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1. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21.11.2018 wird angeordnet.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der sinngemäße Antrag vom 20.12.2018,
3die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin im Verfahren 6 K 4777/18 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21.11.2018 anzuordnen,
4ist zulässig und begründet.
5Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 VwGO ist zulässig. Nach dieser Norm kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Die Anfechtungsklage zum Az. 6 K 4777/18, die die Antragstellerin gegen die streitige Ordnungsverfügung am 20.12.2018 fristgerecht (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) erhoben hat - ein Vorverfahren war gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 JustG NRW nicht erforderlich -, hat entgegen § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage u.a. in für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Letzteres trifft sowohl für die auf § 15 Abs. 2 Satz 1 des Wohn- und Teilhabegesetzes - WTG - in der aktuellen, seit dem 16.10.2014 geltenden Fassung (Art. 2 des Gesetzes vom 2.10.2014, GV NRW S. 619) gestützten streitigen Anordnungen zu 1. bis 9. (vgl. § 15 Abs. 8 WTG) als auch auf die weiter streitige, als Anordnung zu 10. verfügte Zwangsgeldandrohung zu (vgl. § 112 Satz 1 JustG NRW).
6Der Antrag ist auch begründet. Das öffentliche Interesse an der Beibehaltung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ordnungsverfügung vom 21.11.2018 hat hinter dem entgegenstehenden Aufschubinteresse der Antragstellerin zurückzutreten, weil der streitige Bescheid offensichtlich rechtswidrig ist.
7Dabei lässt die Kammer es dahinstehen, ob der Bescheid in Gestalt der auf § 47 VwVfG NRW gestützten „Umdeutung“ - deren Wirksamkeit unterstellt - durch das Schreiben des Antragsgegners vom 6.3.2019 formell rechtmäßig ist, insbesondere welche rechtlichen Folgen es hat, dass der Antragsgegner die Antragstellerin vor der „Umdeutung“ entgegen § 47 Abs. 4 i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW nicht angehört hat.
8Der Bescheid vom 21.11.2018 ist jedenfalls materiell-rechtlich offensichtlich rechtswidrig.
9Das gilt zunächst für die Anordnung zu 1., umgehend ein Anderkonto oder, sofern die nachträgliche „Umdeutung“ dieses Begriffs durch den Antragsgegner wirksam sein sollte, ein sonstiges gesondertes Fremdgeldkonto einzurichten, die Verwahrgelder der Bewohner der Einrichtung unverzüglich auf jenes Konto einzuzahlen, unbare Einzahlungen für das Barbetragskonto eines Bewohners ab sofort dorthin zu überweisen und von jenem Konto ab sofort auch Überweisungen für die Bewohner zu tätigen. Diese Anordnung findet offensichtlich weder in § 15 Abs. 2 Satz 1 WTG, auf den der Antragsgegner sich stützt, noch in einer anderen Vorschrift eine Ermächtigungsgrundlage.
10Nach der vorgenannten Norm kann die zuständige Behörde - hier der Antragsgegner (§ 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WTG) - dann, wenn festgestellte oder drohende Mängel nicht abgestellt werden, gegenüber den Anbieterinnen und Anbietern von Wohn- oder Betreuungsleistungen (§ 3 Abs. 2 WTG) Anordnungen erlassen, die zur Beseitigung einer eingetretenen oder Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung des Wohls der Nutzerinnen und Nutzer der angebotenen Leistungen (§ 3 Abs. 3 WTG) und zur Durchsetzung der den Leistungsanbieterinnen und Leistungsanbietern obliegenden Pflichten erforderlich sind.
11Entgegen der Meinung des Antragsgegners stellt die bisherige Art und Weise der Barbetragsverwaltung in der Einrichtung der Antragstellerin, einer Wohn- und Betreuungseinrichtung mit einem umfassenden Leistungsangebot (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, § 18 WTG), keinen Mangel dar, durch den das Wohl der Nutzerinnen und Nutzer der Wohn- und Betreuungsleistungen der Antragstellerin, also der Bewohner ihrer Einrichtung, beeinträchtigt oder von Beeinträchtigung zumindest bedroht wäre.
12Allerdings gehört die Verwaltung der Barbeträge der Bewohner zu den Aufgaben der Einrichtung der Antragstellerin.
13Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WTG müssen die Leistungsanbieterinnen und Leistungsanbieter die soziale Betreuung der Bewohner ihrer Einrichtungen sicherstellen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG gehört zu Betreuung und Betreuungsleistungen im Sinne dieses Gesetzes auch die soziale Betreuung. Soziale Betreuung umfasst nach Satz 2 a.a.O. Tätigkeiten, die Menschen in einer selbstbestimmten Lebensführung und insbesondere der Erfüllung ihrer sozialen und kognitiven Bedürfnisse unterstützen sowie der Förderung einer unabhängigen Lebensführung und der vollen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dienen. Nicht umfasst sind gemäß Satz 4 a.a.O. allgemeine unterstützende Tätigkeiten, die nicht vorwiegend auf Grund eines durch hohes Alter, Pflegebedürftigkeit oder eine Behinderung begründeten Unterstützungsbedarfs erbracht werden.
14Nach § 2 Abs. 3 des Rahmenvertrags über die pflegerische Versorgung Pflegeversicherter gemäß § 75 SGB XI, der nach § 75 Abs. 1 Satz 4 SGB XI für die zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Inland unmittelbar verbindlich ist - also auch für die Einrichtung der Antragstellerin (vgl. dementsprechend den Vorspann vor Nr. 1 ihres aktuellen Heimvertragsmusters) -, soll die Pflegeeinrichtung durch Leistungen der sozialen Betreuung für die Pflegebedürftigen einen Lebensraum gestalten, der ihnen die Führung eines selbstständigen und selbstbestimmten Lebens ermöglicht sowie zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft innerhalb und außerhalb der Einrichtung beiträgt. Hilfebedarf bei der persönlichen Lebensführung und bei der Gestaltung des Alltags nach eigenen Vorstellungen soll durch Leistungen der sozialen Betreuung ausgeglichen werden, soweit dies nicht durch das soziale Umfeld (z.B. Angehörige) geschieht. In diesem Sinne dienen die Leistungen im Rahmen der sozialen Betreuung u.a. der Unterstützung bei der Erledigung persönlicher Angelegenheiten.
15Entsprechend diesen Vorgaben ist die Verwaltung der Barbeträge eines jeden Bewohners einer Wohn- und Betreuungseinrichtung eine der sozialen Betreuung (vgl. Nr. 1.1.3 des Heimvertragsmusters der Antragstellerin) i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG zuzuordnende Unterstützungsleistung, weil sie mit derjenigen typischerweise vergleichbar ist, die einem hilfe- bzw. unterstützungsbedürftigen Bewohner außerhalb einer Einrichtung bei der Verwaltung seines „Taschengeldes“ von Familienangehörigen oder sonst nahe stehenden Personen zuteil werden würde. Ebenso wie diese Personen einem außerhalb eines Heimes lebenden Hilfebedürftigen bei seiner persönlichen Lebensführung helfen und sich nicht auf die Gewährleistung von Grundpflege, Unterkunft und Verpflegung beschränken können, muss auch eine Betreuungseinrichtung, in der der Bewohner seinen neuen Lebensmittelpunkt findet, diese soziale Betreuungsarbeit leisten. Sie bezieht sich insbesondere auch auf Hilfen zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten wie etwa die Verwaltung eines zur persönlichen Verfügung gewährten Barbetrags.
16Vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 13.12.2005 - 4 B 886/04 -, PflR 2006, 337 = juris (Rdnr. 32 f.), m.w.N.; LG Magdeburg, Urteil vom 20.9.2011 - 2 S 136/09 -, NZS 2012, 300 = juris, im Anschluss an das vom Antragsgegner in Bezug genommene Urteil des BGH vom 2.12.2010 - III ZR 19/10 -, NDV-RD 2011, 27 = juris.
17Ein etwa bestellter Betreuer - auch mit dem Aufgabenbereich der Vermögensbetreuung - ist demgegenüber nicht zur tatsächlichen Verwaltung dieser Barbeträge verpflichtet: Eine Betreuung zur Vermögenssorge
18zu deren Inhalten vgl. Götz, in: Palandt, BGB-Komm., 78. Aufl. 2019, § 1896 Rdnr. 22
19verpflichtet den Betreuer nicht, an Stelle des Heimträgers Barbeträge zu verwalten, die dem Betreuten zur persönlichen Verfügung bewilligt worden sind.
20Vgl. BGH, Urteil vom 2.12.2010 - III ZR 19/10 -, a.a.O. (juris Rdnrn. 18 f.); Götz, a.a.O.
21Die derzeitige Art und Weise der Barbetragsverwaltung in der Einrichtung der Antragstellerin stellt keinen Mangel dar, durch den das Wohl der Bewohner beeinträchtigt oder von Beeinträchtigung bedroht wäre. Das gilt insbesondere für das Nichtvorhandensein eines Anderkontos oder sonstigen gesonderten Fremdgeldkontos, auf dem nach Meinung des Antragsgegners diejenigen Beträge gesondert zu buchen sein sollen, die den Bewohnern der Einrichtung als Barbeträge zugedacht werden. Mit solchen Beträgen meint der Antragsgegner, wie sich u.a. aus seinem „Umdeutungs“-Schreiben vom 6.3.2019 ergibt, Geldbeträge, die die Bewohner der Einrichtung vornehmlich, aber nicht zwingend oder ausschließlich von einem Sozialleistungsträger zur freien Verfügung erhalten (z.B. nach § 27b Abs. 2 SGB XII: Barbetrag zur persönlichen Verfügung - als Synonym für „Taschengeld“ -)
22vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.4.2012 - L 2 SO 5276/10 -, SozR aktuell 2012, 260 = juris; entsprechend zu § 39 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII: Tammen, in: FK-SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 39 Rdnr. 12; Kunkel/Pattar, in: LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 39 Rdnr. 13
23- diese Barbeträge können der Einrichtung auch durch einen sonstigen Dritten oder gar den Bewohner selbst zugeleitet werden - und die die Einrichtung für sie verwahrt. Solche Barbeträge sollen es dem Bewohner einer Einrichtung ermöglichen, im üblichen „Taschengeld“-Rahmen persönliche Bedürfnisse - etwa Ausgaben für eine Geburtstagsfeier, alltägliche Konsumgüter, Kleidung oder Körperpflege -, die nicht von der Einrichtung oder durch anderweitige Leistungen Dritter gedeckt werden, befriedigen zu können.
24Vgl. Grube, in: Grube-Wahrendorf, SGB XII, Komm., 4. Aufl. 2012, § 27b Rdnrn. 10 und 14.
25Die Pflicht eines Einrichtungsträgers zur Barbetrags- bzw. „Taschengeld“-Verwaltung bis in Höhe normaler „Taschengeldbeträge“ - deren Summe daher jedenfalls unterhalb eines vierstelligen Euro-Betrags pro Bewohner bleiben muss (höhere Beträge müssen die Bewohner der Einrichtung anderweitig verwahren lassen) - beschränkt sich auf Verwaltungsmaßnahmen, die üblicherweise im Zusammenhang mit solchen „kleineren“ Beträgen anfallen, also die Entgegennahme von baren und unbaren Einzahlungen zu diesem Zweck, die sichere Verwahrung des eingezahlten Geldes, jederzeit mögliche Auszahlungen an jeden Bewohner aus seinem Barbetragsguthaben und die Führung individueller Kontolisten (Kontosalden), die jedem Bewohner den Überblick über seinen ihm aktuell zur Verfügung stehenden verwalteten Barbetrag ermöglichen (zu letzterem vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 a.E. WTG, § 24 Nr. 7 WTG DVO). Darüber hinausgehende speziellere Geldgeschäfte, die üblicherweise von Geldinstituten (Banken, Sparkassen) erledigt werden, gehören hingegen nicht zu der einer Betreuungseinrichtung obliegenden Barbetragsverwaltung und sind nicht Teil der von der Einrichtung zu leistenden sozialen Betreuung, weil derartige Geldgeschäfte nicht notwendig sind, um die Bewohner einer Betreuungseinrichtung bei der Erfüllung ihrer sozialen und kognitiven Bedürfnisse zu unterstützen, ihre unabhängige Lebensführung zu fördern und sie weiterhin am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu lassen. Deshalb umfasst die soziale Betreuung in Gestalt der Barbetragsverwaltung nicht die Verwahrung und Verwaltung hoher Geldbeträge im vierstelligen oder gar noch höheren Euro-Bereich - insoweit würde es sich um Vermögensverwaltung handeln - und entgegen der Auffassung des Antragsgegners insbesondere auch nicht die Erledigung etwaiger Überweisungsaufträge von Bewohnern. Eine Betreuungseinrichtung ist kein Geldinstitut. Bewohner einer Einrichtung, die derartige Geldgeschäfte vornehmen lassen möchten, müssen sich, ggf. mit Hilfe von Betreuern oder sonstigen rechtlichen Vertretern, insoweit an die üblichen Geldinstitute wenden.
26Wenn sich eine Betreuungseinrichtung im Einzelfall bereit erklärt, eine Geldüberweisung vom Barbetragsguthaben eines Bewohners vorzunehmen - wie es die Antragstellerin vorliegend getan hat -, ist dies ein bloßes Entgegenkommen der Einrichtung ohne entsprechende Verpflichtung. Es handelt sich dabei um eine allgemeine unterstützende Tätigkeit, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 WTG nicht zur sozialen Betreuung gehört. Allerdings wäre die Antragstellerin bei fortgesetzter Bereiterklärung zur Erledigung eines Überweisungsauftrags gehalten, den anfragenden Bewohner vorab deutlich auf die ungewöhnlich lange Bearbeitungszeit (bis zu drei Monate) in ihrer Einrichtung bis zur tatsächlichen Auftragserledigung hinzuweisen, sodass der Bewohner sich hierauf einstellen und ggf. von seinem Wunsch nach Erledigung eines solchen Auftrags Abstand nehmen kann.
27Für die bloße Barbetragsverwaltung im oben genannten Sinne kann der Antragsgegner nicht die Einrichtung eines gesonderten Verwahrgeldkontos verlangen. Zwar mag es sinnvoll sein, wenn die Betreuungseinrichtung dafür ein solches Konto als Fremdgeldkonto einrichtet und unterhält. Die bisherige Art und Weise der Barbetragsverwaltung durch die Antragstellerin, insbesondere die Verwahrung der von ihr verwalteten Barbeträge der Bewohner in einem Tresor außerhalb der Einrichtung, stellt aber keinen Mangel i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 WTG dar. Denn die von der Antragstellerin praktizierte Vorgehensweise ist für die Bewohner ihrer Einrichtung mit keinen erkennbaren, das Wohl der Bewohner beeinträchtigenden objektiven Nachteilen im Vergleich zu einer gesonderten Kontoeinrichtung verbunden.
28Die Anordnung der Einrichtung eines Fremdgeldkontos kann der Antragsgegner auch deshalb nicht auf § 15 Abs. 2 Satz 1 WTG stützen, weil die Einrichtung und Führung eines solchen Kontos für die oben beschriebene Barbetragsverwaltung nicht erforderlich ist. Die Antragstellerin hat für die Bewohner ihrer Einrichtung schon jetzt eine regelmäßige wöchentliche und darüber hinaus auf Wunsch jederzeitige Ein- und Auszahlungsmöglichkeit sichergestellt, das von ihr verwahrte Bargeld ist nach ihrem unbestrittenen, glaubhaften Vorbringen im Erörterungstermin - zumal schon in ihrem eigenen Interesse liegend - voll versichert, und für eine drohende Insolvenz der Antragstellerin, gegen die die vom Antragsgegner geforderte Einrichtung eines gesonderten Fremdgeldkontos eine Absicherung darstellen soll, fehlt es an jedem Anhaltspunkt. Abgesehen davon ist ein abgesonderter Bargeldbetrag von Fremdgeldern in einem Tresor nicht weniger insolvenzsicher deponiert als auf einem Fremdgeldkonto.
29Unter diesen Umständen kann es dahinstehen, ob der Antragsgegner seine ursprüngliche Anordnung zur Einrichtung eines Anderkontos
30zu diesem Begriff vgl. Hadding-Häuser, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 37 Rdnr. 9, und Neth-Unger, in: Münchner Anwaltshandbuch Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2018, § 3 Rdnrn. 98 ff., jew. m.w.N.
31wirksam und rechtmäßig in eine Anordnung zur Errichtung eines sonstigen Fremdgeldverwahrkontos „umgedeutet“ hat. Denn in beiden Fällen fehlt es dem Antragsgegner aus den oben dargelegten Gründen an einer durchgreifenden Ermächtigungsgrundlage für seine Anordnung zu 1.
32Die weiteren Anordnungen zu 2. bis 9., die ihre Ermächtigungsgrundlage wiederum in § 15 Abs. 2 Satz 1 WTG finden sollen, sind großenteils schon wegen der Rechtswidrigkeit der Anordnung zu 1. ihrerseits offensichtlich rechtswidrig, denn sie beziehen sich großenteils auf jene rechtswidrige Ausgangsanordnung oder sollen Folgen jener Anordnung regeln. Das gilt für die Anordnungen zu 2.b, zu 2.d bezüglich der Wörter „von Überweisungsaufträgen der Bewohner*innen und“, zu 3., zu 4., zu 5., zu 6. Satz 3, zu 8. bezüglich der Wörter „des Anderkontos und“ sowie zu 9. Im Übrigen gilt Folgendes:
33- Die Anordnung zu 2.a ist nicht erforderlich i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 WTG und damit offensichtlich rechtswidrig, weil die Antragstellerin tatsächlich nie Kosten für die Barbetragsverwaltung geltend gemacht hat. Nachgewiesenermaßen haben vielmehr schon in den Jahren 2014 und 2015 zwei Bewohnerinnen der Einrichtung das „kostenlose Angebot“ zur Barbetragsverwaltung schriftlich angenommen.
34- Dasselbe gilt für die Anordnungen zu 2.c und 2.d, weil die Antragstellerin ausweislich des Verwaltungsvorgangs bereits eine entsprechende schriftliche „Info zur Barbetragsverwaltung“ für die Bewohner ihrer Einrichtung erstellt hatte.
35- Die Anordnungen zu 2.e und 2.f sind ebenfalls nicht erforderlich, weil kein Anhaltspunkt dafür zu finden ist, dass die Antragstellerin jemals eine Kontostandsmitteilung oder einen Kontoauszug verweigert hätte.
36- Die Anordnung zu 6. Satz 1 Halbs. 1 ist nicht erforderlich, weil die Ein- und Auszahlung der Barbeträge zur persönlichen Verfügung auch bei der jetzigen Unterbringung des Tresors außerhalb der Einrichtung jederzeit kurzfristig gesichert ist. Für die Anordnung zu 6. Satz 1 Halbs. 2 besteht abermals keine Notwendigkeit, denn die Antragstellerin verweigert sich, wie sie im Erörterungstermin vor der Kammer nochmals betont hat, überhaupt nicht dem berechtigten Anliegen des Antragsgegners zur Vornahme einer Prüfung des Barbetragsbestandes in ihrem Tresor („Kassensturz“). Die Definition eines Höchstbetrags in der Barkasse (Tresor) gemäß der Anordnung zu 6. Satz 2 ist nicht erforderlich, weil die Summe der für alle Bewohner der Einrichtung verwahrten Barbeträge im Tresor zumal bei Einhaltung des „Taschengeld“-Niveaus, also bei Beträgen unterhalb vierstelliger Euro-Bereiche pro Bewohner, überschaubar bleibt und nach den glaubhaften Angaben der Antragstellerin im Erörterungstermin obendrein in voller Höhe versichert ist.
37- Die Anordnung zu 7. Satz 1 könnte zwar im Grundsatz aus § 10 Abs. 2 Satz 1 WTG zu rechtfertigen sein, jedoch erscheint auch sie nicht erforderlich i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 WTG. Denn der Antragsgegner hat nach seinen unwidersprochen gebliebenen Ausführungen im Erörterungstermin dem Antragsgegner auf dessen Verlangen hin umgehend die entsprechenden umfangreichen Belege in der Einrichtung zur Verfügung gestellt, woraufhin der Antragsgegner allerdings nur Einblick in eine einzige Unterlage genommen haben soll. Für die Anordnung zu 7. Satz 2 hat das Verhalten der Antragstellerin überhaupt keinen Anlass gegeben; auch diese Anordnung ist deshalb nicht erforderlich und damit offensichtlich rechtswidrig.
38- Die Anordnung zu 8. ist, soweit wegen der Bezugnahme auf ein Anderkonto nicht ohnehin offensichtlich rechtswidrig (vgl. dazu oben), auf Grund der vorhandenen, im Erörterungstermin ebenfalls bekräftigten Bereitschaft der Antragstellerin zur Vornahme eines Kassensturzes nicht erforderlich.
39Die Zwangsgeldandrohung (Anordnung zu 10.) ist bereits deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil sie sich auf die rechtswidrigen Anordnungen zu 8. und 9. bezieht. Abgesehen davon ist sie entgegen § 37 Abs. 1 VwVfG NRW inhaltlich nicht hinreichend bestimmt und damit auch formell rechtswidrig, weil sie nicht deutlich erkennen lässt, ob die Androhung (1.) allein für den Fall einer (gemeinsamen) Zuwiderhandlung sowohl gegen die Anordnung zu 8. als auch gegen die Anordnung zu 9. oder (2.) auch im Falle eines Verstoßes gegen lediglich eine dieser beiden Anordnungen bzw. (3.) nur im letztgenannten Fall gelten soll. Sollte der Antragsgegner die zweitgenannte Variante gemeint haben, wäre zudem die Androhung eines einheitlich hohen Zwangsgeldes von 1.000 € sowohl für einen Verstoß gegen nur eine Anordnung als auch gegen gleich zwei Anordnungen im Hinblick auf die notwendig einzuhaltende Verhältnismäßigkeit von Zwangsmitteln (§ 58 VwVG NRW) rechtlich bedenklich.
40Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Für die Streitwertfestsetzung legt die Kammer bezüglich der Anordnungen zu 1. bis 9. angesichts der Vorläufigkeit dieses Verfahrens gemäß Nr. 1.5 Satz 1 Halbs. 1 des „Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit“ vom 18.7.2013 (NVwZ-Beil. 2013, 57) die Hälfte des Auffangwertes von 5.000 € (§ 52 Abs. 2 GKG), den sie im Klageverfahren festsetzen würde, zu Grunde.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11.3.2011 - 12 B 1808/10 -, www.nrwe.de = juris.
42Das zusätzlich angedrohte Zwangsgeld von 1.000 € bleibt daneben unberücksichtigt (vgl. Nr. 1.7.2 des „Streitwertkatalogs“).