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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheides vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Klägerin bestreitet die Legitimität des beklagten Obergerichtsvollziehers zur Vollstreckung von Bescheiden des Westdeutschen Rundfunks Köln (WDR), mit denen die Rundfunkanstalt rückständige Rundfunkbeiträge (§ 10 Abs. 5 RBStV) zwecks Beitreibung (§ 10 Abs. 6 RBStV) festsetzt, wenn die kraft Gesetzes entstehende Beitragspflicht (§ 7 Abs. 1 RBStV) verletzt wurde.
3Mit Schreiben vom 04.10.2024 setzte der Beklagte die Klägerin in einer gegen sie durch den WDR betriebenen Zwangsvollstreckungsangelegenheit davon in Kenntnis, dass er dem WDR die beim Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sowie beim Bundeszentralamt für Steuern erteilten Auskünfte habe zukommen lassen.
4Am 17.10.2024 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 15.11.2024 – 21 K 4821/24 – an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen.
5Zur Begründung der Klage führt die Klägerin aus, dem beklagten Obergerichtsvollzieher stünde keine gesetzliche Grundlage zur Durchführung von Zwangsvollstreckungen zur Seite. Es gelte die Zuständigkeit des Deutschen Reiches und nicht die Zuständigkeit der „Bundesrepublik Deutschland" (Anführungszeichen im Original) „mit ihrer Finanzagentur GmbH, (HRB 51411)“. Da die Bundesrepublik Deutschland als Firma ohne Staatsgebiet keine hoheitlichen Rechte besitze, könne sie solche auch nicht einräumen.
6Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
71. festzustellen, dass der beklagte „GV KRIEGSVERBRECHER, selbst als Obergerichtsvollzieher tituliert“, keine gesetzliche Grundlage besitzt zur Durchführung von Zwangsvollstreckungen und
82. festzustellen, dass daher zwischen ihr und dem Beklagten kein Rechtsverhältnis zur Durchführung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung besteht.
9Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung führt er aus, die Klage sei bereits unzulässig. Die Feststellungsklage sei gemäß § 43 VwGO subsidiär. Für vorbeugende Klagen gegen Vollstreckungsmaßnahmen bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Klage sei auch offensichtlich unbegründet. Selbstverständlich sei er als Obergerichtsvollzieher dazu berechtigt, Zwangsvollstreckungen durchzuführen. Die Argumentation der Klägerin, die augenscheinlich den deutschen Rechtsstaat und die rechtsstaatlichen Regelungen nicht anerkenne, sei abwegig. Seine Befugnis, Zwangsvollstreckungen durchzuführen, folge aus § 154 GVG in Verbindung mit den landesrechtlichen Vorschriften sowie aus den Regelungen der Zivilprozessordnung.
12Mit Schreiben vom 25.02.2025 hat das Gericht die Beteiligten zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Das an die Klägerin gerichtete Schreiben wurde ausweislich der Zustellungsurkunde am 26.02.2025 in den zu ihrer Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt. Das Schreiben wurde im vom Gericht verwendeten Briefumschlag an das Gericht mit einem Anschreiben folgenden Inhalts zurückgesandt:
13„Versehentliche Öffnung, da nach UPU/WPU falsche Deklaration D-U-N-S®number: N01 D-U-N-S®number: N02 §.370 Ill. Obligationenrecht
14NICHT ZUSTELLBAR – Zurück an den Absender gemäß SHAEF Gesetz Nr. 6 der Militärregierung und Artikel 50 EGBGB (In der Fassung der Bekanntmachung vom 21.09.1994, zuletzt durch Gesetz vom 10.07.2020“
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Beteiligten sind diesbezüglich zuvor angehört worden. Die Klägerin konnte eine wirksame Zustellung des Anhörungsschreibens nicht verhindern, da gemäß § 56 Abs. 2 VwGO, § 179 Satz 3 ZPO ein Schriftstück mit der Annahmeverweigerung als zugestellt gilt.
18Der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist jedenfalls deshalb eröffnet, weil der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15.11.2024 hinsichtlich des Rechtsweges gemäß § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend ist.
19Die Klage ist aus mehreren Gründen unzulässig.
20Sie ist bereits nicht in wirksamer Weise erhoben worden. Regelmäßige Wirksamkeitsvoraussetzung der gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO schriftlich zu erhebenden Klage ist die eigenhändige Unterschrift des Klägers oder seines Prozessbevollmächtigten unter der Klageschrift. Hierdurch soll die verlässliche Zurechenbarkeit des Schriftsatzes sichergestellt werden. Es muss gewährleistet sein, dass nicht nur ein Entwurf, sondern eine Prozesserklärung vorliegt. Ferner muss hinreichend sicher sein, dass die Erklärung von einer bestimmten Person herrührt und dass diese für den Inhalt die Verantwortung übernimmt.
21Vgl. VG Köln, Urteil vom 28.11.2024 – 6 K 41/24 –, UA S. 5.
22Die am 17.10.2024 beim Verwaltungsgericht Hamburg eingegangene Klageschrift war nicht unterschrieben. Hierauf hat das Verwaltungsgericht Köln die Klägerin mit Schreiben vom 14.01.2025 hingewiesen.
23Überdies ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist eine ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung; bei der Feststellungsklage findet es im (rechtswegsübergreifend geltenden) Grundsatz der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 VwGO) sowie im (qualifizierten) Feststellungsinteresse eine besondere Ausprägung, ohne sich darin zu erschöpfen.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.01.2024 – 6 CN 1.22 –, juris, Rz. 17; VG Köln, Urteil vom 23.01.2024 – 6 K 5642/21 –, juris, Rz. 28 m. w. N.
25Das Erfordernis des allgemeinen Rechtsschutzinteresses entspricht dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns und soll verhindern, dass prozessuale Rechte missbraucht werden. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs entspringt dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben. Dieses elementare Gerechtigkeitsprinzip beherrscht jede Rechtsordnung und verlangt die Ausübung von Rechten sowie die Erfüllung von Pflichten in einer Weise, auf die die andere Seite vertrauen kann. Es verpflichtet zur Redlichkeit und zur Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen anderer.
26Vgl. VG Köln, Urteil vom 10.05.2019 – 6 K 693/17 –, juris, Rz. 17 ff. m. w. N.; die Tauglichkeit dieser Umschreibung auch für das Europa- und Völkerrecht anerkennend: Hoffmann, Völkerrechtliche Vorgaben für die Verleihung der Staatsangehörigkeit, 2022, S. 217 (Fn. 70); Hatje, Treu und Glauben im Europarecht, in: Auer-Mayer u. a. (Hrsg.), Treu und Glauben im Wirtschaftsrecht, 2024, S. 87 (89 f.); s. a. VG Gera, Urteil vom 25.01.2023 – 6 K 1293/22 Ge –, juris, Rz. 105.
27Die Rechtsprechung präzisiert diesen Rechtsgrundsatz anhand von Fallgruppen und Funktionskreisen wie etwa dem Verbot des Rechtsmissbrauchs, welches die Rechtsausübung begrenzt. Missbräuchlich ist der treu- oder zweckwidrige Gebrauch eines Rechts. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt demjenigen, der gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium nemini licet. Vgl. Ulpian, Dig. 1, 7, 25 pr) verstößt. Einen solchen Verstoß begeht, wer ein Gericht um Rechtsschutz ersucht, die Annahme von Schriftstücken dieses Gerichts jedoch verweigert. Wer dem von ihm angerufenen Gericht den Rücken kehrt, ist dort nicht zu hören.
28Vgl. VG Köln, Gerichtsbescheid vom 15.01.2019 – 6 K 6676/18 –, juris, Rz. 22.
29Die Klägerin hat das Anhörungsschreiben des Gerichts vom 25.02.2025 als „NICHT ZUSTELLBAR“ zurückgesandt. Dabei hat sie unter anderem auf das Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Force (S.H.A.E.F.) Bezug genommen und sich dadurch zu einem Verschwörungsmythos bekannt:
30„Bei S.H.A.E.F. handelt es sich um eine Verschwörungsideologie, die von einigen ,Reichsbürgern‘ und ,Selbstverwaltern‘ vertreten wird. Die Anhänger und Sympathisanten dieser Verschwörungsideologie beziehen sich auf das Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Force (S.H.A.E.F.), welches während des Zweiten Weltkriegs das Oberkommando über die alliierten Streitkräfte in Europa ausübte und nach Kriegsende aufgelöst wurde. Sie gehen davon aus, dass das S.H.A.E.F. weiterhin aktiv sei und die entsprechenden ,S.H.A.E.F.-Gesetze‘ noch immer Gültigkeit hätten.
31Im Kern wird behauptet, dass es sich bei der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor um einen besetzten Staat handelt. Dementsprechend wird auch die gültige Rechtsordnung nicht anerkannt. Staatsbedienstete sowie Politiker verstehen die Anhänger dieser Ideologie als Erfüllungsgehilfen einer unrechtmäßigen Regierung. Sich selbst sehen sie als offizielle Vertretung der Alliierten mit der Befugnis, Befehle und Weisungen an die deutsche Bevölkerung erteilen zu können.“
32https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/glossareintraege/DE/S/shaef.html
33Ebenso hat die Klägerin mit ihrer Klageschrift zum Ausdruck gebracht, dass sie die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und damit auch die Legitimität des angerufenen Gerichts nicht anerkennt. Rechtsschutz durch die Justiz kann nur auf Basis des Grundgesetzes und im Rahmen der Gesetze der Bundesrepublik Deutschland sowie des jeweiligen Landesrechts (vgl. § 38 Abs. 1 DRiG, § 3 LRiStaG NRW) erlangt werden. Erst das Grundgesetz garantiert überhaupt gerichtlichen Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Exekutive. Wer die gesamte Rechtsordnung der Bundesrepublik und damit auch die Legitimität des von ihm angerufenen Gerichts leugnet, verhält sich widersprüchlich und verletzt in eklatanter Weise seine Rechtspflicht zu redlicher Prozessführung. Eine Rechtsordnung, die sich ernst nimmt, darf die Missachtung ihrer selbst nicht ignorieren oder gar fördern. Sie schafft sonst Anreize zur Rechtsverletzung, diskriminiert rechtstreues Verhalten und untergräbt dadurch die Voraussetzungen ihrer eigenen Wirksamkeit.
34Vgl. VG Köln, Urteil vom 10.05.2019, a. a. O., Rz. 37 ff. m. w. N.; s. a. Sächs. OVG, Beschluss vom 20.08.1999 – 3 S 495/99 –, NJW 1999, 2986 (2987) m. krit. Anm. Tillmann-Gehrken, NVwZ 2000, 162; OVG NRW, Beschluss vom 10.02.2021 – 19 A 422/20 –, juris, Rz. 3 ff.; VG Würzburg, Urteil vom 10.11.2020 – W 5 K 19.490 –, juris, Rz. 31 ff.; VG München, Urteil vom 17.11.2021 – M 6 K 20.6855 –, juris, Rz. 23 ff.
35Die an der Rechtsprechung des entscheidenden Gerichts geäußerte Kritik,
36s. Pavlidis, Treu und Glauben im Wirtschaftsrecht: rechtstheoretische Grundlegung, in: Auer-Mayer u. a. (Hrsg.), a. a. O., S. 37 (41 ff.),
37überzeugt nicht. „Der freiheitliche Staat gründet im selbstbestimmten Menschen.“
38G. Kirchhof, Nudging – zu den rechtlichen Grenzen informalen Verwaltens, ZRP 2015, 136.
39Ebenso gründen Treu und Glauben in der Menschwürde (Art. 1 Abs. 1 GG),
40vgl. Kirste, Eine rechtsphilosophische Grundlegung von Treu und Glauben, in: Auer-Mayer u. a. (Hrsg.), a. a. O., S. 1 (11 ff.) m. w. N.
41Das Menschenbild des Grundgesetzes geht jedoch nicht von einem isolierten souveränen Individuum aus, sondern von der gemeinschaftsbezogenen und ‑gebundenen Person.
42Vgl. BVerfG, Urteil vom 20.07.1954 – 1 BvR 459/52 –, juris, Rz. 29.
43Deshalb lebt die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung von Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren kann.
44Vgl. Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 2006, S. 112 f.
45Sie ist auf Vertrauen angewiesen, das sie nicht erzwingen kann. Dabei steht sie in einem Spannungsverhältnis von Vertrauen und Misstrauen. Menschliches Vertrauen macht Rechtssetzung – ob durch Gesetz oder Vertrag – möglich, menschliches Misstrauen macht sie nötig. Die Rechtsordnung vertraut einerseits auf den Rechtsgehorsam der Rechtsunterworfenen und bringt ihnen andererseits auch Misstrauen entgegen: „[D]as Misstrauen ist die erste Pflicht jedes Gesetzgebers. […] je mehr Schlechtigkeit ein Gesetz bei seinem Adressaten voraussetzt, umso besser ist es selbst.“
46Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft, 1929, S. 85, abgedruckt in: Kaufmann (Hrsg.), Gustav-Radbruch-Gesamtausgabe, Bd. 1, Rechtsphilosophie I, 1987, S. 284.
47Zugleich eröffnet die Rechtsordnung den Rechtsunterworfenen Rechtsschutzmöglichkeiten (Art. 19 Abs. 4 GG, z. B. § 40, §§ 124 - 153 VwGO) und erkennt damit an, dass zur demokratischen Haltung des mündigen Rechtssuchenden auch das Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen gehören kann.
48Vgl. Rasehorn, Anmerkung zu LG Bonn, Beschluss vom 11.10.1965 – 4 T 460/65 –, NJW 1966, 666 unter Hinweis auf Arndt.
49Im asymmetrischen Verhältnis zwischen dem in rechtlich verfasster Freiheit handelnden Bürger und dem in rechtlich verliehener Kompetenz handelnden staatlichen Organ,
50vgl. dazu: Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2004, S. 15,
51kann die staatliche Seite nicht vom Bürger Vertrauen in dem gleichen Maße verlangen, wie sie es ihm gegenüber aufbringen muss. Aber im Rechtsstreit muss das Gericht vom Rechtssuchenden ein Mindestmaß an Vertrauen unter anderem dergestalt voraussetzen, dass dieser das von ihm angerufene Gericht als dazu legitimiert anerkennt, über den Rechtsstreit verbindlich zu entscheiden.
52Als ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung liegt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis im Regelfall vor und entfällt nur aufgrund besonderer Umstände. Wird – wie hier – die gesamte bestehende Rechtsordnung und damit auch die Legitimität des angerufenen Gerichts abgelehnt, wird ein Rechtsschutzinteresse begründungsbedürftig. Weder die Klägerin noch der erwähnte Versuch einer „rechtstheoretische[n] Grundlegung“ von Treu und Glauben zeigen auf, wie ein solches Rechtsschutzinteresse in einer derartigen Konstellation begründet werden kann. Nicht weiter hilft der Vorschlag aus dem Schrifttum, dass das Gericht sich „rechtsschutzfreundlich auf das legitime Klagebegehren fokussiert und nur die abwegige Argumentation in aller Kürze und/oder der gebotenen Schärfe (als widersprüchlich) verwirft“,
53Pavlidis, a. a. O., S. 55 f. (Fn. 121).
54Denn wegen des Vorrangs der Zulässigkeitsvoraussetzungen und wegen der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen einer Prozess- und einer Sachabweisung darf das Verwaltungsgericht grundsätzlich nur nach einer positiven Entscheidung über die Zulässigkeit einer Klage über deren Begründetheit entscheiden.
55Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.12.2018 – 6 B 133.18 –, juris, Rz. 21 und Urteil vom 24.01.2024 – 6 CN 1.22 –, juris, Rz. 17 ff. jeweils m. w. N.
56Schon deshalb kann der Vorschlag, dem Problem der Rechtsordnungsablehnung durch Prüfung anderer Zulässigkeitsvoraussetzungen wie der Prozessfähigkeit (§ 62 VwGO), der Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO, gegebenenfalls analog) oder der ordnungsgemäßen Klageerhebung (§§ 81 f. VwGO) zu begegnen,
57Pavlidis, a. a. O., S. 58 (der zufolge „auch eine Unzulässigkeitsentscheidung ein Rechtsschutzansuchen der Sache nach inhaltlich beantworten“ können soll [S. 54, Fn. 112]),
58nicht – wie oben zu § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO gezeigt – den Weg zu einer Sachentscheidung eröffnen. Vielmehr liefe die vermeintliche „Rechtsschutzfreundlichkeit“ auf einen Prozessrechtsverstoß hinaus, der sich zulasten des Prozessgegners auswirken könnte. Im Übrigen darf bezweifelt werden, ob – die Zulässigkeit der Klage einmal unterstellt – die inhaltliche Beurteilung eines als hinreichend bestimmt anzunehmenden Streitgegenstandes geeignet ist, „Rechtsvertrauen“ – das überhaupt vorhanden sein müsste – zu „stärken“,
59dies erwägend: Pavlidis, a. a. O., S. 55 f. (Fn. 121),
60wenn diese Beurteilung anhand von Normen erfolgen soll, deren Geltung klägerseits abgelehnt wird.
61Die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses aufgrund eines fundamental widersprüchlichen Vortrags bedeutet kein „Gesinnungsrecht“,
62zu dem Pavlidis, a. a. O., S. 49 eine Nähe sieht.
63Der freiheitliche Rechtsstaat verfolgt Zwecke des Gemeinlebens nur in rechtlicher Weise, indem er sich am Verhalten des Einzelnen orientiert, ohne auf dessen Gesinnung zuzugreifen.
64Vgl. Böckenförde, Der Staat als sittlicher Staat, 1978, S. 25; ders., Staatliches Recht und sittliche Ordnung, in: ders., Staat, Nation, Europa, 2011, S. 208 (220 ff., 228); s. a. Dreier, Kants Republik, JZ 2004, 745 (747).
65Vorliegend werden nicht außerprozessuale Äußerungen bewertet oder verborgene Motive unterstellt. Mit der Prozessabweisung wird nicht eine Gesinnung verachtet, sondern prozessuales Verhalten beachtet, indem ausdrücklicher Klagevortrag ernstgenommen und die Verletzung der Rechtspflicht zu redlicher Prozessführung der sich aus Treu und Glauben ergebenden Rechtsfolge zugeführt wird. Indem das Gericht das Bestreiten seiner Legitimität als rechtserheblich berücksichtigt, orientiert es sich bei seiner Entscheidungsfindung am auch ungeschriebene Normen umfassenden Prinzip der Legalität, das einer Motivation aus „Rachsucht“,
66wie Pavlidis, a. a. O., S. 59 sie vermutet,
67entgegensteht. Rechtsdurchsetzung ist keine Rache. Auch verwehrt das Gericht der Klägerin nicht Rechtsschutz; denn wenn es deren eigener Rechtsauffassung folgte, dürfte es die angeblich begehrte Entscheidung überhaupt nicht treffen. Die Rechtsordnung gewährt keinen Rechtsschutz gegen die Rechtsordnung. Wer ein Rechtsschutzgesuch anbringt, mag dieses auf der Grundlage der geltenden Rechtsordnung begründen. Wer aber vorträgt, dass er die geltende Rechtsordnung nicht anerkenne, bedarf keiner Sachprüfung am Maßstab der geltenden Rechtsordnung: „Gegen das Recht gibt es kein Recht“.
68Vgl. VG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 07.05.2024 – 5 K 799/24 –, juris, Rz. 34 f.; das zitierte Rechtssprichwort ist auf der Rückseite des symbolischen Schlüssels eingeprägt, der dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts am 28.09.1951 in Karlsruhe übergeben wurde und heute im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn ausgestellt ist.
69Ebenso wenig ist mit dieser Rechtsdurchsetzung eine Durchsetzung von Moralvorstellungen verbunden.
70Pavlidis, a. a. O., S. 43, 47 sieht unter Hinweis auf Roellecke im Rechtsvertrauen eine „Abseitsfalle der Moral“.
71Weil der Rechtsstaat auf Gerechtigkeit zielt,
72vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24.07.1957 – 1 BvL 23/52 –, juris, Rz. 16, vom 02.05.1967 – 1 BvR 578/63 –, juris, Rz. 30, vom 14.02.1968 – 2 BvR 557/62 –, juris, Rz. 30, vom 26.02.1969 – 2 BvL 15/68 –, juris, Rz. 78, 98, vom 25.07.1979 – 2 BvR 878/74 –, juris, Rz. 66, 70, 75, 93 f., vom 08.10.1985 – 2 BvR 1150/80 –, juris, Rz. 32, vom 24.10.1996 – 2 BvR 1851/94 –, juris, Rz. 137 ff. und Urteil vom 31.10.2023 – 2 BvR 900/22 –, juris, Rz. 78, 104,
73ist das Recht als bloße „Erhaltungsordnung“,
74Böckenförde, Vom Ethos der Juristen, 2010, S. 35, 42; ders., Staatliches Recht und sittliche Ordnung, a. a. O., S. 208 (223 ff.),
75zugleich „das ethische Minimum“,
76Jellinek, Die sozialethische Bedeutung von Recht, Unrecht und Strafe, 1908, S. 45.
77Dies zeigt sich im Prozessrecht etwa an der Wahrheitspflicht. Die Rechtsuchenden haben das Recht auf ihre eigene Auffassung von der richtigen Entscheidung (Art. 103 Abs. 1 GG), aber nicht auf ihre eigenen Tatsachen (§ 173 VwGO, § 138 Abs. 1 ZPO).
78Wie bei der Verantwortung für die Annahmeverweigerung (§ 56 Abs. 2 VwGO, § 179 Satz 3 ZPO) oder für den Inhalt der Klageschrift (§ 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO) deutlich wird, achtet das Recht den Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) in seinem selbstbestimmten Verhalten (Art. 2 Abs. 1 GG), indem es dieses mit der gebotenen Rechtsfolge verknüpft. Dies gilt ebenso für die in rechtlicher Hinsicht extremste Form autonomer Automarginalisierung durch Leugnung der gesamten verfassten Rechtsordnung. Über dieses autonome Prozessverhalten mit einer vermeintlich „rechtsschutzfreundlichen“ Sachentscheidung hinwegzugehen, wäre nicht nur prozessrechtswidrig, sondern auch ungerechtfertigterweise prozessrechtspaternalistisch. Durch die angemessene Antwort auf den untauglichen, gleichwohl prozessrechtserheblichen Versuch des Rechtsleugners, sich der Rechtsordnung zu entziehen, wird dessen Stellung als Mitglied der Rechtsgemeinschaft bestätigt.
79Vgl. zum Resonanzgeschehen zwischen Freiheitsanmaßung und Rechtsdurchsetzung (aus strafrechtstheoretischer Perspektive): Rostalski, Der Tatbegriff im Strafrecht, 2019, S. 19 - 64.
80Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
81Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 709, § 711 ZPO.
82Rechtsmittelbelehrung
83Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Gerichtsbescheides kann bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen.
84Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Gerichtsbescheides sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
85Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
86Wahlweise kann innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Gerichtsbescheides bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden; hierfür besteht kein Vertretungszwang.
87Beschluss
88Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
895.000,- Euro
90festgesetzt.
91Gründe
92Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Der festgesetzte Wert entspricht dem Auffangstreitwert.
93Rechtsmittelbelehrung
94Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.