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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für den Beigeladenen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung G01 mit der Lagebezeichnung V.-straße. Das Grundstück ist Bestandteil der überwiegend beidseitig grenzständig errichteten Blockrandbebauung entlang des dreieckigen Bebauungsblocks zwischen A.-straße, K.-straße und Z.-straße. Das klägerische Grundstück ist bebaut mit einem mehrgeschossigen Mehrfamilienhaus, welches eine Höhe von 69,00 Metern ü. NHN aufweist. Im östlichen Grundstücksbereich weist das klägerische Grundstück in der Bestandsbebauung eine 3,00 Meter Breite und 4,00 Meter hohe Durchfahrt in den straßenabgewandten Blockinnenbereich auf.
3Südlich an das klägerische Grundstück angrenzend im Blockinnenbereich befindet sich das Grundstück Gemarkung G02 (im Folgenden: Vorhabengrundstück), welches im Bestand mit einer eingeschossigen, ca. 720 m² großen Flachdachbebauung, in der Anlagen der Telekommunikationsinfrastruktur untergebracht sind, bebaut war und für dessen Aufstockung verbunden mit einer Nutzungsänderung der Beigeladene bei der Beklagten Genehmigungen beantragte.
4Die Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans; der Fluchtlinienplan Nr. N02 legt eine straßenseitige Bauflucht fest, welche von dem Bestandsgebäude auf dem klägerischen Grundstück eingehalten wird.
5Unter dem 21. Mai 1968 wurde zugunsten des klägerischen Grundstücks auf dem Vorhabengrundstück eine Abstandsflächenbaulast für das Gebäude V.-straße sowie eine Baulast zur Sicherung einer Stellplatzfläche für das klägerische Grundstück mit Bestandsgebäude in das Baulastenverzeichnis der Beklagten eingetragen. Die Abstandsflächenbaulast wurde auf Antrag des Beigeladenen durch Verfügung der Beklagten vom 28. März 2023 gelöscht und die Löschung im Baulastenverzeichnis eingetragen. Auf dem klägerischen Grundstück, Flurstück N03, wurde seinerzeit zugunsten des Vorhabengrundstücks eine Baulast des Inhalts in das Baulastenverzeichnis eingetragen, dass „der jeweilige Grundstückseigentümer […] verpflichtet [ist], die in dem beiliegenden Lageplan […] [näher gekennzeichnete] Fläche als fremden Zugang im Sinne des § 4 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NW) und als fremde Zufahrt zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstücks […] Gemarkung G02, dauernd zur Verfügung zu stellen und nutzen zu lassen.“ In dem beigefügten Lageplan war die entsprechend schraffierte Fläche als „Zufahrt zur Fabrik“ in der Legende ausgewiesen sowie die Bebauung auf dem Vorhabengrundstück gleichermaßen als „Fabrik“ gekennzeichnet worden.
6Im September 2018 beantragte der Rechtsvorgänger des Beigeladenen bei der Beklagten die Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheids für die Aufstockung des bestehenden eingeschossigen Gebäudes auf dem Vorhabengrundstück um drei Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss zur Schaffung von 14 Wohneinheiten mit der konkreten Frage, „ob die geplante Aufstockung in Höhe, Geschossigkeit und Volumen bauplanungsrechtlich zulässig“ sei. Eine gegen diesen Antrag anlehnenden Bescheid gerichtete Klage – 8 K 3758/19 – hatte Erfolg, woraufhin die Beklagte am 15. Mai 2019 einen Vorbescheid – N04 – hinsichtlich einer baulichen Anlage mit 16,50 Metern Höhe sowie mehreren Vorsprüngen im Baukörper erteilte. Auf einen Bauantrag aus Dezember 2021 hin erteilte die Beklagte dem Beigeladenen am 4. April 2023 hinsichtlich eines in der Kubatur im Vergleich zum Vorbescheid geänderten Baukörpers mit einer Höhe von 13,65 Metern eine Baugenehmigung – N05 – zur Aufstockung um zwei Voll- und ein Staffelgeschoss für zehn Studenten-Apartments. Auf weiteren Bauantrag vom 3. Mai 2023, welcher als Nachtrag zur Baugenehmigung vom 4. April 2023 bezeichnet und in dem hinsichtlich der nunmehr vorgesehenen Geschossigkeit und Gebäudehöhe auf den Vorbescheid vom 15. Mai 2019 Bezug genommen wurde, erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die hier streitgegenständliche Baugenehmigung vom 4. Oktober 2023 – N06 – zur Aufstockung eines eingeschossigen Technikgebäudes mit drei Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss für 20 Studenten-Apartments unter Herstellung von 6 Pkw- und 23 Fahrrad-Stellplätzen. Der nunmehr geplante Baukörper, an dessen Westseite die sechs Pkw-Stellplätze geplant sind, weist eine Höhe von 16,65 Metern bzw. 67,64 Metern ü. NHN auf.
7Die streitgegenständliche Baugenehmigung wurde dem Kläger ausweislich des Verwaltungsvorgangs der Beklagten nicht zugestellt.
8Der Kläger hat jedenfalls am 19. Juni 2024 Klage erhoben. Zudem hat er am 24. Juni 2024 einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Letzterer ist mit Beschluss der Kammer vom 23. Juli 2024 – 8 L 1183/24 – abgelehnt worden. Eine hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land NRW ist erfolglos geblieben (Beschluss vom 19. November 2024 – 7 B 742/24).
9Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, das Bauvorhaben verstoße gegen drittschützende Normen des Bauordnungs- wie auch Bauplanungsrechts. In bauordnungsrechtlicher Hinsicht liege ein Abstandsflächenverstoß im Bereich des Fahrstuhls vor. Dieser werfe eine Abstandsfläche, welche auf das klägerische Grundstück falle, zumal die Löschung der Abstandsflächenbaulast zugunsten des klägerischen Grundstücks rechtswidrig gewesen sei. Auch sei eine Verkehrsgefährdung zu befürchten, da ein erhöhtes Verkehrsaufkommen für den dafür nicht ausgerichteten Durchbruch zum Innenhof zu erwarten sei.
10In bauplanungsrechtlicher Hinsicht wirke sich jenes zu erwartende erhöhte Verkehrsaufkommen zulasten einer nicht gesicherten Erschließung des Bauvorhabens aus. Denn die im Blockinnenbereich geplante Bebauung für nunmehr 20 Wohnungen sprenge den Rahmen der Zuwegungsbaulast auf dem klägerischen Grundstück. Diese sei im Jahr 1968 vorhabenbezogen für eine eingeschossige Fabriknutzung auf dem Hinterliegergrundstück bestellt worden. Der Vorhabenbezug der Baulast werde auch daraus erkennbar, dass seinerzeit wechselseitige Baulasten für das klägerische und das Vorhabengrundstück eingetragen worden seien. Es habe sich um ein gegenseitiges Geben und Nehmen zwischen – nunmehr gelöschter – Abstandsflächenbaulast und Stellplatzbaulast gegenüber der Zuwegungsbaulast gehandelt. Der in diesem Kontext zu sehende, enge Umfang der Zuwegungsbaulast sei weder für ein derartiges Bauvorhaben gedacht gewesen noch sei eine derartige Nutzung zumutbar. Daraus ergebe sich auch ausnahmsweise ein drittschützender Aspekt beim Merkmal der planungsrechtlichen Erschließung. Denn die Situation zwinge ihn, den Kläger, aufgrund der konkreten Grundstückssituation dazu, ein Notwegerecht einzuräumen, gegen das er sich nicht wehren könne. Der Fall sei insoweit vergleichbar mit einer von dem Bundesverwaltungsgericht – 4 B 45.98 – entschiedenen Konstellation.
11Das Bauvorhaben füge sich auch nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein, da es die Umgebungsbebauung bisweilen überrage und nach seiner Kubatur und seinen Ausmaßen einen Gebäudeklotz darstelle. Für derartige Abmessungen habe auch das erkennende Gericht keine heranzuziehende Entscheidung getroffen, da die Parameter in der Entscheidung 8 K 3758/19 andere gewesen seien. Es sei auch keine Vergleichbarkeit mit den Gebäuden M.-straße und 00-00 gegeben, da der geplante Baukörper nicht wie diese nur in den Blockinnenbereich hineinrage, sondern diesen vielmehr erstmals vollständig ausfülle.
12Auch nach der Art der baulichen Nutzung sei ein Einfügen nicht anzunehmen, da die geplanten Studentenapartments nicht mit dem Studentenwohnheim M.-straße vergleichbar seien. Denn dort sei keine derartige Tunnelsituation bei der Zufahrt gegeben. Bislang seien etwa 50 Durchfahrten in den Innenhof am Tag zu verzeichnen gewesen, während nunmehr eine deutlich erhöhte Frequenz zur Tages- und Nachtzeit zu erwarten sei.
13Nicht nur bezüglich des zu erwartenden Verkehrslärms, hinsichtlich dessen es an einer Lärmprognose bei den Bauvorlagen fehle, sondern auch aufgrund der Baugestaltung sei zudem das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Denn die nunmehrige Gestaltung mit drei Vollgeschossen zzgl. Staffelgeschoss belaste die Anwohner ungleich mehr als in der vorherigen, niedrigeren Planung. Es werde zudem eine Fassade von 18 Metern Breite geschaffen, auf die geschaut werde, und die zahlreichen vorhandenen Balkone überrage. Durch die entlang dieser Fassade aus den Fenstern ausgehenden Lichtimmissionen entstehe jedenfalls in der dunklen Jahreszeit eine Belastung wie durch eine Leuchtröhre im Innenhof. Der bisher insgesamt beruhigte Innenhof, der der Erholung und Luftreinhaltung gedient habe, werde nunmehr voll – insbesondere unter Ausreizung sämtlicher Abstandsflächen – ausgenutzt und dieser Funktionen beraubt. In Zusammenschau dieser Faktoren komme dem Bauvorhaben insoweit auch eine erdrückende Wirkung zu.
14Der Kläger beantragt,
15die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 4. Oktober 2023 aufzuheben.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Zur Begründung führt sie aus, die Abstandsflächen seien sämtlich gewahrt. Dass diese bis zum Äußersten ausgereizt würden, ändere nichts an deren Einhaltung und einer fehlenden dadurch bedingten Nachbarrechtsverletzung. Auch das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt, da eine Überragung des Gebäudes M.-straße nicht zu einer sich zulasten des Klägers auswirkenden Nachbarrechtsverletzung führen könne. Eine erdrückende Wirkung sei aber auch insgesamt nicht anzunehmen, da schon keine erheblichen Höhendifferenzen erkennbar seien. Auch seien keine erheblich erhöhten Immissionen aufgrund der geringen dort geplanten Stellplätze für das Bauvorhaben zu befürchten. Jedenfalls aber stelle der Innenhof schon keine gesondert geschützte Ruhezone dar, sondern vielmehr sei dieser bisher auch bebaut und intensiv genutzt worden. Schließlich vermittele das Merkmal der Erschließung keinen Drittschutz, zumal diese auch durch die grundstücksbezogene Zuwegungsbaulast hinreichend gesichert sei.
19Der Beigeladene beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Er schließt sich im Wesentlich den Ausführungen der Beklagten an und führt ergänzend und vertiefend aus, dass keine Zweckbindung der Zuwegungsbaulast erkennbar sei. Mit einer vergleichbaren Argumentation sei der Kläger auch im Rahmen eines zivilrechtlichen Rechtsstreits hinsichtlich einer Grunddienstbarkeit unterlegen. Etwaige Verstöße während der Nachtzeit durch Licht- oder Lärmimmissionen seien dem Ordnungsrecht vorbehalten. Nach der Art der baulichen Nutzung füge sich das Bauvorhaben jedenfalls unproblematisch in die nähere Umgebung ein, da es sich bei dieser um ein faktisches Mischgebiet oder sogar eine Gemengelage handele. Das Einfügen der Wohnnutzung hierein hänge jedenfalls nicht von der Häufigkeit der Frequentierung des Innenhofbereichs ab.
22Mit Beschluss vom 30. Januar 2025 ist der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie des Verfahrens 8 L 1183/24 mitsamt der jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe
24Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
25Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 4. Oktober 2023 ist dem Kläger gegenüber nicht rechtswidrig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
26Bei einer Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung kann offenbleiben, ob diese in jeder Hinsicht mit dem materiellen Recht in Einklang steht. Ein Rechtsanspruch des Nachbarn auf Aufhebung besteht nämlich nicht schon dann, wenn eine Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Hinzukommen muss, dass der Nachbar durch die rechtswidrige Baugenehmigung zugleich in eigenen Rechten verletzt wird. Dies setzt voraus, dass die Baugenehmigung gegen Rechtsnormen verstößt, die nachbarschützenden Charakter haben, und der jeweilige Nachbar auch im Hinblick auf seine Nähe zu dem Vorhaben tatsächlich in seinen eigenen Rechten, deren Schutz die Vorschriften zu dienen bestimmt sind, verletzt wird.
27Vgl. zu diesem Maßstab OVG NRW, Urteil vom 30. Mai 2017 – 2 A 130/16 –, juris, Rn. 26 f., m. w. N.
28Ein solcher Verstoß liegt weder in Bezug auf bauordnungs- noch bauplanungsrechtliche drittschützende Normen vor.
29Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insbesondere hinsichtlich der aufgeworfenen Verletzungen von Abstandsflächenrecht, Einfügen nach Art und Maß der baulichen Nutzung sowie des Gebots der Rücksichtnahme auf die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss vom 23. Juli 2024 – 8 L 1183/24 – Bezug genommen, hinsichtlich derer auch nach dem ablehnenden Beschwerdebeschluss des OVG NRW vom 19. November 2024 – 7 B 742/24 – kein weiterer Vortrag erfolgt und keine andere Bewertung ersichtlich ist.
30Soweit der Kläger in Bezug auf die Erschließungssituation noch ergänzend vorgetragen hat, ist jedoch auch dahingehend keine Verletzung in eigenen Rechten zu erkennen.
31Das Erfordernis der gesicherten Erschließung, welches sich vorliegend mangels Bebauungsplans aus § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ergibt, ist dem Grunde nach bereits nicht drittschützend.
32Vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 20. Oktober 1992 – 2 R 5/91 –, juris, Rn. 31.
33Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass ausnahmsweise dann ein nachbarliches Abwehrrecht gegen eine – grundsätzlich unbeschadet der Rechte Dritter – erteilte Baugenehmigung anzuerkennen sei, wenn die fehlende Erschließung einen gegen den Nachbarn gerichteten Anspruch auf Duldung eines Notwegrechts nach sich ziehe,
34vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1998 – 4 B 45.98 –, juris, Rn. 8, m. w. N., OVG des Saarlandes, Urteil vom 20. Oktober 1992 – 2 R 5/91 –, juris, Rn. 36,
35verfängt diese Ausnahme vorliegend nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein solcher nachbarrechtlicher Abwehranspruch wegen fehlender Erschließung gegen eine Baugenehmigung dann anzunehmen, wenn durch die gerade diesbezügliche Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung in Richtung auf die Entstehung eines Notwegrechts eine Automatik ausgelöst wird, da der betroffene Nachbar in diesem Fall im Zivilprozess gegen die Inanspruchnahme seines Grundstücks auf der Grundlage des § 917 Abs. 1 BGB mit dem Vortrag abgeschnitten sei, die Benutzung des Baugrundstücks sei schon deshalb nicht ordnungsmäßig, weil sie dem öffentlichen Baurecht widerspreche.
36Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1998 – 4 B 45.98 –, juris, Rn. 8.
37Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn die Einräumung bzw. Duldung eines Notwegrechts nach § 917 Abs. 1 BGB droht dem Kläger hier nicht, da die Erschließung gerade durch die auf seinem Grundstück (Flurstück N03) lastende Zuwegungsbaulast gesichert ist. Dass jene – unbeschränkt eingetragene – Baulast vorhabenbezogen bestellt worden und deshalb für das Bauvorhaben nicht heranzuziehen sein könnte, ist nicht erkennbar.
38Ein Rechtssatz des Inhalts, dass Baulasten aller Art nach dem im Land Nordrhein-Westfalen maßgeblichen Landesrecht stets in dem Sinne vorhabenbezogen wären, dass sie jeweils nur das konkrete Vorhaben absichern, dessen sonst nicht genehmigungsfähige Errichtung Anlass für die Bestellung der Baulast war, lässt sich nicht herleiten. Vielmehr sind Baulasten – wie andere Rechtstexte – auslegungsfähig. Durch Auslegung des in das Baulastenbuch eingetragenen Textes ist insbesondere zu ermitteln, ob die Baulast grundstücksbezogen oder vorhabenbezogen in dem Sinne erteilt worden ist, dass sie nur ein konkretes Vorhaben absichern soll. Diese Frage lässt sich nicht generell in dem einen oder anderen Sinne beantworten. Entscheidend ist vielmehr, wie der Inhalt der jeweiligen konkreten Baulast bei verständiger Würdigung zu verstehen ist.
39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Dezember 2009 – 7 A 3150/08 –, juris, Rn. 5 f., m. w. N. sowie Beschluss vom 17. September 2004 – 7 B 1494/04 –, juris, Rn. 17.
40Ob eine Baulast grundstücksbezogen oder ob sie vorhabenbezogen in dem Sinne ist, dass sie nur ein konkretes Vorhaben absichern soll, ist durch Auslegung des in das Baulastenbuch eingetragenen Textes zu ermitteln; entscheidend ist, wie der Inhalt der jeweiligen Baulast bei verständiger Würdigung zu verstehen ist. Eine Einschränkung der Baulast auf die Sicherung eines konkreten Vorhabens setzt – nicht zuletzt auch mit Blick auf die weitreichenden Auswirkungen der Eintragung einer Baulast (vgl. § 85 BauO NRW) – voraus, dass das Vorhaben in der Baulasterklärung unmissverständlich und eindeutig so konkret bezeichnet wird, dass sich die Rechtswirkungen der Baulast hinreichend verlässlich eingrenzen lassen.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2004 – 7 B 1494/04 –, juris, Rn. 27; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 6. Dezember 2016 – 6 K 4614/15 –, juris, Rn. 29 f., m. w. N.
42Für die Annahme eines Vorhabenbezuges reicht es insoweit nicht aus, dass eine Baulast aus Anlass der Errichtung eines bestimmten Bauvorhabens übernommen wird. Denn allein daraus folgt nicht, dass sie nur der Errichtung eben dieses Vorhabens dient und in ihrer Wirkung auf dieses beschränkt ist.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Dezember 2009 – 7 A 3150/08 –, juris, Rn. 7.
44Soweit der Rechtsprechung ein Rechtssatz dergestalt zu entnehmen sein sollte, dass Erschließungsbaulasten regelmäßig dahin auszulegen seien, dass sie nur für den Verkehr gälten, der durch die typische Nutzung eines Vorhabens ausgelöst werde, setzt auch dies voraus, dass die Erschließungsbaulast zur Erschließung eines bestimmten Vorhabens übernommen worden ist.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2015 – 7 B 618/15 –, juris, Rn. 8.
46Gemessen an diesen Maßstäben ist ein Vorhabenbezug der Zuwegungsbaulast auf dem klägerischen Grundstück nicht ersichtlich. Der als maßgeblicher Ansatzpunkt der Auslegung einer Baulast heranzuziehende Eintragungstext im Baulastenverzeichnis enthält keinerlei Einschränkungen der Baulast. Diesem ist noch nicht einmal ein – für sich genommen ohnehin unzureichender – Anlass in Form eines konkreten geplanten Bauvorhabens für die Eintragung zu entnehmen. Vielmehr ist der Eintragungstext, der fremden Zugang und fremde Zufahrt zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Vorhabengrundstücks dauernd zur Verfügung und Nutzung stellt, denkbar generell formuliert.
47Dass der der Eintragung beigefügte Lageplan von einer „Zufahrt Fabrik“ spricht, vermag vor den dargestellten Anforderungen an die Eintragung einer vorhabenbezogenen Baulast nicht auszureichen, um einen solchen Vorhabenbezug anzunehmen. Insoweit wird in der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen verlangt, gerade das Vorhaben, das durch die Baulast konkret gesichert werden soll, in Text und Plänen hinsichtlich seiner genauen Konturen und seines status quo im Zeitpunkt der Eintragung in Bezug zu nehmen.
48Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2004 – 7 B 1494/04 –, juris, Rn. 30 und Beschluss vom 7. Dezember 2009 – 7 A 3150/08 –, juris, Rn. 11 (zu einer Bezugnahme auf eine durch bestimmte Pläne fixierte bauliche Ausgestaltung und nähere Eingrenzung des Baubestands des begünstigten Gebäudes).
49Diesen Anforderungen wird die bloße Bezeichnung als „Fabrik“ im beigefügten Lageplan ohne Bezugnahme auf eine konkrete Baumaßnahme oder zumindest weitere Eingrenzung, bspw. hinsichtlich Gebäudegröße, Mitarbeiter- und Lieferverkehrsbestand, Beschreibung der in der Fabrik vorgenommenen Produktion oder sonstiger Faktoren, die auf die „typische Nutzung“ und den damit verbundenen Zuwegungsverkehr Einfluss haben können, nicht gerecht.
50Auch die seitens des Klägers vorgebrachten – mutmaßlichen – Umstände um die Eintragung der Baulast herum können keinen Vorhabenbezug begründen. Weder ergibt sich ein etwaiger Bezug der Zuwegungsbaulast zu der seinerzeitigen Abstandsflächen- und Stellplatzbaulast aus den Eintragungstexten, noch könnten eventuelle (privatrechtliche) Absprachen der damaligen Grundstückseigentümer über ein Gegenseitigkeitsverhältnis bei der Eintragung der Baulasten deren Charakter als öffentlich-rechtliches Sicherungsinstrument beeinflussen. Insbesondere ist die Perspektive des durch die Baulast faktisch Begünstigten insoweit auch unerheblich, da er nicht Adressat der Baulasterklärung ist und sie für ihn keine Rechtsposition begründet.
51Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. November 2017 – 2 A 1393/16 –, juris, Rn. 69.
52Schließlich führt auch der klägerische Vortrag zur damals seiner Ansicht nach üblichen eingeschossigen rückwärtigen Bebauung zu keinem anderen Ergebnis. Soweit die Begründung des einen benachbarten Bebauungsblock erfassenden Bebauungsplans Nr. 00000/00 zur in dessen Geltungsbereich festgesetzten eingeschossigen Hofbebauung ausführt, dadurch eine „kleingewerbliche Nutzung“ im weiter festgesetzten Allgemeinen Wohngebiet zu ermöglichen, folgt daraus keine andere Bewertung zur Auslegung der in Rede stehenden Baulast. Es ist nicht erkennbar, wie jenem Bebauungsplan, der sich noch nicht einmal auf den hier maßgeblichen Bebauungsblock bezieht, eine Aussage zur Auslegung der in Rede stehenden Baulast zu entnehmen sein soll. Insbesondere folgt aus einem Bebauungsplan als abstrakt-generellem materiellen Gesetz kein konkreter Vorhabenbezug für eine Baulast. Auch die seitens des Klägers aus der Begründung des Bebauungsplans gezogene vermeintliche Schlussfolgerung, dass seinerzeit eine lediglich eingeschossige Innenblockbebauung üblich gewesen sei und die Vorstellung des Rechtsvorgängers des Klägers bei der Bewilligung der Baulasteintragung zur Zuwegungsbaulast geprägt habe, bewirkt selbst bei Wahrunterstellung jener spekulativen Annahme keine Begrenzung der Reichweite der Baulast. Etwaige rein innere Tatsachen spielen insoweit bei der Auslegung einer eingetragenen Baulast als öffentlich-rechtlichem Sicherungsmittel keine Rolle. Denn bei der gebotenen Auslegung ist nach den §§ 133, 157 BGB und § 242 BGB auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen. Danach ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (vgl. § 133 BGB). Wirklicher Wille ist nicht der innere, nicht zum Ausdruck gebrachte Wille, sondern nur der erklärte Wille. Maßgeblich ist mithin, wie derjenige, für den die Erklärung bestimmt ist, nämlich der Adressat der Baulast, also die Baubehörde, diese nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen durfte.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. November 2017 – 2 A 1393/16 –, juris, Rn. 65 ff. und Beschluss vom 15. März 2024 – 10 A 688/22 –, juris, Rn. 29; VG Karlsruhe, Urteil vom 17. Oktober 2019 – 10 K 11594/17 –, juris, Rn. 28, m. w. N.
54Soweit darüber hinaus der Reichweite einer – wie hier – grundstücksbezogenen Baulast ggf. insoweit Grenzen gezogen werden müssen, als Nutzungen, die angesichts der vorhandenen Situation nicht zuzumuten sind, für die durch Baulast belastete Wegefläche auszuschließen sind,
55vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 1989 – 7 A 772/88 –, juris, Rn. 17 und OVG LSA, Beschluss vom 14. August 2014 – 2 L 76/13 –, juris, Rn. 14 (jeweils zur Situation nach Grundstücksteilungen),
56ist eine solche Konstellation vorliegend nicht gegeben. Eine Wohnnutzung für etwa 55 Personen unter Herstellung von 6 Pkw- und 23 Fahrrad-Stellplätzen, bewegt sich im Rahmen desjenigen, was im dicht bebauten Innenstadtbereich für eine Zufahrtssicherung herkömmlich zu erwarten ist. Diese Nutzung sprengt die Kapazitäten der Zuwegung nicht etwa durch ein gänzlich anderes und nicht zu erwartendes Gepräge der nunmehrigen Grundstücksnutzung des begünstigten Grundstücks. Dies gilt umso mehr, als der Zufahrtsbereich in den Innenhof bislang bereits mindestens 9 auf dem Vorhabengrundstück zugunsten der straßenseitigen Bebauung auf dem klägerischen Grundstück angelegten Pkw-Stellplätzen dient. Inwieweit nunmehr erstmals eine Überforderung der Zufahrtssituation bzw. Unzumutbarkeit durch 6 hinzutretende Pkw-Stellplätze für das Bauvorhaben entstehen soll, hat der Kläger weder substantiiert aufgezeigt noch ist dies ersichtlich.
57Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren für erstattungsfähig zu erklären, weil er erfolgreich einen eigenen Sachantrag gestellt hat und wegen der Regelung in § 154 Abs. 3 VwGO dadurch auch ein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist.
58Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 709 Satz 1 und Satz 2 sowie § 711 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
59Rechtsmittelbelehrung
60Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
61Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
62Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
63Beschluss
64Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
6510.000,- Euro
66festgesetzt.
67Gründe
68Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Der festgesetzte Wert entspricht der Bedeutung der Sache. Das Gericht orientiert sich hierbei an Ziffer 7 Buchstabe a des Streitwertkatalogs der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2019.
69Rechtsmittelbelehrung
70Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.