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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
2Die Klägerin ist am 00.00.0000 in X./Russland geboren. Sie lebt derzeit in N. und gibt als Beruf „Image-Designerin“ an. Die Klägerin reichte im August 2017 beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in N. einen Antrag an das Bundesverwaltungsamt (BVA) auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) ein. Sie gab an, deutsche Volkszugehörige zu sein. Ihr Vater sei der am 00.00.0000 geborene und am 02.05.1998 verstorbene Herr J., ihre Mutter die am 00.00.0000 geborene Frau O., geb. H.. Beide seien mit russischer Nationalität geführt worden. Die Mutter habe die deutsche Sprache beherrscht und sich bis 1948 in einer Sondersiedlung gelebt. Großvater mütterlicherseits sei der am 00.00.0000 geborene Herr W.. gewesen, der im Inlandspass mit deutscher Nationalität geführt worden und 1955 verstorben sei. Sie – die Klägerin – habe im Elternhaus kein Deutsch, sondern ausschließlich Russisch gesprochen. Ab dem 12. Lebensjahr habe sie schulischen Deutschunterricht gehabt. Sie verstehe wenig und spreche nur einzelne Wörter. Ihre Sprachfertigkeiten reichten aber für ein einfaches Gespräch auf Deutsch aus. Über ein Sprachzertifikat B 1 verfüge sie nicht. Im Dezember 2017 erwarb die Klägerin ein Sprachzertifikat B 1 im Modul „Lesen“.
3Die Klägerin unterzog sich am 19.10.2018 in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau einem Sprachtest. Nach der Bewertung des Sprachtesters kam dabei ein einigermaßen flüssiger Gedankenaustausch in deutscher Sprache über einfache Lebenssachverhalte nicht zustande. Mit Schreiben vom 21.05.2019 reichte die Klägerin weitere Unterlagen nach.
4Mit Bescheid vom 06.09.2021 lehnte das BVA den Aufnahmeantrag der Klägerin ab. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen deutscher Volkszugehörigkeit im Rechtssinne nicht. Im Antragsformular habe die Klägerin keine Angaben zum Nationalitätseintrag in ihrem ersten Inlandspass gemacht. Im Zuge ihrer dritten Eheschließung am 26.12.2003 habe sie sich in der Heiratsurkunde mit „Russin“ eintragen lassen. Auch in der Urkunde über die Geburt ihres 1999 geborenen Sohnes E. sei sie mit russischer Nationalität eingetragen gewesen. Bemühungen um eine Änderung der Nationalität sah das BVA nicht.
5Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch, den sie nicht begründete.
6Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2022 wies das BVA den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und verwies auf die Begründung des Ablehnungsbescheides.
7Die Klägerin hat am 09.05.2022 Klage erhoben.
8Sie verweist auf eine deutsche Abstammung mütterlicherseits. Ein Antrag auf Änderung ihres eigenen Nationalitätseintrages sei 2019 vom Standesamt abgelehnt worden. Dies habe seinen Grund darin gefunden, dass beide Elternteile mit russischer Nationalität geführt worden seien. Hiergegen habe sie geklagt und mit Urteil vom 16.09.2022 Recht bekommen. Denn sie habe nachweisen können, dass sie von dem deutschen Volkszugehörigen W.. abstamme und deutscher Nationalität sei. Auf der Grundlage dieses Urteils hätten auch die Geburtsurkunden und teilweise auch die Eheurkunden geändert werden können. Der Großvater mütterlicherseits habe unstreitig ein Vertreibungsschicksal erlitten.
9In einer E-Mail vom 19.12.2022 an das Gericht führt die Klägerin aus, dass sie im Juni 2019 die B 1-Prüfung im Modul „Sprechen“ abgelegt, aber leider nicht die ausreichende Zahl von Punkten erreicht habe. In einem Schreiben an das Gericht vom 30.10.2023 verweist die Klägerin auf eine bestandene B 1-Prüfung im Modul „Sprechen“. In rechtlicher Hinsicht beruft sich die Klägerin auf die geänderten gesetzlichen Voraussetzungen zum Volkstumsbekenntnis.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BVA vom 06.09.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2022 zu verpflichten, ihr einen Aufnahmebescheid nach dem BVFG zu erteilen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Klägerin habe die Abstammung von W.. nicht nachgewiesen. Auch fehle an einem Nachweis seines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum im maßgeblichen Zeitpunkt. Zudem verweist sie auf ein erfolgtes Gegenbekenntnis zum russischen Volkstum, von dem die Klägerin nicht wirksam abgerückt sei. Bei den Bemühungen um die Änderung der Nationalitätseinträge handele es sich um ein zielgerichtetes Verhalten zur Ermöglichung der Ausreise. Angesichts dessen könne dahinstehen, dass die Klägerin auch den Nachweis für die Fähigkeit, im Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, nicht erbracht habe.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des BVA verwiesen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne eine mündliche Verhandlung.
18Die Klage ist nicht begründet.
19Der Bescheid vom 06.09.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung eines Aufnahmebescheides.
20Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Spätaussiedler ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31.12.1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor seit seiner Geburt seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten hatte, er vor dem 01.01.1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 BVFG erfüllt, es sei denn, dass Eltern oder Voreltern ihren Wohnsitz erst nach dem 31.03.1952 in die Aussiedlungsgebiete verlegt haben. Wer nach dem 31.12.1923 geboren worden ist, ist gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 BVFG deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat.
21Die Klägerin erfüllt wohl die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG bereits deshalb nicht, weil es bereits an einem tragfähigen Nachweis der Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen fehlen dürfte. Denn es liegen keine wohl zureichenden Nachweise für das eigene Bekenntnis des 1905 geborenen und damit zum maßgeblichen Stichtag bekenntnisfähigen Großvaters zum deutschen Volkstum vor. Dem muss aber nicht weiter nachgegangen werden, weil es an einem zureichenden eigenen Volkstumsbekenntnis der Klägerin fehlt. Denn zu den Voraussetzungen der Anerkennung als Spätaussiedler gehört gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG, dass sich der Betreffende bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Daran fehlt es im Falle der Klägerin. Denn bereits aufgrund der Angaben im Aufnahmebescheid unterliegt es keinem Zweifel, dass die Klägerin in ihrem ersten sowjetischen Inlandspass, den sie nach Lage der Dinge 1981 erhalten haben muss, mit russischer Nationalität vermerkt war. Die Eintragung in dem hierfür vorgesehenen Feld des Formulars mit „entfällt“ lässt keine andere Deutung zu und wird durch den Umstand bestätigt, dass beide Elternteile stets mit russischer Nationalität geführt wurden. Der Nationalitätseintrag in dem für alle Bürger der Sowjetunion verpflichtenden Dokument wurde offenkundig niemals geändert bis der Nationalitätseintrag in russischen Föderation insgesamt entfiel. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass in der Angabe einer anderen als der deutschen Volkszugehörigkeit gegenüber amtlichen Stellen grundsätzlich ein die deutsche Volkszugehörigkeit ausschließendes Gegenbekenntnis zu einem fremden Volkstum liegt.
22BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 -, juris Rn. 22 und Urteil vom 26.01.2021 - 1 C 5.20 -, BVerwGE 171, 210, juris Rn. 22.
23Dies zugrunde gelegt kann die Klägerin auch nicht auf § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG verweisen. Danach gehen zwar vor Verlassen des Aussiedlungsgebietes geänderte Nationalitätenerklärungen nur zum deutschen Volkstum früheren Bekenntnissen zu einem nichtdeutschen Volkstum vor. Der Gesetzgeberwollte mit dieser mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge vom 20.12.2023,
24BGBl. 2023 I Nr. 390,
25in das Bundesvertriebenengesetz eingefügten Vorschrift erklärtermaßen eine Abkehr von der zwischenzeitlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß dem Urteil vom 26.01.2021 - 1 C 5.20 - bewirken, wonach es im Falle eines Gegenbekenntnisses zu einem anderen Volkstum eines glaubhaften Abrückens von diesem Gegenbekenntnis bedurfte. Die Vorgaben der Rechtsprechung, wonach in diesen Fällen ein innerer Bewusstseinswandel und dessen äußere Kundgabe erforderlich waren, sollten mit der Neuregelung entfallen.
26Vgl. BT-Drs. 20/8537, S. 11, 14; hierzu bereits Urteil der Kammer vom 19.03. 2024 - 7 K 1405/23 -, juris Rn. 19 ff.
27Ausdrücklich wollte der Gesetzgeber damit zur „früheren Verwaltungspraxis“ und „vormaligen Praxis“, also zu derjenigen „vor Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts“ zurückkehren. Der Nachweis des Bewusstseinswandels sollte dem Antragsteller zukünftig erspart bleiben. Bereits die frühere Verwaltungspraxis erlaubte eine Änderung des Bekenntnisses durch bloße Änderung der Volkszugehörigkeit in allen amtlichen Dokumenten (Nationalitätenerklärungen) bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete (ernsthafte, aber erfolglose Bemühungen um eine Änderung der eingetragenen Volkszugehörigkeit konnten ausreichen).
28Vgl. BT-Drs. 20/8537, S. 1, 11, 13, 14.
29Sie beruhte auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die anerkannt hatte, dass in einer veranlassten Änderung der Nationalität ein Abrücken von einer in früherer Zeit abgegebenen Erklärung zu einer nichtdeutschen Nationalität liegen konnte. Dies galt nach dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nicht schlechthin, sondern nur dann, wenn sich keine Anhaltspunkte für andere Beweggründe aufdrängten. Die Erklärung gegenüber staatlichen Stellen, der deutschen Nationalität zuzugehören, konnte daher ein bloßes „Lippenbekenntnis“ darstellen, das nur zu dem Zwecke abgelegt wurde, in Deutschland ein Aufenthaltsrecht zu erhalten, während das Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Aussiedlungsgebiet gerade mit dem Ziel abgelegt worden sein musste, dort als Deutscher angesehen und behandelt zu werden. Die Ernsthaftigkeit der sich nach außen hin als Bekenntnis zum deutschen Volkstum darstellenden Erklärung war dann besonders nachzuweisen. Dieser Nachweis war erst erbracht, wenn durch Tatsachen belegt war, dass aufgrund der gegebenen objektiven Merkmale auch eine innere Hinwendung zum deutschen Volkstum stattgefunden hatte. In dieser Hinsicht konnte von Bedeutung sein, dass sich jemand bereits geraume Zeit vor dem Aussiedlungsentschluss um eine Änderung des Nationalitäteneintrags bemüht hatte, diese Bemühungen aber zunächst ohne Erfolg geblieben waren. Ständige Bemühungen um eine Änderung eines Nationalitäteneintrags, die in keinem Zusammenhang mit einem Aufnahmeverfahren standen, belegten regelmäßig die Ernsthaftigkeit dieses Antrags, sofern sie nicht schon für sich allein als Erklärung zur deutschen Nationalität anzusehen waren.
30Grundlegend dazu: BVerwG, Urteil vom 29.08.1995 - 9 C 391.94 -, juris, Rn. 29.
31Ausgehend von diesen Maßstäben genügt das reine „Umschreiben“ der Personenstandsunterlagen, das die Klägerin – und sei es aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung – während des Aufnahmeverfahrens veranlasst hat, nicht für ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum. Dies hat zur Folge, dass er auch nach Maßgabe von § 6 Abs. 2 S. 2 BVFG kein Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Sinne von § 6 Abs. 2 S. 1 BVFG abgegeben hat. Denn die Veranlassung der Änderungen der Nationalitätseintragungen ist zwar nach außen hin eine Erklärung zur deutschen Nationalität. Im allgemeinen kann auch ohne weitere Prüfung davon ausgegangen werden, dass hinter einem solchen äußeren Erklärungsinhalt auch subjektiv der Wille und das Bewusstsein stehen, ausschließlich dem deutschen Volk als national geprägter Kulturgemeinschaft anzugehören. Das gilt jedoch nicht schlechthin, sondern nur dann, wenn sich keine Anhaltspunkte für andere Beweggründe aufdrängen. Dies ist vorliegend jedoch der Fall. Denn die Klägerin hat die betreffenden Eintragungen erst nach Ablehnung seines Antrags auf Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz bewirkt. Es drängt sich der Schluss auf, dass es sich um ein verfahrensbezogenes Verhalten handelt, das nur dazu dient, in Deutschland ein Aufenthaltsrecht zu erhalten.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.08.1995 - 9 C 391.94 -, BVerwGE 99, 133, juris Rn. 29.
33Diese Annahme wird durch den bisherigen Lebensweg der Klägerin signifikant bestätigt. Nach Ihren Angaben im Antragsformular wuchs sie in einem russisch geprägten Elternhaus ohne jeden Kontakt zur deutschen Sprache auf. Erst ab dem 12. Lebensjahr habe sie den Deutschunterricht in der Schule besucht. Besondere Anhaltspunkte für eine Hinwendung zu einem anderen als dem russischen Volkstum wurden nicht dargetan. Die Angaben zum Spracherwerb hat die Klägerin erst später beim Sprachtest ebenso deutlich wie unglaubhaft gesteigert, indem sie nunmehr behauptete, im Elternhaus Deutsch erlernt zu haben, und zwar von der Großmutter mütterlicherseits, die anders als ihr 1955 verstorbene Ehemann zwar behördlicherseits mit russischer Nationalität geführt worden, des Deutschen aber mächtig gewesen sei. Fehlt es damit am Erwerb der Sprache als dem maßgeblichen Träger der Kulturvermittlung, ist nicht ersichtlich, durch welches Verhalten eine Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe deutlich wurde.
34Dessen ungeachtet fehlt es auch an der Voraussetzung des § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG, wonach das Bekenntnis zum deutschen Volkstum bestätigt werden muss durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der (letzten) verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, hier also der Widerspruchsentscheidung im Februar 2022, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können. Diese Fähigkeit setzt voraus, dass sich ein Aufnahmebewerber über einfache Lebenssachverhalte aus dem familiären Bereich (z. B. Kindheit, Schule, Sitten und Gebräuche), über alltägliche Situationen und Bedürfnisse (Wohnverhältnisse, Einkauf, Freizeit, Reisen, Wetter u.ä.) oder die Ausübung eines Berufs oder einer Beschäftigung – ohne dass es dabei auf exakte Fachbegriffe ankäme – unterhalten kann. In formeller Hinsicht genügt für ein einfaches Gespräch eine einfache Gesprächsform. Dafür sind nicht ausreichend das Aneinanderreihen einzelner Worte ohne Satzstruktur oder insgesamt nur stockende Äußerungen. Der Antragsteller muss aber weder über einen umfassenden deutschen Wortschatz verfügen, noch in grammatikalisch korrekter Form bzw. ohne gravierende grammatikalische Fehler sprechen können, noch eine deutlich über fremdsprachlich erworbene hinausgehende Sprachfähigkeit besitzen. Erforderlich ist zum einen die Fähigkeit zu einem sprachlichen Austausch über die Sachverhalte im vorbezeichneten Sinne in grundsätzlich ganzen Sätzen, wobei begrenzter Wortschatz und einfacher Satzbau genügen und Fehler in Satzbau, Wortwahl und Aussprache nicht schädlich sind, wenn sie nach Art oder Zahl dem richtigen Verstehen nicht entgegenstehen. Erforderlich ist zum andern ein einigermaßen flüssiger Austausch in Rede und Gegenrede. Ein durch Nichtverstehen bedingtes Nachfragen, Suchen nach Worten oder stockendes Sprechen, also ein langsameres Verstehen und Reden als zwischen in Deutschland aufgewachsenen Personen, steht dem erst entgegen, wenn Rede und Gegenrede so weit oder so oft auseinanderliegen, dass von einem Gespräch als mündlicher Interaktion nicht mehr gesprochen werden kann.
35Vgl. Urteil der Kammer vom 19.03.2024 - 7 K 1405/23 -, juris Rn. 28 ff.; BVerwG, Urteil vom 04.09.2003 - 5 C 33.02 -, juris Rn. 17 f.
36Die Klägerin hat bei dem sorgfältig protokollierten Sprachtest im Oktober 2018 die Fähigkeit zu einem einfachen Gespräch erkennbar nicht gezeigt. Die äußerst einfachen Fragen wurden zumeist nicht verstanden und, wenn überhaupt, nur bruchstückhaft erwidert. Bestätigt wird dieser Befund durch den Umstand, dass der Erwerb eines B 1- Sprachzertifikats im Modul „Sprechen“ zunächst scheiterte. Die Klägerin selbst berichtet in ihrer E-Mail von zwei fehlgeschlagenen Versuchen im Dezember 2017 und im Juni 2019. Erst mit ihrem Schreiben vom 30.10.2023 berichtet die Klägerin von einem mit 69 von 100 Punkten am 28.09.2023, also 1 ½ Jahre nach der letzten Verwaltungsentscheidung, im Modul „Sprechen“ erworbenen B 1-Zertifikat. Es spricht daher alles dafür, dass die Klägerin im März 2022 noch nicht in der Lage war, ein einfaches Gespräch (Rede und Gegenrede) zu führen.
37Vgl. Urteil der Kammer vom 19.03.2024 - 7 K 1405/23 -, juris.
38Jedenfalls fehlt es an einem entsprechenden Nachweis. Dieser obliegt der Klägerin und ist mit dem Zertifikat im Modul „Lesen“, das im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung vorlag, nicht geführt.
39Fehlt es damit an den Voraussetzungen eines wirksamen Bekenntnisses zum deutschen Volkstum und der erforderlichen Sprachkompetenz gleichermaßen, kommt die Erteilung eines Aufnahmebescheides bereits aus jedem einzelnen dieser Gründe nicht in Betracht.
40Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
42Rechtsmittelbelehrung
43Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
44Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
45Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
46Beschluss
47Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
485.000,- Euro
49festgesetzt.
50Gründe
51Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Der festgesetzte Wert entspricht dem Auffangstreitwert.
52Rechtsmittelbelehrung
53Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.