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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Der 1971 geborene Kläger begehrt die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG).
3Er stellte am 22.07.2020 unter Vorlage diverser Urkunden und Bescheinigungen einen Aufnahmeantrag bei dem Bundesverwaltungsamt (BVA). Er gab an, sein Urgroßvater väterlicherseits sei der 1893 in X. geborene R. H.. Sein Großvater väterlicherseits sei der am 00.00.1927 in W. geborene D. H., sein Vater der am 00.00.1946 in E. (Ostpreußen) geborene D. N.. Für letzteren legte er zwei Geburtsurkunden vor, eine datierend vom 25.04.1946 und eine (wiederteilte) vom 22.08.1953. In beide sind als Eltern D. H. und K. L. eingetragen; in der Geburtsurkunde von 1953 ist für D. H. außerdem die deutsche Nationalität vermerkt.
4Ausweislich der Geburtsurkunde des Klägers sind seine Eltern, D. N. und P. L., ukrainischer Nationalität. In seinem ersten Inlandspass und in den Geburtsurkunden seiner 2008 und 2010 geborenen Töchter ist seine Nationalität mit ukrainisch angegeben. In der Bescheinigung über die Eheschließung mit seiner Frau I. ist seine Nationalität mit Russe eingetragen, in der Heiratsurkunde wiederum mit Ukrainer.
5Am 18.03.2021 beantragte er die Änderungen der Angaben zur Nationalität in den Personenstandsregistern und Urkunden, was die zuständige Behörde unter Hinweis auf die entgegenstehende Rechtslage ablehnte.
6Mit Bescheid vom 30.08.2021 lehnte das BVA den Aufnahmeantrag des Klägers ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es angesichts der Einträge in den Geburtsurkunden, der Heiratsurkunde und im ersten Inlandspass an einem Bekenntnis zum deutschen Volkstum (§§ 27 Abs. 1 S. 1, 6 Abs. 2 S. 1 BVFG) fehle.
7Am 24.11.2021 beantragte der Kläger bei einem russischen Gericht die Änderung des Personenstandsregisters mit der Begründung, dass er sich als deutscher Staatsangehöriger betrachte.
8Der Kläger erhob am 10.12.2021 Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.08.2021 und führte zur Begründung aus: R. H., der mit der Deutschen V. H. (geboren 1899) verheiratet gewesen sei, sei im August 1941 aus dem heutigen Gebiet Donezk in die Arbeitsarmee mobilisiert und in das Gebiet Swerdlowsk (Stadt Krasnoturjinsk) „versetzt“ worden. 1946 sei er als deutscher Volkszugehöriger unter Kommandanturüberwachung gestellt worden. Er sei 1956 rehabilitiert worden und 1959 verstorben. Die Urgroßmutter (V. H.), D. H. und weitere Verwandte seien in einen deutschen Luftangriff geraten, als sie R. H. nach Krasnoturjinsk gefolgt seien. Sie seien in das seit Oktober 1941 von der Wehrmacht besetzte B. gelangt. D. H. sei im Juni 1942 im Rahmen einer NS-Umsiedlungsaktion nach Deutschland (Gevelsberg) zwangsumgesiedelt worden, was unter anderem durch die entsprechende Registrierungskarte und einen Schriftverkehr mit dem Stadtarchiv Gevelsberg belegt sei; hinsichtlich der vorgelegten Unterlagen wird insoweit auf die als Anlage 15 zu dem Widerspruch vorgelegten Unterlagen (Bl. 209 bis 213 der Beiakte 2) Bezug genommen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sei D. H. in ein sowjetisches Filtrationslager eingeliefert und später in die Sowjetunion repatriiert worden. Als deutscher Volkszugehöriger sei er gemäß der Direktive des Innenministeriums der UdSSR Nr. 181 vom 11.10.1945 in der Sondersiedlung Gnilowka registriert worden und habe bis 1956 unter Kommandantur gestanden. D. H.s Frau, F. L., sei bis nach Kriegsende in Deutschland geblieben, später nach E. gebracht worden, wo sie den Vater des Klägers zur Welt gebracht habe. Um diesem das Leben zu erleichtern, habe sie ihm den Nachnamen N. gegeben. Nach der Geburt des Sohnes sei sie in die Sondersiedlungen zu D. H. gezogen. Die Familie habe, soweit es unter den Bedingungen möglich gewesen sei, ein für Deutsche typisches Leben geführt und auch Deutsch gesprochen. Als sein (des Klägers) Vater, D. N., sieben Jahre alt wurde, hätten dessen Eltern entschieden, dass er mit der Mutter zu den Großeltern mütterlicherseits nach B. ziehen solle. Nach alledem sei er, der Kläger, Urenkel und Enkel eines Deutschen, und somit selbst deutscher Volkszugehöriger. Indem er sowohl in der Ukraine als auch in Russland die Änderungen der Nationalitätseinträge beantragt habe, liege ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum vor. Das geltende ukrainische Recht sehe keine Möglichkeit vor, den Nationalitätseintrag in sowjetischen amtlichen Dokumenten zu ändern. Das ändere aber nichts an seinem bestehenden Bekenntnis zum deutschen Volkstum. Zur weiteren Begründung legte er diverse Unterlagen vor, unter anderem eine Rehabilitationsbescheinigung des russischen Innenministeriums vom 15.07.2021, wonach D. A. H., vor der Repression wohnhaft in Deutschland, aus Deutschland in die Heimat zurückgeführt worden und als Person deutscher Nationalität unter Kommandanturüberwachung gestellt worden sei. Zudem reichte er eine Archivbescheinigung vom 10.03.2021 ein, wonach D. H. (geboren 1927) deutscher Nationalität gewesen und als Zwangsaussiedler in der Sondersiedlung Gnilowka gemeldet gewesen sei, ferner eine am 14.11.2019 ausgestellte Geburtsurkunde des D. H. und eine Bescheinigung über dessen Geburt vom 22.02.2020.
9Den Widerspruch wies das BVA mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2022 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe seine Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen nicht nachgewiesen. Er mache geltend, väterlicherseits von deutschen Volkszugehörigen abzustammen. Als Bezugspersonen kämen vorliegend der Urgroßvater (R. H.) und (sic) dessen Eltern in Betracht. Die Geburtsurkunde des Großvaters sei aber am 14.11.2019 ausgestellt worden und schon deshalb nicht geeignet, die Abstammung von R. H. zweifelsfrei zu belegen. Nachweise darüber, dass sich der Urgroßvater oder dessen Eltern am 22.06.1941 zum deutschen Volkstum bekannt hätten, lägen nicht vor. Er verfüge unstreitig über das 2021 erlangte B1-Zertifikat in den Modulen Sprechen und Schreiben; dass er damit über ausreichende Deutschkenntnisse für ein einfaches Gespräch verfüge, sei nicht zweifelsfrei belegt, könne aber dahinstehen. Jedenfalls fehle es an einem Bekenntnis zum deutschen Volkstum. In seinem ersten Inlandspass habe er die ukrainische Nationalität eintragen lassen. Diese Nationalitätenerklärung sei ihm als eine nach außen erkennbare Hinwendung zu einem anderen Volkstum zuzurechnen. Von diesem Bekenntnis sei er auch in der Folgezeit nicht wieder abgerückt.
10Am 11.04.2022 stellte das Stadtgericht Wsewoloschsk fest, dass in der Eintragung über die Geburt des Klägers hinsichtlich der Nationalität des Vaters (D. N.) die Nationalität von ukrainisch zu deutsch zu ändern sei und die Nationalität des Klägers in der Heiratsurkunde und in den Geburtsurkunden der Töchter von ukrainisch in deutsch zu ändern seien.
11Am 02.05.2022 hat der Kläger Klage erhoben.
12Zur Begründung trägt er unter Wiederholung seines Vortrages im Verwaltungsverfahren vor, der Urgroßvater sei deutscher Staatsangehöriger gewesen. Die Rehabilitierungsbescheinigung belege, dass der Urgroßvater aus ethnischen Gründen in das Sondersiedlungsregister eingetragen worden sei. Sie bestätige, dass er Repressalien unterworfen worden sei, weil er sich zum 22.06.1941 zur deutschen Staatsangehörigkeit bekannt habe. Im Übrigen könnten in der Russischen Föderation nur Nachkommen oder deren Vertreter eine zweite Geburtsurkunde oder eine Sterbeurkunde erlangen. Vor Ausstellung der Urkunde müsse die Verwandtschaft nachgewiesen werden. Aus der Auskunft des Stadtarchivs Gevelsberg ergebe sich, dass D. H. Volksdeutscher und in die Volkstumsliste eingetragen gewesen sei. Dass der deutsche Staat D. H. als Person deutscher Nationalität anerkannt habe, sei ein direkter Beweis dafür, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit besessen habe. Er habe mit den B1-Zertifikaten in den Modulen Schreiben und Sprechen den erforderlichen Sprachnachweis erbracht. Indem er die Änderung der Nationalitätseinträge unter anderem in seiner Heiratsurkunde erwirkt habe, habe er erklärt und bestätigt, die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen. Freunde könnten bezeugen, dass er, der Kläger, immer behauptet habe, Deutscher zu sein. Zur weiteren Begründung seines Klagebegehrens legte er unter anderem die hinsichtlich des Nationalitätseintrags geänderte Heiratsurkunde und die Geburtsurkunden seiner Kinder vor.
13Der Kläger beantragt,
14die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2022 zu verpflichten, ihr einen Aufnahmebescheid nach § 27 BVFG zu erteilen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung trägt sie vor, der Kläger erfülle die Voraussetzungen der deutschen Volkszugehörigkeit nach § 6 Abs. 2 BVFG nicht. In seinem ersten Inlandspass, in den Geburtsurkunden der Kinder und in der Heiratsurkunde sei er mit ukrainischer Nationalität geführt worden. Die Eintragung der Volkszugehörigkeit in den Geburtsurkunden der Kinder werde in der Russischen Föderation nur auf ausdrücklichen Wunsch des jeweiligen Elternteils vorgenommen. Der Kläger habe sich somit zum ukrainischen Volkstum bekannt. Die Änderung seiner Volkszugehörigkeit betrachte sie als ein sogenanntes Lippenbekenntnis.
18Während des Klageverfahrens hat der Kläger seinen Nachnamen von N. in H. geändert.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
20Entscheidungsgründe
21Die zulässige Klage ist unbegründet.
22Der Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 30.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides.
23Gemäß § 26 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) wird Personen, die die Aussiedlungsgebiete als Spätaussiedler verlassen wollen, um im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen, nach Maßgabe der folgenden Vorschriften ein Aufnahmebescheid erteilt. Nach § 27 Abs. 1 S. 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthaltes im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Diese richten sich nach §§ 4 und 6 BVFG. Danach kann nur ein deutscher Volkszugehöriger Spätaussiedler sein. Wer, wie der Kläger, nach dem 31.12.1923 geboren ist, ist deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder von einem deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt hat. Vor Verlassen des Aussiedelungsgebietes geänderte Nationalitätenerklärungen nur zum deutschen Volkstum gehen früheren Bekenntnissen zu einem nichtdeutschen Volkstum vor. Ernsthafte Bemühungen zur Änderung einer Nationalitätenerklärung können hierbei genügen. Das Bekenntnis auf andere Weise kann insbesondere durch einen Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B1 des Gemeinsam Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden. Es muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, in der Fällen der vorzeitigen Einreise im Härtewege im Zeitpunkt dieser Einreise zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, es sei denn, der Aufnahmebewerber kann diese Fähigkeit wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung nicht besitzen.
24Der Kläger erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 4, 6 Abs. 2 S. 1 BVFG nicht. Es fehlt bereits an einem Nachweis der (biologischen) Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen.
25Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt den §§ 4 Abs. 1 Nr. 3 und 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG ein weiter, generationenübergreifender Abstammungsbegriff zu Grunde, der neben den Eltern auch die Voreltern, mithin die Großeltern und gegebenenfalls auch die Urgroßeltern erfasst.
26BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2019 – 1 C 43.18 –, juris, Rn. 12.
27Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG kann allerdings nur sein, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt, der zu dem nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BVFG maßgeblichen Stichtag noch gelebt und seinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gehabt hat.
28BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2019 – 1 C 43.18 –, juris, Rn. 23 f.
29Die deutsche Volkszugehörigkeit der Person, von der die Abstammung hergeleitet wird, beurteilt sich sowohl im Rahmen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG als auch des § 6 Abs. 2 S. 1 BVFG nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Geburt des Aufnahmebewerbers.
30Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2019 – 1 C 43.18 –, BVerwGE 167, 9, juris Rn. 25 ff.; OVG NRW, Urteil vom 9. Mai 2022 – 11 A 2097/20 –, juris Rn. 31.
31Zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers galt § 6 BVFG in der bis zum 31. Dezember 1992 gültigen Fassung vom 19. Mai 1953, BGBl. I S. 201 (im Folgenden: a. F.). Nach § 6 BVFG a. F. ist deutscher Volkszugehöriger, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird.
32Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Sinne des § 6 BVFG a. F. besteht in dem von einem entsprechenden Bewusstsein getragenen, nach außen hin verbindlich geäußerten Willen, selbst Angehöriger des deutschen Volkes als einer national geprägten Kulturgemeinschaft zu sein und keinem anderen Volkstum anzugehören, sich dieser Gemeinschaft also vor jeder anderen nationalen Kultur verbunden zu fühlen. Ein Bekenntnis in diesem Sinne kann sich zum einen unmittelbar aus Tatsachen ergeben, die ein ausdrückliches Bekenntnis oder ein Bekenntnis durch schlüssiges Gesamtverhalten dokumentieren. Zum anderen kann ein Bekenntnis mittelbar aus hinreichend vorhandenen Indizien, namentlich den in § 6 BVFG a. F. genannten objektiven Bestätigungsmerkmalen, gefolgert werden.
33Zusammenfassend nur BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1995 – 9 C 392.94 –, juris, Rn. 21.
34Das Bekenntnis muss im Zeitraum unmittelbar vor Beginn der gegen die deutsche Bevölkerungsgruppe gerichteten Verfolgungs- und Vertreibungsmaßnahmen abgelegt worden sein. Diese Maßnahmen begannen in der ehemaligen Sowjetunion nach Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges am 22.06.1941.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1962 – VIII C 469.59, DÖV 1962, 622 und vom 13. Juni 1995 - 9 C 392.94 -, BVerwGE 98, 367; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Mai 2022 – 11 A 2097/20 –, juris Rn. 35 f.
36Für das Vorliegen der Voraussetzungen des Anspruchs nach § 27 BVFG ist nach den allgemeinen Regeln der Kläger darlegungs- und beweisbelastete. Er hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht vollständige Angaben zu machen und gegebenenfalls anhand von Dokumenten die für ihn günstigen Tatsachen zu belegen. Bei den in seine eigene Sphäre fallenden Tatsachen muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, seinen Aufnahmeanspruch plausibel zu begründen.
37Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 19. April 2002 – 2 A 1432/00 –, juris Rn. 39 ff.; BayVGH, Beschluss vom 18. Juli 2017 – 20 ZB 17.30785 –, juris Rn. 5 zum AsylG.
38Der Kläger kann seine Abstammung nicht von dem angeblich 1941 aus dem Raum Donezk zwangsumgesiedelten R. H. oder D. H. ableiten. Denn es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich bei dem 1927 geborenen D. H. um den Großvater des Klägers und Vater von D. N. handelt.
39Es bestehen zunächst erhebliche Zweifel an der Echtheit der Geburtsurkunde des D. N. vom 25.04.1946. Denn wenn K. L. (die Großmutter des Klägers) 1946 allein nach E. (U.) gelangte und D. N. zur Welt brachte, stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass D. H. als Vater in die Geburtsurkunde eingetragen wurde. Der Unionserlass vom 08.07.1944 (VVS SSSR 944, Nr. 37) untersagte die Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft, so dass aus einer nicht registrierten Ehe kein Vaterschaftsverhältnis entstehen konnte. Erst ab dem 01.11.1969 mit Inkrafttreten des neuen russischen Ehe- und Familiengesetzbuches vom 30.07.1969 (VVS RFSR 1969, Nr. 32) war die Anerkennung und Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft wieder (wie zuvor zwischen 1927 und 1944) möglich. Angaben dazu, dass die Großeltern vor dem 11.03.1946 geheiratet hatten, was Voraussetzung für die Eintragung gewesen wäre, hat der Kläger nicht gemacht und ergeben sich auch sonst nicht, zumal in der Meldekarte des Herrn H. (Blatt 212 der Gerichtsakte) im Feld Familienstand „l“ eingetragen ist, was wohl für ledig stehen dürfte. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Eintragung eines Vaters in die Geburtsurkunde trotz entgegenstehender Rechtslage geschah, wirft jedenfalls die zweite Geburtsurkunde (Geburtsurkunde vom 22.08.1953, Blatt 30 der Gerichtsakte) Fragen auf, die im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert wurden, sich aber nicht klären ließen. Es wird nämlich nicht klar, aus welchem Anlass und mit welcher Intention für D. N. 1953 überhaupt eine Geburtsurkunde „wiedererteilt“ wurde. Er besaß ja bereits eine, die Vater und Mutter auswies. Ebenso unklar ist, wie es sein kann, dass eine Eintragung in das Geburtenregister der Stadt Schdanow (B.) über die Geburt des D. N. getätigt wurde, der doch aber in E. zur Welt gekommen war. Es leuchtet auch nicht ein, warum angesichts der Anfeindungen gegen die deutsche Bevölkerung, die K. ihrem Sohn D. ersparen wollte, gleichwohl eine Geburtsurkunde ausgestellt werden sollte, die die deutsche Nationalität des Vaters ausdrücklich auswies.
40Die Angaben des Klägers zu dem Schicksal der Familie und deren deutscher Volkszugehörigkeit sind zudem wenig plausibel. Ausweislich der Liste der Kreisverwaltung Ennepe-Ruhr (Blatt 212 der Beiakte 1) handelte es sich bei D. H. um einen „Ostarbeiter“, der 1942 nach Gevelsberg gelangte; Ostarbeiter waren Menschen aus den besetzten Gebieten der Sowjetunion, die die Nazis für die Kriegswirtschaft einsetzten (Zwangsarbeiter). D. H.´s Aufenthalt in Deutschland war also offenbar erzwungen. Unklar ist auch, wieso er vom Rest der Familie getrennt nach Gevelsberg geschickt wurde. Ebenso erschließt sich nicht, warum R. H. allein deportiert wurde und seine Familie ihm später (freiwillig?) nachfolgen wollte (was jedoch misslang und die Familie nach B. führte). Dass D. H. „laut Mitteilung der N. S. D. d. P.“ (Meldekarte des Stadtarchivs Gevelsberg, Blatt 212 der Gerichtsakte) in die „Volksdeutschenliste“ (gemeint sein dürfte die deutsche Volksliste der Ukraine gemäß der Verordnung über die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an die in die Deutsche Volksliste der Ukraine eingetragenen Personen vom 19.05.1943) eingetragen worden sein soll, führt von vornherein nicht weiter. Denn es ist nicht klar, worauf dieser Eintrag in der Meldekarte beruht und ob er überhaupt zutrifft.
41Überdies ist die Auskunft der Stadt Gevelsberg, die der Kläger schon im Widerspruchsverfahren vorlegte (Blatt 209 der Beiakte 1), manipuliert. Das war bereits anhand des äußeren Erscheinungsbildes der Email des Stadt Gevelsberg (angeblich vom 15.08.2019) erkennbar, die unterschiedliche Schriftbilder und kein Betreff aufwies und grammatikalische Fehler enthielt, die einem Muttersprachler nicht unterlaufen würden („Hiermit bestätigt ich namens ...“). Die Auskunft des Stadtarchivs Gevelsberg vom 07.03.2025 an das Gericht (Blatt 208 ff. der Gerichtsakte) bestätigt, dass die Email des Stadtarchivs zur Person D. H. nachträglich abgeändert wurde. Anhand der vom Stadtarchiv an das Gericht übermittelten Email (vom 14.02.2019) ergibt sich vor allem, dass sich die Anfrage ausweislich des Betreffs ursprünglich auf einen D. H., geboren 1924 in B., bezog. Da der Großvater des Klägers 1927 in W. geboren sein soll, betraf also die Anfrage der Frau S. an das Stadtarchiv nicht die Person, von der der Kläger angibt, es handle sich um seinen Großvater (D. H., geboren 1927 in W.). Auch passt der Inhalt der Anfrage nicht zu dem Vortrag des Klägers, denn in der Mail der Frau S. an das Stadtarchiv heißt es, die Frau des Herrn H. und sein Sohn (gemeint wären also F. und D. N.) warteten sehnsüchtig auf irgendwelche Informationen. D. H. und F. sollen aber laut dem Kläger nach dem Krieg wieder zusammengefunden und in der Sondersiedlung zusammengelebt haben. Dass dies wiederum den Angaben des Vaters des Klägers widerspricht, der in seinem Antragsformular zur Schulbildung und den Wohnorten des D. H. „unbekannt“ angab, mag auf sich beruhen.
42Indem der Kläger die Echtheit der Auskunft des Stadt Gevelsberg und einen - wie dargelegt nicht vorhandenen - Bezug zu seinem angeblichen Großvater behauptet hat, hat er das mit dem Aufnahmegesuch befasste BVA getäuscht. Dieses Täuschungsmanöver, das er auch gegenüber dem Gericht aufrechterhalten hat, erschüttert seine Glaubwürdigkeit grundlegend und nachhaltig, zumal es den Kern seines Vortrages betrifft. Damit und mit Blick auf die oben dargestellten erheblichen Ungereimtheiten seines Vortrages entfällt zugleich insgesamt die Grundlage für einen verwertbaren Vortrag zu seiner Abstammung und dem Vertreibungsschicksal der angeblichen Großeltern und Urgroßeltern.
43Das Gericht spricht vor diesem Hintergrund sämtlichen von dem Kläger vorgelegten Archiv- und Rehabilitationsbescheinigungen jeden Beweiswert ab; ob es sich dabei um Fälschungen (Gefälligkeitsbescheinigungen) handelt oder diese Bescheinigungen Dritte, nicht mit dem Kläger verwandte Personen betreffen, mag auf sich beruhen. Auch der wiedererteilten Geburtsurkunde des D. H. vom 14.11.2019 (Bl. 107 der Beiakte 1), in die die Deutschen R. und V. H. als Eltern eingetragen sind, misst das Gericht keinen Beweiswert zu. Die Beschaffung gefälschter oder inhaltlich unrichtiger Urkunden ist im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion ohne weiteres möglich und häufig.
44Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. April 2024 - 11 A 341/23 -, juris Rn. 69.
45Auf das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen, etwa des Vorliegens eines Bekenntnisses des Klägers zum deutschen Volkstum, kam es demnach nicht mehr an.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
47Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
48Rechtsmittelbelehrung
49Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
50Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
51Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
52Beschluss
53Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
545.000,- Euro
55festgesetzt.
56Gründe
57Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Der festgesetzte Wert entspricht dem Auffangstreitwert.
58Rechtsmittelbelehrung
59Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.