Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die den Beigeladenen am 22. August 2022 erteilte Baugenehmigung wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen eine Baugenehmigung, die die Beklagte den Beigeladenen erteilt hat.
3Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Gemarkung G01, Flur 0, Flurstück 000 unter der postalischen Anschrift M.-straße 00 in 00000 P.. Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich und ist mit einem Zweifamilienhaus bebaut.
4Nordwestlich befindet sich das Grundstück der Beigeladenen (Gemarkung G01, Flur 0, Flurstück 0000) unter der postalischen Adresse L.-straße 0 in 00000 P..
5Das Grundstück der Beigeladenen liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans der Stadt P. Nr. 000 (G01-West). Dieser setzt für den Bereich, in dem das Grundstück der Beigeladenen liegt, unter anderem ein allgemeines Wohngebiet mit zugelassener Einzelhausbebauung fest.
6Zudem wird in Teil B Nr. 2 die gestalterische Festsetzung gemäß § 9 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 86 Abs. 1, Abs. 4 BauO NRW [a.F.] getroffen, dass die zulässige Erdgeschoss-Fußbodenhöhe der im Plangebiet zu errichtenden Gebäude, Garagen und Anlagen mit 20cm über der festgesetzten Straßenhöhe festgesetzt wird. Bezugspunkt für die Ermittlung der zulässigen Erdgeschoss-Fußbodenhöhe ist die mittlere Höhenlage der festgesetzten Straßenhöhe der dem Hauseingang am nächsten liegenden Straßenbegrenzungslinie.
7Der natürliche Geländeverlauf gestaltet sich in dem nach Osten gewandten Grundstücksbereich der Beigeladenen dergestalt, dass das Gelände in Richtung der Grenze des Klägergrundstücks leicht ansteigt.
8Unter dem 3. März 2022 beantragten die Beigeladenen bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines zweigeschossigen Einfamilienhauses mit Doppelgarage im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren.
9In dem zum klägerischen Grundstück gewandten Außenbereich sehen die genehmigten Bauvorlagen die Errichtung einer Terrasse mit einer zum klägerischen Grundstück geneigten Böschung vor.
10Die Terrasse soll auf einer Höhe von 59,36m NHN an das Wohnhaus anschließen und über eine Länge von vier Metern bis zu einer Höhe von 59,30m NHN in Richtung des klägerischen Grundstücks leicht abfallen. Die vorhandene Geländehöhe liegt am Ende der Terrasse in etwa bei 57,98m NHN.
11An die Terrasse schließen vier Stufen an, die wiederum eine in Richtung des klägerischen Grundstücks geneigte Böschung erschließen. Die Höhe der Anschüttung am Fuß der Treppe und zu Beginn der Böschung soll 58,72m NHN betragen.
12Die Böschung soll über eine Länge von mehr als 7,20m bis zur Grenze des klägerischen Grundstücks um zehn Zentimeter auf 58,62m NHN fallen. Das klägerische Grundstück weist im dortigen Grenzbereich eine Höhe von 58,08m NHN auf. Wegen der Einzelheiten wird auf den Lageplan vom 4. März 2022 sowie den Schnitt A-A und Vorderansicht (Blatt 20 und 15 des Verwaltungsvorgangs) Bezug genommen.
13Unter dem 22. August 2022 erteilte die Beklagte den Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung.
14Die Baugenehmigung wurde den Klägern am 24. August 2022 bekannt gegeben.
15Gegen diese Baugenehmigung haben die Kläger am 19. September 2022 Klage erhoben.
16Sie machen im Wesentlichen drei Einwände geltend:
17Die Baugenehmigung erweise sich schon wegen der fehlenden Einhaltung von Abstandsflächen als rechtswidrig. Die Aufschüttung sei als rechtliche Einheit zu betrachten und zu bewerten. Die daher einzuhaltende Abstandsfläche werde auf dem Vorhabengrundstück nicht eingehalten.
18Hierdurch werde das in ihrem Eigentum stehende Grundstück der Gefahr einer Überschwemmung ausgesetzt.
19Darüber hinaus erweise sich der der Baugenehmigung zu Grunde liegende Bebauungsplan als fehlerhaft. Die Beklagte habe bei der Planerstellung die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung nicht hinreichend berücksichtigt. Zu den insoweit zu prüfenden Anforderungen gehöre auch die Abwasserbeseitigung, die die Beklagte nicht hinreichend beachtet habe.
20Die Kläger beantragen,
21die den Beigeladenen am 22. August 2022 erteilte Baugenehmigung aufzuheben.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie macht geltend, die geplante Aufschüttung sei differenziert und nicht einheitlich zu beurteilen. Die zulässige Erdgeschoss-Fußbodenhöhe betrage für das streitgegenständliche Bauvorhaben 59,38m NHN. Für die Terrasse, die zu den in der Festsetzung genannten Anlagen zähle, stelle dies die maßgebende Geländehöhe i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauO NRW dar. Die gesondert zu betrachtende Aufschüttung (Fuß der Böschung bis Grenze des Klägergrundstücks) weise eine Differenz zur natürlichen Geländeoberfläche von 74 bis 31cm auf und löse mithin keine Abstandsfläche aus.
25Dem Bebauungsplan Nr. 000 liege ein Erschließungskonzept zugrunde, das sowohl die Abwasserbeseitigung als auch die Beseitigung des Niederschlagswassers berücksichtige. Im Rahmen des Planverfahrens sei durch ein hydrologisches Gutachten belegt worden, dass der Boden grundsätzlich versickerungsfähig sei.
26Die Beigeladenen machen geltend, die Behandlung einheitlicher Aufschüttungen als einheitliche bauliche Anlagen werde der abstandsrechtlichen Systematik nicht gerecht. So würden gestaffelte Wandteile gemäß § 6 Abs. 4 BauO NRW unterschiedliche Abstandsflächen auslösen. Eine derartige Aufteilung werde nach der Rechtsprechung bei gestaffelten, einheitlichen Geländeaufschüttungen nicht vorgenommen. Diese Rechtsprechung habe zur Folge, dass unabhängig vom Abstand einer über einen Meter hohen Teilfläche einer an der Nachbargrenze beginnenden Aufschüttung diese gegen § 6 BauO NRW verstoße, selbst wenn dieser Bereich beispielsweise 100m von der Grundstücksgrenze entfernt liege. Dies erscheine mit dem Sinn der Abstandsflächen kaum vereinbar und zöge auch die folgende Konsequenz nach sich: Erfolge eine Anschüttung von der Nachbargrenze durchgehend bis zum Haus und um das gesamte Haus herum, wäre nach der Rechtsprechung von einer baulichen Anlage auszugehen. Wenn nunmehr an der der Nachbargrenze abgewandten Seite des Hauses eine – vom Nachbargrundstück nicht einmal sichtbare, – über einen Meter hohe Terrasse errichtet werde, führe dies dazu, dass ein Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften vorläge. Wenn man außerhalb des drei Meter Grenzbereichs im Verlauf der Anschüttung eine Unterbrechung vorsehe, würde es sich baulich-konstruktiv nicht mehr um eine einheitliche Anschüttung handeln, sodass die Errichtung einer Terrasse zulässig wäre, obwohl sich für den Nachbarn durch diese Gestaltung kein messbarer Vorteil ergäbe.
27Die im Falle von Aufschüttungen auf die Einheitlichkeit der baulichen Anlage abstellende Rechtsprechung wäge die widerstreitenden Interessen i.S.d. Art. 14 GG nicht angemessen miteinander ab. Sie habe zur Folge, dass dem Nachbarn praktisch eine weit über den drei Meter Grenzbereich hinausgehende „Gestaltungseinwirkung“ auf das Grundstück des Bauherrn eingeräumt werde.
28Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe
30Die Drittanfechtungsklage ist zulässig und begründet.
31Die angefochtene Baugenehmigung verstößt gegen nachbarschützende Vorschriften und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
32Die genehmigte Aufschüttung verstößt gegen nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts.
33Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauO NRW gelten die abstandsrechtlichen Vorschriften auch für Anlagen, die nicht Gebäude sind, soweit sie höher als ein Meter über der Geländeoberfläche sind und dazu geeignet sind, von Menschen betreten zu werden.
34Die streitgegenständliche Aufschüttung, bestehend aus einer Terrasse, einer Treppe sowie einer Böschung, ist dazu geeignet und bestimmt, von Menschen betreten zu werden. Sie übersteigt in dem Bereich, in dem die Terrasse an das Wohnhaus grenzt, einen Meter und löst damit Abstandsflächen zur Grundstücksgrenze der Kläger aus, die nicht eingehalten sind.
35Das Geländeniveau wird im Bereich der Terrasse um mehr als einen Meter angehoben.
36Die Geländeoberfläche – und damit maßgeblicher untere Bezugspunkt – ist nach § 2 Abs. 4 BauO NRW die Fläche, die sich aus der Baugenehmigung oder den Festsetzungen des Bebauungsplans ergibt, im Übrigen die natürliche Geländeoberfläche. Die streitgegenständliche Baugenehmigung enthält keine Angaben zur Geländeoberfläche. Es existiert auch keine solche Festsetzung im Bebauungsplan Nr. 000, in dessen Anwendungsbereich das Vorhabengrundstück liegt. Insbesondere die Festsetzung der Erdgeschoss-Fußbodenhöhe stellt keine Festsetzung zur Veränderung der Geländeoberfläche dar. Einer solchen Lesart steht schon der Wortlaut der Festsetzung einer „Erdgeschoss-Fußbodenhöhe“ entgegen. Es handelt sich dabei vielmehr um eine gestalterische Festsetzung i.S.d. § 9 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 86 Abs. 1, Abs. 4 BauO NRW [a.F.] über das Maß der baulichen Nutzung und nicht um eine solche, mit der die Geländeoberfläche für das gesamte Plangebiet festgesetzt werden soll. Die Begriffe „Erdgeschoss“ und „Fußboden“ setzen denknotwendig die Errichtung einer baulichen Anlage voraus – die Geländeoberfläche weist keine Geschosse und keinen Fußboden auf.
37Insoweit ist für die Berechnung auf die natürliche Geländeoberfläche abzustellen, also das Geländeniveau, welches vor der in Rede stehenden Baumaßnahme vorgefunden wird.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Mai 1996 – 7 A 3378/93 –, juris Rn. 35; Beschlüsse vom 10. August 2021 – 7 B 1080/21 –, juris Rn. 18; vom 8. Januar 2008 – 7 B 1653/07 –, juris Rn. 16; vom 16. Januar 2006 – 7 B 1963/05 –, juris Rn. 8 ff. sowie vom 21. Februar 2005 – 7 B 2195/04 –, juris Rn. 4.
39Das in diesem Sinne ursprüngliche Geländeniveau liegt im hinteren Bereich des geplanten Wohnhauses zwischen 57,86 und 57,98m NHN. Für die Terrasse ist eine Geländeaufschüttung bis zu einer Höhe von 59,36m NHN genehmigt, sodass sich eine Anhebung des vorhandenen Geländeniveaus um mindestens 1,38m NHN ergibt.
40An der Grenze zum klägerischen Grundstück beträgt die Erhöhung weniger als einen Meter gegenüber der natürlichen Geländeoberfläche.
41Unmittelbar an dieser Grenze ist eine Aufschüttung auf 58,62m NHN genehmigt, die als Böschung auf 58,72m am Fuß der zur Terrasse führenden Treppe ansteigt. In diesem Bereich bis zur untersten Treppenstufe liegt die Anschüttung demgemäß unter einem Meter, sodass sie isoliert betrachtet keine Abstandsfläche auslösen würde.
42Anders als die Beklagte meint, darf der Grenzbereich indes nicht isoliert betrachtet werden.
43Nach ständiger Rechtsprechung des OVG NRW, der die Kammer folgt,
44vgl. OVG NRW, Urteile vom 9. Juni 2011 – 7 A 1494/09 –, juris Rn. 85 und vom 30. November 2000 – 7 A 978/96 –, nrwe; Beschlüsse vom 7. Mai 2021 – 2 A 468/21 –, juris Rn. 15 und vom 22. Januar 2001 – 7 E 547/99 –, juris Rn. 5; Urteil der Kammer vom 15. Juni 2022 – 23 K 5935/19 –, juris Rn. 32 ff.,
45ist eine einheitliche Anschüttung grundsätzlich als eine bauliche Anlage zu betrachten und kann nicht in mehrere, einer unterschiedlichen abstandsrechtlichen Bewertung zugänglichen Teilanlagen aufgeteilt werden.
46Gestufte Anschüttungen können nur dann als getrennt zu bewertende bauliche Anlagen angesehen werden, wenn die vorhandene Geländetopographie vor Durchführung der Baumaßnahme dies vorgibt, indem etwa ein Teil der Geländeanhebung die natürliche Geländeoberfläche „aufgreift“.
47Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor: Das Geländeniveau in Höhe der Terrasse entsprach zu keinem Zeitpunkt dem nunmehr genehmigten Niveau von 59,36m bis 59,30m NHN. So weisen die Bauvorlagen an dieser Stelle eine mittlere Geländehöhe von 57,98m NHN aus. Aus der Bauakte ergibt sich auch, dass der geplante Geländeverlauf diametral zu der vorhandenen Geländeoberfläche verlaufen soll – während das Vorhabengrundstück im Ursprung leicht in Richtung des klägerischen Grundstücks ansteigt, sieht die Baugenehmigung einen in Richtung des klägerischen Grundstücks abfallenden Verlauf vor.
48Einer getrennten Betrachtung steht auch die Verbindungsfunktion entgegen, die die Treppe nach den Bauplänen einnehmen soll, indem sie die Terrasse mit der geplanten Grünfläche in Beziehung setzt. Die geplante Aufschüttung tritt optisch als eine einheitliche (abgetreppte und abgeböschte) Geländemodellierung in Erscheinung. Auch funktional lassen sich die verschiedenen Bereiche der Aufschüttungen nicht voneinander trennen, weil sie durch den gemeinsamen Zweck verbunden sind, die Anforderungen des Geländes in dem Raum zwischen dem Gebäude und der klägerischen Grundstücksgrenze sinnvoll zu bewältigen.
49Die von den Beigeladenen gegen die oben zitierte Rechtsprechung zur Behandlung einheitlicher baulicher Anlagen als rechtliche Einheit vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
50Entgegen der Ansicht der Beigeladenen verkennt diese Rechtsprechung zunächst nicht die abstandsrechtliche Systematik. § 6 Abs. 4 Satz 3 BauO NRW trägt dem Umstand Rechnung, dass sich Wandteile unterschiedlicher Höhe oder mit Vor- und Rücksprüngen hinsichtlich des Grades der Beeinträchtigung der durch § 6 BauO NRW geschützten Belange deutlich unterscheiden.
51Vgl. OVG Münster, Urteil vom 21. August 1995 – 10 A 2749/91 –, juris Rn. 9 ff.; BeckOK BauordnungsR NRW/Kockler, Stand: 1. Februar 2025, § 6 Rn. 82.
52Dies trifft auf die einzelnen Teile einheitlicher Aufschüttungen nicht zu. Maßgebend ist insoweit, dass die gesamte Aufschüttung dazu geeignet ist, von Menschen betreten zu werden und daher an jeder Stelle ein (soziales) Bedürfnis an der Wahrung von Abstandsflächen besteht. Das verkennen die Beigeladenen bei ihrer Argumentation. Insofern können Nachbarrechte auch verletzt sein, wenn eine Anschüttung rund um das gesamte Gebäude erfolgt, eine Terrasse aber beispielsweise nur auf der dem Nachbargrundstück abgewandten Seite errichtet wird.
53Die für bauliche Anlagen, die nicht Gebäude sind, aber dazu geeignet sind, von Menschen betreten zu werden, im Vergleich zu § 6 Abs. 1 Satz Nr. 1 BauO NRW geltende, geringere Höhe über der Geländeoberfläche resultiert aus der Überlegung, dass Anlagen, die bestimmungsgemäß dazu geeignet sind, von Menschen betreten zu werden, typischerweise eher geeignet sind, den Sozialfrieden zu beeinträchtigen.
54Vgl. BeckOK BauordnungsR NRW/Kockler, § 6 Rn. 22.
55Wird die Anschüttung unterbrochen, muss dies für den betroffenen Nachbarn nicht zu einem „messbaren Vorteil“ führen. Ein solches Kriterium findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze und ist dem Abstandsrecht auch im Übrigen fremd.
56Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass durch die oben zitierte Rechtsprechung dem Bedürfnis nach der Schaffung von Rechtssicherheit und -klarheit Rechnung getragen wird. Auch insoweit verbietet sich der Vergleich von Anschüttungen mit gestaffelten Wänden, bei denen die einzelnen Teile viel eher individualisiert und vermessen werden können.
57Zuletzt entscheidet auch in den Fällen versetzter und gestaffelter Wände eine natürliche Betrachtung darüber, ob es sich lediglich um Gliederungen einer Wand oder um eigenständige Wandteile handelt, die der Beurteilung gemäß § 6 Abs. 4 Satz 3 BauO NRW unterliegen.
58Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 10 A 3416/07 –, juris Rn. 30 m.w.N.
59Das Gericht teilt auch nicht die von den Beigeladenen geäußerten Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit Art. 14 GG und dem Grundsatz der praktischen Konkordanz.
60Zunächst ist zu konstatieren, dass es der Bauherr selbst in der Hand hat, sein Vorhaben den baurechtlichen Vorgaben entsprechend zu planen. Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben ist er in der Gestaltung der Bebauung des in seinem Eigentum stehenden Grundstücks frei. In der vorliegenden Konstellation betrifft das Abstandsflächenrecht im engeren Sinne – losgelöst von der Größe des Vorhabengrundstücks – nur die letzten drei Meter des Grundstücks. Insoweit erhält der Nachbar auch keine dem Bauherrn nicht mehr zumutbare, faktische Einwirkungsmöglichkeit auf dessen Grundstück. Im Übrigen trifft den Nachbar spiegelbildlich die Pflicht, die notwendigen Abstandsflächen auf seinem Grundstück einzuhalten.
61Bei den von den Beigeladenen angeführten Beispielen handelt es sich um Ausnahmekonstellationen, denen durch das Instrument der Befreiung im Sinne des § 69 BauO NRW in Einzelfällen begegnet werden kann.
62Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass es im vorliegenden Fall keinen tragfähigen Anknüpfungspunkt dafür gibt, die genehmigte Geländeveränderung im Grenz- und Böschungsbereich sowie im übrigen Grundstücksbereich, betreffend die Terrasse und die Treppe als jeweils selbständige bauliche Anlagen zu bewerten.
63Ist das Gelände – wie hier – abgeböscht, darf der Böschungsfuß nicht innerhalb der Abstandsfläche liegen,
64vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Februar 2011 – 7 B 1803/1009 –, juris Rn. 33; vom 10. Februar 2010 – 7 B 1368/09 –, juris Rn 22 und vom 22. Januar 2011 – 7 E 547/99 –, juris Rn. 4; Beschluss der Kammer vom 13. Januar 2021 – 23 L 2028/20 –, juris Rn. 17.
65Auf den aufgezeigten Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften können sich die Kläger auch berufen, da gerade die Abstandsflächen dem Schutz der Nachbarn zu dienen bestimmt sind, indem sie die Belange der Belichtung, Besonnung und Belüftung sowie ausreichenden Sozialabstands gewährleisten.
66Aufgrund des festgestellten Verstoßes der Baugenehmigung gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften kommt es auf die weiteren, von den Klägern vorgebrachten Verstöße gegen baurechtliche Vorschriften nicht mehr an. Insbesondere muss nicht erörtert werden, ob der hier maßgebliche Bebauungsplan wirksam ist und ob die Kläger als Eigentümer eines außerhalb des Bebauungsplangebietes gelegenen Grundstücks aus einer Unwirksamkeit Rechte herleiten können.
67Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Den Beigeladenen waren keine Kosten nach § 154 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, da sie keinen Antrag gestellt haben. Aus demselben Grund waren die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht erstattungsfähig, § 162 Abs. 3 VwGO.
68Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO.
69Rechtsmittelbelehrung
70Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
71Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
72Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
73Beschluss
74Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
7510.000,- Euro
76festgesetzt.
77Gründe
78Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Der festgesetzte Wert entspricht der Bedeutung der Sache.
79Rechtsmittelbelehrung
80Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.