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Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 1. September 2014 und des Widerspruchbescheides vom 27. Oktober 2014 verpflichtet, dem Kläger die Höhe des durch Vertrag vom 15. März 2013 mit der beigeladenen B. Q. GmbH vereinbarten Rabatts für das Arzneimittel Q1. 1 mg Kapseln 100 Stück (PZN ) – Wirkstoff Tacrolimus – mitzuteilen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Beklagte und die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Apotheker und betreibt die M. -Apotheke in C. . Er nimmt die Beklagte, eine der Aufsicht des Bundes unterstehende gesetzliche Krankenkasse, auf Erteilung einer Auskunft in Anspruch.
3Die Beklagte ist Gesellschafterin der H. T. AG, die für ihre Gesellschafter Dienstleistungen im Einkaufs-, Versorgungs-, Finanz- und Informationsmanagement erbringt. Anfang 2013 schrieb die H. T. AG für mehrere gesetzliche Krankenkassen, darunter die Beklagte, Rabattvereinbarungen nach § 130a Abs. 8 SGB V für den Wirkstoff „Tacrolimus“ im sogenannten „Open-House-Verfahren“ aus. Sie informierte zu diesem Zweck alle Marktteilnehmer schriftlich über ihr Vorhaben, Rabattverträge zu Tacrolimus abzuschließen. Angestrebt war der Abschluss von Rabattverträgen mit einer nicht begrenzten Anzahl an interessierten pharmazeutischen Unternehmen. Neben der Beigeladenen, der in Deutschland ansässigen Herstellerin des Arzneimittels „Q1. “ (Wirkstoff Tacrolimus), unterbreiteten auch zwei weitere Pharmaunternehmen Angebote zum Abschluss der ausgeschriebenen Rabattverträge. Die Beklagte schloss daraufhin Rabattverträge mit allen drei Anbietern und machte den Vertragsschluss am 19. März 2013 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union ( ) bekannt. Die Vertragslaufzeit betrug zwei Jahre und endete zum 30. April 2015. Während dieser Zeit war jederzeit ein Beitritt anderer Marktteilnehmer möglich.
4Der Vertragsschluss mit der Beigeladenen erfolgte durch den Abschluss einer Ergänzungsvereinbarung vom 15. März 2013 zu einem bereits bestehenden Rabattvertrag aus dem Jahr 2009, der durch die neuen, an die Beklagte zu zahlenden Rabatte ergänzt wurde. Der Vertrag enthält in § 4 Abs. 1 eine Geheimhaltungsklausel, wonach der Inhalt des Rabattvertrages, insbesondere die Höhe der vereinbarten Rabatte und ihre Berechnung, der Geheimhaltung unterliegen.
5Mit Schreiben vom 5. August 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten Auskunft über die Höhe des rabattierten Preises für die Arzneimittel „Q1. 1mg Kapseln 100 St“ der Beigeladenen sowie „D. 500mg Filmtabletten 150 St“ der Firma S. . Zur Begründung führte er aus, er sei auf die Kenntnis der von der Beklagten tatsächlich gezahlten Preise angewiesen, um bei der Abgabe von Arzneimitteln wirtschaftlich im Sinne des § 12 SGB V handeln zu können.
6Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. September 2014 ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Kenntnis der einzelnen Rabattsätze sei für den Apotheker unerheblich. Nach § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V habe der Apotheker die Ersetzung vorzunehmen, sobald ein Rabattvertrag der Krankenkasse bestehe. Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Rabattverträge obliege allein der Krankenkasse und solle nicht durch den Apotheker erfolgen. Auch ein Retaxierungsrisiko bestehe für den Apotheker in diesem Fall nicht. Dem Auskunftsanspruch stehe zudem entgegen, dass ein Bekanntwerden der Rabattsätze die wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherungen beeinträchtigen könne, weil andere Pharmaunternehmen aus den Rabatten Rückschlüsse für zukünftige Rabattvertragsvereinbarungen ziehen könnten. Auf diese Weise könne die wirtschaftliche Entwicklung im Bereich der Generika-Rabattverträge nachhaltig beeinträchtigt werden. Durch eine Übermittlung der Rabatthöhe werde zudem ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis offenbart, wodurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen könne. Die Rabattsätze erlaubten Rückschlüsse auf die Kalkulation der Pharmaunternehmen.
7Den hiergegen unter dem 29. September 2014 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2014 zurück. Die angeforderten Informationen könnten nicht bekannt gegeben werden, da es sich dabei um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der beteiligten Pharmaunternehmen und Krankenkassen handele. § 6 Satz 2 IFG stehe deshalb der Auskunftserteilung entgegen. Die gewährten Rabatte seien von den Pharmaunternehmen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen preisbildenden Faktoren ordnungsgemäß kalkuliert worden. Sie ermöglichten daher Rückschlüsse auf die Preiskalkulation. Die Rabattsätze seien auch nicht offenkundig, da allein die Vertragspartner über diese Informationen verfügten. Die Unternehmen hätten auch ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse. Durch die Bekanntgabe der Rabatte erhielten andere Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, da diese die sorgfältig kalkulierten Angebote der zuvor bezuschlagten Pharmaunternehmen knapp unterbieten könnten, um so zukünftig die Zuschläge auf ihre Angebote zu erhalten. Dies führe zu einer Wettbewerbsverzerrung und unterlaufe den Zweck, der mit dem Geheimhaltungswettbewerb erreicht werden solle. Durch die Bekanntgabe der Preise erhielten andere Unternehmen zudem die Möglichkeit, aufgrund ihrer allgemeinen Marktkenntnis einzelne Kalkulationsparameter konkurrierender Bieter abzuschätzen. Hierdurch könnten sich diese einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, der dazu führe, dass anderen Marktteilnehmern ein wirtschaftlicher Schaden drohe. Sie sei hinsichtlich der Rabatthöhe nach den geschlossenen Rabattverträgen auch zur Vertraulichkeit verpflichtet. Darüber hinaus liege der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 6 IFG vor, weil es sich bei den Rabattkonditionen um Informationen handele, die geeignet seien, wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen – hier der Krankenkassen – zu beeinträchtigen. Es könne bei einer Bekanntgabe der Rabatte nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Angebote im Rahmen zukünftiger Ausschreibungen unabhängig von den bisherigen Rabattsätzen kalkuliert würden. Die in der Vergangenheit wesentlichen Faktoren, wie Produktionskosten, Vertriebskosten und Gewinnmarge, drohten durch die Erkenntnis, welcher Preis knapp unterboten werden müsse, verdrängt zu werden. Zudem könne die Bekanntgabe der Rabatte dazu führen, dass sich Pharmaunternehmen zukünftig nicht mehr an Ausschreibungen beteiligten, um ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu schützen. Sofern zukünftig keine oder nur noch wenige Angebote eingingen, sei mit steigenden Preisen für die Arzneimittel zu rechnen. Auch § 3 Nr. 7 IFG stehe der Auskunftserteilung entgegen. Die Pharmaunternehmen hätten ihre Angebote in der Annahme der vertraulichen Behandlung übermittelt. Das Interesse an einer vertraulichen Behandlung dieser Angaben bestehe schon mit Blick auf die künftige Neuvergabe von Arzneimittelrabattverträgen fort.
8Am 24. November 2014 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er (nunmehr nur noch) sein Begehren der Auskunftserteilung über die Höhe des durch die Beklagte und die Beigeladene vereinbarten Rabatts für das Arzneimittel Q1. weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er vor, die Beklagte sei gemäß § 1 Abs. 1 IFG verpflichtet, die begehrten Informationen mitzuteilen. Wettbewerbliche Interessen seien nicht Anlass der vorliegenden Klage. Vielmehr sei er durch die Beklagte mit Blick auf die Abgabe von drei Packungen des hier streitgegenständlichen Arzneimittels retaxiert worden, weil er anstelle dieses Medikaments ein importiertes Arzneimittel abgegeben habe. Hierdurch sei ihm ein Schaden i.H.v. 1.329,90 Euro entstanden. Die von der Beklagten angeführten Ausschlussgründe lägen sämtlich nicht vor. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 6 IFG sei vorliegend nicht gegeben, da das Bekanntwerden der gezahlten Rabatte nicht geeignet sei, wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen. Die Beklagte habe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer solchen Beeinträchtigung nicht dargelegt. Sie habe lediglich die Vermutung geäußert, dass im Rahmen zukünftiger Ausschreibungen die Rabatthöhe nur von der Erkenntnis abhängig gemacht werde, welcher Preis knapp unterboten werden müsse. Diese Betrachtung berücksichtige aber nicht, dass bei zukünftigen Ausschreibungen in der Regel mehrere Pharmaunternehmen eines Medikaments um den Vertragsabschluss konkurrierten. Selbst wenn das Bekanntwerden des zuletzt vereinbarten Rabatts das zukünftige Bieterverhalten beeinflussen würde, ergäbe sich hieraus nicht zwangsläufig ein wirtschaftlicher Nachteil. Der streitgegenständliche Rabattvertrag sei entgegen § 97 GWB nicht im Wege eines transparenten Vergabeverfahrens abgeschlossen worden, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Beigeladene das denkbar wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Es sei zudem gerade im wirtschaftlichen Interesse einer ausschreibenden Krankenkasse, potentiellen Anbietern einen Hinweis auf die zuletzt vereinbarte Rabatthöhe zu geben, da die Offenlegung der vereinbarten Rabatte den Wettbewerb fördere. Der Informationsanspruch sei auch nicht nach § 6 Satz 2 IFG ausgeschlossen. Die Beklagte habe nicht hinreichend konkret dargelegt, inwiefern die konkrete Wettbewerbsposition der Beigeladenen durch das Bekanntwerden der Rabatthöhe nachteilig beeinflusst werde. Sie berufe sich lediglich auf vertraglich vereinbarte Geheimhaltungsverpflichtungen sowie nicht weiter belegte und pauschal gehaltene volkswirtschaftliche Vermutungen und rechtspolitische Ansichten. Die Arzneimittelpreise seien grundsätzlich auf allen Handelsstufen transparent. Herstellerabgabepreise würden in Datenbanken veröffentlicht und auch die Zuschläge der Großhändler und Apotheken seien bekannt. Die vereinbarten Rabattpreise seien immer nur das Ergebnis einer Kalkulation und nicht deren Grundlage. Um den Zugang zu Daten der Kalkulationsgrundlage gehe es ihm aber nicht. Auch vergaberechtliche Vorschriften sowie § 1 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 AEUV stünden dem Auskunftsanspruch nicht entgegen.
9Mit Email vom 23. Dezember 2014 hat die Beklagte die Beigeladene um Mitteilung gebeten, ob diese der Weitergabe der Rabatthöhe an den Kläger zustimme. Dies hat die Beigeladene mit Schreiben vom 30. Dezember 2014 abgelehnt.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom
121. September 2014 und des Widerspruchbescheides vom 27. Oktober 2014 die Höhe des durch Vertrag vom 15. März 2013 mit der beigeladenen B. Q. GmbH vereinbarten Rabatts für das Arzneimittel Q1. 1 mg Kapseln 100 Stück (PZN ) – Wirkstoff Tacrolimus – mitzuteilen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Vorverfahren und trägt ergänzend vor, das Open-House-Verfahren sei gewählt worden, weil der Wirkstoff Tacrolimus seit Dezember 2014 auf der Substitutionsausschlussliste stehe, sodass damit zu rechnen gewesen sei, dass ein Exklusivvertrag mit einem Generikahersteller zu niedrigen Umsatzquoten geführt hätte und deshalb unwirtschaftlich gewesen wäre. Der Substitutionsausschluss bedeute, dass der Apotheker keine Wahlmöglichkeiten zwischen den vorhandenen wirkstoffgleichen Arzneimitteln habe. Die im Jahr 2013 geschlossenen Rabattverträge seien im März 2015 mit allen drei Vertragspartnern bis zum 30. Juni 2017 verlängert worden. Dementsprechend habe in der Zwischenzeit kein Ausschreibungsverfahren stattgefunden. Die weitere Vorgehensweise ab Juli 2017 sei derzeit noch offen. Aus ihrer Sicht erscheine die Ausschreibung eines Exklusivvertrages jedenfalls nicht sinnvoll. Dem Auskunftsbegehren des Klägers stünden zwingende Ausschlussgründe entgegen. Die Offenbarung beeinträchtige wirtschaftliche Interessen der Beklagten und anderer Krankenkassen. Es sei Zweck des Ausschlussgrundes des § 3 Nr. 6 Alt. 2 IFG, die Sozialversicherungen vor der Ausforschung wettbewerbserheblicher Daten zu schützen, weil Konkurrenten und Leistungserbringer aus der Kenntnis solcher Informationen einseitig Vorteile ziehen könnten, die den Krankenkassen die Leistungserbringung erschwere. Derartige Nachteile seien auch hinreichend wahrscheinlich. Die Rabattvereinbarungen nach § 130a Abs. 8 SGB V spielten eine wichtige Rolle bei der Senkung der Arzneimittelkosten. Sie hätten Einsparungen in Milliardenhöhe ermöglicht. Gemäß §§ 69 Abs. 2 Satz 4 a.F., 130a Abs. 8 Satz 8 SGB V seien bei der Vergabe von Rabattverträgen die Vorschriften des Vergaberechts zu beachten. In einem geheimen Ausschreibungswettbewerb werde der Zuschlag in der Regel nach dem niedrigsten angebotenen Preis vergeben. Es sei offenbar Ziel der vorliegenden Klage und weiterer Anträge auf Auskunft über die Rabatthöhen, die Inhalte von Rabattverträgen generell und umfassend der Vertraulichkeit zu entziehen. Dies habe zur Folge, dass das Instrument der Rabattverträge seiner Wirksamkeit, die vor allem auf einem funktionierenden, geheimen Ausschreibungswettbewerb beruhe, beraubt werde. Markttransparenz habe zur Folge, dass sich die Arzneimittelversorgung nachhaltig verteuern würde. Die Pharmaunternehmen wären dann nicht mehr verpflichtet, mit dem Ziel der Zuschlagserteilung an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten zu kalkulieren, sondern könnten sich an den bisher vereinbarten Rabattsätzen orientieren. Auf diese Weise würden wirtschaftliche Interessen der Beklagten beeinträchtigt. Das Sozialversicherungsrecht gehe erkennbar davon aus, dass die Vertraulichkeit der Rabatthöhen für die wirtschaftliche Aufgabenerfüllung durch die gesetzlichen Krankenversicherungen erforderlich sei. Dies ergebe sich insbesondere aus § 13 Abs. 2 Satz 11 SGB V. Danach seien Abschläge bei der Kostenerstattung nach § 129 Abs. 1 Satz 5 SGB V zu pauschalieren, weil der vereinbarte Rabatt der Geheimhaltung unterliege. Damit habe der Gesetzgeber die Vertraulichkeit der vereinbarten Rabatthöhe als Funktionsvoraussetzung für das Instrument der Rabattverträge anerkannt. Dieses Ergebnis werde durch die Wertungen des Vergaberechts gestützt. Das Prinzip des Geheimwettbewerbs stellte ein tragendes Ordnungsprinzip des Vergaberechts dar. Bei Ausschreibungen oberhalb der EU-Schwellenwerte, die bei Rabattvertragsausschreibungen immer erreicht seien, komme das Informationsfreiheitsrecht deshalb nicht zur Anwendung. Die vertrauliche Behandlung der Angebote auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens sei gerade bei Arzneimittelrabattverträgen von überragender Bedeutung, weil diese von Gesetzes wegen relativ kurze Laufzeiten von zwei Jahren hätten. Die nächste Ausschreibung für denselben Wirkstoff werde häufig bereits 6 bis 12 Monate vor Ablauf der 24-monatigen Regelvertragslaufzeit durchgeführt.
16Die Beigeladene beantragt,
17die Klage abzuweisen,
18und trägt ergänzend vor, aufgrund der Regelung des § 129 Abs. 1 Satz 2, 3 und 7 SGB V stießen die Rabattvereinbarungen auf Seiten der Arzneimittelhersteller auf großes Interesse. Denn der dort angelegte Substitutionsmechanismus führe dazu, dass das rabattierte Arzneimittel in der Apotheke vorrangig (auch im Verhältnis zu Importen) abgegeben werde müsse und der Rabattvertragspartner auf diese Weise den Absatz seines Produktes steigern könne. Vor dem Hintergrund, dass im Falle eines Obsiegens des Klägers im vorliegenden Verfahren auch Wettbewerber einen Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen Information geltend machen könnten, ergebe sich die wettbewerbsschädliche Wirkung des begehrten Informationszugangs insbesondere mit Blick auf künftige Ausschreibungen von Rabattvereinbarungen. Der Kläger verkenne, dass die Bekanntgabe der Rabatthöhe dazu geeignet sei, ihre Stellung im Wettbewerb nachteilig zu beeinflussen. Die Kenntnis des Rabatts erlaube Rückschlüsse auf ihre Kalkulation, insbesondere auf ihre Handelsspanne und damit auf ihren Spielraum bei der Gewährung des Rabatts. Dies sei insbesondere deshalb der Fall, weil ihren Mitbewerbern der Apothekenverkaufspreis für das streitgegenständliche Präparat sowie die wesentlichen Kalkulationsparameter für das Arzneimittel bekannt seien. Dies gelte in erster Linie für sogenannte Reimporteure, die das Originalpräparat im Ausland einkauften, umetikettierten und anschließend auf dem deutschen Markt zu einem höheren Preis wieder verkauften. Wenn einem dieser Mitbewerber nun auch noch der von ihr gewährte Rabatt bekannt gegeben werde, könne dieser Mitbewerber anhand der ihm bereits bekannten Preisparameter relativ genau abschätzen, über welchen Spielraum sie bei der Angebotskalkulation verfüge und daran seinen Angebotspreis ausrichten. Der Wettbewerb würde zudem zu ihren Lasten verzerrt, weil ihren Mitbewerbern die im vorangegangenen Vergabeverfahren bezuschlagte Rabatthöhe bekannt wäre, wohingegen sie nicht über eine vergleichbare Information verfüge. Dass sie selbst aufgrund des ihr erteilten Zuschlags über einen Informationsvorsprung verfüge, sei eine natürliche Folge der Zuschlagserteilung und originär im Vergaberecht angelegt. Ein Ausgleich dieses Informationsvorsprungs sei vom Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen worden. Im Gegenteil regle § 17 Abs. 3 i.V.m. § 23 VOL/A-EG gerade die fortdauernde Geheimhaltung derart sensibler Daten. Im Übrigen verstoße eine Mitteilung der Rabatthöhe auch gegen das in § 1 GWB und Art. 101 Abs. 1 AEUV normierte Kartellverbot. In den Anwendungsbereich dieser Vorschriften falle auch die Beschränkung des Geheimwettbewerbs durch Austausch sonst geheim gehaltener Informationen zwischen Wettbewerbern, wenn sie sich auf wettbewerbsrelevante Tatsachen bezögen. Soweit der Kläger argumentiere, dass die Bekanntgabe der Rabatthöhe zur Einreichung besserer Angebote führe, verkenne er das allgemein gültige marktwirtschaftliche Prinzip, wonach niedrigere Preise nur als Folge eines Geheimwettbewerbs denkbar seien, während eine größere Markttransparenz zur Angleichung des Preisniveaus führe.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des dazu beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 1. September 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2014 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bekanntgabe des zwischen der Beklagten und der Beigeladenen mit Vertrag vom 15. März 2013 vereinbarten Rabattsatzes für das Arzneimittel Q1. 1 mg Kapseln 100 Stück (PZN ), vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
22Der Informationsanspruch des Klägers richtet sich nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG). Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe des IFG gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm liegen hier vor.
23Die Beklagte ist als bundesweit agierender Versicherungsträger eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts, vgl. Art. 87 Abs. 2 Grundgesetz, § 4 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V, und damit eine nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG anspruchsverpflichtete Behörde des Bundes.
24Bei der vom Kläger begehrten Information über die Höhe des für das Arzneimittel Q1. gewährten Rabatts handelt es sich auch um eine amtliche Information im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Nr. 1 IFG ist amtliche Information jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung unabhängig von der Art ihrer Speicherung; nicht dazu gehören lediglich Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte hat die Höhe des durch sie und die Beigeladene vereinbarten Rabatts für das Arzneimittel Q1. in dem Vertrag vom 15. März 2013 aufgezeichnet, um einem amtlichen Zweck – nämlich dem Abschluss eines Rabattvertrags nach § 130a Abs. 8 SGB V mit dem Ziel der Ausgabensenkung in der Arzneimittelversorgung – zu dienen.
25Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Anspruch auf Informationszugang im Übrigen materiell-rechtlich „voraussetzungslos“,
26vgl. Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsdrucksache 15/4493 vom 14. Dezember 2004, S. 7 zu § 1 Abs. 1 IFG,
27und damit an keine (weiteren) Tatbestandsvoraussetzungen gebunden. Der Anspruch setzt daher weder ein rechtliches, noch ein berechtigtes Interesse am Informationszugang voraus.
28Vgl. Schoch, IFG Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1, Rn. 18-21 m.w.N.
29Insofern ist es vorliegend unerheblich, ob der Kläger tatsächlich einem Retaxierungsrisiko ausgesetzt ist und diesem ggfs. nur durch die Kenntnis des zwischen der Beklagten und der Beigeladenen vereinbarten Rabattsatzes begegnen kann, oder ob er mit der Geltendmachung des Informationsanspruchs andere – ggfs. auch kommerzielle – Interessen verfolgt.
30Der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ist vorliegend nicht aufgrund vorrangiger Regelungen i.S.d. § 1 Abs. 3 IFG gesperrt. Nach dieser Norm gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme von § 29 VwVfG und § 25 SGB X vor. Die Nachrangigkeit des Anspruchs aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG setzt demnach voraus, dass es sich bei der konkurrierenden Regelung um eine Rechtsvorschrift handelt, die ebenso wie das IFG Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen enthält, mithin einen mit dem IFG-Anspruch identischen sachlichen Regelungsgegenstand hat.
31Vgl. Schoch, IFG Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1, Rn. 295-298.
32Eine derartige vorrangige Regelung ist mit Blick auf die vom Kläger beanspruchte Information nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus vergaberechtlichen Bestimmungen keine Sperrwirkung. Zwar verpflichten § 5 Abs. 2 Satz 2 der Vergabeverordnung (VgV) sowie § 17 Abs. 3 der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A Abschnitt 2 – Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG (VOL/A-EG) den öffentlichen Auftraggeber, unter anderem die Angebote und ihre Anlagen auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens vertraulich zu behandeln. Damit wird aber gerade nicht der Zugang zu bestimmten amtlichen Informationen gewährt, sondern vielmehr ein Verbot der Offenlegung bestimmter Inhalte des Vergabevorgangs statuiert.
33Vgl. Schoch, IFG Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1, Rn. 340; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31. Mai 2016 - 3 L 314/13 -, juris, Rn. 37, zur entsprechenden landesrechtlichen Regelung.
34Darüber hinaus gehen vergaberechtliche Regelungen dem hier geltend gemachten Anspruch schon deshalb nicht vor, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Rabattvertrag nicht um einen „öffentlichen Auftrag“ im Sinne von § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG handelt, sodass bereits deren Anwendungsbereich nicht eröffnet ist. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der Begriff des „öffentlichen Auftrags“ im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG, der durch § 99 GWB in nationales Recht umgesetzt wurde, untrennbar mit einer Auswahlentscheidung des öffentlichen Auftraggebers verbunden ist. Fehlt es an der Auswahl eines Wirtschaftsteilnehmers, an den ein Auftrag mit Ausschließlichkeit vergeben wird, hat dies zur Folge, dass das Tätigwerden des öffentlichen Auftraggebers nicht den präzisen Regeln der Richtlinie 2004/18/EG unterworfen werden muss, sondern lediglich den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, der Gleichbehandlung und des sich daraus ergebenden Transparenzgebots.
35Vgl. EuGH, Urteil vom 2. Juni 2016 - C-410/14 -, juris, Rn. 37-38, 44.
36Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem von der Beklagten praktizierten Open-House-Verfahren, das zum Abschluss des streitgegenständlichen Rabattvertrages geführt hat, nicht um ein förmliches Vergabeverfahren nach §§ 97 ff. GWB. Kennzeichnend für das von der Beklagten gewählte Open-House-Verfahren ist der Umstand, dass die Beklagte keine Auswahlentscheidung zugunsten eines Marktteilnehmers getroffen, sondern mit allen drei interessierten Unternehmen einen Rabattvertrag geschlossen hat. Darüber hinaus war ein Beitritt anderer Marktteilnehmer jederzeit – auch während der zweijährigen Vertragslaufzeit – möglich. Unter diesen Umständen fehlt es vorliegend an der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unverzichtbaren Voraussetzung einer Auswahlentscheidung des öffentlichen Auftraggebers.
37Der Anspruch des Klägers wird auch nicht durch § 15 Abs. 1 SGB I verdrängt. Nach dieser Regelung sind die nach Landesrecht zuständigen Stellen, die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung sind, verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten nach dem Sozialgesetzbuch Auskünfte zu erteilen. Diese Beratungs- und Auskunftspflicht der Sozialleistungsträger bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift gerade nicht auf Angelegenheiten, die keine sozialen Angelegenheiten nach dem Sozialgesetzbuch darstellen. Hierzu zählen auch und insbesondere Auskünfte an Dritte, die zur Durchsetzung anderer als der sozialen Rechte nach dem Sozialgesetzbuch dienen.
38Vgl. BSG, Urteil vom 29. Oktober 1985 - 11a RK 6/84 -, juris, Rn. 14, und Beschluss vom 4. April 2012 - B 12 SF 1/10 R -, juris, Rn. 13.
39Nach diesen Maßstäben wird der umstrittene Informationszugang vom Regelungsbereich des § 15 SGB I nicht umfasst. Es fehlt bereits an einer sozialen Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten. Darüber hinaus ist die vom Kläger begehrte Auskunft über die Rabatthöhe nicht auf die Durchsetzung eines sozialen Rechts im Sinne von § 11 SGB I gerichtet. Daran ändert auch eine etwaige Retaxierung des Klägers durch die Beklagte nichts. Insoweit handelt es sich um einen Vorgang, der allein den Vergütungsanspruch des Apothekers gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse betrifft, nicht aber die im SGB I vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen und damit keine sozialen Rechte im Sinne von § 11 SGB I.
40Dem Informationsanspruch des Klägers stehen auch keine gesetzlichen Ausschlussgründe entgegen.
41Der von der Beklagten und der Beigeladenen geltend gemachte Ausschlussgrund des § 6 Satz 2 IFG liegt hier nicht vor. Nach dieser Norm darf der Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können.
42Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 -, juris, Rn. 87, m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 - 7 C 18.08 -, juris, Rn. 12; Schoch, IFG Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 6, Rn. 78.
43Nach diesem Maßstab sind die vom Kläger begehrten Informationen zur Rabatthöhe zwar nicht offenkundig. Offenkundig ist eine Information dann, wenn sie nicht mehr in der Unternehmenssphäre gehalten wird, sondern für beliebige Externe leicht zugänglich oder gar allgemein bekannt ist. Die fehlende Offenkundigkeit ist bei mehreren informierten Personen noch gegeben, wenn die unternehmensbezogene Information nur einem zur Verschwiegenheit verpflichteten begrenzten Personenkreis bekannt oder zugänglich ist.
44Vgl. Schoch, IFG Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 6, Rn. 82 m.w.N.
45Dies ist hier der Fall. Zwar ist die Höhe des streitgegenständlichen Rabatts nicht nur der Beklagten und der Beigeladenen bekannt bzw. zugänglich, sondern auch (den Mitarbeitern) der H. T. AG sowie etwa 43 weiteren am Vertrag beteiligten Krankenkassen. Hierbei handelt es sich allerdings um einen (noch) begrenzten Personenkreis, der nach § 4 Abs. 1 des Vertrages vom 15. März 2013 vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.
46Es fehlt jedoch an dem erforderlichen berechtigten Interesse der Beigeladenen an der Geheimhaltung der Rabatthöhe aus dem Vertrag vom 15. März 2013. Ein solches Interesse besteht in der Regel, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen.
47BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 - 7 C 18.08 -, juris, Rn. 14; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31. Mai 2016 - 3 L 314/13 -, juris, Rn. 40.
48Die prognostische Einschätzung nachteiliger Auswirkungen im Fall des Bekanntwerdens der Informationen muss – unter Wahrung des Geheimnisses – nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden.
49Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 7 B 45.12 -, juris, Rn. 16; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31. Mai 2016 - 3 L 314/13 -, juris, Rn. 40 m.w.N.
50Diesen Darlegungsanforderungen ist weder die Beklagte noch die Beigeladene gerecht geworden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Bekanntgabe des zwischen der Beklagten und der Beigeladenen im Jahr 2013 vereinbarten Rabattsatzes für das Medikament Q1. zu wirtschaftlichen Nachteilen bzw. einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition der Beigeladenen führen könnte.
51Der Beigeladenen ist nicht darin zu folgen, dass ihr durch die Bekanntgabe des Rabattsatzes ein wirtschaftlicher Nachteil entstehen würde, weil Mitbewerber ihre Angebotspreise an dem offenzulegenden Rabattsatz ausrichten könnten. Im Kern äußert die Beigeladene damit die Befürchtung, dass sie selbst in einem zukünftigen Ausschreibungsverfahren gezwungen sein könnte, den bislang angebotenen Rabattsatz zu erhöhen, um den Zuschlag zu erhalten. Diesem Argument liegt zum einen die Annahme zugrunde, dass die Beklagte zukünftige Rabattverträge über den Wirkstoff Tacrolimus in einem „echten“ wettbewerblichen Vergabeverfahren nach den §§ 97 ff. GWB vergeben und den Zuschlag nach dem niedrigsten angebotenen Preis erteilen wird, sodass die Marktteilnehmer – und damit auch die Beigeladene – gezwungen sein werden, im Interesse der Zuschlagserteilung bis an die Rentabilitätsgrenze ihrer Gewinnzone zu kalkulieren und möglichst niedrige Preise bzw. größtmögliche Rabatte zu bieten. Ihm liegt ferner die Annahme zugrunde, dass dem zwischen der Beklagten und der Beigeladenen im März 2013 vereinbarten Rabattsatz für die Kalkulation der Angebote in einem solchen zukünftigen Verfahren ausschlaggebende Bedeutung zukommt. Beide Annahmen sind verfehlt.
52Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass sie voraussichtlich auch in Zukunft an dem bisher praktizierten Open-House-Verfahren festhalten wird. Dieses ist aber gerade dadurch gekennzeichnet, dass es entgegen einem wettbewerblichen Vergabeverfahren nach den §§ 97 ff. GWB keinen Bieterwettbewerb um die Zuschlagserteilung für einen Exklusivvertrag gibt, sodass die Marktteilnehmer nicht dem sonst üblichen Preis- und Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind. Das von der Beklagten praktizierte Open-House-Verfahren ermöglicht es vielmehr allen interessierten Marktteilnehmern, dem Vertragssystem jederzeit zu einem von ihnen bestimmten und mit der Beklagten zu verhandelnden Rabattsatz beizutreten, ohne hierbei in irgendeiner Weise gezwungen zu sein, einen bestimmten Rabattsatz zu überbieten. Vor diesem Hintergrund ist die Befürchtung der Beigeladenen, in einem zukünftigen Ausschreibungsverfahren aufgrund der Bekanntgabe eines in der Vergangenheit vereinbarten Rabattsatzes gezwungen sein zu können, ihr Angebot zu erhöhen, nicht nachvollziehbar.
53Es ist auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die Beklagte entgegen ihrer Ankündigung entschließen könnte, zukünftig doch ein „echtes“ Vergabeverfahren mit Bieterkonkurrenz durchzuführen. Da der streitgegenständliche Wirkstoff auf der Substitutionsausschlussliste steht, vermögen Rabattvereinbarungen über einzelne Arzneimittel dieses Wirkstoffs nicht die sonst übliche Wirkung zu entfalten, da eine Ersetzung des ärztlich verordneten Arzneimittels in der Apotheke durch ein rabattiertes Produkt gerade nicht in Betracht kommt. Aus Sicht der Beklagten ist es daher erstrebenswert, Rabattvereinbarungen mit so vielen Herstellern bzw. Reimporteuren von Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Tacrolimus wie möglich abzuschließen, was wiederum gegen die Vergabe eines Exklusivvertrages mit Bieterwettbewerb und für die Ausschreibung im Open-House-Verfahren spricht. Zudem hat die Beklagte auch für den nachfolgenden Zeitraum – 2015 bis 2017 – am Open-House-Verfahren festgehalten.
54Auch die Annahme, dem zwischen der Beklagten und der Beigeladenen im März 2013 vereinbarten Rabattsatz würde für die Kalkulation der Angebote in einem zukünftigen Ausschreibungsverfahren ausschlaggebende Bedeutung zukommen, trifft nicht zu. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beklagte auch in Zukunft Rabattverträge über den Wirkstoff Tacrolimus im Open-House-Verfahren vergeben wird, oder sich entgegen dieser Ankündigung und entgegen der oben beschriebenen durch den Substitutionsausschluss bedingten Anreize zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens mit Bieterkonkurrenz um einen Exklusivvertrag entschließt. Sofern die Beklagte an dem bisher praktizierten Open-House-Verfahren festhält, ist eine etwaige Orientierung von Konkurrenten an dem ehemaligen Angebot der Beigeladenen schon deshalb irrelevant, weil die Beigeladene ihrerseits das dann unterbreitete Rabattangebot ihrer Konkurrenten nicht überbieten muss, um selbst einen Rabattvertrag mit der Beklagten abschließen zu können. Charakteristisch für das von der Beklagten betriebene Open-House-Verfahren ist es gerade, dass es für die „Zuschlagserteilung“ – bzw. genauer: die Möglichkeit zum Vertragsabschluss – nicht auf die Angebotshöhe etwaiger Konkurrenten ankommt. Sofern die Beklagte in Zukunft doch ein „echtes“ Vergabeverfahren durchführen sollte, kann schon aufgrund der Tatsache, dass dann erstmals ein Bieterwettbewerb stattfinden würde, nicht von einer Relevanz des ohne einen derartigen Wettbewerb im Jahr 2013 vereinbarten – und nur bis März 2015 gültigen – Rabattsatzes ausgegangen werden. Im Übrigen wären in einem solchen Verfahren eventuell entstehende wirtschaftliche Einbußen der Beigeladenen gegenüber dem durch den hier streitgegenständlichen Rabattsatz erzielten Gewinn durch den dann herrschenden Bieterwettbewerb und den dadurch entstehenden Preisdruck verursacht, nicht aber durch die Bekanntgabe der von März 2013 bis März 2015 gültigen Rabattsätze.
55Der Beklagten und der Beigeladenen ist auch nicht darin zu folgen, dass die Bekanntgabe der Rabatthöhe Rückschlüsse auf Kalkulationsgrundlagen und insbesondere auf die Handelsspanne der Beigeladenen ermöglichen würde. Unabhängig von der Frage, ob die Handelsspanne überhaupt in jedem Fall eine Kalkulationsgrundlage oder ein sonstiges schützenswertes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis darstellt, haben weder die Beklagte noch die Beigeladene nachvollziehbar dargelegt, wie anhand des Rabattsatzes die Handelsspanne – also die Differenz zwischen Nettoverkaufs- und tatsächlichem Einstandspreis – der Beigeladenen ermittelt werden kann. Hierzu bedarf es, wie die soeben angeführte Definition zeigt, nicht nur der Kenntnis des Verkaufspreises, sondern auch der Kenntnis des Einstands- bzw. Beschaffungspreises. Da die Beigeladene das streitgegenständliche Medikament selbst herstellt, lässt sich dieser nicht einfach durch Ermittlung des Nettoeinkaufspreises – wie möglicherweise im Falle eines Reimporteurs – bestimmen. Er ist vielmehr von mannigfaltigen Kostenfaktoren bei der Produktion abhängig. Eine Offenlegung dieser Kostenfaktoren ist vorliegend aber weder beantragt, noch ist dargelegt oder sonst ersichtlich, dass sie aufgrund des Rabattsatzes und anderer allgemein bekannter Parameter ermittelt werden könnten. Soweit die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, der Rabattpreis entspreche vorliegend dem Einstandspreis, weil er bei Vertragsschluss im Jahr 2013 an der Rentabilitätsgrenze kalkuliert worden sei, ist dieses Vorbringen nicht plausibel. Eine solche Preisgestaltung wäre betriebswirtschaftlich nur dann nachvollziehbar, wenn die Beigeladene unter entsprechend starkem Preisdruck gestanden hätte. Dies war aber – wie soeben ausführlich dargelegt – aufgrund des von der Beklagten gewählten Open-House-Verfahrens, das keinen Bieterwettbewerb um einen Exklusivvertrag beinhaltete, gerade nicht der Fall. Zudem hat die Beigeladene nach eigenem Bekunden mit diversen Krankenkassen Rabattsätze in unterschiedlicher Höhe vereinbart.
56Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen kann dahinstehen, ob ein pharmazeutisches Unternehmen, das sich an einem wettbewerblichen Vergabeverfahren gemäß § 69 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit §§ 97 ff. GWB um den Abschluss einer Rabattvereinbarung nach § 130a Abs. 8 SGB V beteiligt hat, und insbesondere ein solches, dem der Zuschlag in einem Verfahren dieser Art erteilt worden ist, grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse daran hat, dass der von ihm angebotene Rabatt Marktkonkurrenten nicht nur während des laufenden Verfahrens, sondern auch nach dessen Abschluss nicht zur Kenntnis gelangt.
57In diese Richtung tendierend: OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31. Mai 2016 - 3 L 314/13 -, juris, Rn. 44.
58Denn ein derartiges Verfahren ist vorliegend gerade nicht durchgeführt worden.
59Auch der weiter geltend gemachte Ausschlussgrund des § 3 Nr. 6 Alt. 2 IFG steht dem Auskunftsanspruch des Klägers nicht entgegen. Nach dieser Norm besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information geeignet wäre, wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung muss mindestens hinreichend wahrscheinlich sein.
60Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, juris, Rn. 57.
61Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Bekanntgabe des zwischen der Beklagten und der Beigeladenen vereinbarten Rabattsatzes führt weder zu der Besorgnis, Pharmaunternehmen wären zukünftig nicht mehr verpflichtet, mit dem Ziel der Zuschlagserteilung bis an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten zu kalkulieren, noch ist zu befürchten, dass sich Pharmaunternehmen zukünftig nicht mehr an Ausschreibungen beteiligen würden, um ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu schützen.
62Soweit die Beklagte sinngemäß die Besorgnis äußert, die von den Marktteilnehmern angebotenen Rabattsätze könnten im Falle ihrer Offenlegung niedriger ausfallen oder jedenfalls stagnieren, wodurch der Beklagten ein wirtschaftlicher Nachteil entstehen könnte, steht dies schon im Widerspruch zu der Annahme der Beigeladenen, eine Offenlegung des Rabattsatzes würde sie in zukünftigen Verfahren zwingen, den von ihr angebotenen Rabattsatz noch zu erhöhen, um weiterhin den Zuschlag zu erhalten. Aber auch unabhängig von der Frage, ob bzw. welcher der genannten Effekte – die sich gegenseitig ausschließen dürften – tatsächlich eintreten würde, ist der Argumentation der Beklagten in diesem Punkt aus den oben bereits dargelegten Gründen nicht zu folgen. Die Frage, ob die Pharmaunternehmen in zukünftigen Ausschreibungsverfahren verpflichtet sein werden, ihre Angebote bis an die Rentabilitätsgrenze zu kalkulieren, richtet sich entscheidend nach der Art des gewählten Ausschreibungsverfahrens und ist nicht davon abhängig, dass der zwischen der Beklagten und der Beigeladenen für den abgeschlossenen Zeitraum von März 2013 bis März 2015 vereinbarte Rabattsatz geheim gehalten wird. Wie bereits dargelegt, ist es fernliegend, dass dieser Rabattsatz Einfluss auf die Angebotskalkulation in einem zukünftig erstmals durchzuführenden Bieterwettbewerb haben könnte. Sofern erneut ein Open-House-Verfahren durchgeführt wird, bietet dieses mangels Wettbewerb um den Zuschlag und der jederzeitigen Beitrittsmöglichkeit weiterer Marktteilnehmer auch dann keinen Anreiz zur Abgabe eines besonders hohen Rabattangebots, wenn die bisherigen Rabattsätze nicht bekannt sind.
63Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung ergänzend die Befürchtung geäußert hat, ihr könnten durch die Bekanntgabe des mit der Beigeladenen im Jahr 2013 vereinbarten Rabattsatzes Nachteile im Wettbewerb mit anderen Krankenkassen entstehen, teilt die Kammer diese Befürchtung nicht. Es ist zwar grundsätzlich denkbar, dass konkurrierende Krankenkassen die Bekanntgabe des Rabattsatzes zum Anlass nehmen, ihrerseits die Gewährung noch höherer Rabattsätze durch die Pharmaunternehmen anzustreben. Dass sich hieraus mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wirtschaftliche Nachteile der Beklagten ergeben, hat diese aber nicht hinreichend dargelegt. Zum einen handelt es sich bei dem hier bekanntzugebenden Rabatt nicht um einen aktuell gültigen Rabattsatz, sodass dieser als Vergleichsgröße bzw. Verhandlungsansatz für konkurrierende Krankenkassen ohnehin nur geringe Bedeutung haben dürfte. Zum anderen steht es auch der Beklagten frei, den Rabattsatz in absehbarer Zeit nach Abschluss einer entsprechenden Rabattvereinbarung durch konkurrierende Krankenkassen erneut nachzuverhandeln, da die gesetzlich vorgegebene Regellaufzeit der Rabattverträge lediglich zwei Jahre beträgt, vgl. § 130a Abs. 8 Satz 6 SGB V.
64Mit Blick auf die von der Beklagten geäußerte allgemeine Befürchtung, dass pharmazeutische Unternehmen sich in Zukunft gar nicht erst an den Rabattvergaben beteiligen würden, wenn die Vertraulichkeit der Angebote nicht garantiert werden könne, ist darauf hinzuweisen, dass berechtigte Geheimhaltungsinteressen der (potentiellen) Vertragspartner der Beklagten insbesondere über § 6 Satz 2 IFG, aber auch etwa durch § 5 IFG, geschützt sind. § 3 Nr. 6 IFG hingegen schützt das öffentliche Interesse an der Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Marktteilnehmer nicht weitergehend als § 6 Satz 2 IFG deren eigenes Geheimhaltungsinteresse. Sofern Angebotsunterlagen zugunsten der betroffenen Dritten weder als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, noch als personenbezogene Daten (§ 5 IFG), noch aus einem sonstigen Grund geschützt sind, kann die Beklagte über § 3 Nr. 6 IFG keinen weitergehenden Vertraulichkeitsschutz für sich beanspruchen.
65Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 -, juris, Rn. 30-31.
66Schließlich steht auch der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG der Auskunftserteilung nicht entgegen. Nach dieser Norm besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht. Neben einer vertraulich erhobenen oder übermittelten Information setzt dieser Ausschlussgrund demnach ebenfalls das Vorliegen eines objektiv schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresses voraus.
67Vgl. Schoch, IFG Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 3, Rn. 323 ff.
68Wie bereits zum Ausschlussgrund des § 6 Satz 2 IFG ausgeführt, haben die Beklagten und die Beigeladene ein solches Geheimhaltungsinteresse vorliegend nicht hinreichend dargelegt. Ein solches ist auch sonst nicht ersichtlich.
69Auch sonstige wettbewerbsrechtliche oder sozialversicherungsrechtliche Wertungen stehen dem Informationsanspruch des Klägers nicht entgegen. Soweit sich die Beklagte und die Beigeladene auf das Kartellverbot und das Verbot wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen gem. § 1 GWB sowie Art. 101 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) berufen, ist mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen zu den Ausschlussgründen des § 6 Satz 2 und § 3 Nr. 6 Alt. 2 IFG schon nicht erkennbar, dass die Bekanntgabe des Rabattsatzes aus dem Vertrag vom 15. März 2013 geeignet wäre, den Wettbewerb nachteilig zu beeinflussen.
70Soweit sie sich auf § 13 Abs. 2 Satz 11 SGB V bzw. eine dieser Regelung nach Auffassung der Beklagten zu entnehmende gesetzgeberische Wertung berufen, verfängt auch diese Argumentation nicht. Nach dieser Vorschrift sind im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Abs. 1 Satz 5 SGB V die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Abs. 8 SGB V sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB V zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Auffassung der Beklagten, dass die Pauschalierung der Abschläge deshalb erforderlich sei, weil der vereinbarte Rabattsatz der Geheimhaltung unterliege, überzeugt nicht. Zwar trifft es zu, dass den Gesetzgebungsmaterialien die Überlegung zu entnehmen ist, dass – mit Blick auf die Pauschalierung der Abschläge – die Regelung über die Berücksichtigung der Mehrkosten für den Fall der Kostenerstattung nach § 129 Abs. 1 Satz 5 SGB V einem „gegebenenfalls vertraglich vereinbarten Stillschweigen über die Höhe der Rabatte“ nicht entgegensteht.
71Vgl. Gesetzesentwurf der Fraktionen CDU/CSU und FDP, Bundestagsdrucksache 17/2413 vom 6. Juli 2010, S.18.
72Insoweit hat aber bereits das OVG Sachsen-Anhalt zutreffend darauf hingewiesen, dass sich hieraus kein (kategorisches) Verbot der Preisgabe einer in einem Vertrag nach § 130a Abs. 8 SGB V vereinbarten Rabatthöhe ableiten lässt.
73Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31. Mai 2016 - 3 L 314/13 -, juris, Rn. 56.
74Dies gilt gleichermaßen für den Wortlaut der Norm, ausweislich dessen die Abschläge lediglich pauschaliert werden sollen.
75Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.