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Soweit die Widerklage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Der Bescheid des Landrats des Kreises I. vom 25. Oktober 2019 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieser Entscheidung vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer Genehmigung über die Errichtung einer privaten Begräbnisstätte nach preußischem Allgemeinen Landrecht.
3Mit Schreiben vom 01. Juni 1972 beantragten die damalige Eigentümerin des Grundstücks C.---------straße 199 in W. -W1. , (heute: Amtsgericht C1. P. , Grundbuch von W1. , Blatt 1366, Gemarkung W1. , Flur 2, Flurstücke 93 und 94; im Folgenden: Grundstück) und ihr Ehemann beim Beklagten die Erteilung einer Genehmigung für die Urnenbeisetzung der verstorbenen Eltern der Eigentümerin auf dem vorgenannten, im Bezirk des Beklagten gelegenen Grundstück. Mit an den Ehemann der Eigentümerin gerichteten Bescheid vom 18. Juni 1973 genehmigte der Beklagte die Errichtung eines Privatfriedhofs auf dem Grundstück (im Folgenden: Genehmigung vom 18. Juni 1973) und fügte dieser unter anderem die Auflage bei, dass Bestattungen nur in Form der Urnenbeisetzung erfolgen dürfen. Im Zeitraum von 1973 bis 1999 wurden auf dem Grundstück Urnen mit Aschen der Eltern, der Schwester und des Ehemanns der damaligen Grundstückseigentümerin beigesetzt.
4Seit 1998 liegt das Grundstück im Geltungsbereich des vom Beklagten erlassenen Landschaftsplans „W. “. Im Zuge der beabsichtigten Neuaufstellung des Landschaftsplans begann der Beklagte im September 2018 den Sachverhalt erneut zu ermitteln. Am 06. Dezember 2018 erlangte er durch Auskunft des Amtsgerichts C1. P. von der Person des Klägers als Eigentümer des Grundstücks Kenntnis. Nach vorausgehender Anhörung des Klägers hob der Beklagte mit Bescheid vom 25. Oktober 2019, am 26. Oktober 2019 zugestellt, die Genehmigung vom 18. Juni 1973 unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung auf (im Folgenden: Bescheid vom 25. Oktober 2019). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Die Genehmigung vom 18. Juni 1973 sei rechtswidrig erteilt worden. Die erteilte Genehmigung eines Privatfriedhofs habe zum einen nicht dem gestellten Antrag entsprochen, wonach lediglich die Erteilung einer Genehmigung für die Beisetzung der Urnen der Eltern der Grundstückseigentümerin beantragt worden sei. Zum anderen habe damals kein besonderes Bedürfnis für die Anlegung des Privatfriedhofs bestanden. Die Entscheidung stehe in seinem Ermessen und sei erforderlich, um der staatlichen Verpflichtung zum Schutz der Totenwürde zu genügen.
5Hiergegen hat der Kläger am 26. November 2019 Klage erhoben und beantragt unter Protest gegen die Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die vom Beklagten dargelegten Ermessensgründe sinngemäß,
6den Bescheid des Landrats des Kreises I. vom 25. Oktober 2019 aufzuheben.
7Der Beklagte nimmt im Wesentlichen auf die dem angefochtenen Bescheid beigegebene Begründung Bezug und hat zunächst schriftsätzlich beantragt,
8die Klage abzuweisen,
9sowie hilfsweise widerklagend sinngemäß,
10festzustellen, dass die Genehmigung vom 18. Juni 1973 unwirksam geworden und der Kläger nicht berechtigt ist, ohne Genehmigung Urnenbestattungen und Streuwiesenbestattung-en auf dem Grundstück vorzunehmen.
11In der mündlichen Verhandlung beantragt er nunmehr lediglich,
12die Klage abzuweisen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15A. Soweit der Beklagte nunmehr bezogen auf die Widerklage keinen Antrag gestellt hat, ist hierin eine konkludente Klagerücknahme (§ 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu sehen, sodass das Verfahren insoweit einzustellen ist, § 92 Abs. 3 VwGO. Die Widerklage wurde mit Schriftsatz des Bevollmächtigten des Beklagten vom 02. März 2022 erhoben. Die Bedingung der Erhebung hindert den Eintritt der Rechtshängigkeit nicht. Diese hat lediglich zur Folge, dass die Rechtshängigkeit der Widerklage rückwirkend entfällt, wenn die auflösende Bedingung eintritt.
16In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte - nach Auffassung des erkennenden Gerichts - hinsichtlich der auf den Klageabweisungsantrag reduzierten Antragstellung zum Ausdruck gebracht, dass er an der Widerklage nicht mehr festhält. Er führte insofern aus, mangels Erfolgsaussicht einer Widerklage keine diesbezügliche Entscheidung zu begehren. Dies versteht das Gericht als Klagerücknahme. Einer Zustimmung des Klägers hierzu bedurfte es nach § 91 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht. Im Widerklageverhältnis sind keine Anträge gestellt worden (§ 103 Abs. 3 VwGO).
17B. Die auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom 25. Oktober 2019 gerichtete Klage hat Erfolg. Die als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige - insbesondere innerhalb der einmonatigen Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erhobene - Klage ist begründet. Der Bescheid vom 25. Oktober 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dem Kläger wird als Eigentümer des Grundstücks eine für ihn günstige Rechtsposition genommen, indem der angegriffene Bescheid eine rechtliche Eigenschaft des Grundstücks (s. 2. a. aa. (1)) zu Unrecht aufhebt.
18Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 25. Oktober 2019 ist mangels abweichender Bestimmung im materiellen Recht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin dem Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides am 26. Oktober 2019. Die für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit maßgebliche Sach- und Rechtslage beurteilt sich nach dem jeweils heranzuziehenden materiellen Fachrecht. Bei der Anfechtungsklage ist dies im Allgemeinen und vorbehaltlich - hier nicht ersichtlicher - abweichender Regelungen des materiellen Rechts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, während bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung - je nach dem zeitlichen Umfang des Aufhebungsbegehrens - auch spätere Veränderungen der Sach- und Rechtslage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts zu berücksichtigen sind.
19Vgl. statt aller: BVerwG, Beschluss vom 04. Juli 2006 - 5 B 90.05 -, juris Rn. 6; BVerwG, Urteil vom 25. April 2001 - 6 C 6.00 -, juris Rn. 18 jeweils m.w.N.
20Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt hier nicht vor. Der Bescheid vom 25. Oktober 2019 erschöpft sich in einer einmaligen und punktuell wirkenden rechtsgestaltenden Maßnahme, indem eine Rechtsposition für die Zukunft aufgehoben wird. Hieran ändert auch nichts, dass die aufzuheben beabsichtigte Genehmigung vom 18. Juni 1973 ihrerseits einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellt (s. dazu 2. b.). Der allein streitgegenständliche Bescheid vom 25. Oktober 2019 begründet für die Beteiligten trotzdem keine dauerhaften oder sich wiederholenden Rechte oder Pflichten.
21Als Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 25. Oktober 2019 kommt ausschließlich § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW in Betracht (1.). Dessen Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt (2.).
221. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW stellt in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 25. Oktober 2019 geltenden Fassung die für eine Rücknahme einschlägige Rechtsgrundlage dar (a). Das Bestattungsgesetz NRW enthält keine vorrangigen Regelungen (b).
23a. Obwohl die Genehmigung vom 18. Juni 1973 bereits vor dem Erlass des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW erteilt wurde, richtet sich deren Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW. Nach der - zwischenzeitlich außer Kraft getretenen - Übergangsnorm in § 95 Abs. 1 VwVfG NRW in der Fassung vom 21. Dezember 1976 (GV. NRW. S. 438) waren bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Im Umkehrschluss und mangels anderweitiger Übergangsregelung richten sich sämtliche neue Verfahren auch dann nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW, wenn der Verfahrensgegenstand aus Zeiten vor dem Erlass dieses Gesetzes stammt. Ein Verwaltungsverfahren ist in diesem Sinne „neu“, wenn es - wie vorliegend das Verfahren zur Aufhebung der Genehmigung vom 18. Juni 1973 - nach Erlass des Verwaltungsverfahrensgesetztes NRW im Sinne von § 9 VwVfG NRW begonnen hat.
24Vgl. Sennekamp, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG Kommentar, 2. Aufl. 2019, § 96 Rn. 4.
25Demnach begann das auf die Aufhebung der Genehmigung vom 18. Juni 1973 gerichtete Verwaltungsverfahren frühestens mit der Ermittlung des Sachverhalts im Jahr 2018.
26b. Das Bestattungsgesetz NRW enthält keine vorrangig anzuwendenden Regelungen über die Aufhebung von Genehmigungen privater Begräbnisplätze. Die Regelungen zur Entwidmung und Schließung von Friedhöfen nach § 3 BestG NRW sind nicht heranzuziehen. Hiernach können Friedhöfe ganz oder teilweise geschlossen (Absatz 1 Satz 1) bzw. vollständig oder teilweise entwidmet werden (Absatz 2). § 3 BestG NRW findet vorliegend jedoch weder direkt noch analog Anwendung. Die Regelung gilt zum einen unmittelbar nur für öffentliche Friedhöfe. Dies ergibt sich daraus, dass der Begriff des Friedhofs im Bestattungsgesetz NRW ausschließlich für Begräbnisstätten in öffentlicher Trägerschaft verwendet wird. Nach § 1 Abs. 2 BestG NRW können nur die dort benannten Körperschaften öffentlichen Rechts Träger von Friedhöfen sein. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Begräbnisplätze in privater Trägerschaft keine Friedhöfe im Sinne dieses Gesetzes sind. Die demgegenüber vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 25. September 2008 - 19 A 210/07 (juris Rn. 36) vertretene Ansicht, wonach auch private Friedhöfe unter das Bestattungsgesetz NRW fielen, überzeugt dagegen nicht. Zwar ist dem Oberverwaltungsgericht dahingehend zuzustimmen, dass dem Begriff des Friedhofs keine Einschränkung auf öffentliche Friedhöfe zu entnehmen ist. Das Bestattungsgesetz NRW beinhaltet jedoch weder Regelungen zu privaten Friedhöfen noch deren Verbot, sodass eine Erstreckung des Anwendungsbereichs auf diese vom Sinn und Zweck des Gesetzes nicht getragen sein kann. Folge der Nichtanerkennung privater Friedhöfe ist daher, dass einer Beisetzung auf diesen den Anforderungen des Friedhofszwangs nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und § 15 Abs. 5 Sätze 1 und 2 BestG NRW nicht genügt. Einem solchen Vorgehen ist ordnungsrechtlich zu begegnen (§ 14 Abs. 1 OBG NRW), ohne dass es einer Anwendung der Vorschriften für öffentliche Friedhöfe auf private Friedhöfe bedarf.
27Zum anderen steht die Entscheidung über die Schließung bzw. Entwidmung nach § 3 BestG NRW ausschließlich dem Friedhofsträger zu. Träger ist vorliegend aber auch bei analoger Anwendung nicht der Beklagte. Dieser ist weder Adressat oder Begünstigter der Genehmigung vom 18. Juni 1973, noch hat er in der Vergangenheit die Vornahme von Bestattungen auf dem Grundstück veranlasst oder die Lasten der Unterhaltung der dortigen Begräbnisstätte getragen.
282. Die Aufhebung der Genehmigung vom 18. Juni 1973 kann nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW gestützt werden. Hiernach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nach § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. § 48 Abs. 2 VwVfG NRW findet vorliegend jedoch keine Anwendung, weil die aufzuheben beabsichtigte Genehmigung vom 18. Juni 1973 weder unmittelbar noch mittelbar eine Geldleistung zum Gegenstand hat oder hierauf gerichtet ist. § 48 Abs. 3 VwVfG NRW stellt keine zusätzlichen Anforderungen an die Aufhebung begünstigender Veraltungsakte, sondern statuiert einen hieran anknüpfenden Ersatzanspruch.
29Vgl. Schoch, in: ders./Schneider, VwVfG Kommentar, Stand: August 2021, § 48 Rn. 194; Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG Kommentar, 2. Aufl. 2019, § 48 Rn.155.
30Hiernach liegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW nicht vor. Der Aufhebung der im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 25. Oktober 2019 nach wie vor wirksamen und grundsätzlich aufhebbaren (a) Genehmigung vom 18. Juni 1973 steht bereits entgegen, dass diese - nach wie vor - rechtmäßig ist (b). Der Beklagte hat aber auch das ihm in Bezug auf die Aufhebung zustehende Ermessen nicht beanstandungsfrei ausgeübt (c) und ist für die Entscheidung über die Genehmigungsaufhebung auch nicht (mehr) zuständig (d). Eine Umdeutung des angegriffenen Bescheids vom 25. Oktober 2019 nach § 47 VwVfG NRW kommt nicht in Betracht (e).
31a. Die Genehmigung vom 18. Juni 1973 ist dem Grunde nach aufhebbar. Sie ist nach wie vor wirksam (aa) und gehört weder zu den unaufhebbaren Verwaltungsakten (bb) noch wurde die Befugnis zur Aufhebung zwischenzeitlich verwirkt (cc). Auch war die Jahresfrist für die Aufhebung nach § 48 Abs. 4 VwVfG NRW bei Bescheiderlass noch nicht verstrichen (dd).
32aa. Die Genehmigung vom 18. Juni 1973 ist nach wie vor wirksam. Eine Unwirksamkeit ist weder mit Versterben des Genehmigungsadressaten noch mit der Übertragung des Eigentums an dem durch die Genehmigung in Bezug genommenen Grundstück (1) oder durch Erlöschen infolge einer Aufgabe der Begünstigung eingetreten (2). Selbst wenn das Vorstehende - entgegen der Ansicht des erkennenden Gerichts - der Fall wäre, unterläge die Genehmigung dennoch weiterhin der Aufhebung (3).
33Nach § 43 Abs. 2 Var. 5 VwVfG NRW bleibt ein Verwaltungsakt solange und soweit wirksam, wie er sich nicht auf andere als im Übrigen in § 43 Abs. 3 VwVfG NRW benannte Weise erledigt hat. Eine Erledigung tritt ein, wenn der Verwaltungsakt keinen vollzugsfähigen Inhalt (Regelungswirkung) mehr besitzt.
34Vgl. Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO Kommentar, Stand: Juli 2020, § 113 Rn. 112; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO Kommentar, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 100; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 247.
35(1) Demnach hat die Genehmigung vom 18. Juni 1973 weder mit Versterben des Genehmigungsadressaten (s. § 41 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwVfG NRW) noch mit der Übertragung des Eigentums an dem durch die Genehmigung in Bezug genommenen Grundstück ihren Regelungsgehalt verloren. Als sachbezogene Allgemeinverfügung im Sinne von § 35 Satz 2 Alt. 2 VwVfG NRW ist die Genehmigung rechtsnachfolgefähig.
36Vgl. dazu allgem. OVG NRW, Urteil vom 07. November 1995 - 11 A 5922/94 -, juris Rn. 20.
37Ihr kommt ein dinglicher Charakter zu, weil sie untrennbar mit einem bestimmten Grundstück und nicht mit der Person des jeweiligen Eigentümers verbunden ist.
38Vgl. PreußOVG, OVGE 24, 391, 393.
39Die polizeiliche Zustimmung nach § 764 des Zweyten Theils, Eilfter Titel des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten (im Folgenden: § 764 Tit. 11 T. II ALR) bestimmt eine Fläche unabhängig von der Person des Genehmigungsadressaten zu einem Begräbnisplatz.
40Vgl. PreußOVG, OVGE 71, 331, 333; OVGE 24, 391, 393; OVGE 20, 411, 415.
41Die bestattungsrechtliche Zuverlässigkeit des Grundstückseigentümers ist keine prägende Erteilungsvoraussetzung, sondern allenfalls untergeordneter Aspekt der Prüfung, ob generell eine den Sittlichkeits- und Anstandserfordernissen entsprechende Beschaffenheit und Unterhaltung der geplanten Grabstätten genügend gesichert ist.
42Vgl. dazu PreußOVG, OVGE 20, 411, 422.
43Im Wesentlichen entstehen die ordnungsrechtlichen Obliegenheiten erst mit Genehmigungserteilung und betreffen außerdem nicht ausschließlich den aktuellen Eigentümer.
44Vgl. dazu allgem. OVG NRW, Urteil vom 07. November 1995 - 11 A 5922/94 -, juris Rn. 20.
45Entsprechende Verpflichtungen zur Wahrung der Totenruhe müssen geeignet sein, auch den Zeitraum der Wirksamkeit einer entsprechenden Genehmigung zu überdauern, solange nämlich auf dem Grundstück Überreste Verstorbener verwahrt werden. Sie treffen daher auch die Rechtsnachfolger des Eigentümers und sämtliche Nutzer der Begräbnisstätte und des Grundstücks, die hierdurch ebenso begünstigt werden, indem sie ihrer Bestattungspflicht auf dem Grundstück nachkommen können, wie ihnen eine pietätvolle Nutzung abverlangt wird.
46(2) Das mit der Genehmigung vom 18. Juni 1973 erteilte Recht ist auch nicht zwischenzeitlich durch Aufgabe erloschen. Bringt der durch eine öffentlich-rechtliche Rechtsposition ausschließlich Begünstigte gegenüber dem allgemeinen Rechtsverkehr zum Ausdruck, von der Begünstigung dauerhaft keinen Gebrauch mehr zu machen, erlischt dieses Recht. Einer damit in Widerspruch stehenden Ausübung des Rechts in Zukunft stünde der Grundsatz von Treu und Glauben (venire contra factum proprium, analog § 242 BGB) entgegen. Somit kann sich der Begünstigte auf die Einräumung dessen nicht mehr berufen und der das Recht einräumende Verwaltungsakt verliert seinen Regelungsinhalt auf Dauer.
47Vgl. dazu grundl. VG Minden, Urteil vom 22. Oktober 2010 - 8 K 1119/09 -, juris Rn. 22.
48Es ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich, dass die bisherigen Grundstückseigentümer oder der Genehmigungsadressat Abstand von der Ausübung des ihnen in der Genehmigung zugestanden Rechts genommen haben. Hierfür spricht auch, dass sich die vormalige Eigentümerin im Vertrag über den Grundstücksverkauf nach unbestrittener Behauptung des Klägers ein Begräbnis auf dem Grundstück hat zusichern lassen.
49(3) Aber auch wenn die Wirksamkeit der Genehmigung vom 18. Juni 1973 zwischenzeitlich erloschen wäre, wovon das erkennende Gericht nach den vorstehenden Ausführungen (2. a. aa. (1) und (2)) jedoch nicht ausgeht, stünde dies einer Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW nicht entgegen. Die Aufhebbarkeit von unwirksam gewordenen Verwaltungsakten ist zumindest für den hier zu entscheidenden Fall der Erledigung nach (ggf. analog) § 43 Abs. 2 Var. 5 VwVfG NRW nicht nur aus dem Gesichtspunkt der Beseitigung des Rechtsscheins erforderlich
50- vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/ders, VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 38; a.A. Schoch, in: ders./Schneider, VwVfG Kommentar, Stand: August 2021, § 48 Rn. 77 -,
51sondern auch, weil mit Erledigungseintritt lediglich die innere Wirksamkeit nicht aber auch die mit Bekanntgabe ([ggf. analog] § 43 Abs. 1 Satz 1, § 41 Abs. 1 VwVfG NRW) eingetretene äußere Wirksamkeit beseitigt wurde und daher nach wie vor ein der Aufhebung unterliegender formeller Verwaltungsakt in der Welt ist.
52Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/ders., VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 190.
53bb. Die Genehmigung vom 18. Juni 1973 ist nicht generell unwiderrufbar. Eine generelle Unwiderrufbarkeit von Verwaltungsakten in Abweichung von §§ 48 f. VwVfG NRW bedarf einer gesetzlichen Grundlage. Dies folgt aus dem Grundsatz der Subsidiarität des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach § 1 Abs. 1 letzter HS VwVfG NRW. Hiernach gilt das Verwaltungsverfahrensgesetz NRW unter anderem für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden der Gemeindeverbände (§ 1 Abs. 2 KreisO NRW) soweit nicht Rechtsvorschriften des Landes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Die Anwendung des Subsidiaritätsgrundsatzes bedarf daher einer normhierarchisch gleichrangigen Regelung, welche mit den Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes in Konflikt tritt. An einem solchen abweichenden Rechtssatz fehlt es vorliegend jedoch. Insbesondere konnte das Recht, eine private Begräbnisstätte unterhalten zu dürfen, nicht unwiderrufbar ersessen werden. Zum einen ist das Rechtsinstitut der Ersitzung, selbst wenn dieses in Bezug auf die vorliegende Rechtsposition aus gesetzlichen Regelungen abgeleitet werden könnte, nicht geeignet, mit den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW in Konflikt zu treten. Dem Institut der Ersitzung kann allenfalls eine Regelungsaussage zum Rechtserwerb entnommen werden. Eine Regelung darüber, unter welchen Bedingungen das erworbene Recht fortbesteht, ist ihm dagegen nicht zu entnehmen. Zum anderen ist der Rechtsordnung die Ersitzung von Rechten mit Ausnahme des Eigentums an beweglichen Sachen (§ 397 BGB) fremd.
54Vgl. Baldus, MüKO BGB, 8. Aufl. 2020, § 937 Rn. 28; Heinze, in: Staudinger (2020), Vorbem. zu §§ 937 ff. Rn. 2.
55Dies gilt insbesondere für öffentlich-rechtliche Rechtspositionen, die - wie vorliegend - erst nach Abschluss einer behördlichen Prüfung gewährt werden.
56Vgl.auch PreußOVG, OVGE 24, 391, 393.
57Auch § 764 Tit. 11 T. II ALR ist bei entsprechender teleologischer Auslegung kein Anhaltspunkt für die Annahme zu entnehmen, dass entsprechende Rechte unwiderruflich erworben werden.
58cc. Das Recht zur Aufhebung der Genehmigung vom 18. Juni 1973 wurde ferner nicht verwirkt. Im öffentlichen Interesse stehende Eingriffsrechte können nicht verwirkt werden, da sie keiner Dispositionsbefugnis der zuständigen Behörde unterliegen.
59Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01. April 2008 - 10 S 1388/06 -, juris Rn. 50; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 24. September 2019 - 2 D 256/19 -, juris Rn. 10.
60Allenfalls im Rahmen der Ermessensausübung könnte ein überwiegender Vertrauensschutz der Aufhebung entgegenstehen, wenn sich diese als treuwidrig darstellt. Hierfür müssen zusätzliche Umstände eintreten, aus denen der - die Rechtswidrigkeit kennende - Begünstigte berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Verwaltungsakt werde nicht mehr aufgehoben, obwohl die Behörde dessen Aufhebbarkeit gekannt hat. Ferner muss der Begünstigte darauf vertraut haben, dass die Aufhebungsbefugnis nicht mehr ausgeübt werde. Dieses Vertrauen muss in einer Weise betätigt worden sein, dass dem Betroffenen mit der sodann gleichwohl erfolgten Aufhebung ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Die schlichte Untätigkeit der Behörde begründet keine Verwirkung der Aufhebungsbefugnis; der bloße Zeitablauf führt ebenfalls nicht zur Verwirkung. Bezugspunkt der Verwirkung kann stets nur ein Verhalten des Berechtigten sein.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 1999 - 7 C 42.98 -, = BVerwGE 110, 226, juris Rn. 27; Schoch, in: in: ders./Schneider, VwVfG Kommentar, Stand: August 2021, § 48 Rn. 270.
62Hiernach sind keine Umstände ersichtlich, aus denen sich ergibt, dass der Beklagte, der aber auch für die Aufhebung nicht zuständig ist - siehe dazu unter 2. d. -, in der Vergangenheit gegenüber dem Kläger oder einem seiner Rechtsvorgänger erkennen lassen hat, von einem ihm etwaig zustehenden Recht zur Aufhebung keinen Gebrauch mehr machen zu wollen.
63dd. Die Jahresfrist für die Rücknahme von Verwaltungsakten nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW war im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 26. Oktober 2019 nicht verstrichen. Hiernach ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Behörde von den Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen, zulässig. Diese Entscheidungsfrist wird in Lauf gesetzt, wenn die Behörde positive Kenntnis von den Tatsachen, die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen, erhalten hat. Die Behörde erlangt diese positive Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststellt. Ist Gegenstand dieser Feststellung zunächst der konkrete Rechtsanwendungsfehler, auf dem die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts beruht, kann eine fristerhebliche Feststellung erst nach Erlass des Verwaltungsakts getroffen werden. Sie ist getroffen, sobald diese Tatsachen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt sind. Die Jahresfrist kann daher nicht schon mit dem Erlass des Verwaltungsakts zu laufen beginnen, und zwar auch dann nicht, wenn eine bewusste oder gewollte Fehlentscheidung vorliegt, mit der dem Begünstigten ein rechtswidriger Vorteil zugewendet werden soll.
64Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1984 - GrSen 1.84 -, = BVerwGE 70, 356, juris Rn. 19 ff.
65In Anwendung der vorstehenden Grundsätze war die Jahresfrist bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheides noch nicht verstrichen. Es wurde weder substantiiert vorgetragen, noch ist für das Gericht ansonsten aufgrund des Prozessstoffs ersichtlich, dass dem Beklagten vor Abschluss der Ermittlungen zum Zweck der Aufhebung der Genehmigung vom 18. Juni 1973 positiv bekannt war, dass deren Erteilung - dies hier unterstellt - rechtswidrig erfolgte. Daher konnte der Abschluss der Ermittlung des Sachverhalts zumindest nicht vor dem 06. Dezember 2018 erfolgen. Erst an diesem Tag erlangte der beim Beklagten zuständige Sachbearbeiter mit Schreiben des Amtsgerichts C1. P. vom 05. Dezember 2018 über die Person des Klägers als Eigentümer des Grundstücks und Adressaten des Aufhebungsbescheides Kenntnis. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Telefonvermerk des Beklagten vom 31. Oktober 1975, wonach dem Genehmigungsadressaten auf Nachfrage hin mitgeteilt wurde, dass eine Erdbestattung auf dem Grundstück nicht genehmigt werde. Nach der einschlägigen Rechtsprechung würden keine Privatfriedhöfe mehr genehmigt, daher seien auch Urnenbestattungen nicht mehr erlaubt. Dieser Notiz ist nicht zu entnehmen, dass der Beklagte damals die Genehmigung vom 18. Juni 1973 erneut auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfte und davon ausging, dass diese ursprünglich zu Unrecht erteilt wurde oder zwischenzeitlich rechtswidrig geworden wäre.
66b. Die Genehmigung vom 18. Juni 1973 war weder im Zeitpunkt ihres Erlasses noch im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 25. Oktober 2019 rechtswidrig im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW.
67Maßstab für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung vom 18. Juni 1973 sind das gesamte höherrangige Recht und somit sämtliche Anforderungen, welche durch die Verfassung, das einfache Gesetz und den auf Gesetz beruhenden untergesetzlichen Rechtsnormen (Satzungen, Verordnungen) an diese gestellt werden.
68Vgl. Schoch, in: ders./Schneider, VwVfG Kommentar, Stand: August 2021, § 48 Rn. 81; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 48; Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG Kommentar, 2. Aufl. 2019, § 48 Rn. 42; Müller, BeckOK VwVfG, Stand: Oktober 2021, VwVfG § 48 Rn. 30; allgem. Ruffert, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 22 Rn. 27; Peine/Siegel, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2020, Rn. 466.
69Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung vom 18. Juni 1973 ist grundsätzlich die im Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheids vom 25. Oktober 2019 geltende Sach- und Rechtslage maßgeblich. Zwar kommt es für das Merkmal der Rechtswidrigkeit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG grundsätzlich darauf an, ob der Verwaltungsakt, um dessen Rücknahme es geht, zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2012 - 6 C 3.11 -, juris Rn. 43.
71Anders ist dies jedoch bei Dauerverwaltungsakten zu beurteilen. In einem solchen Fall ist für das in Bezug auf den aufzuhebenden Verwaltungsakt zu treffende Rechtswidrigkeitsurteil der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Rücknahmeentscheidung erging.
72Vgl. statt aller: BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 2 C 13.03 -, juris Rn. 15; Müller, BeckOK VwVfG, Stand: Oktober 2021, § 48 Rn. 32; Schoch, in: ders./Schneider, VwVfG Kommentar, Stand: August 2021, § 48 Rn. 90; Sachs, in: Stelkens/Bonk/ders., VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 53; Kastner, in: Fehling/ders./Störmer, HK-VerwR, 5. Aufl. 2021, § 48 VwVfG Rn. 30; a.A. Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/ Uechtritz, VwVfG Kommentar, 2. Aufl. 2019, § 48 Rn. 48.
73Letzteres ist auch vorliegend der Fall. Die Genehmigung vom 18. Juni 1973 stellt aus dem maßglichen Horizont eines objektiven Empfängers (analog § 133 BGB) einen Dauerverwaltungsakt dar. Ausweislich ihres Wortlauts („Errichtung eines Privatfriedhof“) wurden mit der Genehmigung vom 18. Juni 1973 nicht lediglich Beisetzungen der Aschen einzelner, bei Genehmigungserteilung bereits konkret benennbarer Verstorbener genehmigt, sondern eine über den Erteilungsanlass hinausgehende, fortdauernde Beisetzung von Urnen.
74Demnach sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung vom 18. Juni 1973 sowohl Rechtsverstöße, welche sich zum Zeitpunkt des Erlasses der Genehmigung ereignet haben, entscheidungserheblich als auch solche, die erst nachträglich eingetreten sind. Die Verstöße müssen jedoch in beiden Fällen noch im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 25. Oktober 2019 fortbestanden haben.
75Abweichend hiervon ist für die gerichtliche Beurteilung der Ermessenserwägungen der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgeblich. Andernfalls wäre der Beklagte auch nach Abschluss des Erteilungsverfahrens gehalten, seine Ermessensentscheidung aufgrund der ihm bekanntwerdenden oder von ihm zu ermittelnden Tatsachen (§ 24 Abs. 1 VwVfG NRW) über Jahrzehnte hinweg beständig zu überprüfen und zu aktualisieren.
76Vgl. statt aller: BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1993 - 1 C 25.93 -, = BVerwGE 94, 35, juris Rn. 26; Sachs, in: Stelkens/Bonk/ders., VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 5; s.a. Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG Kommentar, 2. Aufl. 2019 Rn. 198.
77Der Beklagte ist für die Tatsachen darlegungs- und beweisbelastet, welche die Rechtswidrigkeit der Genehmigung vom 18. Juni 1973 zu begründen vermögen. Es gilt der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung und das Maß der vollen Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsprozessrecht kennt keine formelle Regelung der Beweislast nach der Beteiligtenstellung. Durch Auslegung der materiell-rechtlichen Norm ist daher zu ermitteln, welche Verteilungsanordnung die in ihr enthaltene Beweisregel trifft. Die Nichterweislichkeit von Tatsachen geht in der Regel zu Lasten des Beteiligten, der daraus für sich günstige Rechtsfolgen herleitet. Liegt ein Beweismittel, auf das der beweispflichtige Beteiligte zum Nachweis angewiesen ist, dagegen ausschließlich in der Handlungs- und Verantwortungssphäre des anderen Beteiligten, kann sich die Beweislast umkehren.
78Vgl. BVerwG, Urteil vom 08. Dezember 2009 - 1 C 16.08 -, = BVerwGE 135, 334, juris Rn. 36; Sachs, in: Stelkens/Bonk/des., VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 59, 60; s. dazu allgem.: BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 41; BVerwG, Beschluss vom 01. April 1997 - 4 B 206.96 - juris Rn. 29.
79Demnach muss die Behörde das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts nachweisen. Kann nicht geklärt werden, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung - hier in Form der Rücknahme - gegeben sind, geht dies grundsätzlich zu ihren Lasten. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn die Unerweislichkeit auf einem - hier allerdings nicht ersichtlichen - unlauteren Verhalten des Begünstigten, welches einen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben darstellt, beruht.
80Vgl. statt aller BVerwG, Urteil vom 06. Mai 2021 - 2 C 10.20 -, juris Rn. 19; weiter dagegen: Sachs, in: Stelkens/Bonk/ders., VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 59 f.
81Im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung vom 18. Juni 1973 richtete sich deren Rechtmäßigkeit nach § 764 Tit. 11 T. II ALR. Hiernach soll die Anlegung neuer Begräbnisplätze nur aus erheblichen Ursachen und nur unter Einwilligung der geistlichen Oberen sowie der Polizeyvorgesetzten des Orts stattfinden. Die Regelung galt nach Art. 123 Abs. 1 GG ihrem wesentlichen Inhalt nach in Nordrhein-Westfalen auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes als Landesrecht fort und wurde erst durch § 20 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen vom 17. Juni 2003 - am 01. September 2003 (GV. NRW. S. 313; im Folgenden: BestG NRW) in Kraft getreten - aufgehoben. Eine Übergangsvorschrift, aus der die Fortgeltung des § 764 Tit. 11 T. II ALR mit Relevanz für das vorliegende Verfahren hervorginge, enthält das Bestattungsgesetz NRW nicht.
82Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2004 - 19 A 546/02 -, juris Rn. 16 ff.; OVG NRW, Urteile vom 19. Juni 1979 - VIII A 1890/76 -, juris Rn. 35 und vom 19. Juni 1967 - V A 333/67 -, = DVBl 1967,120, 120 f.
83§ 764 Tit. 11 T. II ALR fand mangels anderweitiger Regelung im Allgemeinen Landrecht sowohl auf private Begräbnisplätze
84- vgl. PreußOVG, OVGE 20, 411, 415; Brunner, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht, 1927, S. 113 -
85als auch auf Urnenbestattungen Anwendung.
86Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. März 1972 - VIII A 951/71 -, u.v. Abdr. S. 1.
87Außerdem besteht kein Zweifel, dass das Grundstück im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung im räumlichen Anwendungsbereich des fortgeltenden Allgemeinen Landrechts lag. Das Grundstück liegt im Ortsteil W1. , welcher seit jeher dem Amt bzw. der Stadt W. zugerechnet wird. Die Stadt W. war ihrerseits Teil der Grafschaft S1. sowie später der Provinz Westfalen und daher - mit wiederkehrenden zeitlichen Unterbrechungen - Teil des Regierungsverbunds Brandenburg-Preußen bzw. des Königsreichs Preußens, in dessen Territorium Allgemeines Landrecht galt.
88Die Norm ist der Auslegung durch das erkennende Gericht zugänglich. Lediglich der Inhalt ausländischen Rechts bedarf der Beweiserhebung (vgl. § 173 VwGO, § 293 ZPO); für historisches - da zwischenzeitlich außer Kraft getretenes - Recht gilt dies nicht.
89Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. August 2005 - 7 B 12.05 -, juris Rn. 22.
90Heute richtet sich die Rechtmäßigkeit der Genehmigung vom 18. Juni 1973 dagegen maßgeblich nach § 15 Abs. 7 BestG NRW. Hiernach können durch die Ordnungsbehörde des Ortes, an dem die Verwahrung der Totenasche stattfinden soll, in besonderen Fällen Ausnahmen von der Bestimmung des Absatzes 5, wonach das dauerhaft versiegelte Behältnis mit der Totenasche auf einem Friedhof oder auf See beizusetzen ist (Absatz 5 Satz 2), zugelassen werden; soweit nötig erfolgt dies im Benehmen mit der Ordnungsbehörde des Einäscherungsortes.
91Demnach war die Genehmigung vom 18. Juni 1973 rechtmäßig. Zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung lagen keine Rechtsverstöße vor, welche im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 25. Oktober 2019 noch fortwirkten, und die Genehmigung verstieß auch nicht gegen die im Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheids geltende Rechtslage (dd). Die Genehmigung wurde formell rechtmäßig auf einen entsprechenden Antrag hin erteilt (aa). Eine Zustimmung der geistlichen Oberen bedurfte es nicht (bb) und gegen die Annahme des Vorliegens erheblicher Ursachen durch den Beklagten bestehen keine Bedenken (cc).
92aa. Die Genehmigung vom 18. Juni 1973 ist nicht bereits formell rechtswidrig. Der gestellte Antrag entsprach bei entsprechender Auslegung dem Genehmigungsinhalt (1). Davon abgesehen bedurfte die Genehmigung einer privaten Begräbnisstätte aber auch von Gesetzes wegen keines vorausgehenden Antrags (2) und es stand zur Disposition der Beteiligten, auf diesen Verfahrensschritt zu verzichten (3).
93(1) Der Beklagte durfte und musste das Schreiben der vormaligen Grundstückseigentümerin und ihres Ehemanns zur Genehmigung der Beisetzung der Urnen der verstorbenen Eltern der ehemaligen Grundstückseigentümerin als Antrag auf Erteilung der Genehmigung einer privaten Begräbnisstätte nach § 764 Tit. 11 T. II ALR ansehen.
94Vgl. PreußOVG, OVGE 71, 331, 333.
95Bei der gebotenen sachgerechten Auslegung aus dem Horizont eines objektiven Empfängers analog § 133 BGB
96- vgl. Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 60 Rn. 7 -
97konnte der Beklagte die anwaltlich unvertretenen Antragteller nicht am bloßen Wortlaut ihrer Erklärung festhalten, sondern musste davon ausgehen, dass deren Antragsbegehren auf die ihnen ausschließlich offenstehende rechtliche Möglichkeit zur Verwirklichung ihres tatsächlichen Begehrens gerichtet war. Dies war zum Antragszeitpunkt ausschließlich die Beantragung der Genehmigung eines privaten Begräbnisplatzes nach § 764 Tit. 11 T. II ALR, andere Möglichkeiten zur Bestattung außerhalb eines Friedhofs gab es nicht.
98Vgl. PreußOVG, OVGE 71, 331, 333.
99Für die Annahme eines dieser Auslegung entsprechenden Antrags spricht auch, dass die Antragsteller zugleich zum Ausdruck gebracht haben, dereinst ebenfalls an diesem Ort bestattet zu werden.
100(2) Ferner war die Antragstellung auch keine Voraussetzung für die Erteilung einer Genehmigung nach § 764 Tit. 11 T. II ALR. Hierfür sprechen neben dem Wortlaut, welcher ein entsprechendes Erfordernis nicht vorsieht, auch der Sinn und Zweck der Norm. Bei § 764 Tit. 11 T. II ALR handelt es sich der Sache nach nicht um eine Anspruchsnorm, nach welcher der Grundstückseigentümer unter den dort genannten Voraussetzungen einen Vorteil erlangen kann, sondern um eine ordnungsrechtliche Vorschrift. Die Norm bezweckt die Regulierung des Bestattungswesens und den Schutz der Totenwürde.
101Vgl. PreußOVG, OVGE 20, 411, 415.
102Es wäre dem Beklagten daher auch möglich gewesen, rechtlich ordnungsgemäße Zustände durch Anordnung der Errichtung oder nachträglicher Genehmigung eines illegal angelegten Privatfriedhofs zu schaffen.
103Vgl. auch PreußOVG, OVGE 71, 331, 333 f.
104Fehlt es an dem Erfordernis einer Antragstellung, kann ein fehlender Antrag keine Sperrwirkung für ein behördliches Tätigwerden entfalten.
105(3) Schließlich hat der begünstigte Genehmigungsadressat der Genehmigung konkludent zugestimmt, indem er deren Erteilung hingenommen und von dieser Gebrauch gemacht hat. In entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NRW, welcher den Grundsatz einer insofern bestehenden Dispositionsbefugnis der Beteiligten über den Gang des Verwaltungsverfahrens zum Ausdruck bringt, wäre die ggf. zunächst bestehende formelle Rechtswidrigkeit daher nachträglich entfallen.
106Vgl. Engel/Pfau, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG Kommentar, 2. Aufl. 2019, § 22 Rn. 44; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 45 Rn. 30; Rixen, in: Schoch/Schneider, VwVfG Kommentar, Stand: August 2021, § 22 Rn. 36.
107bb. Einer vor Erteilung der Genehmigung erfolgenden kirchlichen Einwilligung bedurfte es nicht. Dieses Merkmal des § 764 Tit. 11 T. II ALR war bereits während des Deutschen Reichs aufgrund widersprechender Gesetzgebung und der veränderten Stellung des Staates zur Kirche entfallen, sodass kirchlichen Organen die Beschlussfassung über nicht kirchliche Einrichtungen und darum über die Anlegung kommunaler und privater Begräbnisplätze nicht mehr zustand.
108Vgl. ausführlich PreußOVG, OVGE 20, 411, 419 f.; Brunner, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht, 1927, S. 111; OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 1967 - V A 333/67 -, = DVBl. 1968, 120, 121.
109Zwar dürfte die in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Bezug genommene speziellere Gesetzgebung ihrerseits zwischenzeitlich in Wegfall geraten sein. Unbesehen des Umstands, dass wohl nur der Rechtsstand, wie er im Zeitpunkt des Inkrafttreten des Grundgesetzes vorgefunden wurde, auch nach Art. 123 Abs. 1 GG fort galt, bestand die Unanwendbarkeit des Merkmals der Einwilligung der kirchlichen Oberen zumindest im Wege einer teleologischen Reduktion bis zur Aufhebung der Norm mit Erlass des Bestattungsgesetzes NRW im Jahr 2003 fort. Das Erfordernis der Einwilligung der geistlichen Oberen bei der Anlegung neuer Begräbnisplätze stellte in der Sache eine - nach heutiger Diktion - innerkirchliche Regelung dar. Das Allgemeine Landrecht ging vom Grundsatz aus, dass Friedhöfe grundsätzlich durch die Kirchengemeinden angelegt und unterhalten werden
110- vgl. PreußOVG, OVGE 20, 411, 413 f. -,
111sodass das Zustimmungserfordernis zunächst die innerkirchliche Entscheidungsfindung betraf. Mit dem Wegfall der landesherrlichen Kirchenhoheit kann eine solche Regelung zumindest unter dem Grundgesetz nicht fortgelten, Art. 125 Abs. 1 GG („soweit“). Nach dem kirchenpolitischen System des Grundgesetzes besteht keine Staatskirche. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV). Die hieraus resultierende Eigenständigkeit der Kirchen wird nicht durch ihren Charakter als Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV) in Frage gestellt. Dieser Status soll die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Kirche vom Staat sowie ihre originäre Kirchengewalt bekräftigen. Durch sie wird die Kirche weder in den Staat eingegliedert, noch einer besonderen staatlichen Kirchenhoheit unterworfen.
112Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. Februar 1965 - 1 BvR 732/64 -, = BVerfGE 18, 385, juris Rn. 5 f., vom 31. März 1971 - 1 BvR 744/67 -, = BVerfGE 30, 415, juris Rn. 30 und vom 09. Dezember 2008 - 2 BvR 717/08 -, juris Rn. 5; Freiherr von Campenhausen, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2009, § 157 Rn. 104.
113Gesetzliche Regelungen über die innerkirchliche Entscheidungsfindung sind demnach unzulässig.
114Das gleiche Ergebnis ergibt sich aus dem Zweck der Regelung selbst. Nach dem Gedanken des Allgemeinen Landrechts sollte die politische Gemeinde zur Anlegung und Unterhaltung von Friedhöfen nur ausnahmsweise berechtigt und verpflichtet sein. Dem Merkmal der Einwilligung der kirchlichen Oberen kommt in diesen Fällen daher keine konstitutive Funktion zu. Belange der eigentlich zur Anlegung des Friedhofs verpflichteten Kirchen sind bereits bei der Anlegung eines Friedhofs der politischen Gemeinden in die Ermessenserwägung über die Genehmigungserteilung einzustellen.
115Vgl. ausführlich PreußOVG, OVGE 20, 411, 413 und 419 f.; Brunner, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht, 1927, S. 111.
116cc. Im Zeitpunkt des Erlasses der Genehmigung vom 18. Juni 1973 lagen auch die materiellen Voraussetzungen für deren Erteilung vor (1) bzw. wirkte ein Verstoß hiergegen im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 25. Oktober 2019 nicht mehr fort (2).
117(1) Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung einer privaten Begräbnisstätte ist lediglich die ordnungsgemäße Ermessensausübung. Das Vorliegen erheblicher Ursachen ist kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal, sondern Bestandteil der der Behörde obliegenden Ermessensentscheidung. Als solches bestimmt dieses Erfordernis den Inhalt des pflichtgemäßen Ermessens und unterliegt einer gerichtlichen Überprüfung lediglich im Rahmen der für behördliche Ermessensentscheidungen geltenden Grundsätze.
118Vgl. PreußOVG, OVGE 71, 331, 333; allgem. dazu auch Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 19. Oktober 1971 - GmS-OGB 3.70 -, juris Rn. 30; BVerwG, Urteil vom 05. Juli 1985 - 8 C 22.83 -, juris Rn. 20.
119§ 764 Tit. 11 T. II ALR stellt eine Ermächtigung zu einer einheitlichen Ermessensausübung dar, welche sich an dem unbestimmten Begriff der erheblichen Ursache zu orientieren hat. Bei der Regelung handelt es sich daher nicht um eine einfache Koppelung zwischen einem unbestimmtem Rechtsbegriff und sich daran anschließender Ermessensausübung.
120Vgl. dazu allgem.: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 19. Oktober 1971 - GmS-OGB 3.70 -, juris Rn. 30; BVerwG, Urteile vom 05. Juli 1985 - 8 C 22.83 -, juris Rn. 20 und vom 13. März 1997 - 3 C 2.97 -, juris Rn. 27.
121Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Norm. Das Erfordernis der erheblichen Ursache ist der Rechtsfolgenseite zugeordnet, in der auch die Ermessensermächtigung angesiedelt ist. Für eine Entscheidung die Genehmigungserteilung ist daher nicht die logische Subsumtion, sondern das an den Umständen des Einzelfalls orientierte
122- so auch OVG NRW, Urteil vom 16. März 1972 - VIII A 951/71 -, u.v. Abdr. S. 7; s.a. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1974 - VII C 45.72 -, juris Rn. 18 -,
123voluntative Ermessenselement prägend, welches die Prüfung der erheblichen Ursachen vollständig vereinnahmt. Demensprechend führte bereits das Preußische Oberveraltungsgerichts aus, dass die Entscheidung über das Anlegen von Begräbnisplätzen durch das Merkmal der erheblichen Ursachen in das pflichtmäßige Ermessen der Polizeibehörde gestellt sei. Eine Nachprüfung der Gründe erfolge im gerichtlichen Verfahren nicht, solange sich nicht herausstelle, dass die Behörde aus anderen als objektiven Gründen zu ihrer Entscheidung gelangt sei.
124Vgl. PreußOVG, OVGE 71, 331, 333 f.; ebenso Brunner, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht, 1927, S. 112.
125Durch das gesetzliche Erfordernis, dass der Anlage erhebliche Ursachen zur Seite stünden, werde dem pflichtgemäßen Ermessen der Polizeibehörde ein weiter Spielraum belassen.
126Vgl. PreußOVG, OVGE 20, 411, 422.
127Daher verleihe § 764 Tit. 11 T. II ALR niemanden das Recht, einen Begräbnisplatz anzulegen. Die Vorschrift bestimme nicht, dass die Anlegung neuer Begräbnisplätze nur aus erheblichen Ursachen versagt werden dürfe, sondern ordne an, dass die Anlegung neuer Begräbnisplatzes nur aus erheblichen Ursachen stattfinden solle. Die Entscheidung, ob die Anlegung eines neuen Begräbnisplatzes zuzulassen sei, werde dadurch in das pflichtgemäße Ermessen der Polizeibehörde gelegt, und dieses Ermessen nur durch die Anweisung eingeschränkt, dass ohne erhebliche Ursachen eine solche Zulassung nicht erfolgen dürfe.
128Vgl. PreußOVG, OVGE 71, 331, 333.
129Wird das Vorliegen des Erfordernisses der erheblichen Ursachen daher nur auf die Objektivierbarkeit der Gründe und nicht deren Erheblichkeit hin überprüft, sodass deren Gewichtung in das Ermessen der Behörde gestellt ist, kommt diesem Erfordernis nicht lediglich ermessenseröffnende und -leitende Funktion zu, sondern ist darüber hinaus vom Ermessen nicht zu trennen.
130Demgegenüber greift die in den Urteilen vom 19. Juni 1967 - V A 333/67 = DVBl. 1968, 120, 122 - und vom 16. März 1973 - VIII A 951/71 - vertretene Ansicht des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, wonach es sich bei dem Erfordernis der erheblichen Ursachen um einen gerichtlich voll überprüfbaren Rechtsbegriff handele, zu kurz. Das Oberverwaltungsgericht geht davon aus, dass bei Vorliegen einer erheblichen Ursache ein Anspruch auf Genehmigungserteilung bestehe. Diese Annahme wird dem Wortlaut der Regelung, dem ein Entschließungsermessen („soll … nur“) zu entnehmen ist, nicht gerecht. Ein Anspruch besteht daher trotz des Vorliegens einer erheblichen Ursache erst bei einer Ermessensreduzierung auf null. Denn auch wenn eine erhebliche Ursache gegeben ist, kann es gute Gründe geben, die Erteilung der Genehmigung einer privaten Begräbnisstätte dennoch zu verweigern.
131Hiernach erweist sich die Erteilung der Genehmigung vom 18. Juni 1973 nicht als ermessensfehlerhaft. Die gerichtliche Überprüfung ist auf die Feststellung von Ermessensfehlern beschränkt, vgl. § 40 VwVfG NRW, § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Vorliegen eines solchen ist für das Gericht jedoch nicht ersichtlich. Ein der gerichtlichen Überprüfung unterliegender Ermessensfehler in Form des Ermessensausfalls bzw. des Ermessensnichtgebrauchs ist nicht ersichtlich. Ob und wie von einer Ermessensermächtigung Gebrauch gemacht wurde, ist anhand aller erkennbaren Umstände zu beurteilen.
132Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO Kommentar, 5. Aufl. 2018 § 114 Rn. 114a.
133Dies ist maßgeblich aber nicht ausschließlich anhand einer Auslegung des Bescheides zu ermitteln.
134Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 1988 - 7 B 182.87 -, juris 3. Leitsatz; Rennert, in: Eyermann, VwGO Kommentar, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 18.
135Daher kann sich auch dann, wenn die Behörde in der Begründung des jeweils streitgegenständlichen Bescheids keine Ermessenserwägungen mitgeteilt hat, aus dem Gesamtzusammenhang dennoch ergeben, dass sie eine Ermessensentscheidung getroffen und welche Ermessenserwägungen sie angestellt hat.
136Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 1988 - 7 B 182.87 -, juris 3. Leitsatz; Rennert, in: Eyermann, VwGO Kommentar, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 18.
137Das Fehlen einer Ermessensbegründung ist jedoch ein starkes Indiz für einen materiellen Ermessensausfall.
138Vgl. Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 39 Rn. 28.
139Das Preußische Oberveraltungsgericht hat es als ausreichend angesehen, wenn in der Begründung einer ablehnenden Entscheidung über die Genehmigungserteilung auf die fehlende Notwendigkeit weiterer Begräbnisplätze abgestellt wird, ohne dies jedoch zu begründen und mit konkreten Tatsachen zu unterlegen.
140Vgl. PreußOVG, OVGE 71, 331, 334.
141Dementsprechend ist nicht ersichtlich, dass die Erteilung der Genehmigung vom 18. Juni 1973 auf fehlerhaften Ermessenserwägungen oder gar einem Ermessensausfall beruht. Obwohl weder der Genehmigung vom 18. Juni 1973 selbst noch dem Verwaltungsvorgang eine Ermessensbegründung zu entnehmen ist, sind vorliegend keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich der Beklagte gezwungen sah, die Genehmigung zu erteilen. Dem Verwaltungsvorgang ist zu entnehmen, dass der Beklagte eine Vielzahl durch die beantragte private Begräbnisstätte potentiell betroffener Belange geprüft hat. Folglich war er sich dessen bewusst, dass er in seine zu treffende Entscheidung unterschiedliche bestattungsrechtliche Belange einstellen muss. Da § 764 Tit. 11 T. II ALR jedoch keine tatbestandlichen Anforderungen an die Genehmigungserteilung aufstellt, war die vom Beklagten zu treffenden Entscheidung hier ausschließlich eine solche der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens.
142Aus demselben Grund ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte seiner Entscheidung falsche Erwägungen zugrunde legte. Anderes wurde weder durch den insofern belasteten Beklagten dargelegt noch bewiesen oder ist ansonsten für das Gericht ersichtlich. Auch die Annahme des Beklagten, dass bei Erlass der Genehmigung vom 18. Juni 1973 keine erheblichen Ursachen bestanden hätten, wurde lediglich unsubstantiiert, da jeglicher Behauptung von Tatsachen entbehrend, vorgetragen. Die für die Genehmigungserteilung maßgeblichen Erwägungen sind dem erkennenden Gericht daher nach wie vor unbekannt. Eine weitere Sachverhaltsermittlung war nicht geboten, da keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass sich die für die Erteilung der Genehmigung als maßgeblich angenommenen Gründe und den zugrunde liegenden Tatsachen, deren Kenntnis in der Sphäre des Beklagten liegt, weiter aufklären ließen.
143Gleiches gilt, wenn das Erfordernis der erheblichen Ursachen - entgegen der Ansicht des erkennenden Gerichts - im Sinne eines der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegenden
144- vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2016 - 1 C 23/15 -, juris Rn. 21 m.w.N.
145atypischen Falls verstanden würde. Auch insofern wäre es Angelegenheit des Beklagten gewesen, die als maßgeblich angenommenen Gründe oder zugrunde liegenden Tatsachen für die Genehmigungserteilung zumindest im Ansatz darzulegen und ggf. zu beweisen.
146(2) Schließlich hätte ein Verstoß in Form der Genehmigungserteilung trotzt fehlender erheblicher Ursachen im Zeitpunkt des Erlasses der Aufhebungsentscheidung nicht mehr fortbestanden. Solche Ursachen sind nachträglich eingetreten. Erhebliche Ursachen in diesem Sinne können auch private Gründe sein.
147Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 1967 - V A 333/67 -, = DVBl. 1968, 120, 121.
148Infolge der aufgrund der bestandskräftigen Genehmigung vom 18. Juni 1973 erfolgten Bestattungen erwuchs zumindest für nahe Familienangehörige der dort bereits beigesetzten Personen bzw. deren Aschen eine Interessenlage, die geeignet ist, eine erhebliche Ursache zu begründen, insofern jene Personen auf eine Bestattung an diesem Ort vertraut haben.
149dd. Die Genehmigung vom 18. Juni 1973 erweist sich auch nach dem im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 25. Oktober 2019 bestehenden Sach- und Rechtsstand als rechtmäßig. Der Wegfall der ursprünglichen Rechtsgrundlage begründet nicht zugleich die Rechtswidrigkeit einer auf ihrer Grundlage erlassenen Ordnungsverfügung. Der Zustand der Rechtswidrigkeit tritt erst ein, wenn diese Ordnungsverfügung mit der neuen Gesetzeslage unvereinbar ist.
150Vgl. bzgl. Satzungen: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 1997 - 1 C 20.95 -, juris Rn. 16.
151Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Umstand, dass eine entsprechende Genehmigung heute ggf. nicht erneut erteilt würde oder erteilt werden könnte, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der bereits erteilten Genehmigung. Bei § 15 Abs. 7 BestG NRW handelt es sich um eine Anspruchsnorm und kein gesetzliches Verbot, daher würde auch ein Verstoß gegen diese Regelung nicht zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung vom 18. Juni 1973 führen.
152Dessen unbesehen trifft § 15 Abs. 7 BestG NRW aber auch keine gegenüber § 764 Tit. 11 T. II ALR abweichende Regelung. Beide Normen statuieren (auch) für die Beisetzung von Urnen Ausnahmevorschriften vom allgemeinen Friedhofszwang
153- vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1974 - VII C 45.72 -, juris Rn. 20 -
154und stellen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im Wesentlichen identische Voraussetzungen auf. Dies sind heute das Vorliegen einer begründeten Ausnahme im Einzelfall und die pflichtgemäße Ermessensentscheidung durch die zuständige Behörde. Im Jahr 1973 wurden nach Ansicht der vom erkennenden Gericht im Kern geteilten Rechtsprechung und Literatur keine anderen Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung angenommenen (s. 2. b. cc.).
155Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. März 1972 - VIII A 951/71 -, u.v. Abdr. S. 7; Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 3. Aufl. 1970, S. 39 f.; Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 4. Aufl. 1977, S. 41 f.; so bereits auch Brunner, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht, 1927, S. 111 f.
156c. Die Rücknahmeentscheidung erweist sich ferner als ermessensfehlerhaft. Die nach § 40 VwVfG NRW anzustellende Abwägung ist defizitär, wenn für die Entscheidung wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen, diese nicht ausreichend gewichtet oder in Anbetracht des Zwecks der Rechtsgrundlage offensichtlich fehlgewichtet wurden.
157Vgl. statt aller: Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG Kommentar, 2. Aufl. 2019, § 40 Rn. 205; Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG Kommentar Stand: August 2021, § 40 Rn. 107 jeweils m.w.N.
158Dem werden die im Bescheid vom 25. Oktober 2019 angeführten Ermessenserwägungen nicht gerecht. Der hinsichtlich der Aufhebung der Genehmigung vom 18. Juni 1973 mit Wirkung für die Zukunft in der Sache angeführte Grund, hierdurch die Voraussetzungen zu schaffen, zukünftig der staatlichen Verpflichtung zum Schutz der Totenwürde zu genügen, lässt eine insofern erforderliche Einbeziehung und Würdigung der objektiv zu Tage getretenen Umstände des Einzelfalls nicht erkennen. Die insofern auf Seite 5 des Bescheides getätigten Ausführungen sind sämtlich aus der Urteilsanmerkung von Gaisbauer in der Zeitschrift Städte- und Gemeinderat, Jahrgang 1973, Seite 246 f. übernommen, ohne dass sie eine Bezugnahme zum entschiedenen Sachverhalt aufweisen. Insbesondere lassen sie eine Einbeziehung der Interessen der noch lebenden Familienangehörigen, der auf dem Grundstück bereits beigesetzten Personen, ebenfalls dort bestattet zu werden, gänzlich außer Acht.
159Die weiteren Ausführungen des Beklagten, dass durch seine Maßnahme wieder legale Zustände hergestellt würden, ohne die den zukünftig zu bestattenden Personen die im Hinblick auf ihre Menschenwürde gebotene Möglichkeit genommen würde, ihre Bestattung auf einem öffentlichen Friedhof vornehmen zu lassen, helfen diesem Mangel nicht ab. Die vom Beklagten zugrunde gelegte Annahme ist sachlich unzutreffend. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, eine Person auf dem Grundstück beizusetzen. Im Gegenteil richten sich Art und Ort der Bestattung im Grundsatz nach dem Willen des Verstorbenen, § 12 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW.
160Gleiches gilt für die weiteren Ausführungen des Beklagten zur unterlassenen Aufhebung der Genehmigung mit Wirkung für die Vergangenheit. Diese betreffen weder das Entschließungsermessen noch den hier relevanten Teil des Auswahlermessens. Die Ausführungen vermögen lediglich darzulegen, warum der Beklagte keine rückwirkende Aufhebung ausgesprochen hat, bezüglich der streitgegenständlichen Aufhebungsentscheidung mit Wirkung für die Zukunft sind den Ausführungen dagegen keine Gründe zu entnehmen.
161d. Ferner war der Beklagte für den Erlass der Rücknahmeentscheidung nicht zuständig. Eine ausdrückliche Regelung der sachlichen Zuständigkeit für die Aufhebungsentscheidung ist weder in § 48 Abs. 5 VwVfG NRW - wodurch lediglich die örtliche Zuständigkeit betroffen ist
162vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 1999 - 7 C 42.98 -, juris Rn. 14; Sachs, in: Stelkens/Bonk/ders., VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 254; Schoch, in: ders./Schneider, VwVfG Kommentar, Stand: August 2021, § 48 Rn. 329; Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG Kommentar, 2. Aufl. 2019, § 48 Rn. 216 -
163noch an anderer Stelle erfolgt. Ist - wie hier - die sachliche Zuständigkeit für die Aufhebungsentscheidung auch im Fachrecht nicht geregelt, ist diejenige Behörde sachlich zuständig, die im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts sachlich zuständig wäre.
164Vgl. BVerwG, NJW 2000, 1512, 1513 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2018 - 2 A 1.18 -, juris Rn. 17 m.w.N.; Schoch, in: ders./Schneider, VwVfG Kommentar, Stand: Juli 2020, § 48 Rn. 329; Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG Kommentar, 2. Aufl. 2019, § 48 Rn. 219.
165In der Sache stellt dies eine analoge Anwendung der für den Erlass des aufzuheben beabsichtigten Verwaltungsakts geltenden Zuständigkeitsnormen dar.
166Entsprechendes gilt sowohl, wenn eine unzuständige Behörde den aufzuhebenden Verwaltungsakt erlassen hat, als auch wenn dies durch die zuständige Behörde erfolgte und die Zuständigkeit hiernach auf eine andere Behörde überging. In beiden Fällen trifft die maßgebliche Erwägung zu, dass die im Zeitpunkt der Aufhebung sachnähere Behörde zuständig sein soll.
167Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2018 - 2 A 1.18 -, juris Rn. 17 m.w.N.
168Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz des actus contrarius. Diesem Grundsatz, der ausschließlich der Bestimmung der Handlungsform (Gesetz, Satzung, Verwaltungsakt) dient, vermag eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung weder entnommen zu werden noch vermag er eine solche zu ersetzen.
169Werden die gesetzlichen Grundlagen eines Rechtsgebiets - wie vorliegend des Friedhofs- und Bestattungsrechts - durch den Gesetzgeber grundlegend neugefasst, ist zur Beantwortung der Frage, ob hierdurch ein Übergang der Zuständigkeit für die Vornahme einer hoheitlichen Handlung erfolgte oder ein vormals bestehendes Rechtsinstitut übergangs- und ersatzlos aufgehoben wurde, nicht entscheidend, ob die Gesetzesänderung unter derselben numerischen Bezeichnung des Paragraphen erfolgte oder das Rechtsinstitut terminologisch gleich bezeichnet bzw. im Gesetzestext gleich beschrieben wird, sondern ob die der nunmehr zuständigen Behörde zustehende Rechtsgrundlage im Wirkungskreis des vormaligen Rechtsinstrumentariums eine funktional äquivalente Regelung darstellt. Ist für den Zuständigkeitsübergang daher die funktionale und nicht die formale Normnachfolge maßgeblich, muss diese nicht für jede Regelung oder Norm singulär sondern kann auch kumulativ erfolgen.
170Demnach war der Beklagte für den Erlass des Bescheides vom 25. Oktober 2019 nicht zuständig. § 15 Abs. 7 BestG NRW ist für die Genehmigung zur Anlegung privater Urnenbegräbnisplätze die Nachfolgeregelung von § 764 Tit. 11 T. II ALR (aa), worüber heute nicht mehr der Beklagte entscheidet (bb).
171aa. § 15 Abs. 7 BestG NRW ist für die Anlegung privater Urnenbegräbnisplätze die Nachfolgeregelung zu § 764 Tit. 11 T. II ALR.
172Vgl. LT-Drs. 13/2728, S. 24; Menzel/Hamacher, BestG NRW Kommentar, 3. Aufl. 2016, § 14 S. 139.
173Wie vorstehend unter 2. b. dd. ausgeführt, stellen beide Normen (auch) für die Beisetzung von Urnen Ausnahmevorschriften vom Friedhofszwang dar und sehen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung in der Sache wesentlich identische Voraussetzungen vor. Einem derartigen Verständnis steht nicht entgegen, dass nach § 764 Tit. 11 T. II ALR über den Einzelfall eines konkreten Begräbnisses außerhalb eines Friedhofs hinaus auch Begräbnisstätten genehmigt werden konnten, in denen - ggf. nach allgemeinen Kriterien bestimmte - Beisetzungen fortwährend erfolgen. Dies ist auch heute im Wege einer sachbezogenen Allgemeinverfügung nach § 35 Satz 2 Alt. 2 VwVfG NRW nach wie vor möglich.
174Vgl. Satzung für den Privatfriedhof Kloster Dalheim vom 5. Februar 2015 (GV. NRW. S. 215) - Auszug aus der Präambel: „Der Bürgermeister der Stadt Lichtenau (Westfalen) hat die Durchführung von Erdbestattungen auf der ehemaligen Klosteranlage Dalheim gemäß § 14 Absatz 1 des Bestattungsgesetzes vom 17. Juni 2003 (GV. NRW. S. 313) nach Zustimmung der Fachämter des Kreises Paderborn am 10. Januar 2012 genehmigt.“
175Dem steht zunächst der Wortlaut des § 15 Abs. 7 BestG NRW nicht entgegen. Der dortigen Formulierung „in besonderen Fällen“ kann nicht entnommen werden, dass diese besonderen Fälle jeweils einer individuellen Genehmigung bräuchten und diese nicht für eine bestimmte Gruppe von Fällen in Bezug auf einen konkreten Ort vorab erteilt werden kann. Beispielsweise kann besonderen religiösen Bedürfnissen dadurch Rechnung getragen werden, dass die Beisetzung Geistlicher in einer bestimmten Kirche generell gestattet wird.
176Vgl. LT-Drs. 13/2728, S. 17; LT-Drs. 13/682, S. 40 f.; dazu allgem. BVerfG, Beschluss vom 09. Mai 2016 - 1 BvR 2202/13 -, juris; BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 - 4 C 10.09 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 43.11 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09. November 2009 - 3 S 2679/08 -, juris.
177Für diese Auslegung spricht ferner der Wille des Gesetzgebers. Demnach wurden sämtliche durch § 20 BestG NRW aufgehobene Regelungen des Allgemeinen Landrechts aber auch des Kaiserlichen Decrets über die Begräbniße vom 23. Prairial Jahr XII durch die Regelungen des neuerlassenen Bestattungsgesetzes NRW abgelöst.
178Vgl. LT-Drs. 13/2728, S. 28.
179In den Gesetzgebungsmaterialien benannte der Gesetzgeber für die entsprechende Ausnahmegenehmigung im Fall einer Erdbestattung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW die Gestattung privater Bestattungsstätten und Erbbegräbnisse als Anwendungsfälle. Hierbei handelt es sich typischer Weise um Orte, an denen über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder Angehörige eines bestimmten Personenkreises wie beispielsweise Mitglieder einer Familie beigesetzt werden. Ferner unterschied der Gesetzgeber die Bestattungsstätten und Erbbegräbnisse von den ebenfalls unter die Ausnahmereglung fallenden Ehrengräber, welche einer bestimmten Person gewidmet sind.
180Vgl. LT-Drs. 13/2728, S. 24.
181Gründe für die Annahme, dass bei Urnenbeisetzungen außerhalb eines Friedhofs etwas anderes gelten sollte, sind nicht ersichtlich.
182§ 15 Abs. 7 BestG NRW findet ebenso wie § 764 Tit. 11 T. II ALR auf Beisetzungen von Urnen außerhalb von öffentlichen Friedhöfen Anwendung. Die Regelung lässt auch die Beisetzung von Urnen außerhalb von Friedhöfen zu. Dies ergibt sich zunächst aus der Gesetzessystematik. Nach § 15 Abs. 7 BestG NRW können Ausnahmen von § 15 Abs. 5 BestG NRW zugelassen werden. Absatz 5 Satz 2 regelt, dass das dauerhaft versiegelte Behältnis mit der Totenasche auf einem Friedhof oder auf See beizusetzen ist. Daher ist jede nicht Absatz 5 Satz 2 entsprechende Aufbewahrung, Verstreuung etc. der Totenasche nach Absatz 5 genehmigungspflichtig. Eine Legalausnahme zu Absatz 5 Satz 2 stellt die Verstreuung auf Friedhöfen nach Absatz 6 dar. Für diese Auslegung spricht auch der Wille des Gesetzgebers. Dieser benannte in den Gesetzgebungsmaterialien als Anwendungsfall der Ausnahmeregelung in Absatz 7 - nach heutiger Gesetzesfassung - die „Beisetzung […] der Totenasche außerhalb eines Friedhofs“ in einem Friedwald.
183Vgl. LT-Drs. 13/2728, S. 24.
184Ferner ist § 15 Abs. 7 BestG NRW auch nicht primäre oder ausschließliche Nachfolgeregelung von § 186 des Zweyten Theils, Eilfter Titel des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten. Hiernach sollen Leichen nicht ohne Anzeige bei den geistlichen Obern anderswo als auf einem öffentlichen Friedhofe begraben werden. Diese Regelung erschöpfte sich jedoch nicht in einer Anzeigepflicht, sondern begründete einen generellen Friedhofszwang, wonach Leichen auf einem öffentlichen Kirchhof oder auf einem öffentlichen kommunalen Friedhof zu begraben waren.
185Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 21. März 1994 - 8 L 1854/92 -, juris Rn. 13 unter Bezugnahme auf Berner, Das Bestattungswesen in Preußen, 1932, S. 13 f.; Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 1. Aufl. 1953, S. 122; a.A. Brunner, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht, 1927, S. S. 98: die Norm ist bereits aufgehoben.
186Nachfolgeregelungen des § 186 ALR sind daher § 14 Abs. 1 Satz 1 und § 15 Abs. 5 Satz 2 HS 1 BestG NRW.
187Vgl. LT-Drs. 13/2728, S. 24.
188Hierfür spricht ferner auch, dass § 15 Abs. 7 BestG NRW mit der Genehmigungspflicht und dem Erfordernis einer in das Ermessen der Genehmigungsbehörde gestellten Einzelfallentscheidung offensichtlich das Regelungskonzept des § 764 Tit. 11 T. II ALR fortführt und nicht an § 186 Tit. 11 T. II ALR ALR anknüpft, der eine bloße Anzeigepflicht beinhaltet.
189bb. Heute ist nach § 15 Abs. 7 BestG NRW nicht mehr der Beklagte, sondern die Stadt W. für die Genehmigung einer in ihrem Bezirk liegenden privaten Urnenbegräbnisstätte zuständig (1). § 2 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW findet keine Anwendung (2) und auch eine analoge Heranziehung dieser Regelung (3) kommt ebenso wenig wie ein Rückgriff auf Art. 20 Abs. 3 GG in Betracht (4).
190(1) Im Zeitpunkt des Erlasses der Genehmigung vom 18. Juni 1973 war der Beklagte nach § 51 Abs 1 OBG NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Oktober 1969 (GV. NW. S. 732) für die Genehmigung einer privaten Urnenbegräbnisstätte zuständig. Diese Vorschrift besagte, dass die Kreisordnungsbehörden unter anderem für die Genehmigung der Anlage von privaten Begräbnisplätzen zuständig sind.
191Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 1979 - VIII A 1890/76 -, juris Rn. 33.
192Durch § 51 OBG NRW a.F. wurde insofern festgelegt, wer Polizeyvorgesetzter im Sinne von § 764 Tit. 11 T. II ALR ist.
193Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. März 1972 - VIII A 951/71 -, u.v. Abdr. S. 1 und vom 19. Juni 1967 - V A 333/67 -, = DVBl. 1968, 120, 121.
194Die Regelung von § 51 OBG NRW a.F. wurde später in § 48 OBG NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 1980 (GV. NW. S. 528) - zunächst in Absatz 2 und dann in Absatz 1 - übernommen und schließlich durch § 20 Abs. 2 Nr. 5 BestG NRW aufgehoben.
195Nunmehr trifft nach § 15 Abs. 7 BestG NRW die Ordnungsbehörde des Ortes, an dem die Verwahrung der Totenasche stattfinden soll, die Entscheidung über den Erlass der Ausnahmegenehmigung. Mit dem Begriff „Ordnungsbehörde“ in § 15 Abs. 7 BestG NRW ist die örtliche Ordnungsbehörde im Sinne von § 3 Abs. 1 HS 1 Alt. 1 OBG NRW gemeint. Dies ergibt sich zunächst aus der historischen Genese der Norm. Dass die örtliche Ordnungsbehörde dort nicht ausdrücklich als solche bezeichnet wird, ist einem Redaktionsversehen geschuldet. Wird in einem Absatz einer Norm des Bestattungsgesetzes NRW wiederholt auf die örtliche Ordnungsbehörde Bezug genommen, findet regelmäßig zunächst der Begriff der „örtlichen Ordnungsbehörde“ und bei der Wiederholung der Begriff der „Ordnungsbehörde“ Verwendung (§ 11 Abs. 3 Satz 2, § 17 Abs. 2 Satz 2 BestG NRW, s. aber § 13 Abs. 1 BestG NRW). Bei der Wiederholung erfolgt die Bezugnahme auf § 3 Abs. 1 HS 1 Alt. 1 OBG NRW daher offensichtlich sprachlich verkürzt. Im Regierungsentwurf war dieses Schema auch für die Formulierung des § 15 Abs. 5 BestG NRW vorgesehen.
196Vgl. LT-Drs. 13/2778, S. 10.
197Während des Gesetzgebungsverfahrens entfiel bei Neufassung des Textes des Gesetzesentwurfs zu § 15 Abs. 5 BestG NRW jedoch der Teil der Regelung, in dem das erste Mal auf die zuständige Behörde Bezug genommen wurde. Zunächst war vorstehend zu der heute in § 15 Abs. 7 BestG NRW enthaltenen Regelung vorgesehen, dass das Behältnis mit der Totenasche den Hinterbliebenen nur mit Genehmigung der „örtlichen Ordnungsbehörde“ ausgehändigt werden darf. Nachdem auf diese Regelung verzichtet wurde, verblieb die heute in § 15 Abs. 6 und 7 BestG NRW und im Entwurf zunächst in § 15 Abs. 5 BestG NRW enthaltene Regelung, in der - zunächst wiederholt, nunmehr erstmals - auf die „Ordnungsbehörde“ als Chiffre für die örtliche Ordnungsbehörde Bezug genommen wird.
198Vgl. LT-Drs. 13/3748, S. 49 f.
199Zu demselben Ergebnis gelangt eine systematische Auslegung. Als Ordnungsbehörde wird im Bestattungsgesetz NRW ausschließlich die örtliche Ordnungsbehörde bezeichnet, die Kreisordnungsbehörde wird ausschließlich in § 2 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW in Bezug genommen und dort - verkürzt - als Kreis bezeichnet. Außerdem ist im Fall einer Erdbestattung die örtliche Ordnungsbehörde nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW für die Erteilung der entsprechenden Ausnahmegenehmigung zuständig. Hiernach kann sie eine Erdbestattung außerhalb eines Friedhofs mit Zustimmung der unteren Gesundheitsbehörde in besonderen Fällen genehmigen. Gründe für ein Auseinanderfallen der Genehmigungszuständigkeiten für den Fall der Erdbestattung und den Fall der Feuerbestattung sind nicht ersichtlich.
200Schließlich spricht für eine solche Auslegung der mit dem Erlass des Bestattungsgesetzes verfolgte Sinn und Zweck der Kommunalisierung des Friedhofs- und Bestattungswesens.
201Vgl. LT-Drs. 13/2778, S. 1.
202Hiernach wäre es widersinnig, die Entscheidung über einen untergeordneten und von den der Gemeinde in besonderem Maße bekannten örtlichen Verhältnissen abhängigen Teil der Begräbnisstätten dem Kreis zu überlassen, während die Gemeinde über den weitaus größeren Teil der Begräbnisstätten, soweit es sich hierbei nämlich um öffentliche Friedhöfe oder Erdbestattungen außerhalb von diesen handelt, selbständig entscheiden kann.
203(2) Eine abweichende Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW, wonach Genehmigungsbehörde für die Errichtung der Friedhöfe der Gemeinden der Kreis (Kreisordnungsbehörde) ist. Diese Norm findet nur auf öffentliche Friedhöfe Anwendung, zu denen private Begräbnisstätten nach den insofern entsprechend geltenden Ausführungen unter 1. b. nicht gehören. Öffentliche Friedhöfe in privater Trägerschaft, hinsichtlich derer jedermann ein Anspruch auf Beisetzung zusteht, gibt es nach dem Bestattungsgesetz NRW nicht, sodass § 2 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW für diese - gesetzlich nicht vorgesehenen - Friedhöfe auch keine Genehmigungszuständigkeit statuiert. Durch Beliehene betriebene Friedhöfe nach § 1 Abs. 4 BestG NRW sind weiterhin öffentliche Friedhöfe in öffentlicher Trägerschaft.
204Gleiches ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm. Demnach ist der Kreis Genehmigungsbehörde für die Anlegung und Erweiterung der „Friedhöfe der Gemeinden“ (Kursivdruck durch das Gericht). Dies umfasst die in Trägerschaft der Gemeinden stehenden Friedhöfe und nicht sämtliche sich auf Gemeindegebiet - also in Gemeinden - befindliche Friedhöfe.
205(3) § 2 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW ist zur Bestimmung der Zuständigkeit auch nicht analog heranzuziehen. Zunächst fehlt es für eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW an einer vergleichbaren Interessenlage. Die Begründung der Zuständigkeit des Kreises würde dem mit Erlass des Bestattungsgesetzes verfolgten Sinn und Zweck einer Kommunalisierung des Friedhofs- und Bestattungswesens widersprechen.
206Vgl. LT-Drs. 13/2778, S. 1.
207Ferner gilt auch zwischen zwei analog zur Anwendung gebrachten Reglungen der Spezialitätsgrundsatz. Insofern erweisen sich die Regelungen über die sachliche Zuständigkeit für den Erlass des aufzuheben beabsichtigten Verwaltungsakts - hier: § 15 Abs. 7 BestG NRW - als sachnäher und daher gegenüber § 2 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW als spezieller.
208(4) Schließlich begründet auch Art. 20 Abs. 3 GG keine abweichende Zuständigkeit des Beklagten. Zuständigkeitsbestimmungen gehen dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG voraus. Diese sind zwingende gesetzliche Bestimmungen, zu deren Einhaltung Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet. Eine originär verfassungsrechtliche Festlegung von Zuständigkeiten ist Art. 20 Abs. 3 GG dagegen nicht zu entnehmen.
209Vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 3 Rn. 13; Henkel, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG Kommentar, 2. Aufl. 2019, § 3 Rn. 13.
210e. Eine Umdeutung des angegriffenen Bescheides vom 25. Oktober 2019 nach § 47 VwVfG NRW kommt nicht Betracht. Bei der Umdeutung (Konversion) wird die im Verwaltungsakt getroffene Regelung nicht lediglich auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt, sondern durch eine andere (rechtmäßige) Regelung ersetzt. Hierzu sind - bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 VwVfG NRW - nicht nur die Behörde sondern auch das Verwaltungsgericht ermächtigt.
211Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 -, juris Rn. 27 ff. unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteile vom 23. November 1999 - 9 C 16.99 - und vom 26. Juli 2006- 6 C 20.05 -, juris Rn. 101 m.w.N.
212Nach § 47 Abs. 1 VwVfG NRW kann ein fehlerhafter und damit rechtswidriger Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Dies gilt nach § 47 Abs. 2 VwVfG NRW nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären, als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes (Satz 1). Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte (Satz 3). Kann eine Entscheidung nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen, ist eine Umdeutung in eine Ermessensentscheidung außerdem nach § 47 Abs. 3 VwVfG NRW ausgeschlossen.
213Demnach liegen die Voraussetzungen für eine Umdeutung nicht vor. Vorliegend käme allenfalls eine Umdeutung der Rücknahmeentscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW in eine Widerrufsentscheidung nach § 49 Abs. 2 VwVfG NRW in Betracht. Unbesehen der Frage, ob dieser Fall den Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 VwVfG NRW widerspräche
214- vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/ders., VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 47 Rn. 49; Schneider in: Schoch/ders., VwVfG Kommentar, Stand: August 2021, § 47 Rn. 34 -,
215ist eine Umdeutung vorliegend bereits nach § 47 Abs. 1 VwVfG NRW unzulässig. Der Beklagte ist nämlich auch für den Erlass eines Widerrufs nach § 49 Abs. 2 und Abs. 5 VwVfG NRW nicht zuständig, sodass dieser gleichfalls rechtswidrig wäre. Auf die insofern entsprechend geltenden Ausführungen unter 2. d. wird verwiesen.
216Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
217Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die das Urteil selbständig tragenden Erwägungen zur nicht gegebenen Zuständigkeit des Beklagten für den Erlass der Aufhebungsentscheidung fußen auf ständiger oberster und obergerichtlicher Rechtsprechung. Dem Rechtsstreit kommt daher keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zu.