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1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 9 K 1346/25 der Antragstellerin gegen die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin über ein nächtliches Verweilverbot auf dem Brüsseler Platz vom 5. Februar 2025, öffentlich bekanntgemacht am 6. Februar 2025, wird wiederhergestellt.Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,- € festgesetzt.
Gründe
21. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin über ein nächtliches Verweilverbot auf dem Brüsseler Platz vom 5. Februar 2025, öffentlich bekannt gegeben am 6. Februar 2025, wiederherzustellen,
4hat Erfolg.
5Er ist zunächst zulässig.
6Die Antragstellerin ist analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt.
7Für die insoweit heranzuziehende Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO genügt es, dass nach dem substantiierten Vorbringen des Klägers eine Verletzung seiner Rechte möglich ist. An der Klagebefugnis fehlt es nur dann, wenn die vom Kläger geltend gemachte Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen kann. Für den Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts bedeutet dies stets die Bejahung der Klagebefugnis, weil zumindest eine Verletzung der allgemeinen Freiheitsgewährleistung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht kommt.
8Auch als juristische Person kann die Antragstellerin wie eine natürliche Person von dem Verweilverbot in ihrem Rechtskreis betroffen sein. Der Umstand, dass eine juristische Person oder Personengesellschaft sich natürlicher Personen bedienen muss, um handlungsfähig zu sein, und auch das Verweilverbot notwendigerweise nur diese natürlichen Personen unmittelbar verpflichten kann, ändert nichts daran, dass das Verweilverbot geeignet ist, ihr gegenüber Rechtswirkungen zu erzeugen. Ihre Rechtsfähigkeit setzt im Gegenteil geradezu voraus, dass sie das ihr zurechenbare Verhalten ihrer Organe, Vertreter und deren Hilfspersonen gegen sich gelten lassen muss.
9Vgl. zur Klage- bzw. Antragsbefugnis von juristischen Personen hinsichtlich der Anfechtung von Verkehrszeichen BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2006 – 3 B 181.05 –, juris Rn. 5; OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Februar 2023 – 8 A 2916/21 –, juris Rn. 13 und vom 29. September 2021 – 8 B 188/21 –, juris Rn. 10.
10Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet worden ist. Das Gericht der Hauptsache kann allerdings in einem solchen Fall gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung wiederherstellen (Var. 2).
11Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist bereits dann aufzuheben, wenn diese formell nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Im Übrigen hängt die Begründetheit des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO davon ab, ob das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung einer Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Das Aussetzungsinteresse überwiegt, wenn bei summarischer Prüfung Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist dem Antrag stattzugeben, wenn bei einer allgemeinen Abwägung der beiderseitigen Interessen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse überwiegt.
12In formaler Hinsicht genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Allgemeinverfügung den Maßstäben des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Das mit dieser Vorschrift normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts soll neben der Information des Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung dürfen hierbei aber nicht überspannt werden. Diese muss nur einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich – in aller Regel – nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf. Darauf, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
13Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Mai 2021 – 8 B 1468/20 –, juris Rn. 5 f. und vom 12. Februar 2021 – 8 B 905/20 –, juris Rn. 11 f., m. w. N.
14Diese formalen Anforderungen sind hier erfüllt. Die Antragsgegnerin ist sich des Ausnahmecharakters der Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bewusst gewesen und hat diese hinreichend einzelfallbezogen damit begründet, dass eine dringende Notwendigkeit bestehe, den Anwohnern des Brüsseler Platzes drohende Gesundheitsschädigungen mit sofortiger Wirkung zu unterbinden. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nähme man in Kauf, die Bevölkerung bis zur Rechtskraft einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung dieser Gefahr auszusetzen, was nicht hingenommen werden könne. Der Gesundheitsschutz der Anwohner vor unzumutbaren Lärmbelästigungen habe insoweit Vorrang vor dem Interesse Einzelner am Verweilen auf dem Brüsseler Platz und auch vor den wirtschaftlichen Interessen der anliegenden Gastronomen.
15Die Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin fällt indes zulasten der Antragsgegnerin aus, da die Klage nach summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird. Die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 5. Februar 2025 erweist sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand als rechtswidrig.
16Es ist zunächst nicht ohne jeden Zweifel, ob § 15 Abs. 1 LImSchG eine taugliche Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung ist. Nach dieser Vorschrift können die zuständigen Behörden anordnen, dass Zustände beseitigt werden, die diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften widersprechen.
17Ein Rückgriff auf § 15 Abs. 1 LImSchG erscheint deshalb fraglich, weil das Verweilverbot der Bekämpfung anlagenbezogenen Lärms dient.
18Der Brüsseler Platz ist – soweit er als „Partytreff“ genutzt wird – nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG. Der von den Besuchern ausgehende Lärm ist – wenngleich von Menschen verursacht – betriebsbedingt der Anlage zuzurechnen, mithin an den anlagenbezogenen Vorgaben des BImSchG zu messen und unterliegt dem anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht.
19Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 78, 81, 125; s. a. für den von den Gästen einer Gaststätte ausgehenden Lärm als anlagenbezogenen Lärm: OVG NRW, Beschluss vom 26. Juli 2013 – 4 B 193/13 –, juris Rn. 22; zur Abgrenzung: s. Hansmann, NVwZ 2007, 17, 19 f.
20Nach der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG vorgegebenen Kompetenzverteilung hat der Bundesgesetzgeber die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Bekämpfung anlagenbezogenen Lärms, von der er auch Gebrauch gemacht hat. Davon unberührt bleiben gem. § 49 Abs. 3 BImSchG landesrechtliche Ermächtigungen für die Gemeinden und Gemeindeverbände zum Erlass von ortsrechtlichen Vorschriften, die Regelungen zum Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche zum Gegenstand haben (vgl. § 5 LImSchG NRW).
21Soweit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG der Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm ausgenommen ist, sind Regelungen des verhaltensbezogenen Lärms Regelungen für bloße Anlagenbenutzer und Regelungen für Anlagenbetreiber, die nach der Verkehrsanschauung nicht mit dem Anlagenbetrieb, sondern primär dem Verhalten von Personen in Zusammenhang stehen; daher sind Pflichten der Nutzer dem verhaltensbezogenen Lärm zuzurechnen, während Pflichten der Anlagenbetreiber regelmäßig als anlagenbezogene Lärmregelungen von der Ausnahme nicht erfasst werden.
22Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2024 – 7 A 1283/22 –, juris Rn. 93.
23Soweit hier von anlagenbezogenen Immissionen auszugehen sein sollte, ist fraglich, ob der Antragsgegnerin auch ein Rückgriff auf § 24 BImSchG möglich wäre, wonach die zuständige Behörde im Einzelfall die zur Durchführung des § 22 BImSchG und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen erforderlichen Anordnungen treffen kann. Die Grundpflichten des § 22 Abs. 1 BImSchG treffen ausschließlich den Betreiber und nicht den Benutzer einer Anlage.
24Vgl. Jarass, BImSchG, 15. Aufl. 2024, § 22 Rn. 8 und 28.
25Möglicherweise stellt insoweit allerdings § 9 Abs. 1 LImSchG eine weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschrift gem. § 22 Abs. 2 BImSchG dar, sodass eine Durchsetzung auf der Grundlage von § 15 LImSchG auch im Falle einer anlagenbezogenen Pflicht möglich wäre.
26Offen gelassen von OVG NRW, Urteil vom 26. November 1999 – 21 A 891/98 –, juris Rn. 13.
27In diesem Sinne könnte sich insbesondere aus § 22 Abs. 2 BImSchG ergeben, dass es insoweit an abschließenden Bestimmungen des Bundesrechts fehlt, die weitergehende länderrechtliche Normen ausschließen, zumal wenn – wie hier – die getroffene Regelung allein verhaltensbezogene Pflichten enthält,
28vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3. August 2023 – 1 S 1718/22 –, juris Rn. 145 ff., 147, Beschluss vom 5. August 2021 – 1 S 1894/21 –, juris Rn. 106 ff., 115,
29und die mit der Regelung getroffenen Verhaltenspflichten das „Entstehen“ der Anlage „Partytreff“ verhindern sollen.
30Unterstellt man aus diesen Gründen die Möglichkeit des Rückgriffs auf § 15 Abs. 1 LImSchG, so ist dieser eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für das Verweilverbot in der Rechtsform einer Allgemeinverfügung.
31Das angegriffene Verweilverbot ist keine generell-abstrakte Regelung, die nicht durch eine Allgemeinverfügung getroffen werden darf.
32Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 15. März 2016 – 8 BV 14.1102 –, juris Rn. 36; OVG NRW, Beschluss vom 20. Juli 2010 – 2 A 61/08 –, juris Rn. 13 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Oktober 2002 – 1 S 1963/02 –, juris Rn. 3; von Alemann/Scheffczyk in: BeckOK VwVfG, 66. Ed. 1.4.2023, VwVfG § 35 Rn. 251.
33Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung ist zwar strukturell mit Regelungen in einer Rechtsverordnung vergleichbar, was sich schon daran zeigt, dass die Antragsgegnerin plant, das Verweilverbot künftig im Wege einer ordnungsbehördlichen Verordnung umzusetzen.
34Bei dem von der Antragsgegnerin ausgesprochenen Verweilverbot handelt es sich indes um eine Allgemeinverfügung, welche die Benutzung einer Sache durch die Allgemeinheit betrifft (§ 35 Satz 2 Variante 3 VwVfG NRW). Das von der Antragsgegnerin erlassene Verweilverbot betrifft die Benutzung einer bzw. mehrerer Sachen durch die Allgemeinheit, indem es auf jeweils konkret bestimmten Grundstücken (dem Brüsseler Platz nebst umgebender Anliegerstraßen) das Verweilen mit Wirkung gegenüber Jedermann untersagt. Unter das Tatbestandsmerkmal „einer Sache“ nach § 35 Satz 2 Var. 3 VwVfG NRW fallen auch Grundstücke, und zwar unabhängig davon, ob sie zu öffentlichen Zwecken gewidmet sind oder nicht dem öffentlichen Sachenrecht unterfallen. Mehrere Grundstücke im zivilrechtlichen Sinne stellen eine Sache dar, wenn sie wegen eines bestehenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Zusammenhanges oder sonst nach Maßgabe der Verkehrsanschauung eine Einheit bilden.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – 7 C 22.16 –, juris Rn. 18; U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2022, § 35 Rn. 274.
36Dies ist hier der Fall. Die vom Verweilverbot betroffenen Flächen werden nach der Verkehrsanschauung insgesamt dem durch den in Nr. 1 der Allgemeinverfügung klar beschriebenen und unter Bezugnahme auf die als Anlage beigefügte Abbildung örtlich begrenzten „Brüsseler Platz“ zugeordnet. Dieser Sachbezug vermittelt dem Verweilverbot einen konkret-generellen Regelungsgehalt. Es schränkt die Sachnutzung gegenüber jedermann ein und ist damit keine rein verhaltensbezogene Regelung, bei der grundsätzlich von einer personalen (§ 35 Satz 2 Variante 1 VwVfG NRW) Allgemeinverfügung auszugehen ist.
37Vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 29. November 2024 – 8 CS 24.1462 –, juris Rn. 30 (Teileinziehung einer Straße).
38Auch tatbestandlich ist der Erlass einer Allgemeinverfügung auf der Grundlage von § 15 LImSchG nicht ausgeschlossen. Die Ermächtigung in § 15 Abs. 1 LImSchG zur Beseitigung von „Zuständen“ bezieht die Gesamtsituation ein, aus der heraus es zu Störungen kommen kann. Demgemäß ist die Behörde gerade nicht darauf verwiesen, gegen festgestellte konkrete Verhaltensweisen einzuschreiten, was häufig zur Folge hätte, dass es bereits zu der Störung gekommen ist. Vielmehr kommt durch die Bezugnahme auf die Zustände zum Ausdruck, dass auf die Ursache zugegriffen werden kann, aus der heraus sich Störungen entwickeln können. Eine solche Quelle kann auch eine Sache sein, an die damit bei der Bestimmung des Ordnungspflichtigen angeknüpft werden kann,
39vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. November 1999 – 21 A 891/98 –, juris Rn. 27,
40aber eben auch eine Betätigung von Personen, welche die Nachtruhe zu stören geeignet ist (§ 9 Abs. 1 LImSchG). Zwischen dem Verhalten der Personen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen muss kein unmittelbarer Zusammenhang dergestalt bestehen, dass das Verhalten bereits aus sich heraus eine schädliche Umwelteinwirkung bildet. Ausreichend ist, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der beschränkten/verbotenen Tätigkeit und dem Eintritt schädlicher Umwelteinwirkungen besteht, wie es bei einem Aufenthalt von Personen auf dem Brüsseler Platz und den dort auftretenden, von Personen verursachten Lärmimmissionen der Fall ist.
41Vgl. insoweit OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 242 ff. und 314 zur „Tätigkeit“ im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. c) LImSchG.
42Demgemäß ist § 15 Abs. 1 LImSchG tatbestandlich nicht auf Maßnahmen im Sinne eines „punktuellen Eingreifens“ beschränkt, sondern kann auch längerfristige Maßnahmen umfassen. Die zulässige Anordnungsdauer betrifft die Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Maßnahme.
43Soweit vertreten wird, dass die Zulässigkeit einer in der Form der Allgemeinverfügung ergangenen ordnungsbehördlichen Anordnung nach § 14 Abs. 1 OBG NRW voraussetze, dass inhaltlich mit ihr einer Gefahr im Einzelfall, mithin einer konkreten Gefahr, begegnet und keine (lediglich) abstrakte Gefahr abgewehrt werden solle und demgegenüber eine abstrakt-generelle Regelung für eine unbestimmte Vielzahl von Gefahrenlagen und Personen in der Rechtsform der – im Ordnungsbehördengesetz zur Bekämpfung abstrakter Gefahren ausdrücklich vorgesehenen – ordnungsbehördlichen Verordnung gemäß §§ 25 ff. OBG NRW erlassen werden müsse,
44vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Juni 2023 – 18 L 896/23 –, juris Rn. 19 ff.,
45gilt dies hier nicht. Wie gezeigt, kommt durch die Bezugnahme auf „Zustände“ in § 15 LImSchG zum Ausdruck, dass auf die Ursache zugegriffen werden kann, aus der heraus sich Störungen entwickeln können,
46vgl. wieder OVG NRW, Urteil vom 26. November 1999 – 21 A 891/98 –, juris Rn. 27,
47was eine abstrakte Gefahr beschreibt, der auch in der Form der Allgemeinverfügung begegnet werden kann.
48Die Allgemeinverfügung ist auch im Übrigen formell rechtmäßig ergangen.
49Eine Anhörung war nach § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW entbehrlich. Die Allgemeinverfügung konnte gem. § 41 Abs. 3 Satz VwVfG NRW öffentlich bekanntgegeben werden, da eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich gewesen ist. Die Allgemeinverfügung richtet sich an jedermann, der potentiell auf dem Brüsseler Platz verweilen könnte. Auch wurde die Allgemeinverfügung gem. § 41 Abs. 4 VwVfG NRW ortsüblich bekanntgemacht und zwar durch Veröffentlichung im Internet (§ 8 Abs. 1 der Hauptsatzung der Stadt Köln vom 10. Februar 2009 in der Fassung der 32. Satzung zur Änderung der Hauptsatzung der Stadt Köln vom 22. Dezember 2023 i. V. m. § 1 Abs. 3, § 4 Abs. 1 Nr. 4 und § 6 der Bekanntmachungsverordnung NRW).
50Die Allgemeinverfügung ist jedoch materiell rechtswidrig.
51Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 LImSchG NRW (seine Anwendbarkeit erneut unterstellt) sind erfüllt, da am Brüsseler Platz ein dem LImSchG widersprechender Zustand besteht. Nach § 9 LImSchG NRW sind von 22 bis 6 Uhr Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle von nachts 60 dB(A) an den Wohnungen von Anwohnern des Brüsseler Platzes nach 22 Uhr regelmäßig überschritten wird. Die Kammer verweist insoweit auf das den Brüsseler Platz betreffende Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18.
52Das Verweilverbot ist jedoch ermessensfehlerhaft ergangen. Die Antragsgegnerin hat die gesetzlichen Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens nicht eingehalten (§ 40 VwVfG NRW).
53Insoweit fehlt es zunächst an einer plausiblen Grundlage für die Abwägung der widerstreitenden Interessen.
54Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29. September 2021 – 8 B 188/21, juris Rn. 31–33.
55Die von der Antragsgegnerin aus den ihr vorliegenden Lärmmessungen gezogenen Schlüsse und die auf dieser Grundlage getroffene Prognose sind für die Kammer nicht nachvollziehbar. So dürften schon die von der Antragsgegnerin in der Begründung der Allgemeinverfügung herangezogenen Lärmmessungen im Juli 2022 gezeigt haben, dass die vom Geschehen auf dem Brüsseler Platz ausgehenden Geräusche nicht einen im wesentlichen gleichbleibenden „Lärmteppich“ darstellen, sondern vielmehr geprägt sind von Pegelausschlägen (lautes Rufen und Lachen, Schreie und lautes Klirren von auf dem Boden liegenden Glasflaschen).
56Vgl. explizit OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 212.
57Dies stellt allerdings den Schluss der Antragsgegnerin in der Allgemeinverfügung, dass auch ohne besonders lautes Schreien oder ähnliches die Geräuschkulisse durch die Unterhaltungen der Vielzahl von Menschen auf dem Platz zu laut sei, um die Nachtruhe zu gewährleisten, in Frage.
58Soweit die Antragsgegnerin in der Allgemeinverfügung und im Gerichtsverfahren darauf verwiesen hat, dass aktuelle Messungen im Dezember 2024 ergeben hätten, dass die kritische Lärmwertgrenze von 60 dB(A) an fünf von zwölf Tagen in der Regel am Wochenende selbst dann überschritten werde, wenn sich auf der Platzfläche nach 22 Uhr nur kleinere Menschenansammlungen (20–50 Personen) befänden und die Außengastronomie zu 20 Prozent ausgelastet sei, ohne dass lautes Grölen und Johlen zu verzeichnen gewesen sei, erschließt sich der Kammer nicht, wie die Antragsgegnerin allein auf der Grundlage der Messungen aus Dezember 2024 zu diesem Schluss, der von der bisherigen Einschätzung der Antragsgegnerin und den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen abweicht, kommt. So sind den im Verwaltungsvorgang enthaltenen (Bl. 174 ff.) Messprotokollen auch dann Pegelausschläge zu entnehmen, wenn der Platz nach den parallel erfolgten Kontrollen des Ordnungsamtes der Antragsgegnerin nur mäßig besucht war, was aber gerade für eine besondere Lautstärke (etwa in Form des Grölens) der anwesenden Kleingruppen spricht. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei den Messungen um eine orientierende Dauermessung ohne Personal handelt, so dass Angaben zur Geräuschsituation im Allgemeinen und zur Ursache der Maximalpegel fehlen, lässt sich den Messungen zudem nicht entnehmen, ob die hauptsächliche Ursache der gemessenen Gesamtgeräusche sowie der Maximalwerte überhaupt auf dem Brüsseler Platz verweilende (kleine) Gruppen waren. Es scheint auch nicht ausgeschlossen, dass der Lärm (auch) passierenden alkoholisierten Personen zuzuordnen ist.
59Vor diesem Hintergrund und für sich genommen erweist sich das angeordnete Verweilverbot auch deshalb als ermessensfehlerhaft, weil es unverhältnismäßig ist.
60Es dient zwar dem legitimen Zweck des Gesundheitsschutzes der Anwohner am Brüsseler Platz und ist zur Zweckerreichung auch geeignet. Es stellt auch keine bloße Vollzugserleichterung dar.
61Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 311.
62Der Antragsgegnerin stehen indes zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes der Anwohner am Brüsseler Platz mildere Mittel zur Verfügung, die sie mit einer nicht tragfähigen Begründung außer Acht gelassen hat. Neben einer vollen Ausschöpfung ihrer ordnungsrechtlichen Kompetenzen stand ihr auch das Mittel eines Alkoholverbots auf dem Brüsseler Platz zur Verfügung.
63Insoweit kann dahinstehen, ob diese möglichen Alternativmaßnahmen in jeder Hinsicht gleich effektiv sind wie das Verweilverbot. Jedenfalls ist es nicht angemessen, diese Maßnahmen auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse sogleich zugunsten eines Verweilverbots zu unterlassen.
64In dem hier betroffenen mehrpoligen Rechtsverhältnis, das zum einen die Schutzpflicht der Stadt Köln gegenüber den Anwohnern am Brüsseler Platz und zum anderen die Grundrechte (hier Art. 2 Abs. 1 GG) derjenigen betrifft, die den Brüsseler Platz wie gewohnt nutzen möchten, können die für bipolare Konfliktlagen entwickelten Regeln zur abwägenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs nicht ohne Anpassung an die Besonderheiten der Mehrpoligkeit, und damit nicht ohne Beachtung der Möglichkeit jeweils unterschiedlicher Beeinträchtigungen und Begünstigungen, angewendet werden. Die gefundene Lösung muss diese Belange sämtlich berücksichtigen. Soweit keine Lösung ersichtlich ist, die hinsichtlich Eignung und Erforderlichkeit für jedes der kollidierenden Rechtsgüter zu einem positiven Ergebnis kommt, ist auf der Stufe der Angemessenheit zu prüfen, ob dies verfassungsrechtlich hinnehmbar ist. Diese Klärung muss letztlich zu einer Abwägung führen, die die jeweiligen Vor- und Nachteile bei der Verwirklichung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit einbezieht. Dabei ist zu prüfen, ob Abstriche in der Eignung und Erforderlichkeit hinsichtlich des einen kollidierenden Rechtsguts angesichts der dadurch bewirkten Möglichkeit zum Schutz des anderen Guts in einem angemessenen Verhältnis stehen, insbesondere zumutbar sind, oder ob die Angemessenheit eher erreicht wird, wenn Minderungen der Eignung und Erforderlichkeit hinsichtlich des anderen Rechtsguts in Kauf genommen werden. Gegebenenfalls sind unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten darauf zu überprüfen, welche aus beiden Sichtwinkeln zur größtmöglichen Sicherung des Schutzes der kollidierenden Rechtsgüter führt.
65Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087/03 –, juris Rn. 95 ff.
66Vor diesem Hintergrund ist die Begründung der Antragsgegnerin, warum sie insbesondere von dem Erlass eines Alkoholverbots für den Brüsseler Platz abgesehen hat, nicht tragfähig und ermessensfehlerhaft.
67Die Begründung der Allgemeinverfügung legt nahe, dass die Antragsgegnerin mit dem Verweilverbot eine Absenkung des Lärmpegels in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr an den Wohnungen der Anwohner in der lautesten Nachtstunde auf 45 dB(A) beabsichtigt. Insoweit heißt es in der Begründung unter „Entschließungsermessen“: „Da regelmäßig wiederkehrend in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr an den Wohnungen der Anwohner*innen in der lautesten Nachstunde [sic] 60 dB(A) überschritten werden, muss die Stadt Köln Maßnahmen ergreifen. Soweit es um eine entsprechende Absenkung dieses Wertes auf 45 dB(A) geht, wird nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden.“
68Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, unterhalb der Grenze der Gesundheitsgefahr ermessensfehlerfrei darüber zu entscheiden, ob und bejahendenfalls welche weiteren Maßnahmen sie zur weiteren Absenkung des Beurteilungspegels auf 45 dB(A) während der lautesten Nachtstunde ergreift. Sie muss dabei allerdings nach dem dargestellten Maßstab die widerstreitenden Interessen berücksichtigten und fehlerfrei gewichten. Dabei ist das Interesse der Besucher des Platzes zwar nicht durch Art. 11 GG geschützt und zudem findet der Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit seine Grenzen in den gesetzlichen Regelungen wie § 117 OWiG und § 9 Abs. 1 LImSchG. Andererseits sind auch die örtlichen Besonderheiten und die „urbane“ Vorprägung des Brüsseler Platzes zu berücksichtigen, sodass deshalb eine nächtliche Lärmbelastung von regelmäßig 45 dB(A) zumutbar ist und den Anwohnern auch weiterhin eine gewisse Lärmbelastung zumutbar sein kann.
69Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 357 f.
70Darauf ist die Antragsgegnerin in ihrer Begründung jedoch nicht eingegangen. Sie hat insoweit einseitig den Gesundheitsschutz der Anwohner in ihre Abwägung eingestellt, obwohl die Grenze des gesundheitsgefährdenden Lärms erst ab einem Lärmpegel von 60 dB(A) nachts überschritten wird,
71vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 176 ff.,
72und der Gesundheitsschutz im Rahmen der Ermessensausübung hinsichtlich der Absenkung des Beurteilungspegels auf 45 dB(A) nicht allein relevant ist.
73Mit der von ihr angeführten Begründung hat die Antragsgegnerin jedoch auch die Erfüllung der ihr obliegenden Schutzpflicht zur Absenkung des Beurteilungspegels auf 60 dB(A) nicht ermessensfehlerfrei begründet. Auch insoweit hat sie insbesondere ein Alkoholverbot als die Allgemeinheit schonenderes Mittel vorschnell verworfen.
74So hat die Antragsgegnerin angeführt, dass die Lärmmessungen im Juli 2022 gezeigt hätten, dass die im Rahmen des „Modus Vivendi“ bereits durchgeführten (milderen) Maßnahmen (insbesondere der Einsatz des Ordnungsdienstes bzw. die Beauftragung von Vermittlern, Veränderung der Beleuchtungszeiten der Kirche St. Michael, engmaschige Kontrollen des pünktlichen Endes der Außengastronomie, Absprachen zum Verkaufsverbot von Alkohol, Reinigung des Platzes gegen Mitternacht, um eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen, Aufstellen eines Lärmmessgerätes, Verteilen von Handzetteln, die auf die Lärmproblematik hinweisen, Umgestaltung u. a. der Hochbeete des Platzes, Reduzierung der Sitzmöglichkeiten) bislang nicht den Effekt gehabt hätten, die Geräuschimmissionen zum Beispiel auch an den Wochenenden auf ein für die Anwohner zumutbares Niveau zu senken. Eine strengere Lärmüberwachung im Sinne einer dauerhaften Kontrolle der Ordnungsbehörde sei nicht erfolgversprechend und geeignet. Zum einen könnten angesichts der Vielzahl von Menschen einzelne Störer aus der Masse heraus in der Regel nicht identifiziert werden. Zum anderen sei auch ohne besonders lautes Schreien oder ähnliches die Geräuschkulisse durch die Unterhaltungen der Vielzahl von Menschen auf dem Platz zu laut, um die Nachtruhe zu gewährleisten. Ein Alkoholkonsumverbot im gleichen Zeitraum als milderes Mittel sei nicht geeignet und effektiv, um verlässlich die Nachtruhe und damit den Gesundheitsschutz der Anwohner herzustellen. Auch wenn bisher Alkoholkonsum im Rahmen der Ansammlung regelmäßig stattfinde und Alkoholkonsum störendes Verhalten, wie Pöbeleien und Gegröle fördere, bestehe die Prognose, dass die reine Menge an Personen auf der Platzfläche bereits zu erheblicher Lärmentwicklung führt, auch wenn auf der Fläche kein (weiterer) Alkohol konsumiert werde. Bei einem reinen Alkoholkonsumverbot könnten sich auf dem Platz weiterhin unbeschränkt Menschen aufhalten und allein durch ihre Gespräche die Nachtruhe erheblich stören. Und auch ohne Alkoholkonsum verstärke man bei Umgebungsgeräuschen wie beispielsweise vielfachen Unterhaltungen automatisch seine Lautstärke, um sich Gehör zu verschaffen. Losgelöst davon könne es auch ohne Alkoholkonsum ausgelassen zugehen. Darüber hinaus schließe ein Alkoholkonsumverbot auf der Platzfläche nicht aus, dass bereits alkoholisierte Personen auf die Platzfläche kämen und es dann dort zusätzlich verstärkt zu den mit Alkoholkonsum assoziierten Erscheinungen komme. Dies sei insbesondere aufgrund der Lage des Platzes mitten im Belgischen Viertel in der Nähe von zahlreichen gastronomischen Betrieben und wenige Minuten fußläufig entfernt von den weiteren hochfrequentierten nächtlichen Kölner Ausgehbereichen Ringe, Friesenstraße, Aachener Straße und Zülpicher Viertel höchst wahrscheinlich, lebensnah und bereits jetzt zu beobachten. Es sei außerdem davon auszugehen, dass ein Alkoholkonsumverbot von Besuchern des Platzes umgangen würde, beispielsweise durch das Umfüllen alkoholischer Getränke in andere Behältnisse. Eine entsprechende Kontrolle sei in der Praxis faktisch nicht möglich.
75Es ist schon zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin ermessensfehlerfrei davon abgesehen hat, ihre ordnungsbehördlichen Kompetenzen voll auszuschöpfen. Ihre Argumentation, dass eine Lärmüberwachung im Sinne einer dauerhaften Kontrolle der Ordnungsbehörde wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten nicht erfolgversprechend und geeignet sei, hat bereits das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bei gleicher Sachlage für nicht tragfähig erachtet.
76Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 207 ff. und insbesondere Rn. 212.
77Jedenfalls hat die Antragsgegnerin ein Alkoholverbot, das insbesondere im Hinblick auf die Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit durch die Antragstellerin das schonendere Mittel ist, ermessenfehlerhaft ausgeschlossen. Die Antragsgegnerin geht selbst davon aus, dass Alkoholkonsum auf dem Brüsseler Platz regelmäßig stattfinde und Alkoholkonsum störendes Verhalten, wie Pöbeleien und Gegröle fördere. Sie hat sich insoweit indes nicht näher damit befasst, wie sich ein mögliches Alkoholverbot auf die Attraktivität des Brüsseler Platzes für das überwiegend studentische Publikum, das die dortige „Partyszene“ bildet,
78vgl. insoweit VG Köln, Beschluss vom 7. Februar 2025 – 20 L 264/25 –, juris Rn. 25,
79auswirkt.
80Die Kammer geht mit dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen davon aus, dass eine Untersagung des Alkoholkonsums auf dem Platz – so das Verbot denn durchgesetzt wird – zu einer deutlichen Reduzierung der vom Brüsseler Platz ausgehenden Geräuschimmissionen führen wird, indem die Anzahl der sich enthemmt verhaltenden Personen – ggf. auch zwangsweise – reduziert wird und der Brüsseler Platz für diejenigen an Attraktivität verliert, die diesen allein zum Zwecke einer öffentlichen Feier mit Alkohol aufsuchen.
81Vgl. explizit OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 295.
82Dies wird voraussichtlich insgesamt dazu führen, dass die „Partyszene“ den Brüsseler Platz in Zukunft meiden wird. Insoweit ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass für einen beträchtlichen Teil des Publikums der Alkoholkonsum mit einem Aufenthalt auf dem Brüsseler Platz fest verbunden ist.
83So ist den im Verwaltungsvorgang enthaltenen Lärmmessungen zu entnehmen, dass die Überschreitung des Mittelungspegels (LAFeq) von 60 dB(A) ab 22:00 Uhr nur freitags, samstags und sonntags auftrat. Auffällig ist dabei, dass diese Lautstärke fast immer erst ab oder nach 22:00 Uhr erreicht worden ist, während die Zeit von 18:00 bis 22:00 regelmäßig deutlich ruhiger war. Dies legt bei lebensnaher Betrachtung nahe, dass die Geräuschbelastung von einem Publikum ausgeht, das dort „den Abend ausklingen lassen“ möchte, wofür auch der Genuss von alkoholischen Getränken eine Relevanz besitzt. Das lässt aber zugleich auf einen Vergrämungseffekt eines Alkoholverbots schließen. Ein Alkoholverbot kann zudem – im Gegensatz zu einem Verweilverbot, das das Passieren Alkohol konsumierender Partygänger zulässt – auch dazu führen, dass sich Gruppen, die sich in dem als Ausgehviertel beliebten „Belgischen Viertel“ von einer Lokalität zur anderen bewegen und Alkohol zum Zweck des Konsums (sog. „Wegbier“) bei sich führen, gerade nicht über den gerichtsbekannt als Verbindung zwischen den verschiedenen Kölner Ausgehbereichen – sowohl der Innenstadt und als auch jenseits des Inneren Grüngürtels – beliebten Brüsseler Platz bewegen, sondern andere Wege suchen werden. Diese der „Partyszene“ zuzurechnenden Personen werden den Brüsseler Platz in Zukunft voraussichtlich meiden und mit ihnen prognostisch auch diejenigen, die zwar auf dem Brüsseler Platz nicht (übermäßig) Alkohol konsumieren möchten, aber gleichwohl von der dortigen „Party-Stimmung“ angezogen werden. Dabei könnte zu erwägen sein, den Alkoholkonsum bereits vor 22 Uhr zu untersagen, um einen Aufenthalt auf dem Brüsseler Platz bereits im Vorfeld deutlich unattraktiver zu machen und dadurch dem § 9 Abs. 1 LImSchG widersprechende Zustände zu verhindern (vgl. § 15 LImSchG). Die Antragsgegnerin könnte ein Alkoholkonsumverbot ggf. auch mit weiteren gleich gerichteten Maßnahmen kombinieren, etwa einem Verweilverbot, das auf sichtlich alkoholisierte Personen beschränkt ist, oder einem Verbot des Mitführens von Glasflaschen oder offenen alkoholischen Getränken. Auch ein Verbot des öffentlichen Musizierens und der Nutzung von Tonwiedergabegeräten bzw. eine konsequente und nachhaltige Kontrolle der Einhaltung der bußgeldbewehrten Vorschrift des § 10 Abs. 1 LImSchG würde dazu beitragen, den Brüsseler Platz für die „Partyszene“ unattraktiv zu gestalten. Zudem kann die Antragsgegnerin die Attraktivität des Brüsseler Platzes für das relevante Publikum weiter dadurch senken, dass sie das auf dem Brüsseler Platz wegen des dort befindlichen Spielplatzes großflächig geltende Verbot des Konsums von Cannabis (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 KCanG) entschieden durchsetzt. Insbesondere ist die Antragsgegnerin gem. § 1 COwiVO NRW für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 KCanG zuständig.
84Die Eignung ist einem Alkoholverbot und flankierenden Maßnahmen auch nicht deshalb von vornherein abzusprechen, weil es womöglich auch mit ihm nicht gelingen wird, die nächtlichen Ruhestörungen nachhaltig zu beenden, das heißt ein freiwilliges Verlassen oder Meiden des Platzes durch die Besucher zu erreichen. Denn der Erfolg des Verbots wird – in gleichem Maße wie ein Verweilverbot – ganz maßgeblich davon abhängen, dass die Antragsgegnerin stetig und nachhaltig das Verbot durchsetzen wird.
85Vgl. wiederum explizit OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 298.
86Sollte es selbst bei einer sinkenden Attraktivität des Brüsseler Platzes immer noch – wie von der Antragsgegnerin befürchtet – regelmäßig zu Personenansammlungen auf dem Brüsseler Platz kommen, durch deren bloße Anwesenheit es zu einer Überschreitung der Lärmgrenzwerte kommt, was zumindest zweifelhaft sein dürfte, da die vom Partygeschehen ausgehenden Geräusche (wie bereits festgestellt) nicht auf einem im wesentlichen gleichbleibenden „Lärmteppich“ beruhen dürften, wird die Antragsgegnerin, die ein Alkoholverbot ohnehin zu überwachen und durchzusetzen hat, gehalten sein, Verstöße (§ 117 OWiG) nötigenfalls im Wege des Verwaltungszwangs,
87vgl. hierzu auch OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 218 und 221,
88und unter Inanspruchnahme von Amtshilfe der Landes- und ggf. Bundespolizei durchzusetzen.
89Es ist nicht dargelegt, warum die Antragsgegnerin bei einer voraussichtlich überschaubaren Zahl von Personen auf dem Platz nicht in der Lage sein sollte, gegen störenden Lärm vorzugehen, indem sie hartnäckig und konsequent gegen schreiende, grölende, musizierende bzw. Musikboxen nutzende und damit ersichtlich ruhestörende Personen vorgeht, die nach dem Gutachten vom 29. September 2022 als Ursache der Maximalpegel zwischen 22 und 24 Uhr festgehalten worden sind.
90Vgl. Gutachten der ADU cologne, Beiakte, S. 95 ff., 113 ff. hierzu auch OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 218 und 221.
91Nur wenn ein Alkoholkonsumverbot tatsächlich keine oder keine ausreichende Wirkung zeigt, um eine Lärmreduzierung auf dem Platz zu erreichen, wird die Antragsgegnerin stattdessen oder zusätzlich auch ein Verweilverbot zu erwägen haben.
92Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 313.
93Insoweit hat die Antragsgegnerin indes – wie gezeigt – noch nicht ausreichend ermittelt, ob die Umstände des Einzelfalles auf dem Brüsseler Platz bereits die Prognose erlauben, dass – etwa ab einer bestimmten Uhrzeit oder an bestimmten Wochentagen – das bloße Verweilen und Kommunizieren von Personen auf dem Brüsseler Platz nach den Erfahrungen des täglichen Lebens oder nach den Erkenntnissen fachkundiger Stellen regelmäßig und typischerweise, wenn auch nicht ausnahmslos zum Verursachen unzumutbarer Geräuschimmissionen, zum Beispiel durch Schreien, Grölen oder lautes Rufen, führt.
94Vgl. zu diesem Aspekt OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 – 8 A 2519/18 –, juris Rn. 314.
95Die aufschiebende Wirkung war nur mit Wirkung für die Antragstellerin wiederherzustellen. Für das ihr zurechenbare Verhalten ihrer Organe, Vertreter und deren Hilfspersonen entfaltet das Verweilverbot daher keine Wirkung, sodass diese Personen (im Falle des Vorliegens einer entsprechenden Sondernutzungserlaubnis) über die Ausnahme in Nr. 2 Satz 3 der Allgemeinverfügung hinaus auf dem Brüsseler Platz verweilen dürfen. Daraus erfolgt indes noch kein Aufhebungsanspruch der Antragstellerin auch in Bezug auf Dritte, die Adressaten des Verweilverbots sind, das diesen gegenüber weiterhin Geltung beansprucht.
96Die aufschiebende Wirkung greift grundsätzlich nur zugunsten desjenigen ein, der den Rechtsbehelf eingelegt hat. Dies gilt auch bei Rechtsbehelfen gegen Allgemeinverfügungen und zwar jedenfalls dann, wenn sie ein Bündel von Verwaltungsakten darstellen und deshalb von verschiedenen Betroffenen hinsichtlich eines eigenen, abtrennbaren Teils, der sie belastet, angegriffen werden können.
97Soweit vertreten wird, dass bei dinglichen Allgemeinverfügungen, etwa Planfeststellungsbeschlüssen sowie Organisationsakten wie Schulschließungen oder Straßenumbenennungen, die aufschiebende Wirkung zu einer Vollzugshemmung gegenüber jedermann führe,
98vgl. etwa Eyermann, 16. Aufl. 2022, VwGO § 80 Rn. 19, Schoch/Schneider/Schoch, 46. EL August 2024, VwGO § 80 Rn. 51; Schenke, NVwZ 2022, 273, 278 f.; Stepanek, JuS 2023, 922, 927,
99trifft dies hier nicht zu. Die angegriffene sachbezogene Allgemeinverfügung kann (hypothetisch) durch eine Vielzahl individualbezogener Verwaltungsakte ersetzt werden und in Bezug nur auf einzelne Adressaten aufgehoben werden, ohne dass dies, anders etwa als bei der Aufhebung eines Verkehrsschildes, das abmontiert werden muss,
100vgl. insoweit erneut OVG NRW, Beschluss vom 29. September 2021 – 8 B 188/21 –, juris Rn. 42 ff. zur Aufhebung der Vollziehung einer verkehrsrechtlichen Anordnung,
101zu (tatsächlichen) Problemen bei der Umsetzung der Entscheidung führte.
102Dies korrespondiert mit dem Aufhebungsanspruch der Antragstellerin im Rahmen der in der Hauptsache angestrengten Anfechtungsklage. Grundsätzlich hebt das Gericht den Verwaltungsakt im Rahmen der in der Hauptsache angestrengten Anfechtungsklage nur insoweit auf, als der Kläger durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und damit mit Wirkung inter partes.
103Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 6. November 2024 – 6 C 2.23 –, juris Rn. 15.
104Einen Verwaltungsakt, der gegenüber einer Vielzahl von Personen wirkt, darf das Gericht auf die erfolgreiche Anfechtungsklage eines Betroffenen nur aufheben, soweit er zwischen den Beteiligten wirkt. Dies ist keine Folge der Rechtskraftwirkung des Urteils, die nach § 121 VwGO grundsätzlich auf die Beteiligten beschränkt ist, sondern ergibt sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid aufhebt, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Das Wort „soweit“ stellt klar, dass sich die gerichtliche Aufhebung bei Verwaltungsakten mit teilbarem Inhalt ungeachtet der sich aus der unmittelbaren Umgestaltung bzw. Wiederherstellung der materiellen Rechtslage ergebenden „inter-omnes“-Wirkung des aufhebenden Urteils auf diejenigen Teile beschränken muss, aus denen die Rechtsverletzung für den Kläger folgt. Voraussetzung einer subjektiv beschränkten Aufhebung ist allerdings, dass der Verwaltungsakt in persönlicher Hinsicht teilbar ist. Soweit sich aus dem jeweiligen Fachrecht nichts Abweichendes ergibt, kommt es dabei darauf an, ob der Verwaltungsakt von allen Adressaten nur einheitlich befolgt werden kann oder nicht.
105Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 – 6 C 13.12 –, juris Rn. 66.
106Bei der erfolgreichen Anfechtung einer Allgemeinverfügung wird diese nur gegenüber dem Kläger aufgehoben, wenn sie – wie hier – subjektiv teilbar ist. Bei Unteilbarkeit erfolgt die Aufhebung dagegen insgesamt, so dass weitere Betroffene faktisch Nutznießer des erstrittenen Urteils sind.
107Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. April 2018 – 2 L 114/16 –, juris Rn. 22; OVG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2002 – 2 S 6.01 –, Rn. 33; U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, 10. Aufl. 2022, VwVfG § 35 Rn. 274; Clausing/Kimmel in: Schoch/Schneider, 46. EL August 2024, VwGO § 121 Rn. 94; Schenke, NVwZ 2022, 273; Stepanek, JuS 2023, 922, 927.
108Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
1092. Der festgesetzte Wert entspricht dem Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG). Dieser Wert war für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai und 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen).
110Rechtsmittelbelehrung
111Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung bei dem Verwaltungsgericht Köln (Appellhofplatz, 50667 Köln oder Postfach 10 37 44, 50477 Köln) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist eingeht bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
112Die Beschwerde ist einzulegen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
113Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist nicht selbstständig anfechtbar.
114Gegen die Festsetzung des Streitwerts kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem diese Entscheidung Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln (Appellhofplatz, 50667 Köln oder Postfach 10 37 44, 50477 Köln) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Hierfür besteht kein Vertretungszwang. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.