Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 1579/25.A gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Februar 2025 (Gesch.-Z.: N01) unter Ziffer 5 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe
2Der Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage 22 K 1579/25.A gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Februar 2025 unter Ziffer 5 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4ist begründet. Es bestehen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheides.
5Im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nach § 36 Abs. 3 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der gemäß § 36 Abs. 3, § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung an, wenn das persönliche Interesse der Asylsuchenden, von der sofortigen Aufenthaltsbeendigung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Durchsetzung übersteigt. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf das Verwaltungsgericht die Aussetzung der Abschiebung dabei nur dann anordnen, wenn nach der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Der Begriff der „ernstlichen Zweifel“ i. S. v. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG entspricht dabei dem übereinstimmenden Begriff in Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG. Die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme darf danach nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich nicht standhält.
6BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 –, juris, Rn. 99.
7Bei der gerichtlichen Überprüfung der Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet ist für das Eilverfahren erschöpfend zu prüfen, ob die Antragsgegnerin aufgrund einer umfassenden Würdigung der ihr vorgetragenen oder sonst erkennbaren maßgeblichen Umstände unter Ausschöpfung aller ihr vorliegenden und zugänglichen Erkenntnismittel entschieden und in der Entscheidung klar zu erkennen gegeben hat, weshalb der Antrag offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, sowie, ob die Ablehnung als offensichtlich unbegründet auch weiterhin Bestand haben kann. Die schlichte Behauptung, der Asylantrag sei offensichtlich unbegründet, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.
8Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 11. Dezember 1985 – 2 BvR 361/83 –, juris, Rn. 50, und Beschluss vom 22. Oktober 2008 – 2 BvR 1819/07 –, juris, Rn. 12 sowie BVerfG, Beschluss vom 25. April 2018 – 2 BvR 2435/17 –, juris, Rn. 20; stattgebender Kammerbeschluss vom 25. Februar 2019 – 2 BvR 1193/18 –, juris, Rn. 18, 21.
9Mit Blick auf die gravierenden Folgen einer qualifizierten Ablehnung eines Asylantrages sind an die die Entscheidung des Bundesamtes tragende Begründung hohe Anforderungen zu stellen. Die hohen Begründungsanforderungen dienen der wirksamen Durchsetzung des materiellen Asylanspruchs in einem dafür geeigneten Verfahren und der Sicherung des von Art. 16a Abs. 1 GG grundsätzlich auch geschützten vorläufigen Bleiberechts des Asylbewerbers bzw. der Asylbewerberin. Sie sollen die Gewähr für die materielle Richtigkeit der Entscheidung verstärken.
10Vgl Heusch in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 42. Edition, Stand: 1. Juli 2024, § 30 AsylG Rn. 48, m. w. N.
11Ausgehend von diesen Grundsätzen fällt die vorzunehmende Interessenabwägung hier zugunsten des Antragstellers aus. Denn unter Würdigung des vorliegenden Akteninhalts und der sonstigen Erkenntnisse bestehen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung und der ihr zugrundeliegenden Entscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet.
12Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) hat den Asylantrag der Antragstellerin zu Unrecht auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in der Fassung aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I Nr. 54), in Kraft getreten am 27. Februar 2024, als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Danach ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind.
13Zur Begründung seiner Offensichtlichkeitsentscheidung hat das Bundesamt ausgeführt, dass der Antragsteller vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens „nach unbekannt verzogen“ sei. Dies zeige „mehr als deutlich“, dass der Antragsteller kein Schutzinteresse habe und eine Furcht vor Verfolgung nicht im Ansatz vorliege. „Mithin“ habe der Antragsteller nichts von Belang für das Asylverfahren vorgetragen. Diese Subsumtion ist unvertretbar. Der Umstand eines vermeintlichen „Fortzugs nach unbekannt“ kann der Vorschrift des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unter keinem denkbaren Gesichtspunkt subsumiert werden. Ein „Fortzug nach unbekannt“ hat mit einen „belanglosen Vortrag“ weder sprachlich noch vom Sinn und Zweck der Vorschrift her irgendetwas zu tun. Soweit die Antragsgegnerin auf den gerichtlichen Hinweis, dass die Offensichtlichkeitsentscheidung so nicht vertretbar ist, ausführt, dass sich aus dem Fortzug des Antragstellers ein offensichtliches Desinteresse an der Betreibung des Asylverfahrens ergebe, vermag auch dies nicht zu überzeugen. Dieser Begründungsansatz passt – wenn überhaupt – zu einer Verfahrenseinstellung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylG, nicht aber zu der hier in Rede stehenden Offensichtlichkeitsentscheidung nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG.
14Die Offensichtlichkeitsentscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig. Der Vortrag des Antragstellers bezieht sich auf politische Verfolgung wegen Mitgliedschaft in der HDP/DEM-Partei. Dieser Vortrag ist offensichtlich nicht belanglos im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Er ist auch nicht derart gravierend unsubstantiiert, dass er aus diesem Grund als belanglos angesehen werden könnte.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
16Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).