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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Studienbeiträgen auf der Grundlage des Gesetzes zur Erhebung von Studienbeiträgen und Hochschulabgaben NRW (Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz NRW - StBAG NRW -).
3Das Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz NRW hat im Wesentlichen folgenden Inhalt:
4In § 2 Abs. 1 StBAG NRW werden die Hochschulen ermächtigt, durch Beitragssatzung für das Studium von Studierenden, die in einem Studiengang eingeschrieben oder die nach § 52 Abs. 2 Hochschulgesetz NRW oder § 71 Abs. 2 Hochschulgesetz NRW 2005 für das Studium eines weiteren Studiengangs zugelassen sind, für jedes Semester ihrer Einschreibung oder Zulassung einen Studienbeitrag in Höhe von bis zu 500,00 EUR zu erheben. Bei der Festsetzung der Höhe des Studienbeitrags müssen sich die Hochschulen insbesondere an den Zielen orientieren, mit Studienbeiträgen zu einem effizienten und hochwertigen Studium, zur Profilbildung der Hochschule und zum Wettbewerb unter den Hochschulen beizutragen. § 2 Abs. 2 StBAG NRW bestimmt, dass die Einnahmen aus den Studienbeiträgen Mittel Dritter und von den Hochschulen zweckgebunden für die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen sowie für die Ausgleichszahlungen an den Ausfallfonds zu verwenden sind. Den Anteil des jährlichen Gesamtaufkommens der Studienbeiträge, die an den Ausfallfonds abzuführen sind, bestimmt dabei das Ministerium (§ 17 Abs. 3 Satz 3 StBAG NRW i.V.m. § 9 Abs. 4 Satz 2 StBAG-VO NRW). Er liegt derzeit bei 23 %.
5Nach § 12 StBAG NRW haben dort einschränkend definierte studienbeitragspflichtige Studierende einen Anspruch gegen die NRW.Bank auf Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages über ein von der Auszahlung an verzinsliches Darlehen, mit dem die Entrichtung der Studienbeiträge sichergestellt werden kann. In den Darlehenzinssatz dürfen dabei nur die Kosten für die Geldbeschaffung und die Verwaltungskosten eingerechnet werden.
6Das Darlehen und die Zinsen sind gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 StBAG NRW zwei Jahre nach erfolgreichem Abschluss des Studiums, spätestens elf Jahre nach der Aufnahme des Studiums in monatlichen Raten, mindestens solchen von 50,00 EUR, zurückzuzahlen.
7Von der Verpflichtung zur Rückzahlung kann die Darlehensnehmerin oder der Darlehensnehmer auf Antrag nach § 14 StBAG NRW freigestellt werden, soweit ihr oder ihm auf Grund eines zu geringen Einkommens eine Rückzahlung nicht zugemutet werden kann oder solange sie oder er Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhält oder solche Leistungen nur deshalb nicht in Anspruch nimmt, weil ihr oder sein Studium durch ein Studienstipendium finanziert wird. Die Summe der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz als Darlehen geleisteten Ausbildungsförderung und des gewährten Studienbeitragsdarlehens einschließlich der Zinsen, die bis zum Rückzahlungszeitpunkt angefallen sind, wird nach § 15 StBAG NRW auf einen Höchstbetrag begrenzt. Dieser liegt bei höchstens 10.000,00 EUR. Weiter sieht § 8 StBAG NRW unter besonderen Voraussetzungen Ausnahmen von der Abgabenpflicht sowie eine Abgabenermäßigung und einen Abgabenerlass vor. Die durch diese Reglungen bedingten und auch im Übrigen bestehenden Kreditausfallrisiken sichert gemäß § 17 Abs. 1 StBAG NRW ein Ausfallfonds ab, der als nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Landes errichtet wird.
8Die Beklagte erließ am 24. Mai 2006 eine Beitragssatzung. Die Beitragssatzung sieht in § 1 für erstmalig eingeschriebene Studierende oder zugelassene Studierende im Sinne des § 21 Abs. 1 StBAG NRW ab Wintersemester 2006/2007 und für die übrigen Studierenden ab Sommersemester 2007 die Pflicht zur Zahlung eines Studienbeitrags in Höhe von 500,00 EUR vor.
9Die Studentin J. T1. beantragte am 24. Oktober 2006 zum Wintersemester 2006/2007 ihre Einschreibung im Studiengang Wirtschaftswissenschaften.
10Die Beklagte wies in ihrem Antragsformular auf Einschreibung darauf hin, dass mit dem Antrag auf Einschreibung u.a. ein Beleg über die Einzahlung des Studienbeitrags in Höhe von 500,00 EUR einzureichen sei. Dem Antragsformular war ein vorgefertigter Zahlschein beigefügt.
11Die Studentin zahlte den Studienbeitrag in Höhe von 500,00 EUR sowie weitere für das Studierendenwerk und die Studierendenschaft bestimmte Beiträge in Höhe von 137,91 EUR und wurde antragsgemäß eingeschrieben.
12Unter dem 08. November 2006 erklärte sie schriftlich, sie trete ihren Anspruch auf Rückzahlung des von ihr gezahlten Studienbeitrags für das Wintersemester 2006/2007 an die Klägerin ab. Diese nahm das Abtretungsangebot an.
13Mit ihrer am 07. Dezember 2006 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung des von der Studentin entrichteten Studienbeitrags. Zur Begründung führt sie aus:
14Die Klage sei zulässig. Sie - die Klägerin - werde in Wahrnehmung ihrer gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen tätig.
15Die Klage sei auch begründet. Ihr stehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch aus übergegangenem Recht zu. Die Gebührenerhebung könne ihre Grundlage nicht in der Beitragssatzung finden, weil es an einer wirksamen Rechtsgrundlage fehle. Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung von Studiengebühren verstießen gegen höherrangiges Recht.
16Die Erhebung von Studiengebühren verstoße gegen Art. 13 Abs. 2 lit. c) des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 - IPwskR -. Nach dieser Regelung würden die Vertragsstaaten anerkennen, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung des Rechts eines jeden auf Bildung der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden müsse.
17Die Einführung der Unentgeltlichkeit der Hochschulbildung sei ein eindeutiges und somit verbindliches Gebot. Selbst wenn mit Blick auf die eigentliche Zielsetzung, den Hochschulunterricht jedermann gleichermaßen zugänglich zu machen, eine teleologische Reduktion für möglich gehalten würde, sei die Einführung von Studiengebühren gleichwohl mit dem Pakt unvereinbar. Die Studiengebühren kämen nicht ausschließlich finanzschwachen Studierenden zu Gute und führten nicht zu einer Erweiterung der Studienplatzkapazitäten an den Hochschulen. Sie erschwerten den Bildungszugang finanzschwacher Studierender.
18Die abschreckende Wirkung von Studiengebühren belegten zahlreiche Untersuchungen. Studiengebühren führten zu einem Rückgang der Bildungsnachfrage und zwar unabhängig von ihrer Ausgestaltung. 25 % derjenigen, die trotz vorhandener Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland kein Studium aufnehmen würden, begründeten dies damit, dass sie sich ein Studium, insbesondere eventuelle Studiengebühren nicht leisten könnten. In Deutschland habe sich zudem die Zahl der Studienberechtigten unter den bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Bewerbern stark erhöht. Auch nach Ansicht des Ministers Pinkwart sei der Rückgang bei der Zahl der Einschreibungen im Wintersemester 2006/2007 auf die Einführung von Studiengebühren zurückzuführen.
19In den Vereinigten Staaten von Amerika würden die Chancen von durchschnittlich begabten Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien als problematisch gelten. Diesen blieben oft nur die weniger anspruchsvollen und deshalb preisgünstigen Studienangebote der Community Colleges. Aber auch Mittelklassefamilien könnte die Studienfinanzierung vor erhebliche Probleme stellen, insbesondere, wenn mehrere Kinder studieren würden, da sie nur mit geringen staatlichen Fördermitteln rechnen könnten. Auf diese Weise schreibe das amerikanische Hochschulsystem die bestehende Einkommens- und Vermögensverteilung eher fort. In Österreich sei die Zahl der Studienanfänger nach Einführung der Studiengebühren deutlich zurückgegangen, während sie in den Jahren zuvor angestiegen sei. Auch die Erfahrung in anderen Ländern zeige, dass die dortige Einführung von Studiengebühren eine abschreckende Wirkung habe und die dortigen Darlehensmodelle unzureichend seien.
20Die Einführung von Studiengebühren verletze zudem Art. 12 Abs. 1 GG. Für Ausbildungsbereiche, die wie das Hochschulwesen faktisch weitgehend in öffentlicher Hand monopolisiert seien, vermittele Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot ein Teilhaberecht auf Zulassung zu den Ausbildungseinrichtungen. Die Erhebung von Studiengebühren könne eine unüberwindliche soziale Barriere darstellen. Es bestehe die Gefahr, dass gerade Studierende aus einkommensschwachen Elternhäusern von der Aufnahme eines Studiums absehen würden.
21Art. 12 Abs. 1 GG sei auch in seinem abwehrrechtlichen Gehalt betroffen. Es sei fraglich, ob die Erhebung von Studiengebühren geeignet sei, die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke zu erreichen. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz NRW sei Zweck der Erhebung von Studiengebühren, Studierende mit finanzieller Nachfragemacht auszustatten. Studierende könnten aber nicht mit finanzieller Nachfragemacht ausgestattet werden. Sie hätten es nicht in der Hand, den Studienort frei zu wählen und Dienstleistungen in Hochschulen nachzufragen, die ihnen besonders attraktiv erschienen. Das Land Nordrhein-Westfalen habe den Hochschulzugang inzwischen durch einen flächendeckenden Numerus clausus eingeschränkt. Eine Wahlmöglichkeit für das Studienfach bestehe nur für einen kleinen Kreis hoch qualifizierter Abiturienten, die übrigen Studierenden müssten froh sein, überhaupt einen Studienplatz zu erhalten.
22Die Erhebung von Studiengebühren sei auch nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Delegation der Gebührenerhebung an die Hochschulen bedeute, dass das Land Nordrhein-Westfalen für Studiengänge, je nachdem an welcher Hochschule sie stattfinden würden, Studiengebühren erhebe oder nicht. Die Hochschulen würden nach dem bisherigen Landesgebührenrecht nicht im Rahmen der ihnen zugewiesenen Selbstverwaltungsaufgaben tätig, sondern im Bereich der staatlichen Angelegenheiten.
23Die Klägerin beantragt,
24die Beklagte zu verurteilen, an sie 500,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Zur Begründung führt sie aus:
28Die Klage sei unzulässig. Die Klägerin sei nicht prozessführungsbefugt. Der Vorgang der Abtretung stelle nach seinem tatsächlichen Gehalt eine unzulässige gewillkürte Prozessstandschaft dar. Die Forderung stehe der Klägerin nur formal zu. Nach der zu Grunde liegenden Vereinbarung könne die Abtretende hinsichtlich der abgetretenen Forderung jederzeit die Rückforderung geltend machen.
29Die Klage sei auch unbegründet. Die Beitragssatzung basiere auf § 2 Abs. 1 StBAG NRW. Diese Bestimmung sei wirksam. Das Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz NRW verstoße nicht gegen höherrangiges Recht.
30Ein Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 lit. c) IPwskR liege nicht vor. Der Pakt sei nicht unmittelbar anwendbar, jedenfalls fehle ihm die unmittelbare Wirkung. Er enthalte lediglich Verpflichtungen für die Staaten, die keine vor den Gerichten rügefähigen Rechte der einzelnen Individuen begründen würden. Dem Pakt sei auch kein Verbot der Erhebung von Studiengebühren zu entnehmen. Die Einführung der Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts sei nicht das Ziel des Gesetzes, sondern nur das dazu vorgeschlagene Mittel. Selbst wenn die allmähliche Einführung der unentgeltlichen Hochschulbildung ein verbindliches Gebot darstelle, sei eine teleologische Reduktion der Norm angezeigt. Das Ziel des Art. 13 Abs. 2 lit. c) IPwskR, nämlich der gerechte Zugang zur Hochschulbildung, sei durch die Abschaffung der Studiengebühren nicht erreicht worden. Auch der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte gehe nicht von einem strikten Verbot von Studiengebühren aus. Im Wege der teleologischen Reduktion sei dem Pakt allenfalls zu entnehmen, dass eine Beitragsregelung sozialverträglich sein müsse und insbesondere keine abschreckende Wirkung auf Studienbewerber aus sozial schwächeren Familien haben dürfe.
31Diesen Anforderungen werde des Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz NRW gerecht. In Ausübung des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums und der Einschätzungsprärogative habe der Gesetzgeber eine sozialverträgliche und nicht abschreckend wirkende Regelung geschaffen. Er habe drei Einsatzpunkte eines sozialen Schutzes vorgesehen: - die Vorteile, die ein auch beitragsfinanziertes Studium biete, namentlich eine Verkürzung der Studiendauer, - die moderate Höhe des Studienbeitrags von bis zu 500,00 EUR pro Semester, - das gesetzliche Schutzinstrumentarium, welches wiederum drei Komponenten aufweise, nämlich: - die gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen von der Beitragspflicht, - der gesetzliche Anspruch auf ein Studienbeitragsdarlehen sowie - die gesetzlich vorgesehene Kappung der Rückzahlungsforderung aus gewährtem Studienbeitragsdarlehen.
32Augenscheinlich lege der Gesetzgeber bei seiner Einschätzung das Leitbild eines sich die Gesamtbilanz seiner Lebensleistung vergegenwärtigenden und angesichts seiner Verantwortung vor der Gesellschaft handelnden Studieninteressenten an.
33Die Einschätzungen des Gesetzgebers hinsichtlich der Sozialverträglichkeit der Einführung von Studiengebühren sei vertretbar. Der Gesetzgeber habe sich - mangels Erfahrungswerten aus Deutschland - auf den derzeitigen Stand der Einsichten stützen können.
34Die Einführung von Studienbeiträgen habe in Australien keine negativen Auswirkungen auf den Zugang Studierwilliger aus einkommensschwachen Familien zu den Hochschulen. In Österreich sei es zwar nach der Einführung von Studiengebühren zunächst zu einem Einbruch der Studiennachfrage von 15 % gekommen. Indes habe die Zahl der Erstzugelassenen wieder einen historischen Höchststand erreicht. Im Studienjahr 2004/2005 habe der prozentuale Anteil der Studienanfänger an einem Jahrgang (annähernd) dem vor Einführung der Studiengebühren erreichten Wert entsprochen. Darüber hinaus sei zu beachten, dass selbst in der Phase des Einbruchs dieser nicht etwa ganz überwiegend Bewerber aus einkommensschwächeren Familien betroffen habe, sondern vielmehr sämtliche Bevölkerungskreise.
35Die von der Klägerin angeführten Äußerungen des Ministers Pinkwart hätten sich auf das Wintersemester 2006/2007, also auf das Semester, zu dem zahlreiche Hochschulen für Studienanfängerinnen und -anfänger Studienbeiträge eingeführt hätten, bezogen. Für diesen Zeitpunkt - und nur für diesen - sei in manchen Bereichen ein leichter Rückgang der Studierendenzahlen denkbar, wie insbesondere die Erfahrungen aus Österreich gezeigt hätten. Da die Einführung allerdings in Nordrhein-Westfalen mit einer längeren Vorlaufzeit erfolgt sei und ihr auch ein komplexeres System an sozialen Komponenten zu Grunde liege als in Österreich, sei ansonsten ein Rückgang nicht zu erwarten. Zudem bleibe zu bedenken, dass ein etwaiger Rückgang der Einschreibungen nicht ohne weiteres auf die Einführung von Studienbeiträgen zurückgeführt werden könne. Weitere Gründe seien die "pro forma"-Einschreibungen zur Überbrückung einer Wartezeit und die Einführung eines örtlichen Numerus clausus an vielen Hochschulen.
36Überdies sei die Einführung von Studienbeiträgen auf Grund des Art. 4 IPwskR zulässig. Die Lage der finanziellen Haushalte auf der einen und die Notwendigkeit zur Qualitätssteigerung der Hochschulausbildung auf der anderen Seite mache die Einführung von Studienbeiträgen notwendig. Bei der Zuweisung von zusätzlichen Finanzmitteln an die Hochschulen aus anderen Bereichen in der erforderlichen Größenordnung würden zwangsläufig diese anderen Angelegenheiten, die vielfach auch im Pakt angesprochene Bereiche beträfen, unterversorgt werden.
37Auch ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG sei nicht gegeben. Das in Art. 12 GG wurzelnde Teilhaberecht sei nicht beeinträchtigt. Schon mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen errichte eine etwaige Verpflichtung zur Zahlung von Studienbeiträgen auch für mittellose Studierende keine unüberwindlichen sozialen Barrieren.
38Auch in seinem abwehrrechtlichen Gehalt werde Art. 12 Abs. 1 GG nicht verletzt. Entgegen den Erwägungen der Klägerin würden die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke erreicht. Es gehe nicht nur um die Nachfragemacht, die die Studierenden qua ihrer Studienortswahl ausüben könnten, sondern primär um die Nachfragemacht, die sie innerhalb der Hochschule allein schon aus dem Grunde ausüben könnten, weil sie Lehrleistungen nachfragen würden, die u.a. auch durch Studienbeiträge finanziert würden. Zudem bestünden auch angesichts flächendeckend eingeführter Zulassungsbeschränkungen hinreichende Möglichkeiten, durch die Wahl des Studienortes wettbewerbliche Elemente in das Hochschulsystem einzubringen. Das geltende Zulassungsrecht lasse es zu, dass mehrere Ortswünsche getroffen werden könnten.
39Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. "Projektionsfläche" für den Gleichheitsgrundsatz sei die jeweilige Hochschule und nicht das Land Nordrhein-Westfalen. Gemäß § 107 Abs. 2 Nr. 4 HG NRW erhebe nicht das Land, sondern die Hochschule Studienbeiträge im Rahmen der Selbstverwaltung.
40Die Erhebung von Studienbeiträgen sei im Übrigen nicht unter Zugrundelegung der "neuen Formel", sondern allein am Gebot willkürfreier Sachgerechtigkeit zu messen. Dieses Gebot sei im vorliegenden Fall nicht verletzt. Der Gesetzgeber habe sich eingehend mit dem Für und Wider der Einführung von Studienbeiträgen auseinandergesetzt und die Ermächtigung zur Einführung mit vernünftigen Erwägungen begründet. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die Erhebung von Studienbeiträgen im freiheitsrechtlich relevanten Bereich erfolge und deshalb nicht allein am Gebot willkürfreier Sachgerechtigkeit gemessen werden könne, liege kein Rechtsverstoß vor. Die Eingriffsintensität von Studienbeiträgen im Umfang von maximal 500,00 EUR sei derart gering, dass eine Differenzierung aus vernünftigen Gründen des Allgemeinwohls zulässig sei. Dabei verfüge die einzelne Hochschule über einen weiten, auf eine reine Evidenzkontrolle beschränkten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum. Mit Beiträgen in dieser Höhe würden die Studierenden nur zu einem geringen Teil zu den Kosten ihrer Ausbildung herangezogen.
41Auch in dem Umstand, dass nach § 21 Abs. 1 StBAG NRW für die erstmalig an einer Hochschule eingeschriebenen Studierenden bereits zum Wintersemester 2006/2007 und für die übrigen Studierenden frühestens zum Sommersemester 2007 Studienbeiträge eingeführt werden könnten, liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Dem Gesetzgeber stünden sachliche Gründe des öffentlichen Interesses zur Seite, die die Differenzierung zwischen Studienanfängerinnen und -anfängern und bereits Studierenden hinreichend rechtfertigen würden. Studienanfängerinnen und -anfänger hätten noch keinerlei Investitionen erbracht. Dies sei bei bereits Studierenden anders. Zudem sei der Gesetzgeber befugt gewesen, das Maß an Schutzwürdigkeit typisierend dergestalt abzubilden, dass er keine graduelle Abstufung zwischen den Studierenden vornehme, sondern zwei Gruppen bilde, nämlich die Studienanfängerinnen und -anfänger auf der einen und die derzeit Studierenden auf der anderen Seite. Eine nach dem Maß des schutzwürdigen Vertrauens abgestufte Einführung der Studienbeiträge würde das öffentliche Interesse unterlaufen, Maßnahmen zur Reduzierung der Hochschulkosten und zur Optimierung der Nutzung der vorhandenen Mittel und Ausbildungskapazitäten und die mit dem Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz NRW verfolgten verhaltenslenkenden und anreizenden Wirkungen möglichst bald zur Geltung zu bringen.
42Den Studienanfängerinnen und -anfängern, denen Vertrauensschutz nicht zuzubilligen sei, stehe mit zehn Monaten ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung, um sich auf die Erhebung von Studienbeiträgen einzustellen. Mangels eines rechtlich relevanten Vertrauensschutzes sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten gewesen, auch für die Studienanfängerinnen und -anfänger eine Beitragspflicht erst zum Sommersemester 2007 zu eröffnen.
43Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
44Entscheidungsgründe:
45Die Klage ist zulässig.
46Statthafte Klageart für das von der Klägerin verfolgte Rückzahlungsbegehren ist die allgemeine Leistungsklage.
47Der im Antragsformular für die Einschreibung von der Beklagten aufgenommene Hinweis, dass ein Beleg über die Einzahlung des Studienbeitrags einzureichen sei, sowie die Beifügung eines Zahlscheins stellt - wie zwischen den Beteiligten unstreitig - keinen anfechtbaren Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG NRW dar.
48Die Klägerin ist auch bei analoger Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO,
49vgl. zur analogen Anwendung der Klagebefugnis im Rahmen der allgemeinen Leistungsklage: Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblatt-Kommentar, Band 1, Baden- Baden, Stand: Januar 2003, § 42 Rn. 362,
50klagebefugt. Es ist nicht nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass sie nach Abtretung der Forderung Inhaberin des von ihr geltend gemachten Anspruchs auf Rückzahlung des Studienbeitrags ist.
51Die Beklagte kann auch nicht geltend machen, die Abtretung stelle nach ihrem tatsächlichen Gehalt eine unzulässige gewillkürte Prozessstandschaft dar.
52Vgl. zum Streit um die gewillkürte Prozessstandschaft: Czybulka, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 2. Auflage, Berlin, Speyer 2006, § 62 Rn. 18 ff.; Happ, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 12. Auflage, München 2006, § 42 Rn. 76; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Auflage, München 2005, Vorb § 40 Rn. 25 und § 42 Rn. 60; von Nicolai, in: Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 14. Auflage, Stuttgart 2004, § 42 Rn. 153.
53Es liegt keine rechtsmissbräuchliche Begründung der Rechtsinhaberschaft vor. Die Abtretung dient nicht allein dem Ziel, die formalen Voraussetzungen für eine Prozessführung zu schaffen, die den Studierenden vorbehalten ist.
54Vgl. zur Verneinung der Klagebefugnis wegen rechtsmissbräuchlicher Begründung einer Eigentümerstellung: BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 10.99 -, BVerwGE 112, 135 (137 f.).
55Vielmehr erfolgt die klageweise Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Zuständigkeit.
56Die Klägerin ist gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 des Hochschulgesetzes in der Fassung des Art. 1 des Hochschulfreiheitsgesetzes vom 31. Oktober 2006 (GV. NRW S. 474) - HG NRW -, § 1 Abs. 2 der Satzung der Studierendenschaft an der Universität Q1. vom 20. Juni 2003 - Studierendenschaftssatzung - eine rechtsfähige Gliedkörperschaft der Hochschule.
57Zu ihren Aufgaben gehört gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 HG NRW, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Studierendenschaftssatzung auch die Wahrnehmung der fachlichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange ihrer Mitglieder. Mit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung des Studienbeitrags verfolgt die Klägerin ein spezifisches Gruppeninteresse der Studierenden an erstmaliger gerichtlicher Klärung der Rechtmäßigkeit der Erhebung von Studienbeiträgen und setzt sich so für die sozialen Belange ihrer Mitglieder ein.
58Vgl. zur Frage des Gruppeninteresses: Horst, in: Leuze/Epping, Hochschulgesetz Nordrhein-Westfalen, Loseblatt-Kommentar, Bielefeld, Stand: Juni 2005, § 72 HG NRW Rn. 42.
59In dem berechtigten Gruppeninteresse an Klärung der erstmaligen Rechtmäßigkeit der Erhebung von Studienbeiträgen findet die Zuständigkeit der Klägerin aber auch ihre Grenze. Über die Führung eines "Musterprozesses" - wie hier - reicht der Aufgabenkreis der Klägerin nicht hinaus.
60Wird die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Zuständigkeit tätig, so wird diese Tätigkeit gemäß Art. 1 § 3 RBerG durch das Rechtsberatungsgesetz nicht berührt.
61Vgl. für die erlaubnisfreie Rechtsberatung der Studierendenschaft: Rennen/Caliebe, RBerG, Kommentar, 3. Auflage, München 2001, RBerG Art. 1 § 3 Rn. 16; Hustädt, Unzulässige Rechtsberatung durch Studentenschaften?, NJW 1988, 473 (474); einschränkend, aber die Rechtsberatung bei Vorliegen eines Gruppeninteresses bejahend: Reich, Die Grenzen anwaltlichen Handelns in einer Studentenschaft, NJW 1987, 1315 (1316).
62Die Klage ist jedoch unbegründet.
63Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des von der Studentin für das Wintersemester 2006/2007 entrichteten Studienbeitrags in Höhe von 500,00 EUR.
64Als Rechtsgrundlage für den Rückzahlungsanspruch kommt nur § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Erhebung von Studienbeiträgen und Hochschulabgaben (Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz - StBAG NRW) vom 21. März 2006 (GVBl. NRW S. 119 (120 ff.), i.V.m. § 21 Abs. 1 GebG NRW in Betracht.
65Die Voraussetzungen dieser Norm sind aber nicht erfüllt.
66Voraussetzung für die Erstattung nach § 21 Abs. 1 GebG NRW ist, dass Kosten überzahlt oder zu Unrecht erhoben wurden. Eine hier allein in Betracht kommende Überzahlung ist nicht gegeben.
67Sie ist nicht bereits anzunehmen, weil auf einen nicht durch Bescheid festgesetzten Anspruch gezahlt wurde.
68Vgl. zu dieser Voraussetzung: Susenberger/Weissauer, GebG NRW, Loseblatt-Kommentar, Wiesbaden, Stand: Dezember 2006, § 21 Anm. 5.
69Abweichend von § 14 Abs. 1 Satz 1 GebG NRW muss der Studienbeitrag nicht durch Bescheid festgesetzt werden. Das kommt in § 7 Abs. 2 StBAG NRW zum Ausdruck, wonach beim Versagen der Zulassung oder der Einschreibung oder bei der Exmatrikulation vor Beginn der Vorlesungszeit ein etwaig erteilter Abgabenbescheid gegenstandslos wird. Die Formulierung "etwaig erteilter" Abgabenbescheid sollte verdeutlichen, dass die Beitragspflicht schon unmittelbar auf Grund der Beitragssatzung selbst entsteht und dass deshalb ein Beitragsbescheid nicht erforderlich ist. Den Hochschulen sollte lediglich die Möglichkeit offen stehen, einen Beitragsbescheid zu erlassen, um so eine bestandskräftige Entscheidung zu erhalten.
70Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie vom 09. März 2006, LT-Drs. 14/1179, S. 7.
71Von überzahlten Kosten ist auch im Übrigen nicht auszugehen. Für das Wintersemester 2006/2007 bestand zu Lasten der den vermeintlichen Rückzahlungsanspruch abtretenden Studentin eine Studienbeitragspflicht in Höhe von 500,00 EUR.
72Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Beitragssatzung der Universität Q1. vom 24. Mai 2006 (AM.Uni.Pb. Nr. 35/06) war die Studentin zur Zahlung eines Studienbeitrags in Höhe von 500,00 EUR bereits zum Wintersemester 2006/2007 verpflichtet.
73Die die Beitragspflicht begründende Beitragssatzung ist auch nicht nichtig.
74Die Beitragssatzung ist formell rechtmäßig. Sie ist vom Senat der Beklagten als zuständigem Organ gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Hochschulgesetzes vom 14. März 2000 (GV. NRW. S. 190), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen vom 21. März 2006 (GV. NRW. S. 119), - HG NRW 2006 - und § 3 Abs. 1 Nr. 6 der Grundordnung der Beklagten vom 15. März 2002 als Satzung in einem Verfahren, gegen das Einwände nicht vorgebracht wurden und in Bezug auf das Fehler auch nicht ersichtlich sind, beschlossen und gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 HG NRW 2006. i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 der Grundordnung der Beklagten bekannt gemacht worden.
75Sie hält sich materiell im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 1 Satz 1 StBAG NRW.
76Das Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz NRW ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig. Ein Verstoß folgt nicht aus Art. 31 GG (hierzu unter 1.). Das Gesetz genügt auch dem Vorbehalt des Gesetzes sowie dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip (hierzu unter 2.). Auch sind die hier maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes mit Art. 12 GG (hierzu unter 3.), Art. 3 GG (hierzu unter 4.) und der bundesstaatlichen Finanzverfassung (hierzu unter 5.) vereinbar.
771. Die Ermächtigung ist nicht bereits gemäß Art. 31 GG wegen entgegenstehenden Bundesrechts nichtig.
78Die Ermächtigung verstößt nicht gegen Art. 13 Abs. 2 lit. c) des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 - IPwskR -, wonach die Vertragsstaaten anerkennen, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung des Rechts eines jeden auf Bildung (Art. 13 Abs. 1 IPwskR) der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss.
79Bei dem für die Bundesrepublik Deutschland am 03. Januar 1976 (BGBl. II S. 428) in Kraft getretenen Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der von der Bundesrepublik Deutschland am 09. Oktober 1968 unterzeichnet und mit Vertragsgesetz vom 23. November 1973 (BGBl. II S. 1569) der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl erteilt worden ist, handelt es sich um gültiges Bundesrecht.
80Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen völkerrechtliche Verträge wie der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dem die Bundesrepublik Deutschland vorbehaltlos beigetreten ist und dem die Bundesländer, für die die Bestimmungen des Paktes nach Art. 28 IPwskR ohne Einschränkungen oder Ausnahmen gelten, zugestimmt haben,
81vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 01. Juni 1973, BT-Drs. 7/658, S. 3, Bericht und Antrag des Auswärtigen Ausschusses vom 17. Oktober 1973, BT-Drs. 7/1093, S. 3,
82im Range eines Bundesgesetzes.
83Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 -, BVerfGE 111, 307 (317); BVerfG, Beschluss vom 19. September 2006 - 2 BvR 2115/01 u. 2 BvR 2132/01, 2 BvR 348/03 -, NJW 2007, 499 (501).
84Die Auslegung des Art. 13 Abs. 2 lit. c) IPwskR entsprechend den Artikeln 31 bis 33 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, dem durch Gesetz vom 03. August 1985 (BGBl. II S. 926) der Rechtsanwendungsbefehl erteilt wurde,
85vgl. zur Auslegung nach dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge: Gebert, Das Recht auf Bildung nach Art. 13 des UNO- Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, St. Gallen 1996, S. 35 ff.; Kirchhof, Verfassungsrechtlicher Schutz der Menschenrechte: Konkurrenz oder Ergänzung?, EuGRZ 1994, 16 (27),
86und unter Berücksichtigung der Allgemeinen Bemerkungen des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte,
87vgl. zu den Allgemeinen Bemerkungen als interpretative Richtlinien und Auslegungshilfe: Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte: eine Interpretation von Art. 2 Abs. 1 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Stuttgart, München, Hannover, Berlin, Weimar, Dresden 2000, S. 97 f.; Schneider, Die Justiziabilität wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte auf internationaler Ebene, Berlin 2004, S. 13,
88führt zu der Annahme einer verbindlichen und von den Gerichten unmittelbar anwendbaren Rechtsnorm.
89Bei Art. 13 Abs. 2 lit. c) IPwskR handelt es sich um eine bindende Staatenverpflichtung und nicht bloß um einen Programmsatz, eine politische Richtlinie oder eine moralische Bestrebung ohne normativen Gehalt.
90Vgl. den Rechtscharakter des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bejahend: Echterhölter, Der Internationale Pakt der Vereinten Nationen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Bundesarbeitsblatt 1973, 496; Haug, Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Einführung von Studiengebühren, WissR 33 (2000), 1 (6 - Fn. 23 -); Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte: eine Interpretation von Art. 2 Abs. 1 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Stuttgart, München, Hannover, Berlin, Weimar, Dresden 2000, S. 91; Krennerich/Stamminger, Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte: Die Interpretation ist nicht beliebig!, 2004, S. 11; Lorenzmeier, Völkerrechtswidrigkeit der Einführung von Studienbeiträgen und deren Auswirkung auf die deutsche Rechtsordnung, NVwZ 2006, 759; Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band V, Allgemeine Grundrechtslehren, 2. Auflage, Heidelberg 2000, § 112 Rn. 54; Riedel, Gutachten zur Vereinbarkeit von allgemeinen Studiengebühren mit dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, S. 5 ff.; Riedel/Söllner, Studiengebühren im Lichte des UN-Sozialpakts, JZ 2006, 270 (275); Simma, Die "vergessenen Rechte": Bemühungen zur Stärkung des VN-Sozialpakts, in: Ruland u.a., Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats: Festschrift für Hans F. Zacher zum 70. Geburtstag, Heidelberg 1998, S. 867 (872); Simma/Bennigsen, Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Völkerrecht, in: Baur/Hopt/Mailänder, Festschrift für Ernst Steindorff zum 70. Geburtstag am 13. März 1990, Berlin, New York 1990, S. 1477 (1488 f.); Tomuschat, Die Bundesrepublik Deutschland und die Menschenrechtspakte des Vereinten Nationen, Vereinte Nationen 1/78, 1; Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 01. Juni 1973, BT-Drs. 7/658, S. 18.
91Hierfür spricht bereits der Wortlaut des Art. 13 Abs. 2 lit. c) IPwskR, wo von der vollen Verwirklichung des Rechts auf Bildung die Rede ist und wonach der Hochschulunterricht jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss.
92Auch die Entstehungsgeschichte des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte spricht für den verbindlichen Charakter des Art. 13 Abs. 2 lit. c) IPwskR. Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und der Internationale Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte wurden aus dem deklaratorischen Menschenrechtskatalog der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 abgeleitet, in dem die bürgerlichen und politischen Rechte und die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte gleichberechtigt nebeneinander stehen.
93Vgl. Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, Kehl am Rhein, Straßburg, Arlington 1989, S. XV Rn. 2; Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, 2. Auflage, Bonn 1991, S. 95 f.; vertiefend: Riedel, Gutachten zur Vereinbarkeit von allgemeinen Studiengebühren mit dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, S. 6.
94Der Eigenschaft als verbindliche Rechtsnorm steht nicht entgegen, dass die Rechtsverwirklichung gemäß Art. 2 Abs. 1 IPwskR lediglich nach und nach erfolgen soll, und Art. 13 Abs. 2 lit. c) IPwskR lediglich die allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts vorsieht. Mit der darin zum Ausdruck kommenden progressiven Verwirklichung der Rechte des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sollte den Vertragsstaaten die Sorge vor Völkerrechtsverstößen wegen wirtschaftlichen Unvermögens genommen werden. Die Rechtspflicht der Vertragsstaaten zur progressiven Rechtsverwirklichung wird hiervon indes nicht berührt.
95Vgl. Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte: eine Interpretation von Art. 2 Abs. 1 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Stuttgart, München, Hannover, Berlin, Weimar, Dresden 2000, S. 105; Krennerich/Stamminger, Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte: Die Interpretation ist nicht beliebig!, 2004, S. 13; Riedel, Gutachten zur Vereinbarkeit von allgemeinen Studiengebühren mit dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, S. 7.
96Der verbindliche Charakter des Art. 13 Abs. 2 lit. c) IPwskR ist dabei nicht auf die Verpflichtung, den Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise jedermann entsprechend seiner Fähigkeiten zugänglich zu machen, begrenzt. Vielmehr beinhaltet die Verpflichtung ihrem Wortlaut nach die allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts.
97Vgl. unter Hinweis auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte: Riedel, Gutachten zur Vereinbarkeit von allgemeinen Studiengebühren mit dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, S. 15 f.; Riedel/Söllner, Studiengebühren im Lichte des UN-Sozialpakts, JZ 2006, 270 (272 f.); a.A. Schweizer Bundesgericht, Urteil vom 11. Februar 1994, BGE 120 IA 1, S. 13.
98Art. 13 Abs. 2 lit. c) IPwskR stellt auch unmittelbar anwendbares Recht dar.
99Vgl. die unmittelbare Anwendung des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Allgemeinen verneinend: Bleckmann, Staatsrecht, 2. Die Grundrechte, 4. Auflage 1997, S. 71 (mit schlichtem Hinweis auf den unbestimmten Charakter des Pakts); Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Auflage, München 2002, S. 398; Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, 3. Auflage, Berlin 2004, S. 215 (unter Hinweis auf die Ressourcenabhängigkeit des Rechts); Hofmann, Die Grundrechte 1789 - 1949 - 1989, NJW 1989, 3177 (3187) (unter Hinweis auf die Ressourcenabhängigkeit des Rechts); dies kritisierend und eine differenzierte Betrachtung fordernd: Ausschuss für wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte, Allgemeine Bemerkung 9 vom 03. Dezember 1998 - E/C.12/1998/24 - (unter: C.11).
100Die Vorschrift ist nach Inhalt, Zweck und Fassung so bestimmt, dass zu seiner Ausführung keine weiteren Akte erforderlich sind. Sie vermag wie eine innerstaatliche Gesetzesvorschrift rechtliche Wirkungen auszulösen.
101Vgl. zur unmittelbaren Anwendung von Vertragsbestimmungen: BVerwG, Beschluss vom 05. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 33.06 -, Juris; Kirchhof, Verfassungsrechtlicher Schutz der Menschenrechte: Konkurrenz oder Ergänzung?, EuGRZ 1994, 16 (27); Klee, Die progressive Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte: eine Interpretation von Art. 2 Abs. 1 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Stuttgart, München, Hannover, Berlin, Weimar, Dresden 2000, S. 92; Streintz, in: Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 2. Auflage, München 1999, Art. 59 Rn. 68.
102Zwar ist die unmittelbare Anwendbarkeit zweifelhaft, soweit die Verpflichtung der Vertragsstaaten zur allmählichen Einführung der Unentgeltlichkeit der Hochschulbildung in Rede steht, weil die progressive Rechtsentwicklung im Ermessen des Vertragsstaates liegende Maßnahmen voraussetzt.
103Vorliegend steht jedoch nicht die progressive, sondern die grundsätzlich unzulässige regressive Rechtsentwicklung in Rede, weil es um die (Wieder- )Einführung von Studienabgaben geht, nachdem diese in der Bundesrepublik Deutschland bereits im Jahr 1970 abgeschafft worden sind.
104Vgl. Becker/Fenge, Gerechtigkeit und Effizienz nachgelagerter Studiengebühren, ifo-Schnelldienst 2/2006, S. 16 (18).
105Es ist somit zwar einerseits festzustellen, dass die (Wieder-)Einführung von Studienabgaben mit dem Verbot regressiver Schritte grundsätzlich unvereinbar ist. Doch ist andererseits auch festzustellen, dass nach der Festlegung des Vertragstextes im Jahr 1966 mehrere Staaten Studiengebühren eingeführt haben, so unter anderem Australien (1989), England (1998), Neuseeland (1992) und Österreich (2001), ohne dass sie selbst einen Vertragsverstoß angenommen haben oder die Erhebung von Studiengebühren vom Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ausdrücklich als Vertragsverletzung bezeichnet worden ist.
106Vgl. zu Australien: Ausschuss für soziale und kulturelle Rechte, Schlussfolgerungen vom 03. Juni 1993 - E/C.12/1993/9 - und vom 01. September 2000 - E.C.12/1/Add.50 -; zu England: Ausschuss für soziale und kulturelle Rechte, Schlussfolgerungen vom 05. Juni 2002 - E/C.12/1/Add.79 -; zu Neuseeland: Ausschuss für soziale und kulturelle Rechte, Schlussfolgerungen vom 23. Mai 2003 - E.C.12/1/Add.88 -; zu Österreich: Ausschuss für soziale und kulturelle Rechte, Schlussfolgerungen vom 25. Januar 2006 - E/C.12/AUT/CO/3 -.
107Das beruhte zum einen darauf, dass die Staaten auf die Finanzierungsmöglichkeiten durch Studiengebühren nicht verzichten wollten, zum anderen auf der Erkenntnis, dass das Verbot der Erhebung von Studiengebühren nicht der "Königsweg" ist, um einen chancengleichen Hochschulzugang zu erreichen. Anders nämlich als im Bereich der Primärbildung spielen moderate Bildungsabgaben im tertiären Bildungsbereich eine untergeordnete Rolle. Während die eine Grundschule besuchenden Schüler auf Grund ihres Alters in aller Regel bei ihren Eltern leben und von diesen versorgt werden, sodass die Erhebung eines Schulgeldes für den Besuch der Grundschule gerade finanzschwache Eltern, vornehmlich in Entwicklungsländern, davon abhält, ihren Kindern die notwendige Grundbildung zu ermöglichen, stehen bei den in der Regel nicht mehr in der Familie lebenden Studierenden die allgemeinen Lebenshaltungskosten im Vordergrund, die in der Regel ein Vielfaches moderater Hochschulabgaben ausmachen, sodass von staatlicher oder privater Seite erfolgende Leistungen zur Sicherung der Lebenshaltungskosten, wie zum Beispiel Stipendien oder Leistungen nach dem Budesausbildungsförderungsgesetz, eine weit höhere Bedeutung zukommt als etwa Hochschulabgaben.
108Angesichts dessen bildet nicht der Wortlaut die Grenze des Verständnisses der Vertragsbestimmung. Vielmehr ist, wie schon das Bundesverfassungsgericht auch mit Blick auf Art. 13 Abs. 2 lit. c) IPwskR angenommen hat,
109vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Januar 2005 - 2 BvF 1/03 -, BVerfGE 112, 226 (245),
110Art. 13 Abs. 2 lit. c) IPwskR im Wege der teleologischen Reduktion einschränkend dahin auszulegen, dass die Erhebung eines Entgelts für den Hochschulunterricht zulässig ist, wenn gewährleistet ist, dass jeder nach seinen Fähigkeiten unabhängig von seiner sozialen Herkunft und seinen finanziellen Möglichkeiten einen chancengleichen Zugang zur Hochschulbildung hat.
111Vgl. über die vorgenannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinaus: auf ein Studiengebührensystem abstellend, das den Studierenden ohne die geringste Ausnahme - auch hinsichtlich der sozialen Herkunft - diskriminierungsfreien Zugang zum Hochschulstudium ermöglicht und bei dem eine sozialspezifische Abschreckung, insbesondere eine prohibitive Wirkung auf potentielle Studienanfänger aus finanzschwachen Familien auszuschließen ist: Riedel, Gutachten zur Vereinbarkeit von allgemeinen Studiengebühren mit dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, S. 17 und 19; Riedel/Söllner, Studiengebühren im Lichte des UN- Sozialpakts, JZ 2006, 270 (273); unter Hinweis auf Riedel ebenso: Pieroth/Hartmann, Studienbeitragsdarlehen am Maßstab höherrangigen Rechts, NWVBl. 2007, 81 (82); Gebührenerhöhungen, also regressive Schritte nur als paktkonform ansehend, wenn gleichzeitig flankierende und kompensierende Maßnahmen das erreichte Niveau der Allgemeinzugänglichkeit insgesamt sicherstellen oder sogar verbessern: Gebert, Das Recht auf Bildung nach Art. 13 des UNO-Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, St. Gallen 1996, S. 458.
112Die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion in dem vorgenannten Sinn,
113vgl. zur teleologischen Auslegung als einer anerkannten und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsmethode: BVerfG, Beschluss vom 19 Juni 1973 - 1 BvL 39/69, 14/72 - BVerfGE 35, 263 (279 f.); BVerfG, Beschluss vom 30. März 1993 - 1 BvR 1045/89, 1381/90, 1 BvL 11/90 - BVerfGE 88, 145 (167); BVerfG, Beschluss vom 07. April 1997 - 1 BvL 11/96 -, NJW 1997, 2230 (2230 f.); BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2004 - 1 BvR 737/00 -, NJW 2004, 2662,
114sind gegeben.
115Der teleologischen Auslegung liegt die Vorstellung zu Grunde, dass der Richter am Wortlaut einer Norm nicht Halt zu machen braucht. Seine Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG) bedeutet nicht Bindung an dessen Buchstaben mit dem Zwang zur wörtlichen Auslegung, sondern Gebundensein an Sinn und Zweck des Gesetzes.
116Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2004 - 1 BvR 737/00 -, NJW 2004, 2662.
117Die im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ausgesprochene Verpflichtung zur allmählichen Einführung von Studiengebühren sollte einen chancengleichen Zugang zur Hochschulbildung ermöglichen. Wird diese Zielsetzung auf anderem Wege erreicht, entfällt die Notwendigkeit dieses Ziel durch die Unentgeltlichkeit der Hochschulbildung anzustreben.
118Dass die Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts seinerzeit von den Vertragsstaaten als ein wesentliches Instrument zur Erreichung des Ziels, einen chancengleichen Hochschulzugang zu eröffnen, verstanden wurde, steht dem nicht entgegen.
119Zum einen zählt die Unentgeltlichkeit der Hochschulbildung nicht zum Kernbereich des Rechts auf Bildung.
120Vgl. Riedel, Gutachten zur Vereinbarkeit von allgemeinen Studiengebühren mit dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, S. 11; Riedel/Söllner, Studiengebühren im Lichte des UN-Sozialpakts, JZ 2006, 270 (273).
121Zum anderen legt der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Staatenberichtsverfahren die Vorschrift gleichfalls in dem hier verstandenen Sinn aus.
122Der Ausschuss ist zwar in seiner Allgemeinen Bemerkung 13 vom 08. Dezember 1999 - E/C.12/1999/10 - unter Nr. 6 noch von einer uneingeschränkten Staatenpflicht ausgegangen. Auch hat er im Anschluss an den 3. Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland vom 11. Januar 2000 - E/C12/4/Add.3 - unter Nr. 29 seiner Schlussfolgerungen vom 31. August 2001 - E/C.12/1/Add.68 - seine Besorgnis ausgedrückt, dass mehrere Bundesländer sich von dem Grundsatz der kostenlosen weiterführenden Schulbildung entfernt haben, die in einigen Fällen zur Deckung der Verwaltungskosten der Bundesländer und nicht zur Ausgabendeckung der Universitäten verwendet wurden, und unter Nr. 47 dieser Schlussfolgerungen der Regierung Deutschlands empfohlen, in den nationalen Regelungen für weiterführende Bildung eine Senkung der Studiengebühren einzuführen, mit dem Ziel diese abzuschaffen.
123Er hat jedoch bereits zuvor in seinen Schlussfolgerungen vom 10. Dezember 1998 - E/C.12/1/Add.31 - nach dem 3. Staatenbericht Kanadas die Regierung unter Nr. 49 lediglich gedrängt, ein ausreichendes Programm zu entwickeln und auszubauen, mit dem den finanziellen Schwierigkeiten für gering verdienende Studierende im Bereich der Tertiärbildung begegnet wird.
124Im Anschluss an den 4. Staatenbericht Großbritanniens fordert er in seinen Schlussfolgerungen vom 05. Juni 2002 - E/C.12/1/Add.79 - die Regierung unter Nr. 41 auch nur dringend auf, effektive Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass die Einführung von Studiengebühren und Studierendendarlehen keine negativen Auswirkungen auf Studierende mit einem weniger privilegierten Hintergrund haben.
125Zuletzt hat der Ausschuss im Anschluss an den 3. Staatenbericht Österreichs, das im Jahr 2001 für Studierende Studienbeiträge eingeführt hat, deren Höhe sich auf 363,36 EUR pro Semester belaufen, in seinen Schlussfolgerungen vom 25. Januar 2006 - E/C.12/AUT/CO/3 - unter Nr. 17 zwar seine Besorgnis über die Einführung von Studiengebühren und die damit im Zusammenhang stehende Abnahme der Zahl von Erstsemester-Studierenden zum Ausdruck gebracht. Er hat die Regierung unter Nr. 31 seiner Schlussbemerkungen jedoch nur ermahnt, mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, insbesondere durch ein ausgedehntes System angemessener Studienunterstützung, sicherzustellen, dass Bewerber von Familien mit niedrigem Einkommen den gleichen Zugang zur Hochschulbildung haben wie Bewerber von Familien mit höherem Einkommen.
126Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, mit dem Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz NRW vorgesehene Studienbeitragsmodell der aus Art. 13 Abs. 2 lit. c) IPwskR lediglich fließenden Verpflichtung, den Hochschulzugang jedem entsprechend seinen Fähigkeiten unabhängig von seiner sozialen Herkunft und seinen sozialen Verhältnissen zu eröffnen, angemessen Rechnung getragen zu haben.
127Vgl. auf die angemessene Berücksichtigung der Belange einkommensschwacher Bevölkerungskreise abstellend: BVerfG, Urteil vom 26. Januar 2005 - 2 BvF 1/03 -, BVerfGE 112, 226 (245).
128In dem Studienbeitragsmodell des nordrhein-westfälischen Gesetzgebers sind soziale Komponenten enthalten (hierzu unter a)). Auch hat sich der Gesetzgeber innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraum gehalten und von der ihm zustehenden Einschätzungsprärogative in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht (hierzu unter b)).
129a) Zwar stellt die nach dem Gesetz mögliche Erhebung eines Studienbeitrags in Höhe von 500,00 EUR pro Semester für Studierende neben der gleichzeitigen Erhebung von Abgaben für die Studierendenschaft und für das Studierendenwerk, die sich bei der Beklagten im Wintersemester 2006/2007 auf 137,91 EUR beliefen, eine deutliche Mehrbelastung dar. Denn der halbjährlichen Abgabenlast steht nach der Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks und der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen - allerdings bezogen auf das Jahr 2003 - bei 27 % der Studierenden lediglich ein monatliches Einkommen unter 600,00 EUR und bei weiteren 19 % lediglich ein Einkommen bis zu 700,00 EUR gegenüber. 50 % der Studierenden verfügten der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks und der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen zufolge im Jahr 2003 zudem über weniger als 720,00 EUR monatlich.
130Vgl. Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks (DSW) und der Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 2006, LT- Stellungnahme 14/0086, S. 4; BMBF, Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2003, 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, Berlin 2004, S. 11.
131Danach beträgt der monatliche Anteil des maximal möglichen Studienbeitrags von 83,33 EUR an den finanziell schwächeren Studierenden zur Verfügung stehenden Budgets bereits 11,5 bis 14 %.
132Der Gesetzgeber hat aber die besondere finanzielle Situation der Studierenden berücksichtigt, indem er mit § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StBAG NRW jedem Studienbewerber, der zu dem in § 8 Abs. 1 und 2 BAföG genannten Personenkreis zählt und die weiteren Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 StBAG NRW erfüllt, unabhängig von seiner Bonität, einen Anspruch gegen die NRW.Bank auf Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages über ein Darlehen eingeräumt hat, mit dem die Entrichtung der Studienbeiträge sichergestellt werden kann, sodass in der Regel kein Studierender von einem zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss führenden Studium absehen muss, weil er keine Finanzierungsmöglichkeit hat.
133Eine finanzielle Mehrbelastung während der Zeit des Studiums wird in der Regel dadurch verhindert, dass das Darlehen gemäß § 13 Satz 1 StBAG NRW frühestens zwei Jahre nach erfolgreichem Abschluss und spätestens elf Jahre nach Aufnahme des Studiums zurückzuzahlen ist.
134Zudem hat der Gesetzgeber mit der Regelung in § 8 StBAG NRW umfangreiche Ausnahmen und Befreiungen vorgesehen um besonderen Lebenslagen Studierender während des Studiums Rechnung zu tragen. Insbesondere sieht § 8 Abs. 3 StBAG NRW auf Antrag die Gewährung einer Befreiung oder Ermäßigung für 1. die Pflege und Erziehung von minderjährigen Kindern im Sinne des § 25 Abs. 5 BAföG, höchstens jedoch für drei Semester der Beitragspflicht in Höhe bis zum vollen Studienbeitrag, 2. die Mitwirkung als gewählte Vertreterin oder gewählter Vertreter in Organen der Hochschule, der Studierendenschaft, der Fachschaften der Studierendenschaft oder der Studentenwerke, höchstens jedoch für zwei Semester der Beitragspflicht in Höhe bis zum vollen Studienbeitrag, 3. die Wahrnehmung des Amtes der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, höchstens jedoch für zwei Semester der Beitragspflicht in Höhe bis zum vollen Studienbeitrag, 4. die studienzeitverlängernden Auswirkungen einer Behinderung oder einer schweren Erkrankung vor.
135Auch für die Zeit nach Abschluss des Studiums hat der Gesetzgeber Regelungen vorgesehen, die sicherstellen, dass Empfänger des Studienbeitragsdarlehens dieses nur im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten bedienen müssen.
136Mit der Verschiebung der Rückzahlungsverpflichtung (§ 13 Satz 1 StBAG NRW) auf den Zeitpunkt von zwei Jahren nach Abschluss des Studiums, spätestens elf Jahre nach Aufnahme des Studiums, hat er dem Umstand Rechnung getragen, dass Hochschulabsolventinnen und -absolventen nicht unbedingt unmittelbar im Anschluss an ihr Studium ein genügendes Auskommen haben und die besondere Situation von Studienabbrechern berücksichtigt, die in der Regel ein geringeres Einkommen als Hochschulabsolventinnen und -absolventen zu erwarten haben.
137§ 14 StBAG NRW sieht weiter vor, dass die Darlehensnehmerin oder der Darlehensnehmer auf Antrag von der Verpflichtung freigestellt werden kann, soweit ihr oder ihm nach Maßgabe des § 11 der Studienbeitrags- und Hochschulabgabenverordnung - StBAG-VO NRW - vom 06. April 2006 (GV. NRW. S. 157), zuletzt geändert durch Verordnung vom 14. Juni 2006 (GV. NRW. S. 340), auf Grund eines zu geringen Einkommens eine Rückzahlung nicht zugemutet werden kann oder solange sie oder er Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhält oder solche Leistungen nur deshalb nicht in Anspruch nimmt, weil ihr oder sein Studium durch ein Studienstipendium finanziert wird. Dabei steht die Freistellung trotz der Formulierung "kann" in § 14 Abs. 1 StBAG NRW und in § 11 AbS. 1 Satz 1 StBAG-VO NRW nicht im Ermessen der über die Freistellung entscheidenden Stelle. Hiergegen spricht § 14 Abs. 2 StBAG NRW, wonach die Antragstellerin oder der Antragsteller unter dort näher bezeichneten Voraussetzungen "ebenfalls freizustellen ist". Von einer bindenden Freistellung ist auch der Gesetzgeber ausgegangen. In der Begründung des Gesetzentwurfes führt er aus, dass Hochschulabsolventinnen und -absolventen, die aus welchen Gründen auch immer nach Abschluss ihres Studiums keiner auskömmlichen Erwerbstätigkeit nachgehen können oder nicht in sonstiger Weise über Einkünfte verfügen, von der Verpflichtung zur Rückzahlung der aufgenommenen Studienbeitragsdarlehen solange befreit sind, wie ihre wirtschaftliche Notlage andauert. Zudem wollte der Gesetzgeber die Regelung an § 18 a BAföG anlehnen, wonach der Darlehensnehmer von der Verpflichtung zur Rückzahlung auf Antrag freizustellen ist, soweit sein Einkommen monatlich den Betrag von 960,00 EUR nicht übersteigt.
138Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 25. November 2005, LT-Drs. 14/725, S. 49 f.
139Überdies eröffnet § 13 Satz 1 StBAG NRW die Möglichkeit, zur Darlehensrückzahlung in monatlichen Raten von mindestens 50,00 EUR. Damit wird der Sorge Studierender entgegengetreten, der Rückzahlungsverpflichtung trotz Überschreitung eines Mindesteinkommens nicht nachkommen zu können.
140Zudem wird in § 15 StBAG NRW die Summe der nach § 17 Abs. 2 BAföG als Darlehen geleisteten Ausbildungsförderung und des gewährten Studienbeitragsdarlehens einschließlich der Zinsen, die bis zum Rückzahlungszeitpunkt angefallen sind, auf einen Höchstbetrag begrenzt, der sich aus der Anzahl der Semester, für die ein Studienbeitragsdarlehen gewährt worden ist, multipliziert mit dem Betrag von 1.000,00 EUR, errechnet, und höchstens 10.000,00 EUR beträgt.
141Diese Regelung hat zur Folge, dass von den Studierenden, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten, ca. 63 %, nämlich diejenigen, deren Förderung mindestens 333,00 EUR monatlich beträgt, von den Studienbeiträgen nachträglich frei werden. Für weitere ca. 23 % kommt es zumindest zu einer mehr oder minder starken Entlastung.
142Auch für jene, die nicht unter den besonders schutzwürdigen Teil der finanziell schwächsten Studierenden fallen, ist mit der Deckelung der Darlehenslast auf 10.000,00 EUR die Höhe der Verschuldung weitgehend begrenzt. Zwar können über den Betrag von 10.000,00 EUR weitere Zinsen auflaufen, da die Deckelung gemäß § 15 Abs. 1 StBAG NRW nur die bis zum Rückzahlungszeitpunkt im Sinne des § 13 Satz 1 StBAG NRW angefallenen Zinsen erfasst. Der Höchstbetrag von 10.000,00 EUR wird unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 5,9 % aber erst überschritten, wenn ein Darlehen von 500,00 EUR pro Semester über mindestens elf Semester in Anspruch genommen wurde und später in Raten von lediglich 50,00 EUR zurückgezahlt wird.
143b) Die Entscheidung des Gesetzgebers, den chancengleichen Zugang zur Hochschulbildung in der vorgenannten Weise sicherzustellen, kann von den Gerichten nur eingeschränkt überprüft werden. Es gibt nicht nur ein Konzept zur Wahrung des chancengleichen Hochschulzugangs. Vielmehr folgt aus der Vielzahl der möglichen Optionen ein weiter Gestaltungsraum. Für die Wahl zwischen mehreren geeigneten Wegen zum Regelungsziel besitzt der Gesetzgeber die Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative.
144Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2002 - 2 BvR 2175/01 - DVBl. 2002, 836 (836 f.); allgemein zum Umfang des Einschätzungsspielraums: Raabe, Grundrechte und Erkenntnis: Der Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, 1. Auflage, Baden-Baden 1998, S. 389.
145Im einzelnen hängt die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers von Faktoren verschiedener Art ab, im Besonderen von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter.
146Vgl. BVerfG, Urteil vom 01. März 1979 - 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 -, BVerfGE 50, 290 (332 f.).
147In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist der Gesetzgeber gehalten, die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen auszuschöpfen, um die voraussichtlichen Auswirkungen seiner Regelung so zuverlässig wie möglich abschätzen zu können und einen Rechtsverstoß zu vermeiden.
148Vgl. BVerfG, Urteil vom 01. März 1979 - 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 -, BVerfGE 50, 290 (333 f.).
149Dem ist der Gesetzgeber gerecht geworden. Er hat sich mit der Frage des chancengleichen Zugangs zum Hochschulstudium, insbesondere für finanziell schwache Studierende, eingehend beschäftigt. Er hat sich in einer Anhörung des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie am 26. Januar 2006 mit den sachverständigen Stellungnahmen auseinandergesetzt,
150vgl. Landtag NRW, Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Protokoll der 6. Sitzung am 26. Januar 2006, APr. 14/110,
151und mit dem von ihm entwickelten Regelungsmodell gerade sicherstellen wollen, dass Studienbeiträge nicht sozial abschreckend wirken.
152Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 25. November 2005, LT-Drs. 14/725, S. 2, 30, 46 und 50.
153Die vom Gesetzgeber vorgenommene Einschätzung erweist sich auch nicht vor dem Hintergrund vorhandener nationaler und internationaler Erkenntnisse als offensichtlich fehlerhaft.
154Zwar kommt es in den Vereinigten Staaten zu einer Verdrängung finanziell schlechter gestellter Studierenden von den hohe Studiengebühren fordernden Privatuniversitäten zu den günstigeren Colleges. Eine Abmilderung des von Studiengebühren ausgehenden Drucks erfolgt aber anders als nach dem vom nordrhein-westfälischen Gesetzgeber vorgesehenen Modell nur für Qualifizierte und jene, welche Finanzmittel einsetzen oder steuerliche Abzugsmöglichkeiten nutzen können.
155Vgl. Nagel, Studiengebühren und ihre sozialen Auswirkungen, Baden- Baden 2003, S. 51; Strate, Studiengebühren - Analyse der sozialen Auswirkungen am Beispiel der Gebührenmodelle ausgewählter Staaten - Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 2004, S. 14 f.
156Auch die Erfahrungen in Australien lassen keine sicheren Rückschlüsse auf die Auswirkungen des nordrhein-westfälischen Studienbeitragsmodells zu. So werden schon die sozioökonomischen Auswirkungen des HECS-Modells (Higher Education Contribution Scheme) in Australien unterschiedlich beurteilt.
157Vgl. einen nachteiligen Effekt von HECS verneinend: Andrews, Does HECS Deter?, Occasional Paper Series, Higher Education Division, Department of Education, Training an Youth Affairs, August 1999, S. 25; Chapman, Conceptual issues and the Australian experience with income contingent charges for higher education, The Economic Journal 107 (1997), 738 (749); kritisch: Lang, Internationale Erfahrungen zur sozialen Absicherung von Studiengebühren. Was kann Deutschland lernen?, RdJB 2005, 384 (387); Nagel, Studiengebühren und ihre sozialen Auswirkungen, Baden-Baden 2003, S. 55 f.; National Board of Employment, Education and Training, Assessment of the Impact of the Higher Education Contribution Scheme on the Potentially Disadvantaged, Commission Report No. 15, Canbarra 1992, S. 47.
158Hinzukommt, dass das HECS-Modell, abweichend von dem Modell des nordrhein-westfälischen Gesetzgebers, eine einkommensabhängige Rückzahlung eines lediglich mit der Inflationsrate indexierten Darlehens nach Abschluss des Studiums vorsieht.
159Vgl. Nagel, Studiengebühren und ihre sozialen Auswirkungen, Baden- Baden 2003, S. 52 ff.; Strate, Studiengebühren - Analyse der sozialen Auswirkungen am Beispiel der Gebührenmodelle ausgewählter Staaten - Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 2004, S. 18 f.
160Die Erfahrungen in England und Schottland zeigen zwar, dass die Wachstumsrate bei den Einschreibungen an schottischen Hochschulen wegen besserer Zuschuss- und Darlehensbedingungen sowie des Umstandes, das die Schotten Studiengebühren erst nach dem Studium zahlen müssen, besser sind als an englischen Hochschulen.
161Vgl. Nagel, Studiengebühren und ihre sozialen Auswirkungen, Baden- Baden 2003, S. 58 ff. und 76; Strate, Studiengebühren - Analyse der sozialen Auswirkungen am Beispiel der Gebührenmodelle ausgewählter Staaten - Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 2004, S. 34.
162Belastbare Zahlen zu den Studiengebühren und ihren Auswirkungen auf finanziell schwächere Studierende liegen jedoch nicht vor.
163Vgl. die Möglichkeit einer abschließenden Einschätzung vor dem Hintergrund der Neugestaltung im Jahr 2006 verneinend: Lang, Internationale Erfahrungen zur sozialen Absicherung von Studiengebühren. Was kann Deutschland lernen?, RdJB 2005, 384 (391).
164Auch der nach der Einführung von Studiengebühren in Österreich erfolgte Rückgang der Zahl aller Studierenden um 19,5 % und der Zahl der Studienbewerber um 14,9 %,
165vgl. Lang, Internationale Erfahrungen zur sozialen Absicherung von Studiengebühren. Was kann Deutschland lernen?, RdJB 2005, 384 (392); Nagel, Studiengebühren und ihre sozialen Auswirkungen, Baden-Baden 2003, S. 62; Strate, Studiengebühren - Analyse der sozialen Auswirkungen am Beispiel der Gebührenmodelle ausgewählter Staaten - Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 2004, S. 37,
166lässt keine sicheren Rückschlüsse darauf zu, ob der Hochschulzugang finanziell schwächerer Studierender durch die Erhebung von Studienbeiträgen trotz flankierender Maßnahmen erschwert wird.
167Der anfängliche Rückgang der Studierendenzahlen ist voraussichtlich auch auf das Ausscheiden nicht aktiv Studierender sowie darauf zurückzuführen, dass Studienanfänger über die flankierenden Maßnahmen schlecht informiert waren.
168Vgl. Lang, Internationale Erfahrungen zur sozialen Absicherung von Studiengebühren. Was kann Deutschland lernen?, RdJB 2005, 384 (392); Nagel, Studiengebühren und ihre sozialen Auswirkungen, Baden-Baden 2003, S. 62; Strate, Studiengebühren - Analyse der sozialen Auswirkungen am Beispiel der Gebührenmodelle ausgewählter Staaten - Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 2004, S. 37.
169Nach Einführung der Studienbeiträge konnte zudem nicht festgestellt werden, dass sich die soziale Zusammensetzung der Erstzugelassenen auf Grund der Erhebung von Studienbeiträgen verändert hat. Es war lediglich zu beobachten, dass finanziell schlechter gestellte Studierende häufiger an Abbruch gedacht haben und dies häufiger mit der Erhebung von Studienbeiträgen begründeten. Handlungsebene und Einstellungsebene wichen somit in Österreich voneinander ab.
170Vgl. Kolland, Auswirkungen der Einführung von Studienbeiträgen auf die Studienbeteiligung und das Studierverhalten, Endbericht, Wien 2002, S. 95 f.
171Konkrete Zahlen über "schichtspezifische Anpassungsreaktionen" liegen - soweit ersichtlich - nur insoweit vor, als Studierende aus unteren sozialen Schichten deutlich häufiger einen höheren finanziellen Druck verspüren und entsprechend häufiger einen eingeschränkten Lebensstandard in Kauf nehmen müssen.
172Vgl. Wroblewski/Unger, Studierenden-Sozialerhebung 2002, Endbericht, Wien 2003, S. 201.
173In den Niederlanden haben Studiengebühren möglicherweise wegen ihrer allmählichen Einführung, guter Stipendien- und Darlehensbedingungen sowie guter Hinzuverdienstmöglichkeiten keinen abschreckenden Effekt auf Studierende und Studienbewerber gehabt.
174Vgl. Nagel, Studiengebühren und ihre sozialen Auswirkungen, Baden- Baden 2003, S. 65.
175Auch Erhebungen in Deutschland lassen keine sichere Beurteilung der Auswirkungen der Erhebung von Studienbeiträgen in Nordrhein-Westfalen zu.
176Zwar fühlten sich 25 % im Fall der Einführung von Studiengebühren finanziell überfordert. Bei den Studienberechtigten mit nichtakademischer Bildungsherkunft gaben gar 27 % der Studienberechtigten an, von einem Studium abzusehen, weil die Einführung von Studiengebühren ihre finanziellen Möglichkeiten übersteige.
177Vgl. Heine/Willich, Studienberechtigte 2005, HIS: Forum Hochschule 6/2006, S. 3 und 54.
178Auch gab es Hinweise, dass der familiäre Hintergrund die individuellen Reaktionen und Handlungsoptionen für den Fall der Einführung deutlich beeinflusst. So lag der Anteil derer, die ihr Studium abbrechen wollen, bei Studienanfängern mit Eltern, die über einen Real- oder Hauptschulabschluss verfügen, mit 8 % deutlich über dem von Akademikerkindern (3 %). Auch das Maß, in dem die Studiengebühren selbst erwirtschaftet werden bzw. die familiäre Unterstützung sicher erscheint, variierte deutlich mit der Bildungsherkunft. Insgesamt waren sich 58 % der Kinder von Eltern mit einem Universitätsabschluss sicher, weiter studieren zu können; haben die Eltern einen Real- oder Hauptschulabschluss waren es hingegen nur 45 %, die dies angaben.
179Vgl. Heine/Kerst/Sommer, Studienanfänger im Wintersemester 2005/06, HIS: Forum Hochschule 1/2007, S. 257.
180Diese Angaben lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass Studienbeiträge in der vom nordrhein-westfälischen Gesetzgeber vorgesehenen Form finanziell schwächere Studierende von einem Hochschulstudium abhalten. Wie in Österreich ist auch hier anzunehmen, dass sich die Einstellungsebene von der Handlungsebene unterscheidet. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Angaben der Studierenden nicht auf das nordrhein-westfälische Studienbeitragsmodell mit seinen flankierenden Maßnahmen bezogen waren, sondern allgemein die Einführung von Studiengebühren bis zu 500,00 EUR zum Gegenstand hatten.
181Erst in künftigen Erhebungen wird sich zeigen, ob der Anspruch auf ein verzinsliches Darlehen,
182vgl. kritisch vor allem auch zur Verzinsung: Pieroth/Hartmann, Studienbeitragsdarlehen am Maßstab höherrangigen Rechts, NWVBl. 2007, 81 (83 ff.),
183die Freistellungsmöglichkeit und die Kappungsgrenze geeignet sind, den chancengleichen Hochschulzugang für alle Studierenden unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und ihren finanziellen Möglichkeiten ausreichend sicher zustellen oder ob die geringe Verschuldensneigung, gerade finanziell schlechter gestellter Studierender,
184vgl. Heine/Willich, Studienberechtigte 2005, HIS: Forum Hochschule 6/2006, S. 27; Nagel, Studiengebühren und ihre sozialen Auswirkungen, Baden-Baden 2003, S. 60 f.
185die oft fehlende Möglichkeit finanzieller Unterstützung im privaten Umkreis und die Option alternativer Qualifizierungswege, von der Schulabgänger aus eher bildungsfernen Schichten häufiger Gebrauch machen,
186vgl. Heine/Willich, Studienberechtigte 2005, HIS: Forum Hochschule 6/2006, S. 3 f.,
187dazu führen werden, dass finanziell schlechter gestellte Studierende aus der Hochschulbildung zunehmend herausgedrängt werden.
188Lassen sich aber sowohl für eine ausreichende Sicherstellung des chancengleichen Hochschulzugangs durch das nordrhein-westfälische Studienbeitragsmodell als auch dagegen beachtliche Gesichtspunkte finden, ohne dass einer von beiden durch hinreichend verlässliche Untersuchungen belegbar ist, ist bei der gerichtlichen Nachprüfung Zurückhaltung geboten. Soweit Wertungen und tatsächliche Beurteilungen des Gesetzgebers von Bedeutung sind, kann sich das Gericht über sie grundsätzlich nur hinwegsetzen, wenn sie - anders als hier - widerlegbar sind.
189Vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Juni 1977 - 1 BvL 14/76 -, BVerfGE 45, 187 (237 f.).
190Sollte sich im Nachhinein entgegen der gesetzgeberischen Einschätzung herausstellen, dass finanzschwache Studierende durch die Studienbeiträge von der Aufnahme eines Studiums abgehalten werden, ist der Landesgesetzgeber gehalten, die gesetzlichen Regelungen zu ändern.
1912. Der Gesetzgeber konnte es auch den Hochschulen unter Vorgabe einer Obergrenze des Studienbeitrags im Rahmen der Selbstverwaltung überlassen, über die Erhebung und die Höhe von Studienbeiträgen sowie ihre Verwendung zu befinden.
192a) Dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts ist mit der gesetzlichen Regelung genügt.
193Der Gesetzesvorbehalt verpflichtet den Gesetzgeber, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Er darf sie nicht anderen Normgebern überlassen. Dabei bedeutet wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte".
194Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 -, BVerfGE 98, 218 (251).
195Dem ist der nordrhein-westfälische Gesetzgeber gerecht geworden. Er hat die Studienbeiträge nach oben hin auf 500,00 EUR begrenzt und im Einzelnen mit dem Darlehensanspruch, der Regelung der Rückzahlungsmodalitäten und der Deckelung der Darlehensschulden Bestimmungen getroffen, bei deren Beachtung Studienbeiträge nach seiner maßgeblichen Einschätzung sozial verträglich sind.
196b) Der Gesetzgeber war auch nicht gehindert, die Erhebung von Studienbeiträgen gemäß § 107 Abs. 2 Nr. 4 HG NRW 2006 den Selbstverwaltungsangelegenheiten der Hochschule zuzuordnen.
197Die Erhebung von Studienbeiträgen betrifft, anders als die Vergabe von Studienplätzen,
198vgl. hierzu: BVerfG, Urteil vom 08. Februar 1977 - 1 BvF 1/76, 1 BvL 7, 8/75, 1 BvR 239/75, 1 BvR 92, 103-114, 115, 140-143, 187/76 -, BVerfGE 43, 291 ff. (Numerus clausus); BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1991 - 1 BvR 393, 610/85 -, BVerfGE 85, 36 ff. (Kapazitätserschöpfung),
199nicht den Kernbereich des Hochschulzugangs, weil die Erhebung von Studienbeiträgen Studienbewerber, die gemäß § 12 StBAG NRW einen Anspruch auf ein Darlehen haben, nicht an der Aufnahme eines Studiums hindert.
200Vgl. gegen eine Unterscheidung von Zulassungs- und Kapazitätsermittllungsfragen einerseits und Fragen der Studienbeitragserhebung andererseits: Hermes, Zur Verfassungsmäßigkeit einer Einführung von Studiengebühren, Rechtsgutachten vom 03. März 2006, S. 17.
201Dementsprechend hat der Gesetzgeber in § 107 Abs. 2 Nr. 3 HG NRW 2006 zwar die Aufgaben bei der Ermittlung der Ausbildungskapazität und bei der Festsetzung der Zulassungszahlen für das Vergabeverfahren sowie die Vergabe von Studienplätzen als staatliche Angelegenheiten definiert, nicht aber die Erhebung von Studienbeiträgen.
202Die Zuordnung der Entscheidung über die Erhebung und Verwendung von Studienbeiträgen zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten der Hochschule genügt auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips an die Delegation von Normsetzung an die Träger funktionaler Selbstverwaltung. Die Verleihung von Satzungsautonomie findet ihren Sinn darin, die in ihr zusammengefassten Mitglieder zu aktivieren und ihnen gemeinsam die Regelung solcher Angelegenheiten eigenverantwortlich zu überlassen, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können.
203Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2004 - 1 BvR 1298, 1299/94, 1332/95, 613/97 -, BVerfGE 111, 191 (216).
204Insofern ist es gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber die Verwendung der durch die Studienbeiträge zusätzlich gewonnenen Mittel den Hochschulen in zweckgebundener Form (§ 2 Abs. 2 StBAG NRW) überlassen hat. Diese können auf Grund ihrer Sachnähe am besten beurteilen, in welchen Bereichen eine Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen durch den Einsatz der durch die Studienbeiträge erzielten Einnahmen erzielt werden kann und wie Studienbeiträge am Besten zu einem effizienten und hochwertigen Studium beitragen können. Zudem ist die Autonomie der Hochschulen hinsichtlich der Verwendung der Studienbeiträge unabdingbare Voraussetzung für die Profilierung der Hochschulen und die Förderung des Wettbewerbs unter den Hochschulen, die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 StBAG NRW zu den mit dem Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz verfolgten Zielen gehören.
205Gerade auf Grund ihrer Sachnähe sind die Hochschulen auch am Besten in der Lage zu entscheiden, in welcher Höhe ein Studienbeitrag gerechtfertigt werden kann.
2063. Die Ermächtigung der Hochschulen zur Erhebung von Studienbeiträgen verletzt auch nicht Art. 12 Abs. 1 GG.
207a) Die grundsätzliche Pflicht zur Entrichtung von Studienbeiträgen für ein Erststudium tastet das Recht des Einzelnen, ein Hochschulstudium seiner Wahl zu ergreifen, das aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Sozialstaatsprinzip folgt,
208vgl. BVerfG, Urteil vom 08. Februar 1977 - 1 BvF 1/76, 1 BvL 7, 8/75, 1 BvR 239/75, 92, 103-114, 115, 140-143, 187/76 -, BVerfGE 43, 291 (363); BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1977 - 1 BvL 23/75 -, BVerfGE 45, 393 (397 f.); BVerfG, Beschluss vom 03. November 1982 - 1 BvR 900/78, 851, 1495/80, 833, 1069/78, 343, 1039/79, 163, 294, 1258/80 und 48, 1202/81 -, BVerfGE 62, 117 (146),
209nicht an. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, die Inanspruchnahme der Hochschule als öffentliche Einrichtung ebenso wie die Inanspruchnahme anderer öffentlicher Leistungen und Einrichtungen, die regelmäßig eine Gebührenpflicht auslöst, kostenfrei zu ermöglichen. Denn das Recht des Einzelnen, ein Hochschulstudium seiner Wahl zu ergreifen, steht diesem nur unter dem Vorbehalt dessen zu, was er vernünftigerweise von der Gesellschaft verlangen kann. Insbesondere umfasst es nicht einen Anspruch auf ein kostenfreies Studium.
210Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1996 - BVerwG 6 C 1.94 -, BVerwGE 102, 142 (146); BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 -, BVerwGE 115, 32 (37).
211Der Gesetzgeber muss aber sicherstellen, dass die konkrete Ausgestaltung der Studienbeitragserhebung dem Einzelnen ungeachtet seiner sozialen Herkunft und anderer Umstände, die sich auf seine finanziellen Verhältnisse auswirken können, ermöglicht, ein an seinen Fähigkeiten ausgerichtetes Hochschulstudium zu absolvieren.
212Vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 1972 - 1 BvL 32/70 und 25/71 -, BVerfGE 33, 303 (332 f.); BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 - BVerwGE 115, 32 (37); OVG NRW, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 8 A 3358/04 -, DVBl. 2005, 518 (519); BayVGH, Urteile vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 - und - 7 B 00.963 -, Juris; die Frage nach den sich aus Art. 12 Abs. 1 GG als Teilhaberecht und dem Sozialstaatsgebot für die Erhebung von Studiengebühren sich ergebenden Grenzen nur wegen Überprüfung einer Gebühr für ein Zweitstudium offen lassend: BVerfG, Beschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR 1750/01 -, VR 2006, 287.
213Diese Vorgaben hat der Gesetzgeber beachtet. Die Erhebung eines Studienbeitrags in Höhe von 500,00 EUR, zu der der Gesetzgeber die Hochschulen ermächtigt hat, stellt mit Blick auf die vorangegangenen Ausführungen keine unüberwindliche soziale Barriere dar.
214Das Recht auf chancengleiche Teilhabe an der Hochschulbildung schließt nicht die Verpflichtung des Gesetzgebers ein, ein Modell zu wählen, bei dem unterschiedliche Erschwernisse für alle Studierenden vermieden werden. Unterschiedliche Erschwernisse sind vielmehr hinzunehmen, sofern sie unvermeidbar sind oder ihrer Vermeidung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
215Zwar ist mit der vom Gesetzgeber vorgesehenen Verzinsungspflicht des Darlehens verbunden, dass Studierende, die auf die Inanspruchnahme des Darlehens verzichten können, lediglich die Studienbeitragslast trifft, während auf das Darlehen angewiesene Studierende zusätzlich eine mitunter deutliche Zinslast zukommt.
216Vgl. zu dieser Problematik: Pieroth, Studienbeitragsdarlehen am Maßstab höherrangigen Rechts, NWVBl. 2007, 81 (82 ff.).
217Eine Gewährung eines zinslosen Darlehens, wie es in Hessen für Studierende vorgesehen ist, die Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz haben,
218vgl. § 7 Abs. 1 Satz 6 HStubeiG; Änderungsantrag der Fraktion der CDU vom 19. September 2006, LT-Drs. 16/6018, S. 6,
219wäre zwar ohne zusätzliche Belastung des Landeshaushalts möglich gewesen, indem die Zinsen - wie in Hessen - vom Ausfallfonds übernommen worden wären. Mit einem solchen Modell geht jedoch eine Verringerung der zusätzlichen Mittel für die Lehre und die Verbesserung der Studienbedingungen einher. Diesem Nachteil konnte der nordrhein-westfälische Gesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums im Verhältnis zu dem Nachteil einer mitunter hohen Zinsbelastung ein größeres Gewicht beimessen.
220b) Die Regelungen über die Studiengebührenerhebung in Nordrhein-Westfalen verletzen Art. 12 Abs. 1 GG auch nicht in seinem abwehrrechtlichen Gehalt. Sie werden den Anforderungen des Regelungsvorbehaltes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht.
221Der Studienbeitrag ist wie eine Regelung der Berufsausübung zu beurteilen. Er stellt keine Voraussetzungen für den Zugang zum Studium auf, sondern gestaltet die Studienbedingungen.
222Vgl. zur Langzeit- bzw. Zweitstudiengebühr: BVerfG, Beschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR 1750/01 -, VR 2006, 287; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 -, BVerwGE 115, 32 (38 f.); OVG NRW, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 8 A 3358/04 -, DVBl. 2005, 518 (519); BayVGH, Urteile vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 - und - 7 B 00.963 -, Juris; Nds. OVG, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 2 ME 364/03 -, DÖV 2004, 672.
223Mit der Erhebung von Studienbeiträgen sollen Anreize für Studierende geschaffen werden, ihr Studium in zeitlicher Hinsicht effizient zu organisieren.
224Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 25. November 2005, LT-Drs. 14/725, S. 2 und 29.
225Hierin wird eine objektiv berufsregelnde Tendenz deutlich erkennbar.
226Dem kann nicht entgegengehalten werden, ein Verstoß gegen die Erfüllung der Beitragspflicht könne die Exmatrikulation gemäß § 51 Abs. 3 lit. c) HG NRW nach sich ziehen und deshalb seien die für Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl geltenden Maßstäbe heranzuziehen.
227Vgl. diesbezüglich zur allerdings strengeren Rechtslage in Baden- Württemberg bzw. im Freistaat Bayern: BVerfG, Beschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR 1750/01 -, VR 2006, 287; BayVGH, Urteile vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 - und - 7 B 00.963 -, Juris.
228Denn von der Auferlegung einer Zahlungspflicht als einer Änderung der Studienbedingungen ist die Frage zu unterscheiden, mit welchen Mitteln auf die fehlende Zahlung reagiert wird. Letzteres ist selbstständig verfassungsrechtlich zu würdigen.
229Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 -, BVerwGE 115, 32 (39); OVG NRW, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 8 A 3358/04 -, DVBl. 2005, 518 (519).
230Als Berufsausübungsregelung ist ein solcher Studienbeitrag verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil er von vernünftigen Gründen des Gemeinwohls getragen wird und verhältnismäßig ist.
231Vgl. zu diesem Ansatz: BVerfG, Beschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR 1750/01 -, VR 2006, 287; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 -, BVerwGE 115, 32 (39).
232Mit der Erhebung von Studienbeiträgen werden legitime Ziele verfolgt.
233Die Studienbeiträge sollen als Drittmittel zur Finanzierung der Lehre und verbesserter Studienbedingungen beitragen.
234Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 StBAG NRW und den Gesetzentwurf der Landesregierung vom 25. November 2005, LT-Drs. 14/725, S. 1 und 33 f.
235Weiter soll den Studierenden durch die Zahlung von Studienbeiträgen die Werthaltigkeit des Studiums bewusst gemacht und ein Anreiz zu einem effizienten Studierverhalten geboten werden.
236Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 StBAG NRW und Gesetzentwurf der Landesregierung vom 25. November 2005, LT-Drs. 14/725, S. 29.
237Überdies soll die Erhebung von Studienbeiträgen zur Profilbildung der Hochschule und zum Wettbewerb unter den Hochschulen beitragen.
238Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 StBAG NRW und Gesetzentwurf der Landesregierung vom 25. November 2005, LT-Drs. 14/725, S. 1 f., 29 und 34.
239Zur Erreichung dieser vom Gesetzgeber verfolgten Ziele ist die Erhebung eines Studienbeitrags ein geeignetes Mittel.
240Für die Geeignetheit eines Mittels genügt, die Möglichkeit, den angestrebten Zweck zu fördern.
241Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR 1750/01 -, VR 2006, 287.
242Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass der Studienbeitrag als Studienkostenfaktor für die Studierenden einen Anreiz darstellt, ihr Studium effizienter zu betreiben und die Hochschulressourcen ökonomischer zu nutzen.
243Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR 1750/01 -, VR 2006, 287.
244Zwar wird ein Teil der Studierenden zum Zwecke der Erfüllung der Beitragspflicht eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder diese intensivieren. Es ist aber nicht offensichtlich, dass dies insgesamt betrachtet einem effizienteren Betreiben des Studiums entgegensteht.
245Die Erhebung von Studienbeiträgen ist auch geeignet, den vom Gesetzgeber gewollten Wettbewerb der Hochschulen zu stärken, indem die Studierenden mit einer Nachfragemacht ausgestattet werden.
246Zwar setzt Nachfragemacht in einem bestimmten Sinn voraus, dass die Hochschule von den Studierenden gewählt werden kann. Das Bestehen landesweiter NC-Studiengänge steht dem jedoch nicht entgegen. Die Freiheit der Wahl des Hochschulorts ist auf Grund der Vielzahl der im Zulassungsverfahren zu berücksichtigenden Kriterien wie z.B. Abiturnote, Wartezeit und Ortswunsch nicht insgesamt ausgeschlossen.
247Zudem ist Nachfragemacht vor allem so zu verstehen, dass Studierende auf Grund der geleisteten Studienbeiträge hochschulintern Mängel der Lehre benennen und Verbesserungen einfordern können. Dass dies von vornherein wirkungslos bleiben wird, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Gesetzgeber in § 11 StBAG NRW die Überprüfung von Qualität und Lehre durch ein Prüfungsgremium vorgesehen, dessen stimmberechtigte Mitglieder zur Hälfte Studierende sein müssen. Zwar entscheidet gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 StBAG NRW die Hochschule, ob und inwieweit Empfehlungen des Prüfungsgremiums nach § 11 Abs. 1 Satz 3 StBAG NRW umgesetzt werden. Auch begründen nach § 11 Abs. 3 Satz 5 StBAG NRW die Empfehlung und ihre Umsetzung keine Rechte der Mitglieder der Hochschule. Der vom Gesetzgeber gewollte objektiv-rechtliche Charakter,
248vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 25. November 2005, LT-Drs. 14/725, S. 44,
249macht das Instrument aber nicht von vornherein wirkungslos. Vielmehr kann schon die Empfehlung des Prüfungsgremiums als solche kraft ihrer Veröffentlichung Bedeutung haben.
250Der Gesetzgeber durfte auch die Erforderlichkeit der Studienbeiträge zur Erreichung der angestrebten Zwecke bejahen. Mildere Mittel zur Erreichung der vorgenannten Ziele sind nicht ersichtlich. Nicht zuletzt mit Blick auf die Zielsetzung, den Hochschulen zusätzliche Mittel zur Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen zukommen zu lassen, kommt eine Studienabgabenerhebung, wie sie noch das Studienkonten- und -finanzierungsgesetz NRW vorsah, nicht als gleich effektives Mittel in Betracht.
251Die Erhebung eines Studienbeitrags in Höhe von maximal 500,00 EUR ist auch zumutbar. Die auferlegte Belastung steht nicht außer Verhältnis zu den mit der Beitragserhebung verfolgten Zwecken. Die Höhe des Studienbeitrags liegt selbst bei weniger kostenintensiven Studiengängen und auch weniger kostenträchtigen Studienphasen unterhalb der tatsächlichen Kosten der öffentlichen Hand für die Bereithaltung des Studienangebots sowie dessen Inanspruchnahme.
252Vgl. OVG NRW, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 8 A 3635/04 -, S. 25 f.
253Auch hat der Gesetzgeber durch das von ihm gewählte Finanzierungsmodell (Darlehensanspruch, einkommensabhängige, nachgelagerte Rückzahlungsverpflichtung und Deckelung der Darlehenslast, Ausnahmen und Befreiungen) die mit der Beitragserhebung verbundene Belastung der Studierenden begrenzt.
254Die gesetzliche Regelung ist überdies nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie zum Erlass von Beitragssatzungen ermächtigt, denen eine unzulässige Rückwirkung zukommt.
255Das Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz NRW ermächtigt lediglich zum Erlass von Beitragssatzungen, denen eine unechte Rückwirkung zukommt.
256Im Gegensatz zu einer echten Rückwirkung, die anzunehmen ist, wenn eine Norm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift, ist eine unechte Rückwirkung gegeben, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit zugleich eine Rechtsposition nachträglich entwertet.
257Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR 1750/01 -, VR 2006, 287.
258Ein Eingriff in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände liegt nicht vor, weil auf die Begründung der Beitragspflicht abzustellen ist,
259vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR 1771/01 -, Juris; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 -, BVerwGE 115, 32 (47),
260die gemäß § 21 Abs. 1 StBAG NRW für erstmalig an einer nordrhein- westfälischen Hochschule eingeschriebene Studierende frühestens zum Wintersemester 2006/2007 und für die übrigen Studierenden frühestens zum Sommersemester 2007 erfolgen konnte.
261Soweit eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung insofern vorliegt, als im Hinblick auf diejenigen Studierenden, die bereits vor dem Erlass des Gesetzes ein Studium begonnen haben, durch eine nach dem Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz NRW zulässige Studienbeitragssatzung nachteilig in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wird, kann deren Zulässigkeit hier dahinstehen, weil der hier geltend gemachte Rückerstattungsanspruch auf der Beitragszahlung einer Studentin beruht, die erst nach Inkrafttreten der Studienbeitragssatzung ihr Studium aufgenommen hat.
2624. Die Erhebung eines Studienbeitrags in Höhe von 500,00 EUR für erstmalig zum Wintersemester 2006/2007 eingeschriebene Studierende ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
263Soweit Studierende mit Blick auf die unterschiedliche Erhebung von Studienbeiträgen an den einzelnen Hochschulen unterschiedlich behandelt werden, fehlt es an einer verfassungsrechtlich beachtlichen Ungleichbehandlung. Denn es sind nicht die Studierenden in Nordrhein-Westfalen miteinander zu vergleichen, sondern die Studierenden an der jeweiligen Hochschule. Die Erhebung von Studienbeiträgen wird von den Hochschulen nämlich nicht als staatliche Aufgabe wahrgenommen,
264vgl. zu einer solchen Situation: Haug, Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Einführung von Studiengebühren, WissR 33 (2000) 1 (15),
265sondern erfolgt gemäß § 107 Abs. 2 Nr. 4 HG NRW 2006 im Rahmen der Selbstverwaltung.
266Vgl. hierzu: Lindner/Störle, Das neue bayerische Hochschulrecht, BayVBl. 2006, 584 (593 - Fn. 176 -).
267Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt auch nicht darin, dass für erstmalig eingeschriebene oder zugelassene Studierende die Beitragspflicht ab Wintersemester 2006/2007 entsteht, während sie für die übrigen Studierenden erst mit dem Sommersemester 2007 beginnt.
268Bei der Behandlung von Personengruppen verletzt der Gesetzgeber den Gleichheitssatz, wenn er eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können.
269Vgl. BVerfG, Beschluss vom 07. Oktober 1980 - 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79 -, BVerfGE 55, 72 (88); BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83, 9,10/84, 3/85, 11, 12, 13/89, 4/90 und 1 BvR 764/86 -, BVerfGE 82, 126 (146); BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1993 - 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92 -, BVerfGE 88, 87 (96); BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1996 - 2 BvL 39, 40/93 -, BVerfGE 93, 386 (397); BVerfG, Urteil vom 08. April 1997 - 1 BvR 48/94 -, BVerfGE 95, 267 (316 f.); BVerfG, Urteil vom 06. März 2002 - 2 BvL 17/99 -, BVerfGE 105, 73 (110 f.).
270So liegt der Fall hier nicht.
271Zwischen den Studierenden, die bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetzes NRW am 01. April 2006 studierten, und denjenigen, die erst nach diesem Zeitpunkt ein Studium erstmals aufnahmen oder aufnehmen werden, bestehen noch ausreichende Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.
272Studierende die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetzes NRW erstmals ein Studium aufnahmen oder aufnehmen werden, konnten bzw. können für sich keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, weil sie sich spätestens mit dem Inkrafttreten des Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetzes NRW auf eine Erhebung von Studienbeiträgen einstellen mussten und in der Regel keine Dispositionen im Hinblick auf ein frühestens zum Wintersemester 2006/2007 begonnenes Studium an einer nordrhein- westfälischen Hochschule getroffen haben.
273Demgegenüber können sich jene Studierenden, die bereits bei Inkrafttreten des Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetzes NRW ein Studium aufgenommen haben, auf § 10 HG NRW 2005 und § 1 StKFG NRW, die in ihrer bisherigen Fassung ausdrücklich besagten, dass für ein Studium bis zum ersten berufsqualifizierten Abschluss und für ein Studium in einem konsekutiven Studiengang Studiengebühren nicht erhoben werden, berufen.
274Darüber hinaus sind ihnen Kontoauszüge gemäß § 1 RVO-StKFG NRW erteilt worden, die die Qualität von Verwaltungsakten haben.
275Vgl. zur Verwaltungsakt-Qualität des Kontoauszugs: OVG NRW, Urteil vom 09. November 2006 - 15 A 2407/05, S. 8.
276Die auf diesen Tatbeständen beruhende Erwartung, gebührenfrei studieren zu können, ist zwar nicht besonders schutzwürdig.
277Dies gilt zunächst im Hinblick auf die die Gebührenfreiheit des Erststudiums betonenden Vorschriften. Sie bringen lediglich die Auffassung des damaligen Gesetzgebers zum Ausdruck,
278vgl. die Regelung mit den unverhältnismäßigen sozialen Kosten begründend: Gesetzentwurf der Landesregierung vom 23. August 1999, LT-Drs. 12/4243, S. 161,
279und können über ihre Geltungsdauer nicht hinausreichen.
280Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Studierenden auf Grund des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes NRW erteilten Kontoauszüge. Mit dem Kontoauszug wird für den einzelnen Studierenden die Höhe seines Studienguthabens zum gegenwärtigen Zeitpunkt verbindlich festgestellt, nicht aber für die Zukunft versprochen, ein Studium bis zum Verbrauch des Studienguthabens kostenfrei absolvieren zu können, auch wenn der Gesetzgeber seiner Zeit davon ausgegangen ist, dass die auf dem Studienkonto gutgeschriebenen Studienguthaben einen bestimmten Umfang an Studienangeboten bezeichnen, die gebührenfrei in Anspruch genommen werden können.
281Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 25. September 2002, LT-Drs. 13/3023, S. 21; zur neueren Interpretation: Gesetzentwurf der Landesregierung vom 25. November 2005, LT-Drs. 14/725, S. 32.
282Ist mit Blick auf die alte Gesetzeslage und die erteilten Studienkontenauszüge jedoch die Erwartung "Altstudierender", ihr begonnenes Studium zumindest im Rahmen des ihnen auf der Basis des gewährten Studienguthabens gebühren- bzw. beitragsfrei zu Ende studieren zu können, zumindest nicht gänzlich unberechtigt, konnte der Gesetzgeber dies, nicht zuletzt mit Blick darauf, dass es sich um eine Begünstigung und nicht um eine Belastung handelt, zum Anlass nehmen, die Beitragspflicht für "Altstudierende" verbunden mit einer um ein Semester längeren Übergangsregelung zuzulassen.
283Vgl. zur Übergangsregelung: BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256 (359); BVerfG, Beschluss vom 06. April 2000 - 1 BvL 18/99 u.a. -, NVwZ 2000, 910 (910 f.); BVerfG, Beschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR 1750/01 -, VR 2006, 287; BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2006 - 1 BvR 1938/05 -, S. 3; BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2005 - BVerwG 6 B 22.05 -, Juris; OVG NRW, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 8 A 3358/04 -, DVBl. 2005, 518 (521); BayVGH, Urteile vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 - und - 7 B 00.963 -, Juris.
2845. Schließlich verstößt die gesetzlichen Regelungen über den Ausfallfonds in den §§ 17 Abs. 3 Satz 3 StBAG NRW, 9 Abs. 4 Satz 2 StBAG NRW, wonach ein vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen bestimmter prozentualer Anteil des Gesamtaufkommens der Studienbeiträge an den Ausfallfonds, der derzeit bei 23 % liegt, abzuführen ist, nicht gegen die bundesstaatliche Finanzverfassung.
285Bei der vom Gesetzgeber geregelten Abgabe handelt es sich um eine Vorzugslast im Sinne einer Gebühr oder eines Beitrags und nicht um eine unzulässige Sonderabgabe.
286Maßgeblich ist nicht die gewählte Bezeichnung, sondern der materielle Gehalt der Abgabe.
287Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 und 5, 6, 7/94, 1 BvR 403, 569/94 -, BVerfGE 92, 91 (114); BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1, 4, 6, 16, 18/99, 1/01 -, BVerfGE 108, 186 (213); Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Loseblatt-Kommentar, Band 1, Köln, Stand: Dezember 2006, § 3 AO Rn. 43.
288Eine Gebühr liegt vor, wenn die Abgabe eine Gegenleistung für die Vornahme von Amthandlungen durch die Verwaltung (Verwaltungsgebühr) oder eine Gegenleistung für die tatsächliche Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses (Benutzungsgebühr) ist.
289Vgl. zum Gebührenbegriff: BVerfG, Beschluss vom 06. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 -, BVerfGE 50, 217 (226); BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 und 5, 6, 7/94, 1 BvR 403, 569/94 -, BVerfGE 92, 91 (115); Arndt/Jenzen, Grundzüge des Allgemeinen Steuer- und Abgabenrechts, 2. Auflage, München 2005, S. 61; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 2. Auflage, Heidelberg 2000, Rn. 374; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Loseblatt-Kommentar, Band 1, Köln, Stand: Dezember 2006, § 3 AO Rn. 281 f.
290Ein Beitrag ist gegeben, wenn die Abgabe eine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates darstellt, wobei die staatliche Leistung darin besteht, dass dem Beitragsschuldner ein individueller Vorteil bevorzugt angeboten wird.
291Vgl. zum Begriff des Beitrags: BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 und 5, 6, 7/94, 1 BvR 403, 569/94 -, BVerfGE 92, 91 (115); Arndt/Jenzen, Grundzüge des Allgemeinen Steuer- und Abgabenrechts, 2. Auflage, München 2005, S. 65; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 2. Auflage, Heidelberg 2000, Rn. 413; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Loseblatt-Kommentar, Band 1, Köln, Stand: Dezember 2006, § 3 AO Rn. 310.
292Gebühren und Beiträgen ist danach gemeinsam, dass sie nicht voraussetzungslos, sondern an eine staatliche Leistung anknüpfen, deren Gegenleistung sie darstellen.
293Die der Gebühr oder dem Beitrag eigene, sie oder ihn charakterisierende Kostendeckungsfunktion ergibt sich dabei bereits aus der bloßen Verknüpfung der Abgabenpflicht mit einer öffentlichen Leistung.
294Vgl. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, München 1973, S. 53.
295Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 StBAG NRW knüpft der Studienbeitrag an "das Studium von Studierenden", richtiger an die Nutzung oder Nutzungsmöglichkeit von Hochschuleinrichtungen von Studierenden, und somit an eine staatliche Leistung an. Dass mit der Erhebung des Studienbeitrags auch andere als Finanzierungszwecke verfolgt werden, ist unerheblich. Mit einer Vorzugslast können auch weitere Zwecke als die der Kostendeckung verfolgt werden. Die Vorzugslast hat nicht einmal zur Voraussetzung, dass die spezielle Kostendeckung ihr primärer Zweck ist.
296Vgl. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, München 1973, S. 54.
297Sonderabgaben werden hingegen - wie die Steuer - "voraussetzungslos", d.h. ohne Rücksicht auf eine korrespondierende Gegenleistung der öffentlichen Hand auferlegt. Sie begründen eine Finanzierungspflicht für eine den Abgabenschuldnern nahe stehende Finanzierungsaufgabe.
298Vgl. zum Begriff der Sonderabgabe: BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980 - 2 BvF 3/77 -, BVerfGE 55, 274 (298).; BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86 und 48/87 -, BVerfGE 81, 156 (186); BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 - 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87 -, BVerfGE 82, 159 (178); BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 und 5, 6, 7/94, 1 BvR 403, 569/94 -, BVerfGE 92, 91 (114 f.); BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1, 4, 6, 16, 18/99, 1/01 -, BVerfGE 108, 186 (220); Arndt/Jenzen, Grundzüge des Allgemeinen Steuer- und Abgabenrechts, 2. Auflage, München 2005, S. 56; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 2. Auflage, Heidelberg 2000, Rn. 426; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Loseblatt-Kommentar, Band 1, Köln, Stand: Dezember 2006, § 3 AO Rn. 162 ff.
299Der Studienbeitrag kann nicht in einen für das Studium erhobenen, gegenleistungsbezogenen und einen für den Ausfallfonds erhobenen, voraussetzungslos geschuldeten Teil zerlegt und somit teilweise - zu derzeit 77 % - als Vorzugslast und teilweise - zu derzeit 23 % - als unzulässige Sonderabgabe qualifiziert werden.
300So aber: Kronthaler, Gestaltungsmöglichkeiten und Grenzen bei der Einführung von Studienbeiträgen, S. 20; Waldeyer, Studienbeiträge unzulässig?, NJW-Editorial 44/2006; kritisch auch: Göke, Studienbeiträge in Niedersachsen, Nds.VBl. 2006, 41.
301Gegenleistungsbezogenheit und Verwendungsbindung sind im Grundsatz auseinander zu halten.
302Vgl. Bosse, Zur Rechtmäßigkeit des nordrhein-westfälischen Studiengebührenmodells, NWVBl. 2007, 87 (89); Waldhoff, Die Zwecksteuer, StuW 2002, 285 (303).
303Die Abführung an den Ausgleichsfonds betrifft nicht den Abgabentatbestand, sondern die Abgabenverwendung. Dies kommt auch im Wortlaut des § 2 Abs. 2 StBAG NRW zum Ausdruck, wenn es dort heißt, dass die Einnahmen aus den Studienbeiträgen Mittel Dritter und von den Hochschulen zweckgebunden für die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen sowie für die Ausgleichszahlungen an den Ausfallfonds nach § 17 Abs. 3 Satz 3 StBAG NRW zu verwenden sind.
304Vgl. Bosse, Zur Rechtmäßigkeit des nordrhein-westfälischen Studiengebührenmodells, NWVBl. 2007, 87 (89).
305Überdies knüpft die Studienbeitragserhebung als Ganzes an die öffentliche Leistung des Hochschulangebots an, sodass jene Studierenden, die ein Studienbeitragsdarlehen nicht in Anspruch nehmen und somit aus dem Ausfallfonds keine Vorteile ziehen, mit der Entrichtung eines Studienbeitrags nicht zu der in staatlicher Verantwortung liegenden Sicherung des chancengleichen Hochschulzugangs vor allem finanzschwacher Studierender beitragen, sondern lediglich zu einem kleinen Teil zu den Kosten ihrer Ausbildung herangezogen werden.
306Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 25. November 2005, LT-Drs. 14/725, S. 32.
307Sonstige Gründe für eine Rechtswidrigkeit der Erhebung von Studienbeiträgen sind nicht ersichtlich.
308Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
309Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Erhebung von Studienbeiträgen wirft rechtliche Fragen auf, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich sind und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedürfen. Die Frage der Zulässigkeit der Erhebung von Studienbeiträgen für ein Erststudium ist bisher vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen nicht entschieden worden.