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Bei der Gestaltung eines Freiumschlags im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BPersVWO ist der Wahlvorstand bei Nutzung der Post an deren Vorgaben gebunden, soweit diese verbindlich sind.
Die Wahl des Personalrats der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost vom 15. Mai 2024 wird für ungültig erklärt.
Gründe
2I.
3Die Antragsteller fechten die am 15. Mai 2024 erfolgte Wahl des Beteiligten zu 1, dem bei der von der Beteiligten zu 2 geleiteten Dienststelle gebildeten Personalrat, an.
4Der Dienststelle gehören insgesamt rund 470 Beschäftigte an. Am Sitz der Dienststelle in Bonn sind etwa 180 Personen beschäftigt, die übrigen Beschäftigten sind in räumlich weit entfernt liegenden Nebenstellen oder Teilen der Dienststelle tätig. Für die Beschäftigten dieser Nebenstellen bzw. Teile der Dienststelle ordnete der Wahlvorstand für die Personalratswahl 2024 die schriftliche Stimmabgabe an.
5Am 9. April 2024 versandte der Wahlvorstand erstmals die Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe (im Folgenden: Briefwahlunterlagen) an die betroffenen Wahlberechtigten. In seiner Sitzung am 29. April 2024 stellte der Wahlvorstand fest, dass auf den Briefwahlunterlagen zwingende Angaben fehlten. Er beschloss, die Briefwahlunterlagen zu ändern und zu ergänzen und die aktualisierten Fassungen an die betroffenen Beschäftigten mit einem Informationsschreiben zuzusenden. Die Unterlagen wurden noch am selben Tag zur Post gegeben. Die Empfänger wurden in dem Informationsschreiben darüber informiert, dass die bereits eingegangenen Briefwahlunterlagen ihre Gültigkeit verlören und eine Neueinsendung der schriftlichen Stimmabgabe notwendig sei. Sollten die Empfänger noch alte Briefwahlunterlagen vorliegen haben, dürften diese nicht mehr verwendet werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Informationsschreibens wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie (Bl. 13) Bezug genommen.
6Die aktualisierte Fassung der Briefwahlunterlagen umfasste Freiumschläge, auf deren Rückseite mittig Name und Anschrift des jeweiligen Wahlberechtigten angebracht waren. Die Freiumschläge waren mit Wertzeichen der Deutschen Post für einen Standardbrief frankiert.
7Die Personalratswahl fand am 15. Mai 2024 statt. Nach Abschluss der Stimmabgabe stellte der Wahlvorstand das Wahlergebnis fest und gab dieses noch am selben Tag bekannt. Danach gab es für die Gruppe der Beamten 273 Wahlberechtigte und 194 abgegebene Stimmen. Für die Gruppe der Angestellten gab es 202 Wahlberechtigte und 113 abgegebene Stimmen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Wahlergebnisses wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie von dessen Bekanntmachung sowie die Sitzungsniederschrift des Wahlvorstands (Bl. 20 ff.) Bezug genommen. Am 16. Mai 2024 gingen 11 weitere Freiumschläge beim Wahlvorstand ein.
8Am 3. Juni 2024 haben die Antragsteller die Wahl angefochten. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus, die Wahl sei für ungültig zu erklären, weil gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen worden sei. Die Freiumschläge hätten eine gemessen an den Anforderungen des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BPersVWO mangelhafte Kennzeichnung enthalten, weil die Adresse der wahlberechtigten Briefwähler mittig angebracht gewesen sei. Die Lesemaschinen der Deutschen Post hätten daher die Absenderadresse der wahlberechtigten Briefwähler als Zustelladresse identifiziert, sodass die Freiumschläge wieder an die Absender zurückgeschickt worden seien. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass einige Wahlberechtigte die Briefwahlunterlagen nicht nochmals an den Wahlvorstand übersandt hätten. Eine Korrektur des Fehlers sei nicht erfolgt. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass er Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt habe.
9Die Antragsteller beantragen,
10die Wahl des Personalrats bei der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost vom 15. Mai 2024 für ungültig zu erklären.
11Der Beteiligte zu 1 hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
12Die Beteiligte zu 2 hat keinen Antrag gestellt. In der Sache trägt sie vor, die Wahlordnung zum Bundespersonalvertretungsgesetz enthalte keine Vorgabe dahingehend, an welcher Stelle der Name und die Anschrift des Wahlberechtigten auf dem Freiumschlag anzubringen sei. Dass die Position des Etiketts mit dem Namen und der Anschrift des Wahlberechtigten zu Problemen beim Sortieren der Umschläge bei der Deutschen Post geführt habe, sei eine Behauptung der Antragsteller ins Blaue hinein. Hilfsweise sei dieses Organisationsverschulden der Deutschen Post dem Wahlvorstand nicht zuzurechnen. Dem Wahlvorstand sei nur ein Fall bekannt, in dem der Freiumschlag an den Wähler (den Beschäftigten U. S.) zurückgesandt worden sei. Wären weitere Freiumschläge nicht dem Wahlvorstand zugestellt, sondern von der Post an die Wählerin oder den Wähler zurückgeschickt worden, dann hätten sich diese Personen beim Wahlvorstand gemeldet, was indes nicht geschehen sei. Angesichts dessen sei jedenfalls auszuschließen, dass ein etwaiger Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften das Wahlergebnis beeinflusst hätte.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Briefwahlunterlagen Bezug genommen.
14II.
15Die Wahlanfechtung hat Erfolg. Sie ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, und auch begründet.
16Gemäß § 26 BPersVG ist eine Wahlanfechtung begründet, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
17Ausgehend davon ist die angefochtene Wahl für ungültig zu erklären. Bei ihr wurde gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen, weil die den wahlberechtigten Beschäftigen im Falle einer schriftlichen Stimmabgabe gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BPersVWO auszuhändigenden oder zu übersendenden Freiumschläge nicht ordnungsgemäß beschriftet waren. Nach der genannten Vorschrift hat der Wahlvorstand einem wahlberechtigten Beschäftigten auf sein Verlangen einen Freiumschlag auszuhändigen oder zu übersenden, der die Anschrift des Wahlvorstands und als Absender den Namen und die Anschrift des Wahlberechtigten sowie den Vermerk „Schriftliche Stimmabgabe“ trägt. Ein Briefumschlag wird zum Freiumschlag, indem er freigemacht, mit anderen Worten also frankiert wird. Die Versendung an den Wahlvorstand erfolgt für den Absender dann kostenfrei.
18Ob sich ein Wahlvorstand zum Freimachen der Umschläge für die Übersendung der Briefwahlstimmen an den Wahlvorstand der Angebote der Deutschen Post bedienen muss, bedarf hier keiner Entscheidung.
19Ebenso offengelassen von Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 1983 – 15 S 2465/82 –, juris (nur Leitsätze).
20Denn jedenfalls steht dem Wahlvorstand diese – auch im vorliegenden Fall genutzte – Möglichkeit offen. Nutzt der Wahlvorstand die Angebote der Deutschen Post, ist er hinsichtlich der Gestaltung der Freiumschläge, für die § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BPersVWO keine weiteren als die eben wiedergegebenen Anforderungen enthält, indes an die Vorgaben der Deutschen Post gebunden, soweit diese verbindlich sind. Zu diesen verbindlichen Vorgaben gehören die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG BRIEF NATIONAL (AGB BRIEF NATIONAL). Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 AGB BRIEF NATIONAL gilt u.a. das Verzeichnis „Leistungen und Preise“ ergänzend zu den AGB. Das Verzeichnis „Leistungen und Preise“ enthält nähere Hinweise zur äußeren Gestaltung von Briefen, um deren Automationsfähigkeit, also die Fähigkeit zu einer maschinellen Bearbeitung, zu gewährleisten. Erfüllt eine Sendung die Anforderungen der maschinellen Bearbeitung nicht, wird gemäß den Vorgaben in dem Verzeichnis „Leistungen und Preise“ das Entgelt für einen Kompaktbrief erhoben. Weitergehende Informationen zur äußeren Gestaltung der Briefe enthält gemäß den Ausführungen in dem Verzeichnis „Leistungen und Preise“ der „Leitfaden ,Automationsfähige Briefsendungen‘“. Danach ist die Aufschriftseite in vier Bereiche eingeteilt, von denen einer die so genannte Lesezone ist, die u.a. der Platzierung der Empfängerangabe dient. Die Lesezone muss vom oberen Rand der Sendung mindestens 40 Millimeter entfernt sein und von den übrigen Rändern ist ein Abstand von mindestens 15 Millimetern einzuhalten. Ferner heißt es in dem Leitfaden: „Auf der Rückseite einer Briefsendung dürfen in der ,Lesezone‘ keine zustellfähigen Angaben, wie beispielsweise der Absender, angebracht sein. Ansonsten ist nur schwer zu erkennen, welche Anschrift bei der jeweiligen Beförderung gelten soll.“
21Dies zugrunde gelegt, waren die Freiumschläge zur schriftlichen Stimmabgabe bei der angefochtenen Wahl nicht ordnungsgemäß beschriftet. Sie waren als Standardbrief frankiert und bei ihnen befanden sich die Absenderangaben (Name und Anschrift des Wahlberechtigten) durchweg auf der Rückseite und dort innerhalb der so genannten Lesezone der Briefumschläge. Damit entsprachen sie nicht den dargelegten Anforderungen der Deutschen Post. Aufgrund der fehlerhaften Gestaltung bestand die Gefahr, dass die Lesemaschinen der Post die Absenderangaben als Zustellangaben werteten und die Freiumschläge in der Folge an den Wahlberechtigten zurücksandten. Zumindest im Falle des Wahlberechtigten U. S. ist dies – unstreitig – auch tatsächlich geschehen, wie der von ihm sodann händisch erneut beschriftete und sodann beim Wahlvorstand eingegangene Freiumschlag belegt.
22Es lässt sich auch nicht ausschließen, dass durch den dargelegten Verstoß das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst werden konnte. Es lässt sich nicht aufklären, ob und wie viele Freiumschläge fälschlicherweise von der Post zurück an die Wahlberechtigten gesandt worden sind. Die Differenz zwischen der Zahl der Wahlberechtigten und der Zahl der abgegebenen Stimmen ist mit 273 zu 194 in der Gruppe der Beamten und 202 zu 113 in der Gruppe der Arbeitnehmer jedenfalls so hoch, dass es ohne Weiteres möglich erscheint, dass jeweils eine zweistellige Zahl von Briefwahlstimmen den Wahlvorstand nicht erreicht hat, was offenkundig Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt hätte. So erhielt, worauf die Antragsteller zutreffend beispielhaft hinweisen, der drittplatzierte Kandidat auf der Wahlvorschlagsliste III in der Gruppe der Beamten 23 Stimmen, was nicht für Einzug in den Personalrat ausreichte. Der bestplatzierte Kandidat auf der Wahlvorschlagsliste II erhielt 32 Stimmen. Auf Liste III wäre demgemäß bei nur zehn weiteren Stimmen zulasten von Liste II ein weiterer Sitz entfallen.
23Der Einwand der Beteiligten zu 2, es sei eine bloße Vermutung ins Blaue hinein, dass Wahlunterlagen an die Wahlberechtigten aufgrund einer fehlerhaften Erfassung durch die Lesemaschinen der Deutschen Post zurückgeschickt worden seien, zumal den Wahlvorstand von keinem Beschäftigten eine entsprechende Rückmeldung erreicht habe, greift nicht durch. Nach dem Gesagten bestand schon angesichts der Angaben der Post selbst in ihrem Leitfaden „Automationsfähige Briefsendungen“ die reale Gefahr einer solchen fehlerhaften Behandlung der Briefwahlumschläge. Es kann auch nicht mit der erforderlichen Überzeugungsgewissheit davon ausgegangen werden, dass sich etwaig betroffene Beschäftigte beim Wahlvorstand gemeldet hätten. Dies gilt schon deswegen, weil es ohne Weiteres möglich erscheint, dass Beschäftigte zu dem Zeitpunkt, zu dem die fälschlicherweise an sie zurückgesandten Briefwahlunterlagen an der Absenderadresse zugestellt wurden, etwa in Folge eines Urlaubs – der im Übrigen gerade Anlass gegeben haben mag, Briefwahl zu beantragen – ortsabwesend waren. Hinzu kommt noch, dass der Wahlvorstand zuvor bereits fehlerhafte Briefwahlunterlagen verschickt und diese später zurückgezogen hatte. Bei dieser Sachlage ist es nicht fernliegend, dass Briefwähler letztlich keine weiteren Anstrengungen unternommen haben, ihre Stimme abzugeben, nachdem im Zuge der Stimmabgabe zum nunmehr zweiten Mal ein Fehler aufgetreten war.
24Eine Kostenentscheidung entfällt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren.
25Rechtsmittelbelehrung
26Gegen diesen Beschluss findet die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster (Fachsenat) statt.
27Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses durch Einreichung einer Beschwerdeschrift schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster einzulegen. Sie muss den Beschluss bezeichnen, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt wird.
28Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses schriftlich zu begründen.
29Die Beschwerdebegründung muss angeben, auf welche im Einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe sowie auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird.
30Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
31Beschwerdeschrift und Beschwerdebegründung müssen von einem Rechtsanwalt oder einer nach § 11 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes zur Vertretung befugten Person unterzeichnet sein.