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Die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 1151/25.A gegen die in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2025 (Gesch.-Z.: N02) enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe
2Der sinngemäße Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 22 K 1151/25.A gegen die in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2025 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
5Der Antrag ist zulässig. Er ist statthaft, da nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG Klagen gegen ablehnende Asylentscheidungen nur in Fällen einer einfachen Ablehnung i. S. v. § 38 Abs. 1 AsylG sowie in Fällen der §§ 73, 73b und 73c AsylG aufschiebende Wirkung haben. Vorliegend hat das Bundesamt das Asylverfahren eingestellt, die Abschiebung gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG angedroht und eine einwöchige Ausreisefrist gemäß § 38 Abs. 2 AsylG gesetzt. Es liegt kein Fall des § 38 Abs. 1 AsylG vor, in dem der Klage aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antrag wurde auch fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Klage- und Antragsfrist des § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG gestellt. Hier gilt insbesondere nicht die einwöchige Antragsfrist des § 36 Abs. 3 AsylG, da § 33 Abs. 6 AsylG dessen Anwendung lediglich für einen – hier nicht gegebenen – Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung nach§ 33 Absatz 5 Satz 5 AsylG vorsieht.
7Da die Möglichkeit eines Wiederaufnahmeantrags nach § 33 Abs. 5 AsylG im Vergleich zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Einstellung des Asylverfahrens in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides nicht gleichwertig ist, ist für den vorliegenden Antrag auch ein Rechtsschutzinteresse anzuerkennen.
8Vgl. hierzu VG Augsburg, Beschluss vom 4. Juni 2024 – Au 9 K 24.30467 –, juris, Rn. 31; VG Ansbach, Beschluss vom 25. März 2020 – AN 4 S 20.30214 –, juris, Rn. 20; VG Würzburg, Beschluss vom 15. Januar 2020 – W 8 S 20.30022 –, juris, Rn. 13.
9Der Antrag ist auch begründet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen. Dabei hat das Gericht eine eigenständige Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Hierbei ist insbesondere auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen. Erweist sich der angegriffene Verwaltungsakt bei der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes einzig möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtswidrig, sodass die Klage Erfolg hätte, kann kein überwiegendes öffentliches Interesse am Vollzug des rechtswidrigen Verwaltungsaktes bestehen. Umgekehrt kann der Antragsteller kein schutzwürdiges privates Interesse daran haben, von der Vollziehung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts verschont zu bleiben.
10Der Maßstab des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, nach dem die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, ist vorliegend nicht anwendbar. Denn § 36 Abs. 4 AsylG gilt nur bei einer Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG und bei offensichtlicher Unbegründetheit, nicht jedoch im Fall der hier vorliegenden Einstellung nach § 33 AsylG. § 38 Abs. 2 AsylG hingegen enthält keine § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG entsprechende Regelung.
11Die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende gerichtliche Interessenabwägung ergibt, dass das Suspensivinteresse der Antragsteller das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt, da die summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Klage Erfolg haben wird. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids vom 3. Februar 2025 ist voraussichtlich rechtswidrig. Voraussetzung für den Erlass einer Abschiebungsandrohung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist in dem hier gegebenen Fall, in dem kein Asylverfahren durchgeführt und demzufolge keine Sachentscheidung über den Asylantrag ergangen ist, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Einstellung des Asylverfahrens gemäß § 33 Abs. 1 bis 4 AsylG und zudem das Fehlen nationaler zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote sowie inlandsbezogener Abschiebungsverbote (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 AsylG). Hier erweist sich nach summarischer Prüfung bereits die Einstellungsentscheidung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids als rechtswidrig.
12Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylG stellt das Bundesamt das Verfahren ein oder lehnt den Asylantrag nach angemessener inhaltlicher Prüfung ab, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. In § 33 Abs. 2 Satz 1 AsylG werden Fallgruppen genannt, bei denen vermutet wird, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. So tritt die gesetzliche Vermutungswirkung des Nichtbetreibens ein, wenn der Ausländer einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 nicht nachgekommen ist (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Alternative AsylG). Diese Vermutung gilt gemäß § 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG dann nicht, wenn der Ausländer innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung nachweist, dass das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte.
13Im vorliegenden Fall ist der Regelvermutungstatbestand des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Alternative AsylG nicht erfüllt. Denn der Regelvermutungstatbestand enthält als ungeschriebenes Merkmal die Voraussetzung, dass der Ausländer einer Aufforderung nach § 25 AsylG unentschuldigt nicht nachgekommen ist. Dies ergibt bereits ein Umkehrschluss aus der Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 2 Satz 1 AsylG. Wenn die Regelvermutung bereits dann nicht gilt, wenn der Ausländer innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung nach Absatz 1, also der Verfahrenseinstellung wegen Nichtbetreibens, nachweist, dass das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte, dann gilt dies erst recht, wenn der Ausländer diesen Nachweis bereits vor dem anberaumten Termin zur Anhörung nach § 25 AsylG erbringt. So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin zu 1 ist hier der Aufforderung zur Anhörung nach § 25 AsylG nicht unentschuldigt nicht nachgekommen. Das vom Prozessbevollmächtigten vor dem Termin zur Anhörung vorgelegte Attest war geeignet, das Nichterscheinen der Antragstellerin zu 1 zu entschuldigen. Die hiergegen gerichteten Ausführungen des Bundesamts überzeugen nicht.
14Mit Schreiben vom 15. Januar 2025 hat das Bundesamt den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu 1 aufgefordert, ein „fachärztliches qualifiziertes Attest“ binnen einer Woche beizubringen. Aus diesem Attest solle u.a. hervorgehen, „ob und wie lange“ die Antragstellerin zu 1 teilnahmeunfähig sei. Auch solle „der genaue Zeitpunkt“ mitgeteilt werden, ab dem die Antragstellerin zu 1 wieder teilnahmefähig sei. Diesem Brief hat das Bundesamt ein „Hinweisblatt für Ärzte“ beigefügt, in dem die Anforderungen an ärztliche Bescheinigung nach Maßgabe von § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG dargestellt werden. Damit überspannt das Bundesamt die Anforderungen an ein ärztliches Attest, mit dem ein Asylantragsteller sich aus gesundheitlichen Gründen für das Nichterscheinen bei einem Anhörungstermin nach § 25 AsylG zu entschuldigen sucht. Zunächst ist schon der Anwendungsbereich von § 60a Abs. 2c AufenthG nicht eröffnet. Diese Vorschrift betrifft die Vermutung, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Um die Durchführung einer Abschiebung geht es hier offenkundig nicht. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die Mitwirkungspflichten im (Asyl-)Verwaltungsverfahrens dürfte nicht in Betracht kommen, da es bereits an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Zu den Voraussetzungen einer analogen Anwendung dieser Vorschrift im Rahmen von § 25 AsylG bzw. § 33 AsylG finden sich im angefochtenen Bescheid des Bundesamts dementsprechend auch keine Ausführungen.
15Fehl geht nach Ansicht des Gerichts auch die Annahme, dass aus dem ärztlichen Attest der genaue Zeitraum hervorgehen müsste, in dem die betroffene Person „teilnahmeunfähig“ ist. Soweit ein konkreter Termin zur Anhörung in Rede steht, muss ein ärztliches Attest zunächst nur belegen, dass die betroffene Person an diesem Tag gesundheitlich nicht in der Lage ist, den Termin wahrzunehmen. Die vom Bundesamt hier verlangten zusätzlichen Informationen finden im Gesetz keine Grundlage.
16Schließlich ergibt sich auch nichts Anderes aus der vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid zitierte Entscheidung des OVG Lüneburg vom 5. November 2012 (2 LA 177/12 – juris, Rn. 7). Diese Entscheidung betrifft einen Antrag auf Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und verhält sich dementsprechend zur Auslegung von § 173 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 ZPO sowie zu der Frage, ob die Ablehnung des Verlegungsantrags einen Verstoß gegen den Grundsatz auf Gewährung rechtlichen Gehörs darstellt. Diese Entscheidung ist auf die hier in Rede stehenden Vorschriften über das asylrechtliche Verwaltungsverfahren nicht übertragbar. Dass in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Bezug auf die Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung strengere Maßstäbe gelten als in Bezug auf die Verlegung eines Anhörungstermins nach § 25 AsylG, versteht sich von selbst.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
18Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).