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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
2Die 1954 im Gebiet Krasnojarsk geborene Klägerin begehrt die Erteilung eines Aufnahmebescheides.
3Sie stellte am 17.12.2013 einen Aufnahmeantrag nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) bei dem Bundesverwaltungsamt (BVA).
4Die dem Antrag beigefügte Geburtsurkunde der Klägerin datiert vom 17.01.2007. Als ihre Mutter ist dort M. N. (Nationalität deutsch) eingetragen, für den Vater enthält die Urkunde keinen Eintrag. Die Klägerin gab an, der Vater und die Großeltern väterlicherseits seien unbekannt. Die Großeltern mütterlicherseits seien Z. N. und H. N., beide Deutsche. Zu deren Geburtsdaten machte sie keine Angaben; der Großvater sei 1941 verstorben. Ihre Mutter sei am 00.00.1920 im Saratowgebiet geboren und am 04.09.1941 nach Krasnojarsk deportiert worden. Die Klägerin gab weiter an, Deutsch und Russisch zu sprechen. Deutsch habe sie von ihrer Mutter sowie in der Schule gelernt. Einladungen zum Sprachtest bei der Deutschen Botschaft in Moskau kam die Klägerin nicht nach. Am 16.02.2016 teilte das BVA der Klägerin ergänzend mit, dass sie alternativ zum Sprachtest bei der Deutschen Botschaft in Moskau auch eine Prüfung beim Goetheinstitut ablegen und einen Sprachnachweis (B1) vorlegen könne. Unter dem 19.05.2019 ließ die Klägerin über ihren Bevollmächtigten, Herrn O., mitteilen, dass sie im Januar einen Schlaganfall erlitten habe, ihr Sprachvermögen gestört sei und sie daher keinen Sprachtest ablegen könne. Sie legte hierzu eine ärztliche Bescheinigung vom 09.01.2019 mit folgenden Diagnosen vor: Hypertonische Krise, Hämmorhagischer Insult, Ischämische Herzerkrankung, Hals-Osteochondrose, Chronische Gastritis.
5Daraufhin bat das BVA mit Schreiben vom 05.06.2019 um Vorlage eines aktuellen fachärztlichen Gutachtens, aus dem neben Art und Ausmaß der Erkrankung eindeutig hervorgehen müsse, ob die Erkrankung oder Behinderung die Fähigkeit zur Führung eines Gesprächs in deutscher/russischer Sprache erschwere oder vollständig ausschließe.
6Am 31.07.2022 reiste die Klägerin aus Georgien kommend nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Hinsichtlich der Anhörung bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 17.08.2022 wird auf das Anhörungsprotokoll Bezug genommen (Bl. 64 ff. des Verwaltungsvorganges des Bundesamtes). Den Asylantrag lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 06.09.2022 als offensichtlich unbegründet ab. Die dagegen gerichtete Klage bei dem Verwaltungsgericht Berlin blieb erfolglos.
7Mit Bescheid vom 24.05.2023 lehnte das BVA den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bereits aufgegeben. Sie habe Georgien 2022 verlassen und habe somit ihren Lebensmittelpunkt und ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland begründet. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Härtefalls (§ 27 Abs. 1 S. 2 BVFG) bestünden nicht. Die Erteilung eines Aufnahmebescheides sei daher gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 BVFG ausgeschlossen.
8Die Klägerin erhob, anwaltlich vertreten, Widerspruch gegenüber dem BVA in Friedland. Sie führte erneut aus, sie stamme von deutschen Eltern ab. Ihr Vater sei G. J.. Für den Vater gebe es keine Dokumente, er sei 1954 im Deportationslager in Krasnojarsk wegen Hochverrats erschossen worden. Er habe zu den Deutschen gezählt, die 1941 aus der Wolgarepublik nach Sibirien deportiert worden seien. Da sie vor dem 01.01.1975 geboren wurde, komme es für die Staatsangehörigkeit auf die bis zum 31.12.1974 geltende Fassung des RuStAG an. Danach sei die Abstammung vom Vater entscheidend. Dieser sei ebenso wie der Großvater Deutscher gewesen. Dass die Mutter Deutsche gewesen sei und ebenso deren Mutter, sei bereits nachgewiesen. Die Großmutter sei P. F. Y., geboren am 00.00.1893 in Saratow/Wolgarepublik. Es liege eine besondere Härte vor. Sie habe den Aufnahmeantrag bereits im Dezember 2013 gestellt; dieser lange Zeitablauf ohne Bescheidung stelle eine besondere Härte dar. Sie sei nach dem Herzinfarkt Ende Januar 2019 in Moskau behandelt worden, dann nach Georgien zurückgekehrt, wo sie die notwendigen Medikamente nicht habe kaufen und von ihrer Rente nicht habe überleben können. Deshalb habe sie sich veranlasst gesehen, Georgien zu verlassen, ohne den Aufnahmebescheid abzuwarten. Ihre Geburtsurkunde sei 2007 erneut ausgestellt worden, weil die ursprüngliche sowjetische Geburtsurkunde verloren gegangen sei. Ihre Mutter sei nicht offiziell verheiratet gewesen, weshalb auch kein Vater in ihrer Geburtsurkunde erscheine. Im weiteren Verlauf des Verfahrens gab sie an, ihr Vater sei B. J., der im Februar 1954 vom NKWD in Sibirien erschossen worden sei. Ferner übersandte sie eine Aufstellung von der Internetseite myheritage.de, wonach der Großvater Z. N. von 1886-1944 gelebt habe und die Großmutter von 1893-1952.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2023 wies das BVA den Widerspruch unter Bezugnahme auf den Ausgangsbescheid zurück.
10Am 12.10.2023 hat die Klägerin Klage erhoben.
11Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, sie habe vorgehabt, den Sprachtest abzulegen, dann aber habe sie den Schlaganfall erlitten. Nach ihrem Schlaganfall sei sie nach Georgien zurückgekehrt. Sie habe sich mit Gelegenheitsarbeiten durchgeschlagen und über keine Krankenversicherung verfügt. Nach Beginn des Russland-Ukraine-Konflikts 2022 sei sie angegriffen worden, weil ihre Verwandten auf Seiten der russischen Armee an dem Krieg teilnähmen. Deshalb habe sie Georgien verlassen. Sie habe keine Möglichkeit gehabt, noch einmal nach Moskau zu reisen, um sich die entsprechenden von dem BVA erbetenen ärztlichen Nachweise zu besorgen. Auch habe sie mangels Krankenversicherung hierzu nicht die ausreichenden finanziellen Mittel besessen. Es sei ihr unzumutbar gewesen, in Georgien zu bleiben. An den Sprachnachweis dürften auch wegen ihres Alters keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Sie habe als Kleinkind in Sibirien mit ihrer Mutter zuhause Deutsch gesprochen, danach aber nicht mehr. Ihre deutsche Abstammung sei nachgewiesen.
12Die Klägerin beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BVA vom 24.05.2023 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2023 zu verpflichten, ihr einen Aufnahmebescheid nach dem Bundesvertriebenengesetz zu erteilen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie trägt vor, ob ein Härtefall im Sinne des § 27 Abs. 1 BVFG vorliege, könne dahinstehen, denn die Klägerin erfülle die Tatbestandsvoraussetzung der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen nicht. Weder für die Mutter, M. N., noch die Großeltern mütterlicherseits lägen Unterlagen bezüglich eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum zum maßgeblichen Stichtag (22.06.1941) vor. Insbesondere gehe aus der von der Klägerin vorgelegten Rehabilitationsbescheinigung nicht hervor, dass M. aufgrund ihrer deutschen Nationalität von den Repressivmaßnahmen betroffen gewesen sei. Die vorgelegten Bescheinigungen ließen nicht erkennen, worauf die Angaben zur Nationalität M. L. beruhten. Sie erlaubten keinen Rückschluss auf ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum am Stichtag. Ferner stehe die biologische Abstammung der Klägerin von M. N. nicht fest; der Geburtsnachweis der Klägerin stamme aus dem Jahr 2007. Auch erfülle sie die sprachlichen Voraussetzungen gemäß § 6 Abs. 2 S. 3 BVFG nicht. Hinsichtlich der vorgetragenen gesundheitlichen Einschränkung habe sie bis dato kein aussagekräftiges fachärztliches Gutachten beigebracht.
17Den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Gericht mit Beschluss vom 26.09.2024 abgelehnt; die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 18.12.2024 (11 E 660/24) zurückgewiesen.
18Wege der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des BVA sowie den Verwaltungsvorgang des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
19Entscheidungsgründe
20Die zulässige Klage ist unbegründet.
21Der Bescheid des BVA vom 24.05.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2023 ist rechtmäßig, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung des begehrten Aufnahmebescheides.
22Rechtsgrundlage ist § 27 Abs. 1 BVFG. Nach § 27 Abs. 1 S. 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthaltes im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Abweichend hiervon kann nach § 27 Abs. 1 S. 2 BVFG Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
23Der Klägerin ist nicht nach § 27 Abs. 1 S. 1 BVFG ein Aufnahmebescheid zu erteilen, weil sie ihren Wohnsitz seit Juli 2022 nicht mehr in den Aussiedlungsgebieten hatte, sondern im Bundesgebiet. Hier stellte sie 2022 einen Asylantrag.
24Ein Asylbewerber hat seinen Wohnsitz und damit den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse,
25vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. März 2018 - 11 A 2563/16 -, juris, Rn. 27, und Beschluss vom 2. November 2016 - 11 B 1219/16 -, juris, Rn. 15 ff.,
26nicht mehr in seinem Heimatland. Mit seinem Asylantrag äußert der Asylbewerber den Willen, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt.
27Ob Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Härtefalles (§ 27 Abs. 1 S. 2 BVFG) gegeben sind, kann hier offen bleiben. Denn der Erteilung des Aufnahmebescheides steht jedenfalls entgegen, dass die Voraussetzungen der §§ 4, 6 BVFG nicht vorliegen. Nach diesen Vorschriften kann nur ein deutscher Volkszugehöriger Spätaussiedler sein. Wer - wie die Klägerin - nach dem 31.12.1923 geboren ist, ist gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 BVFG nur dann deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder von einem deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt hat. Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, in den Fällen des § 27 Abs. 1 S. 2 BVFG im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich dieses Gesetzes, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, es sei denn, der Aufnahmebewerber kann diese Fähigkeit wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht besitzen (§ 6 Abs. 2 S. 5 BVFG).
28Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen deutscher Volkszugehörigkeit in sprachlicher Hinsicht nicht. Es fehlt damit an einem zwingenden bekenntnisbestätigenden Merkmal.
29Dass die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Einreise im Juli 2022 ein einfaches Gespräch auf Deutsch i. S. d. § 6 Abs. 2 S. 5 BVFG führen konnte, behauptet sie selbst nicht; im Beschwerdevorbingen spricht sie vielmehr davon, dass sie die deutsche Sprache (nur) „zumindest in Teilen“ beherrsche. Jedenfalls liegt auch kein Sprachnachweis vor.
30Anders als die Klägerin meint, ist auch nicht nach § 6 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 BVFG von einem Nachweis ihrer Deutschkenntnisse abzusehen. Auf diese Ausnahmevorschrift könnte die Klägerin sich nur berufen, wenn sie infolge ihres 2019 erlittenen Schlaganfalls die Fähigkeit zur Führung eines einfachen Gesprächs auf Deutsch nicht (mehr) besitzen „kann“. Um den geforderten kausalen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der fehlenden Fähigkeit herstellen zu können, muss sich die Krankheit auf den Spracherwerb und/oder das Sprachvermögen auswirken.
31Vgl. VG Köln, Urteil vom 7. Juli 2021 – 10 K 7492/18 – und Urteil vom 5. September 2023 – 7 K 5415/21 –, juris m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 18. August 2014 – 11 A 625/14 –, juris Rn. 13.
32Es bestehen hier keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin infolge eines 2019 erlittenen Schlaganfalles irgendwelchen Einschränkungen unterliegt, die die Fähigkeit zum Spracherwerb oder das Sprechvermögen betreffen. In den bei dem BVA vorgelegten Bescheinigungen vom 09.01.2019 heißt es nur, dass sie einen hämmorhagischen Insult (Schlaganfall) erlitten habe und weiter: „Beratungen (…) 8. Beim Bedarf Logopäd, Neuropsychologe“. Auch in dem für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eingeholten Attest vom 23.10.2023 sind nur diverse Diagnosen, unter anderem „Z. n. Schlaganfall“ und „Hyrnzsyste“ aufgeführt. Die Unterlagen verhalten sich schon gar nicht dazu, ob überhaupt eine irgendwie geartete kognitive bzw. Gedächtnisstörung vorliegt, zumal sich aus dem in Moskau ausgestellten Attest ergibt, dass die von ihr im Zusammenhang mit dem Schlaganfall geschilderten Beschwerden (Kopfschmerzen, Erbrechen, Hand- und Fußkrämpfen, Doppelsehen, Schmerzen im Thorax, Schläfrigkeit) auch gar nicht ihr Sprach- oder Erinnerungsvermögen betrafen. Die Klägerin gibt im Übrigen lediglich an, sie habe Konzentrationsschwierigkeiten und ihr Gedächtnis habe sich verschlechtert. Ihr Vortrag zum Vorliegen einer Krankheit im Sinne von § 6 Abs. 2 BVFG lässt sich zuletzt auch nicht mit dem Inhalt der Protokolle der Anhörung bei dem BAMF und der mündlichen Verhandlung vor dem VG Berlin am 24.11.2023 in Einklang bringen. Ausweislich dieser ließ sich die Klägerin dort jeweils umfassend ein. Zu der Anhörung bei dem Bundesamt brachte sie zwei Deutschlehrbücher mit und gab an, sie versuche, nun eigenständig die Sprache zu lernen. Etwaige kognitive oder sprachliche Auffälligkeiten sind demnach nicht ansatzweise erkennbar. Das hat das Gericht bereits in dem Beschluss vom 26.09.2024 ausgeführt. Die Klägerin hat auch im weiteren Verlauf des Verfahrens nichts vorgetragen, was dies in Zweifel zu ziehen geeignet wäre. Aus dem ärztlichen Attest ihres Hausarztes vom 18.10.2024, wonach sie aufgrund „ihrer Erkrankung (Z. n. Schlaganfall, Gedächtnisstörung, Kognitive Störung)“ „lernunfähig“ sei, ergibt sich weder, auf welcher Grundlage der Arzt seine Diagnose gestellt hat, noch werden konkrete Befundtatsachen benannt, aus denen der Arzt seine Behauptung ableitet, die Klägerin sei „lernunfähig“. Insofern vermag dieses Attest schon nicht zu belegen, dass die Klägerin die Fähigkeit, ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung i. S. d. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht besitzt.
33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2024 – 11 E 660/24.
34Darüber hinaus hat die Klägerin ihre Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen oder deutschen Staatsangehörigen nicht dargelegt.
35Die deutsche Volkszugehörigkeit der Person, von der die Abstammung hergeleitet wird, beurteilt sich sowohl im Rahmen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG als auch des § 6 Abs. 2 S. 1 BVFG nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Geburt des Aufnahmebewerbers.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Mai 2022 – 11 A 2097/20 –, juris Rn. 31.
37Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin galt § 6 BVFG in der bis zum 31. Dezember 1992 gültigen Fassung vom 19. Mai 1953, BGBl. I S. 201 (im Folgenden: a. F.). Nach § 6 BVFG a. F. ist deutscher Volkszugehöriger, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird. Das Bekenntnis muss im Zeitraum unmittelbar vor Beginn der gegen die deutsche Bevölkerungsgruppe gerichteten Verfolgungs- und Vertreibungsmaßnahmen abgelegt worden sein. Diese Maßnahmen begannen in der ehemaligen Sowjetunion nach Beginn des deutsch-sowjetischen Kriegs am 22. Juni 1941.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1995 - 9 C 392.94 -, BVerwGE 98, 367, juris, Rn. 24, Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Mai 2022 – 11 A 2097/20 –, juris Rn. 35 f.
39Gemessen daran kann die Klägerin ihre deutsche Volkszugehörigkeit nicht von ihrer 1920 geborenen Mutter (M. N.) ableiten. Das Gericht hat aufgrund der Angaben der Klägerin nicht die Überzeugung erlangt, dass M. N. die Voraussetzungen nach § 6 BVFG a. F. erfüllte. Zum Nachweis der Identität der Mutter hat die Klägerin nur deren Sterbeurkunde vorgelegt. Es liegen keine Geburtenregisterauszüge zu ihrer Mutter vor und es existieren keine zu Lebzeiten der Mutter ausgestellten aussagekräftigen Urkunden, aus denen Anhaltspunkte zu deren Bekenntnislage zum Stichtag hervorgehen. Die post mortem ausgestellte Archivbescheinigung, nach der M. N. aufgrund des Verordnung vom 28.08.1941 am 04.09.1941 aus dem Gebiet Saratow in die Region Krasnojarsk deportiert worden sein soll, genügt mit Blick auf die vorgenannten Unklarheiten in Bezug auf die Identität der Mutter nicht als Nachweis des subjektiven Bekenntnisses zum deutschen Volkstum zum Stichtag. Ob darüber hinaus überhaupt die Abstammung der Klägerin von M. N. anhand der Geburtsurkunde der Klägerin aus Jahr 2007 belegt ist, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben.
40Die Klägerin stammt auch nicht von einem deutschen Staatsangehörigen ab. Sie macht geltend, ihr Vater sei der deutsche Staatsangehörige G. J. aus der Wolgarepublik, der 1954 verhaftet und im Februar - acht Monate vor ihrer Geburt - erschossen worden sein soll. Die Klägerin trägt gleichzeitig vor, über den angeblichen Vater gebe es keine Personaldokumente; alle auskunftsfähigen Personen seien verstorben und ihre weiteren Verwandten besäßen keine Kenntnis von dem Vater. Auch hatte die Klägerin in dem Antrag an das BVA noch angegeben, sowohl ihr Vater als auch die Großeltern väterlicherseits seien unbekannt. In ihrer 2007 neu ausgestellten Geburtsurkunde ist kein Vater eingetragen. In der Anhörung bei dem Bundesamt führte die Klägerin aus, ihre Mutter habe ihr erzählt, dass der Vater 1954 verhaftet worden sei. Das Thema Großvater (väterlicherseits) sei „verboten“ gewesen. Es wird nicht klar, woher ihre erstmals im Zuge des Widerspruchsverfahrens mitgeteilten Informationen zu ihrem angeblichen Vater überhaupt stammen und woran sie festmacht, Herr J. sei deutscher Staatsangehöriger. Die Angaben der Klägerin sind nach alledem inkonsistent, in sich widersprüchlich und nach ihrem eigenen Vorbingen nicht belegbar. Vor diesem Hintergrund bewertet das Gericht den Vortrag der Klägerin zu ihrer Abstammung väterlicherseits als unglaubhaft.
41Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
42Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
43Rechtsmittelbelehrung
44Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
45Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
46Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
47Beschluss
48Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
495.000,- Euro
50festgesetzt.
51Gründe
52Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Der festgesetzte Wert entspricht dem Auffangstreitwert.
53Rechtsmittelbelehrung
54Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.