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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Mit Schreiben vom 9. August 2017 wandte sich der Kläger an die Beklagte und brachte seinen Wunsch zum Ausdruck, seinem Leben in Würde ein Ende setzen zu können, spätestens in dem Moment, in dem er nicht mehr selbstbestimmt Entscheidungen treffen könne. Er schilderte, dass er insbesondere zahlreiche orthopädische Operationen habe durchführen lassen müssen, zudem hätten sich fünf chronische Schmerzpunkte entwickelt. Er verfüge über kein Medikament, dass seine Schmerzen auch nur ansatzweise lindern könne.
3Die Beklagte, die im Schreiben des Klägers einen Antrag auf die Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital zum Zwecke der Selbsttötung erblickte, lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 23. August 2018 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass das Bundesverwaltungsgericht entschieden habe, dass in Einzelfällen vom grundsätzlichen Verbot des Erwerbs eines Betäubungsmittels zum Zwecke der Selbsttötung abgewichen werden könne. Voraussetzungen dafür seien das Vorliegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung, die Entscheidungsfähigkeit des Betroffenen und das Fehlen einer anderen zumutbaren Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches. Der Kläger habe indes nicht dargetan, dass diese Voraussetzungen in seinem Falle vorlägen.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. September 2018 erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung berief er sich auf zahlreiche und im Widerspruchsverfahren vorgelegte medizinische Unterlagen sowie eine ausführliche Darstellung seiner gesundheitlichen Leidensgeschichte.
5Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. In dessen Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Einer Erteilung der vom Kläger begehrten Erlaubnis stehe § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG entgegen. Diese Vorschrift schließe die Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb von Betäubungsmitteln zum Zwecke der Selbsttötung ausnahmslos aus. Auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne sich der Kläger nicht berufen. Das Bundesverwaltungsgericht habe verlangt, dass in einem palliativmedizinischen Gutachten festgestellt werde, ob Möglichkeiten zur Linderung des Leidens und zur Bereitstellung einer zumutbaren Möglichkeit zur Verwirklichung eines Sterbewunsches bestünden. Würden geeignete Maßnahmen vom Betroffenen abgelehnt, fehle es an einer Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zwecke der Selbsttötung. Nach seinem Vorbringen im Widerspruchsverfahren lebe der Kläger derzeit ohne Schmerzindikation. Die von ihm vorgelegten Arztberichte gäben überdies keine differenzierte Auskunft über die Art der Schmerzen und keine vollständige Auskunft über die bisherige Medikation. Nach den bislang vom Kläger vorgelegten Unterlagen sei auch keine schmerztherapeutische Behandlung in einer hierauf spezialisierten stationären Einrichtung erfolgt. Auch sei – soweit ersichtlich – keine multimodale Schmerztherapie erwogen worden. Ferner gebe es auch keine Hinweise darauf, dass über invasive Maßnahmen zur Schmerztherapie informiert worden sei. Schließlich habe der Kläger seinen Antrag auf Erteilung der von ihm begehrten Erlaubnis ohnehin vorsorglich für den Fall gestellt, dass es in Zukunft keine befriedigende Lösung gebe. Demgemäß sei nicht davon auszugehen, dass in seinem Fall eine extreme Notlage bestehe, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in den dortigen Entscheidungen zur Voraussetzung eines Anspruchs auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zwecke der Selbsttötung erhoben habe.
6Am 21. Februar 2019 hat der Kläger Klage erhoben.
7Er trägt unter erneuter Darlegung seiner gesundheitlichen Leiden und ergänzenden Ausführungen zur nochmaligen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes vor, dass in seinem Falle die vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zum Zwecke der Selbsttötung vorlägen. Hiermit habe sich die Beklagte inhaltlich nicht auseinandergesetzt. Dem liege bekanntermaßen eine Weisung des Bundesministeriums für Gesundheit zugrunde, wonach alle Anträge auf Erteilung von Erlaubnissen zum Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zum Zwecke der Selbsttötung abzulehnen seien.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. August 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2019 zu verpflichten, ihm eine Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital zum Zwecke der Selbsttötung zu erteilen.
10Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
11die Klage abzuweisen.
12Sie macht geltend, dass § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG die Erteilung von Erlaubnissen zum Erwerb von Betäubungsmitteln zu Suizidzwecken ausnahmslos nicht erteilt werden könnten.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.
14Entscheidungsgründe
15Das Gericht kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
16Die zulässige Klage ist unbegründet.
17Der Bescheid der Beklagten 23. August 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung der von ihm begehrten Erlaubnis zum Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zum Zwecke der Selbsttötung.
18Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Danach bedarf einer Erlaubnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte, wer Betäubungsmittel erwerben will. Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführten Stoffe und Zubereitungen (§ 1 Abs. 1 BtMG). Der Stoff Pentobarbital ist in Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführt. Dessen Salz Natrium-Pentobarbital ist gemäß Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG ebenfalls ein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes.
19Der Erteilung einer vom Kläger begehrten Erlaubnis des Erwerbs von Natrium-Pentobarbital zum Zwecke der Selbsttötung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG steht § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG entgegen.
20Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ist die Erlaubnis nach § 3 BtMG zu versagen, wenn die Art und der Zweck des beantragten Verkehrs nicht mit dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, daneben aber den Missbrauch von Betäubungsmitteln oder die missbräuchliche Herstellung ausgenommener Zubereitungen sowie das Entstehen oder Erhalten einer Betäubungsmittelabhängigkeit soweit wie möglich auszuschließen, vereinbar ist. Der Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung ist grundsätzlich nicht mit dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes vereinbar, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
21Näher dazu BVerwG, Urteile vom 7. November 2023 – 3 C 8, 9.22 –, juris, Rn. 12 f.
22Ein Anspruch des Klägers auf die Erteilung der von ihm begehrten Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital ergibt sich auch nicht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Zwar schützt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf selbstbestimmtes Sterben nicht nur die Freiheit des Einzelnen, selbstbestimmt zu entscheiden, ob er sein Leben beenden möchte, sondern auch, wann und wie das geschehen soll. Das schließt die Wahl eines Mittels ein, mit dem er seinen Selbsttötungsentschluss umsetzen möchte. Geschützt ist daher auch die Freiheit, hierzu ein tatsächlich verfügbares Betäubungsmittel wie Natrium-Pentobarbital zu erwerben.
23Siehe BVerwG, Urteile vom 7. November 2023 – 3 C 8, 9.22 –, juris, Rn. 17.
24Der Erlaubnisvorbehalt für den Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in Verbindung mit der zwingenden Versagung einer solchen Erlaubnis für den Erwerb zum Zweck der Selbsttötung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG schränkt diese Freiheit indes in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ein. Insbesondere ist dieser Eingriff angesichts der Möglichkeit, das eigene Leben ärztlich begleitet durch Anwendung verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu beenden, angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne.
25BVerwG, Urteile vom 7. November 2023 – 3 C 8, 9.22 –, juris, Rn. 18 ff.
26Denn für Sterbewillige besteht die Möglichkeit, über eine ärztliche Person Zugang zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden kann. Zwar sind diese Alternativen für die Sterbewilligen mit Belastungen verbunden. In der Abwägung stehen die mit dem fehlenden Zugang zu Natrium-Pentobarbital verbundenen Belastungen für Sterbewillige, die selbstbestimmt entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, nicht außer Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz. Denn die bestehenden Alternativen zum Einsatz von Natrium-Pentobarbital sind für Sterbewillige zumutbar und stellen einen angemessenen Ausgleich zwischen den kollidierenden Individual- und Gemeinwohlbelangen her. Sterbewilligen werden durch die Inanspruchnahme der Hilfe einer ärztlichen Person und gegebenenfalls einer Organisation bei der Umsetzung der Selbsttötung nicht unangemessen belastet. Dass der Zugang zu einem Mittel zur Selbsttötung die Feststellung der Freiverantwortlichkeit des Sterbewunsches durch eine ärztliche Person oder andere fachkundige Stelle voraussetzt, ist aus Gründen des Schutzes der Autonomie der Sterbewilligen ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch die Erschwernisse, die sich für Sterbewillige bei Verwendung verschreibungspflichtiger Arzneimittel ergeben, stellen keine unzumutbaren Belastungen dar. So können Sterbewillige, die eine orale Anwendung nicht wünschen oder für die eine solche nicht möglich ist, ein Arzneimittel intravenös einsetzen, das sich hinsichtlich Wirkweise und Risiken nicht wesentlich von Natrium-Pentobarbital unterscheidet. Eine erforderliche medizinische Begleitung kann schließlich so gestaltet werden, dass dem Wunsch der Sterbewilligen nach Privatheit so weit wie möglich entsprochen und die Beeinträchtigung dadurch gemindert wird.
27Ausführlich zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 7. November 2023 – 3 C 8, 9.22 –, juris, Rn. 41 ff.
28Dass in seinem Falle Abweichendes zu gelten hätte, hat der Kläger weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
30Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
31Rechtsmittelbelehrung
32Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
33Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
34Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
35Beschluss
36Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
375.000,- Euro
38festgesetzt.
39Gründe
40Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Der festgesetzte Wert entspricht dem Auffangstreitwert.
41Rechtsmittelbelehrung
42Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.