verdachtsmeldungen handele und nicht jede gemeldete Reaktion tatsächlich auch eine Nebenwirkung darstelle. So habe das Paul-Ehrlich-Institut in seinem nachfolgenden Sicherheitsbericht vom 23. Dezember 2021 nur in 78 von den bis dahin insgesamt 1.919 eingegangenen Verdachtsmeldungen, die einen Todesfall betrafen, einen ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung als möglich oder wahrscheinlich bewertet.
49Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris Rn. 224 f.
50Aus Sicht der Kammer beanspruchen diese Ausführungen nach wie vor Geltung, auch wenn sich die Zahlen mit fortlaufend durchgeführten Impfungen fortentwickelt haben. Das Paul-Ehrlich-Institut hat bis zum 30. Juni 2022 insgesamt 323.684 Einzelfallmeldungen über den Verdacht einer Nebenwirkung oder Impfkomplikation erhalten (bei 182.717.880 durchgeführten Impfungen). Die Melderate von Verdachtsfällen betrug für alle Impfstoffe zusammen 1,8 Meldungen pro 1.000 Impfdosen, für Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen und Impfkomplikationen 0,3 Meldungen pro 1.000 Impfdosen. Die Melderate nach Booster-Impfungen war für die beiden mRNA-Impfstoffe Comirnaty und Spikevax niedriger als nach der Grundimmunisierung.
51Vgl. https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-20-bis-30-06-22.pdf?__blob=publicationFile&v=6, S. 2.
52In 3.023 Fällen wurde ein tödlicher Verlauf in zeitlich unterschiedlichem Abstand zur COVID-19-Impfung mitgeteilt. Davon wurden 120 Fälle vom Paul-Ehrlich-Institut als konsistent mit einem ursächlichen Zusammenhang mit der Gabe des jeweiligen COVID-19-Impfstoffs bewertet (synonym: wahrscheinlicher oder möglicher ursächlicher Zusammenhang).
53Vgl. https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-20-bis-30-06-22.pdf?__blob=publicationFile&v=6, S. 8.“
54Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Würdigung an. Dass bisweilen dem Paul-Ehrlich-Institut entgegen § 13 Abs. 5 IfSG noch keine Daten der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verfügung gestellt wurden, vermag die Sicherheit der COVID-19-Impfung aufgrund der - bereits dargelegten - fortlaufenden Überprüfung durch das Paul-Ehrlich-Institut nicht in Frage zu stellen.
55So auch BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 2.22, 1 WB 5.22 -, bislang noch nicht veröffentlicht, siehe aber Pressemitteilung, abrufbar unter https://www.bverwg.de/pm/2022/44.
56Dass die vom Paul-Ehrlich-Institut angewandte Methodik zur Überprüfung der Sicherheit der COVID-19-Impfung,
57,vgl. dazu: https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-20-bis-30-06-22.pdf?__blob=publicationFile&v=6, S. 27 ff.,
58ungeeignet ist bzw. eine Überprüfung der Sicherheit der COVID-19-Impfung nur nach Übermittelung der in § 13 Abs. 5 Nr. 1-10 IfSG genannten Angaben durch die Kassenärztlichen Vereinigungen möglich ist, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
59Der Beschluss des Vorsitzenden Richters der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 29. September 2022 - S 5 BLc 11/22 - führt ebenfalls nicht dazu, dass aufgrund von unzumutbaren Nebenwirkungen einer Impfung von einer Verfassungswidrigkeit des § 20a IfSG auszugehen wäre. Die dortige Annahme von sich objektiv aufdrängenden Gefahrenaspekten erschöpft sich in der Behauptung, dies ergäbe sich aus „Fakten und inzwischen wissenschaftlichen Studien“; durch Tatsachen unterlegte Ausführungen zum Wahrscheinlichkeitsgrad der mit einer COVID-19-Impfung verbundenen Risiken fehlen indes.
60So auch: BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2022 - 1 WB 61.22, 1 W-VR 21.22 -, juris Rn. 20.
61Abgesehen davon liegt der Entscheidung die - nicht mehr zutreffende - Annahme zu Grunde, dass allein „neuartige“, also mRNA- und Vektorimpfstoffe gegen eine COVID-19-Erkrankung zur Verfügung stehen. Mittlerweile wurde mit Nuvaxovid jedoch auch ein proteinbasierter Impfstoff zugelassen. Auch soweit die Antragstellerin fürchtet, dass Ärzte aufgrund der Neuartigkeit einiger Impfstoffe Nebenwirkungen der Impfung nicht erkennen, ist - neben den obigen Ausführungen zu den möglichen Nebenwirkungen einer Impfung - auf die Zulassung von Nuvaxovid zu verweisen.
62Es ist auch nicht ersichtlich, dass § 20a IfSG gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Der diesbezügliche Vortrag der Antragstellerin, Ungeimpfte würden vollkommen willkürlich herausgegriffen werden, ohne dass festgestellt werde, dass sie nach aktueller Datenlage ein erhöhtes Risiko mit sich brächten, verfängt nicht, da - wie bereits dargelegt - aktuell hinreichende Anhaltspunkte für eine nicht nur unwesentliche Reduzierung des Transmissionsrisikos durch die Schutzimpfungen bestehen.
63Der Bescheid leidet nicht an formellen Mängeln, die voraussichtlich zu seiner Aufhebung im Klageverfahren führen werden.
64Die Antragsgegnerin ist gemäß § 20a Abs. 5 Satz 1 und Satz 3, § 2 Nr. 14, § 54 Satz 1 IfSG i.V.m. § 4 Abs. 1 IfSBG-NRW als Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, in der die Antragstellerin tätig ist, für die Anordnung des Betretungs- und Tätigkeitsverbotes zuständig.
65Die Antragstellerin wurde auch vor Erlass des Verwaltungsakts ordnungsgemäß angehört. Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
66Dabei muss eine ordnungsgemäße Anhörung den beabsichtigten Verwaltungsakt nach Art und Inhalt so konkret umschreiben, dass der Adressat erkennen kann, weshalb und wozu er sich äußern soll und mit welcher Entscheidung er zu rechnen hat.
67Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2017 - 9 VR 2.17 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Urteil vom 2. Juli 2018 - 13 A 2289/16 -, juris Rn. 41; VGH BW, Urteil vom 2. November 2021 - 1 S 3253/20 -, juris Rn. 39.
68Diesen Anforderungen ist die Antragsgegnerin vorliegend nachgekommen. Mit Schreiben vom 8. April 2022 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, sich zum beabsichtigten Erlass eines Betretungs- und Tätigkeitsverbots nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG zu äußern. Dabei hat die Antragsgegnerin zu erkennen gegeben, dass sie der Antragstellerin gegenüber aufgrund ihrer Tätigkeit für ein in § 20a Abs. 1 IfSG genanntes Unternehmen und aufgrund fehlender Nachweise ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot erlassen will. Ausgehend davon wurde die Antragstellerin in die Lage versetzt, sich zu aus ihrer Sicht entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.
69Weitergehende Anforderungen sind an die Anhörung vorliegend nicht zu stellen. Insbesondere ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht erforderlich, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Anhörung konkrete Fragen an die Art der Tätigkeit der Antragstellerin oder zu ihrem Patientenkontakt stellt. Ebenfalls nicht erforderlich sind Ausführungen zur Annahme der Impfwirksamkeit und zur Versorgungssicherheit.
70Vgl. ebenso so: VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 5. Juli 2022 - 2 L 820/22 -, juris Rn. 13; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 20. Juli 2022 - 5 L 585/22.NW -, juris Rn. 40.
71Die von der Antragstellerin nach § 13 VwVfG NRW zum Verwaltungsverfahren hinzugezogene Arbeitgeberin der Antragstellerin ist mit Schreiben vom 11. April 2022 ebenfalls zum beabsichtigten Erlass eines Betretungs- und Tätigkeitsverbots ordnungsgemäß angehört worden. Auch gegenüber der Arbeitgeberin der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin klar zu erkennen gegeben, dass sie aufgrund der Tätigkeit der Antragstellerin für ein in § 20a Abs. 1 IfSG genanntes Unternehmen und aufgrund fehlender Nachweise beabsichtigt, ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot zu erlassen, und ihr auch die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
72Ungeachtet dessen führte ein etwaiger Anhörungsmangel aller Voraussicht nach auch nicht zum Erfolg der Anfechtungsklage gegen den gegenständlichen Bescheid. Jedenfalls ist in die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage zu Lasten der Antragstellerin einzustellen, dass die fehlende Anhörung bis zum Abschluss des Klageverfahrens nach den genannten Vorschriften ohne weiteres nachgeholt und damit geheilt werden kann.
73Vgl. OVG NRW, Beschlüsse 25. Februar 2021 - 13 B 343/20 -, juris Rn. 89, vom 27. September 2019 - 13 B 1056/19 -, juris Rn. 18 ff., vom 24. Juli 2013 - 16 B 718/13 -, juris Rn. 4, und vom 29. Oktober 2010 - 7 B 1293/10 -, juris Rn. 13.
74Der Bescheid ist nach summarischer Prüfung in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
75Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG sind erfüllt. Der Anwendungsbereich des § 20a IfSG ist eröffnet. Die Antragstellerin ist unstreitig in der Klinik für H3. und H4. des F. Klinikums C2. - einem Krankenhaus - und damit in einer Einrichtung im Sinne des § 20a IfSG Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) IfSG tätig. Auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen für ein Einschreiten der Antragsgegnerin nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG liegen vor. Die Antragstellerin hat den erforderlichen Nachweis für eine vollständige Impfung, aktuelle Genesung oder eine ärztliche Bescheinigung über eine Schwangerschaft oder eine Kontraindikation gegen die Impfung trotz der Aufforderung durch die Antragsgegnerin nicht innerhalb der gesetzten, angemessenen Fristen vorgelegt.
76Die Antragsgegnerin hat nach der im Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung auch das ihr im Rahmen des § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Hierbei legt der Schutzzweck des Gesetzes im Fall eines Verstoßes gegen die Nachweispflicht den Erlass einer Anordnung nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG in der Regel nahe. Vorbehaltlich besonders gelagerter Einzelfälle dürfte daher für die Antragsgegnerin letztlich kein relevanter Spielraum bestehen.
77Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - juris Rn. 85; Nds. OVG, Beschluss vom 8. September 2022 - 14 ME 297/22 -, juris Rn. 27; OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2022 - 13 B 859/22 -, juris Rn 80.
78Vor dem Hintergrund dieser Kriterien ist ein Ermessensfehler der Antragsgegnerin nach § 114 VwGO nicht erkennbar. Diese war sich des ihr zustehenden Ermessens bewusst und hat das öffentliche Interesse am Schutz der besonders gefährdeten vulnerablen Personen in der betroffenen Einrichtung mit dem Interesse der Antragstellerin an einer Nichtimmunisierung abgewogen und hierbei auch die Versorgungssicherheit berücksichtigt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sie letztlich dem öffentlichen Interesse den Vorzug gegeben hat, da hier keine besonders gelagerten Interessen der Antragstellerin mit einem überwiegenden Gewicht oder die Versorgungssicherheit entgegenstanden.
79Soweit die Antragstellerin beanstandet, die Antragsgegnerin habe ihre Entscheidung auf eine veraltete Datenlage gestützt und damit einen Ermessensfehlgebrauch geltend macht, kann dem aus den o.g. Gründen nicht gefolgt werden.
80Genauso wenig dringt die Antragstellerin mit ihrer Rüge durch, die Antragsgegnerin habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt und damit auf einer unvollständigen Sachverhaltsgrundlage entschieden.
81Zwar ermittelt die Behörde den Sachverhalt gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW von Amts wegen. Sie hat also sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen sowie bei Ermessensentscheidungen die für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen Umstände grundsätzlich von Amts wegen aufzuklären. Der ihr obliegenden Aufklärungspflicht trägt die Behörde wesentlich durch Anhörung des Beteiligten im Vorfeld der beabsichtigten Maßnahme Rechnung. Drängen sich infolge der Anhörung weitere Sachverhaltsermittlungen für eine sachgerechte Ermessensausübung auf, muss diesen nachgegangen werden. Unterlässt der Beteiligte indes eine zumutbare Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW), muss die Behörde nicht von sich aus allen denkbaren Möglichkeiten nachgehen. Sie darf vielmehr davon ausgehen, dass der Beteiligte im Rahmen seiner Obliegenheiten ihm günstige Umstände vorgetragen oder am Nachweis ihm günstiger Umstände mitgewirkt hat. Die Sachverhaltsermittlungspflicht endet mithin dort, wo das Vorbringen eines Beteiligten keinen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet.
82Vgl. OVG NRW, Beschlüsse 16. September 2022 - 13 B 859/22 -, juris Rn. 88, und vom 28. April 2014 - 10 A 1018/13 -, juris Rn. 13 ff. m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 10. Mai 2013 - 10 ME 21/13 -, juris Rn. 80.
83Ausgehend hiervor bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin ihrer Amtsermittlungspflicht nicht genügt hätte. Insbesondere hat die Antragsgegnerin - wie sich ohne Weiteres aus dem vorliegenden Verwaltungsvorgang entnehmen lässt - durch mehrfache Nachfrage bei der Arbeitsgeberin in Erfahrung gebracht, welche Tätigkeiten die Antragstellerin ausübt, ob die Erbringung ihrer Arbeitsleistung für die Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlich ist und ob für sie eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit ohne Kontakt zu vulnerablen Personen besteht. Dass sich die Antragsgegnerin dabei an die Arbeitgeberin und nicht an die Antragstellerin selbst gewandt hat, ist insoweit nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin durfte davon ausgehen, dass primär die Arbeitgeberin der Antragstellerin zu diesen Umständen hinreichend qualifiziert Auskunft geben kann.
84Schließlich ist das gegenständliche Betretungs- und Tätigkeitsverbot aller Voraussicht nach verhältnismäßig.
85Es spricht Überwiegendes dafür, dass das gegenüber der Antragstellerin ausgesprochene Betretungs- und Tätigkeitsverbot ein geeignetes Mittel zur Erreichung des legitimen Ziels, vulnerable Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen, darstellt.
86Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris Rn. 154 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 8. September 2022 - 14 ME 297/22 -, juris Rn. 31, OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2022 - 13 B 859/22 -, juris Rn. 93.
87Das Betretungs- und Tätigkeitsverbot ist zudem geeignet, diesen Zweck zu fördern. Die Eignung wird durch den Vortrag der Antragstellerin, sie habe im Rahmen ihrer Tätigkeit als Oberärztin keinen oder nur selten Kontakt zu vulnerablen Personen, da sie in ihrer Tätigkeit überwiegend mit jüngeren Frauen bzw. Frauen, die in der Geburtsphase seien, welche zweifelsfrei nicht vulnerable Personen seien, zu tun, nicht in Frage gestellt. Vielmehr zählen Schwangere gerade zu den vulnerablen Personen. Auch für Ungeborene und neugeborene Kinder bestehen nicht unerhebliche Risiken durch eine Infektion mit COVID-19.
88Vgl. dazu: Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, 15. Risikogruppen für schwere Verläufe, 16. Ungeborene und neugeborene Kinder, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888#doc13776792bodyText16, Stand: 26.11.2021; Impfung bei Schwangeren, Stillenden und bei Kinderwunsch, abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Impfung_Schwangere_Stillende.html, Stand: 11.10.2022; FAQs zu spezifischen Personengruppen, Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit, abrufbar unter: https://www.zusammengegencorona.de/faqs/spezifische-personengruppen/schwangere-und-stillende/, abgerufen am 21.11.2022.
89In Anbetracht dieser Umstände bedarf es vorliegend keiner Ausführungen dazu, ob bei der Entscheidung über ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot zu berücksichtigen ist, dass die Art der Beschäftigung des konkret von dem beabsichtigten Verbot Betroffenen keinen Kontakt zu (vulnerablen) Patienten voraussetzt.
90Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2022 - 13 B 859/22 -, juris Rn. 102 m.w.N.
91Das gegenständliche Verbot ist auch erforderlich. Ein aus Sicht der Antragstellerin weniger eingriffsintensives, zur Zweckerreichung ebenso geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich.
92Insbesondere stellt die Möglichkeit einer Testpflicht keinen gleichwertigen Schutz wie eine Immunisierung dar, gerade bei Kontakt mit besonders vulnerablen Personen. Ein negatives Antigentestergebnis schließt eine SARS-CoV-2-Infektion und auch eine Kontagiosität (übertragungsrelevante Infektion) nicht aus. Schnelltests liefern gerade in einem frühen Infektionsstadium wegen der hier noch geringen Viruslast - selbst bei fachgerechter Anwendung - keine verlässlichen Resultate, obwohl gegebenenfalls bereits ein Ansteckungsrisiko besteht.
93Vgl. dazu im Einzelnen BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris Rn. 192 ff., 197; OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2022 - 13 B 859/22 -, juris Rn. 46 ff.
94Schließlich ist das Betretungs- und Tätigkeitsverbot auch angemessen. Der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung stehen nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs.
95Zwar greift das angeordnete Betretungs- und Tätigkeitsverbot erheblich in das Recht der Antragstellerin auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein und betrifft zudem ihre Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Die getroffene Anordnung stellt die Antragstellerin - auch, wenn es sich nicht um einen unmittelbaren Impfzwang handelt - de facto vor die Wahl, entweder ihre bisherige Tätigkeit zumindest zwischenzeitlich aufzugeben und damit finanzielle Einbußen hinzunehmen oder aber in die Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität durch die Impfung einzuwilligen. Es ist jedoch nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin durch ihre Anordnung dem Schutz von Leib und Leben der von der Antragstellerin behandelten Personen gegenüber den Rechten der Antragstellerin den Vorrang eingeräumt hat. Bei den durch das Betretungs- und Tätigkeitsverbot geschützten Schutzgütern handelt es sich um Verfassungsgüter von überragendem Stellenwert.
96Vgl. dazu: VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 30. August 2022 - 29 L 1703/22 -, juris Rn. 90 ff., und vom 13. Oktober 2022 - 24 L 2054/22 -, juris Rn. 88 ff., jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris Rn. 206 ff. in Bezug auf die Angemessenheit der Vorschrift des § 20a IfSG.
97Hinzu kommt, dass die Antragstellerin im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Oberärztin in der Klinik für H3. und H4. unvermeidlich Kontakt zu Personen hat, die - wie bereits dargelegt - im besonderen Maße besonders schutzbedürftig sind.
98Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Eingriffstiefe auf Seiten der Antragstellerin zum einen dadurch abgemildert wird, dass das angeordnete Betretungs- und Tätigkeitsverbot - entsprechend der Geltungsdauer der zugrundeliegenden Rechtsgrundlage des § 20a IfSG, der zum 1. Januar 2023 außer Kraft tritt (vgl. Art. 2 Nr. 1 und 2a i.V.m. Art. 23 Abs. 4 des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie) - bis zum 31. Dezember 2022 befristet ist. Zum anderen gilt die Anordnung auch nur bis zur Vorlage eines Nachweises im Sinne des § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG. Damit besteht für die Antragstellerin insbesondere die Möglichkeit, ein ärztliches Zeugnis über das Vorliegen einer medizinischen Kontraindikation im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 2 IfSG vorzulegen. Im Übrigen ist bezüglich des Auftretens von gravierenden Folgen einer Impfung gegen das Coronavirus - wie sie die Antragstellerin augenscheinlich befürchtet - von einer nur sehr geringen Wahrscheinlichkeit auszugehen.
99So auch: VG Düsseldorf, Beschluss vom 30. August 2022 - 29 L 1703/22 -, juris Rn. 95.
100Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin bei der Anordnung des gegenständlichen Betretungs- und Tätigkeitsverbots den Aspekt der Versorgungssicherheit nicht hinreichend gewürdigt hätte. Insbesondere hat die Arbeitgeberin der Antragstellerin ausdrücklich auf die Frage, ob die Antragstellerin für die Aufrechterhaltung des Betriebes zwingend erforderlich ist, angegeben, dass sie verzichtbar sei. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angabe unzutreffend ist, sind nicht ersichtlich. Einschlägige Stellengesuche indizieren - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - für sich genommen noch keine konkrete Gefahr für die Versorgungssicherheit. Aus solchen kann lediglich geschlossen werden, dass es eine vakante Stelle gibt, die der jeweilige Arbeitgeber beabsichtigt zu besetzen. Dass eine Stelle für die Versorgungssicherheit unverzichtbar ist, kann allein aus deren Vakanz nicht geschlossen werden. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin auch nicht substantiiert dargelegt, dass die konkrete Stelle als Oberarzt/Oberärztin in der Klinik für H3. und H4. , die sie zuletzt innehatte, derzeit ausgeschrieben ist. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus dem Karriereportal der Arbeitgeberin der Antragstellerin.
101Vgl. https://karriere.evkb.de/stellenboerse.html, abgerufen am 21. November 2022.
102Auch gegen die Androhung eines Zwangsgeldes in Ziffer 2 der Ordnungsverfügung vom 14. September 2022 für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung in Ziffer 1 der Verfügung bestehen keine rechtlichen Bedenken, so dass der Antrag auch insoweit erfolglos bleibt.
103Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Kammer legt mangels anderweitiger Anhaltspunkte den Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG zugrunde. Von einer Reduzierung des Streitwertes auf die Hälfte des in der Hauptsache maßgeblichen Streitwertes entsprechend Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013) wird abgesehen, da die angegriffene Ordnungsverfügung nur bis zum 31. Dezember 2022 gilt und der Antrag der Antragstellerin damit inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt.
104So auch OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2022 - 13 B 859/22 -, juris Rn. 125; Nds. OVG, Beschluss vom 8. September 2022 - 14 ME 297/22 -, juris Rn. 40.