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Entscheidung über Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen eine Gewerbeuntersagung und die bereits zuvor erfolgte Versiegelung der Geschäftsräume im Wege des Sofortvollzugs.
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2. Der Streitwert wird auf 32.500,00 € festgesetzt.
Gründe
2Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 597/25 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 13. Januar 2025 hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 wiederherzustellen und hinsichtlich der Ziffern 4 und 5 sowie der Anwendung des unmittelbaren Zwangs im Wege des Sofortvollzugs am 6. Januar 2025 anzuordnen,
4und
5die Antragsgegnerin zu verpflichten, die am 6. Januar 2025 angebrachte Versiegelung der Betriebsstätte S.-straße 000, 00000 X. zu entfernen,
6hat keinen Erfolg.
7Der vorläufige Rechtsschutz gegen die Gewerbeuntersagung und der im Wege des Sofortvollzugs erfolgten Versiegelung der Betriebsstätte richtet sich nach § 80 Abs. 5 VwGO. Eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist in der vorliegenden Fallgestaltung unstatthaft. Es kann insoweit offenbleiben, ob es sich bei der Anwendung von Verwaltungszwang in Form des Sofortvollzuges um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 Satz 1 VwVfG NRW handelt oder um eine Zwangsmaßnahme ohne Verwaltungsaktqualität.
8Vgl. für das Gaststättenrecht VG Köln, Beschluss vom 19. Januar 2024 – 1 L 1741/23 –, Rn. 6, juris, m.w.N. und für das Bauordnungsrecht OVG NRW, Beschluss vom 25. November 1993 – 10 B 360/93 –, Rn. 9, juris; zur entsprechenden Anwendung von § 18 Abs. 2 VwVG Bund auf die landesrechtliche Vollstreckung vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. Oktober 2008 – 7 A 696/07 –, Rn. 35, juris.
9Der so verstandene Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
101.
11Der Antrag ist zulässig. Er ist hinsichtlich der Gewerbeuntersagung unter Ziffer 1 und der erweiterten Gewerbeuntersagung unter Ziffer 2 der Ordnungsverfügung vom 13. Januar 2025 als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft, weil die Antragsgegnerin unter Ziffer 3 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung angeordnet hat. Hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs unter Ziffer 4 und der Zwangsgeldandrohung unter Ziffer 5 der Ordnungsverfügung vom 13. Januar 2025 und der Anwendung des unmittelbaren Zwangs im Wege des Sofortvollzugs am 6. Januar 2025 ist der Antrag als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, weil die Klage insoweit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
122.
13Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Gewebeuntersagung unter Ziffer 1 und die Erweiterung der Gewerbeuntersagung unter Ziffer 2 der Ordnungsverfügung vom 13. Januar 2025 ist unbegründet.
14Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen Bescheid wiederherstellen, dessen sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist. Ein solcher Antrag ist begründet, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtswidrig ist oder wenn die vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorerst verschont zu bleiben einerseits und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung andererseits zugunsten des Antragstellers ausfällt. Ein solches überwiegende Interesse ist dann anzunehmen, wenn der Rechtsbehelf des Antragstellers zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird oder jedenfalls die Anordnung der sofortigen Vollziehung materiell rechtswidrig ist, weil kein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug des (rechtmäßigen) Bescheids gegeben ist.
15a)In formaler Hinsicht hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend begründet (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Hierfür bedarf es einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat.
16Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 – 1 DB 26.01 –, Rn. 6, juris.
17Geringere Begründungsanforderungen gelten ausnahmsweise in Fällen besonderer Dringlichkeit, etwa bei Verfügungen, die sich durch Zeitablauf erledigen, oder dann, wenn aus Sicht der Behörde nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung erheblichen Gefahren oder der Begehung von Straftaten vorbeugen kann. In solchen Fällen reicht es aus, wenn diese besonderen Gründe benannt werden und deutlich gemacht wird, dass sie ein solches Gewicht haben, das ein besonderes öffentliches Interesse gerade an der sofortigen Vollziehung zu belegen fähig ist.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. März 2015 – 4 B 1480/14 –, Rn. 2, juris.
19Dem genügt die hier vorliegende Begründung noch. Die Antragsgegnerin hat unter Bezugnahme auf Ihre vorherigen Ausführungen den Schluss gezogen, dass auch eventuelle zukünftige Gewerbeausübungen sich zum Schaden der Allgemeinheit auswirken würden. Nur durch die sofortige Vollziehung der betriebenen und vergleichbaren Gewerbetätigkeit könne verhindert werden, dass eine weitere erhebliche Schädigung des Allgemeininteresses in Folge der Missachtung der Rechtsordnung durch den Antragsteller eintrete.
20b)Die Interessenabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus. Die Untersagung des konkret ausgeübten Gewerbes unter Ziffer 1 und die Erweiterung der Gewerbeuntersagung unter Ziffer 2 der Ordnungsverfügung vom 13. Januar 2025 erweisen sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.
21(1)
22Die Untersagung des konkret ausgeübten Gewerbes „Einzelhandel mit E-Zigaretten, Wasserpfeifen, Tabakwaren und Zubehör, alkoholfreie Getränke“ ist nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig.
23Rechtsgrundlage ist § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO. Danach ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
24Unzuverlässig im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 – 8 C 6.14 –, Rn. 14, juris, grundlegend Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 C 94.78 –, Rn. 15, juris.
26Die Beurteilung hat Prognosecharakter. Ihr müssen Tatsachen zugrunde liegen, insbesondere auch früheres oder aktuelles Verhalten, die eine Beurteilung ermöglichen, ob der Gewerbetreibende willens und in der Lage ist, in Zukunft seine beruflichen Pflichten zu erfüllen. Auf ein Verschulden oder einen Charaktermangel des Gewerbetreibenden kommt es insoweit nicht an.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 146.80 – Rn. 13 ff., juris.
28Die Tatsachen, auf die die Unzuverlässigkeit gestützt werden soll, müssen gewerbebezogen sein, d.h. die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden im Hinblick auf das konkret ausgeübte Gewerbe in Frage stellen.
29Auch eine Vielzahl kleinerer Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben, die jeweils für sich allein betrachtet noch keine ausreichende Grundlage für die Annahme der Unzuverlässigkeit bieten würden, können in ihrer Häufung erheblich sein und die Unzuverlässigkeit begründen, wenn sie einen Hang zur Nichtbeachtung geltender Vorschriften erkennen lassen oder in der Häufung eine erhebliche Ordnungsstörung liegt.
30Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Juli 2020 – 4 B 118/20 –, Rn. 6, juris, m.w.N.
31Dies zugrunde gelegt bietet der Antragsteller nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird.
32Bereits bei der ersten Durchsuchung seiner Geschäftsräume durch das Hauptzollamt Köln am 30. Oktober 2024 stellten die Zollbeamten fest, dass der Antragsteller erhebliche Mengen Wasserpfeifentabak (8.434 Gramm in insgesamt 61 Dosen unterschiedlicher Größe und 6 Tüten) in seinen Geschäftsräumen vorhielt, die entweder gar nicht mit Steuerzeichen i.S.d. § 17 TabStG oder mit Steuerzeichen für Pfeifentabak versehen waren, obwohl nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 TabStG für Wasserpfeifentabak noch eine Zusatzsteuer zum Tarif für Pfeifentabak anfällt. Gegen den Antragsteller wurde daraufhin ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung und Steuerhehlerei (§§ 370, 374 AO) eingeleitet. Außerdem stellten die Zollbeamten 25 Stück E-Zigaretten sicher, welche in Deutschland nicht zugelassen sind, da sie entgegen des nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TabakerzG geltenden maximal erlaubten Volumens von 2 ml Liquid ein Volumen von 28 ml Liquid hatten.
33Bei der zweiten Durchsuchung der Geschäftsräume des Antragstellers durch das Hauptzollamt Köln am 6. Januar 2025 stellten die Zollbeamten erneut Wasserpfeifentabak ohne Steuerzeichen i.S.d. § 17 TabStG sicher (insgesamt 1.371 Gramm in drei Behältnissen) und insgesamt 58 E-Zigaretten, welche in Deutschland nicht zugelassen sind, da sie das nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TabakerzG maximal erlaubte Volumen von 2 ml Liquid überschritten.
34Aus dem vorstehenden Sachverhalt ergibt sich ein Hang des Antragstellers zur Nichtbeachtung geltender Vorschriften. Er hat auch nach der ersten Durchsuchung am 30. Oktober 2024 das bereits dort festgestellte gesetzeswidrige Verhalten unbeirrt fortgesetzt. Indem die sichergestellten E-Zigaretten in Deutschland nicht zugelassen sind, sind sie auch nicht ordnungsgemäß versteuert. Der Antragsteller hat sich sowohl durch die nicht ordnungsgemäße Versteuerung, als auch durch den Vertrieb von in Deutschland nicht zugelassenen E-Zigaretten an sich, einen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Gewerbetreibenden verschafft, welche sich an die geltenden Vorschriften halten.
35Soweit der Antragsteller vorträgt, der sichergestellte Wasserpfeifentabak ohne Steuerzeichen sei ursprünglich mit Steuerzeichen versehen gewesen, er habe das zugehörige Steuerzeichen lediglich bei der privaten Nutzung des Wasserpfeifentabaks beschädigt, so ist dies schon aufgrund der Mengen des sichergestellten Wasserpfeifentabaks unglaubhaft und als bloße Schutzbehauptung zu werten.
36Im Rahmen der zweiten Durchsuchung am 6. Januar 2025 konnten die Zollbeamten in ziviler Kleidung vor Beginn der Durchsuchung beobachten, wie der Antragsteller entgegen § 10 Abs. 1 JuSchG an eine Zwölf- und eine Vierzehnjährige jeweils eine der in Deutschland nicht zugelassenen nikotinhaltigen E-Zigaretten verkaufte. Das bloß pauschale Bestreiten jeglicher Jugendschutzgesetzverstöße vermag die insoweit im Tatbericht des Hauptzollamt Köln getroffenen Feststellungen nicht in Zweifel zu ziehen. Der Verkauf von Tabakwaren an Minderjährige stellt dabei nicht nur einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil durch Erweiterung des möglichen Kundenkreises gegenüber solchen Gewerbetreibenden dar, welche sich an die geltenden Vorschriften halten, sondern stellt auch eine erhebliche Gesundheitsgefährdung der kindlichen bzw. jugendlichen Käufer dar.
37Die Gewerbeuntersagung war zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich. Der Antragsteller entzieht durch die Nichterfüllung seiner steuerlichen Verpflichtungen dem Staat die Gelder, die dieser zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt, und verschafft sich unlautere Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Gewerbetreibenden, die ihren Berufspflichten ordnungsgemäß nachkommen. Der Verkauf von Tabakwaren an Kinder und Jugendliche stellt eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit dieser dar.
38Die Gewerbeuntersagung ist auch verhältnismäßig. Ist – wie hier – ein Gewerbetreibender unzuverlässig im Sinne von § 35 Abs. 1 GewO, so ist die nicht im Ermessen der Behörde stehende Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich und verhältnismäßig. Dem Schutzzweck der Vorschrift ist dann Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an der Erhaltung seiner Existenzgrundlage zu geben.
39Vgl. OVG NRW, vom 2. Juli 2021 – 4 B 806/21 –, Rn. 20, juris.
40(2)
41Die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung auf die „gewerbliche Abgabe (auch im Online-Handel) von: a) Bier, Wein, weinähnlichen Getränken oder Schaumwein oder Mischungen von Bier, Wein, weinähnlichen Getränken oder Schaumwein mit nichtalkoholischen Getränken, b) anderen alkoholischen Getränken oder Lebensmittel, die andere alkoholische Getränke in nicht nur geringfügiger Menge enthalten, c) Tabakwaren und anderen nikotinhaltige Erzeugnisse und deren Behältnisse sowie d) elektronischen Zigaretten oder elektronischen Shishas, in denen Flüssigkeit durch ein elektronisches Heizelement verdampft und die entstehenden Aerosole mit dem Mund eingeatmet werden, sowie für deren Behältnisse,“ ist ebenfalls offensichtlich rechtmäßig.
42Rechtsgrundlage ist § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO. Danach kann die Untersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.
43Dies ist hinsichtlich des Handels mit den aufgeführten Waren der Fall. Es handelt sich bei den aufgeführten Waren um solche, bei deren Handel aufgrund des bisherigen Verhaltens des Antragstellers vergleichbare Verstöße gegen Jugendschutz- und Steuervorschriften zu erwarten sind.
44Die erweiterte Gewerbeuntersagung war erforderlich. Hierfür muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen des Gewerbetreibenden vorliegen. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 – 8 C 6.14 –, Rn. 17, juris.
46So liegt der Fall hier. Anhaltspunkte für besondere Umstände, die es ausschließen, dass der Antragsteller ein anderes Gewerbe in Zukunft ausüben könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
47Auch sonst liegen keine Ermessensfehler vor. Die Antragsgegnerin hat das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und ordnungsgemäß darauf abgestellt, dass nur durch die Erweiterung sichergestellt werde, dass der Antragsteller nicht weitere gleichartige Verstöße gegen Jugendschutz- und Steuervorschriften begehen werde.
48c)
49Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist materiell rechtmäßig, da ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Gewerbeuntersagung unter Ziffer 1 und 2 des Bescheids vom 13. Januar 2025 besteht.
50Artikel 19 Abs. 4 GG gewährleistet die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe im Verwaltungsprozess nicht schlechthin. Überwiegende öffentliche Belange können es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts ist daher ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt.
51Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 2020 – 2 BvR 690/19 –, Rn. 16, juris, m.w.N.
52Hierfür muss die begründete Besorgnis bestehen, dass sich die mit der Gewerbeuntersagung bekämpfte Gefahr schon in der Zeit bis zur abschließenden Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung realisieren kann. Dies beurteilt sich nach der Sachlage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Insoweit sind auch Umstände zu berücksichtigen, die nach Erlass der Gewerbeuntersagung eingetreten sind.
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. März 2015 – 4 B 1480/14 –, Rn. 40, juris.
54Vorliegend besteht die Besorgnis, dass der Antragsteller auch während des Klageverfahrens weitere Verstöße gegen Jugendschutz-, Steuer- und Tabakerzeugnisvorschriften begeht. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Antragsteller sein Verhalten hinsichtlich der Einhaltung der Steuervorschriften und des Verkaufs von in Deutschland nicht zugelassenen E-Zigaretten nach den Feststellungen der Verstöße im Rahmen der Kontrolle am 30. Oktober 2024 unbeirrt fortgesetzt hat.
553.
56Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Androhung des unmittelbaren Zwangs unter Ziffer 4 und die Zwangsgeldandrohung unter Ziffer 5 der Ordnungsverfügung vom 13. Januar 2025 und der Anwendung des unmittelbaren Zwangs im Wege des Sofortvollzugs am 6. Januar 2025 ist unbegründet.
57Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich – wenn auch nicht ausschließlich – an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung abschätzen lassen.
58Dies zugrunde gelegt geht die Interessenabwägung hier zulasten des Antragstellers. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der beiden Zwangsmittelandrohungen und der Anwendung des unmittelbaren Zwangs im Wege des Sofortvollzugs.
59a)
60Die Androhung unmittelbaren Zwangs unter Ziffer 4 der Ordnungsverfügung vom 13. Januar 2025 beruht auf § 55 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Nr. 3, § 62 Abs. 1, § 63, § 66 und § 69 VwVG NRW. Sie begegnet keinen rechtlichen Bedenken, insbesondere ist die Auswahl des Zwangsmittels ermessensfehlerfrei und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 58 Abs. 3 Satz 1, § 62 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW) erfolgt. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass im Fall des Antragstellers allein unmittelbarer Zwang dazu geeignet sei, die konkrete Gewerbeuntersagung wirksam durchzusetzen. Dass die Antragsgegnerin bereits am 6. Januar 2025 im Wege des Sofortvollzugs (§ 55 Abs. 2 VwGO) unmittelbaren Zwang angewandt hat und die Geschäftsräume des Antragstellers versiegelt hat, steht einer Androhung der erneuten Anwendung des unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der in der Ordnungsverfügung vom 13. Januar 2025 nunmehr unter Ziffer 1 verfügten Gewerbeuntersagung nicht entgegen. Denn sollte der Antragsteller das untersagte Gewerbe entgegen der Verfügung und unter Bruch der bereits angebrachten Versiegelung wiedereröffnen, so könnte auf Grundlage der hier erfolgten Androhung die Festsetzung (§ 64 VwVG NRW) und sodann erneute Anwendung (§ 65 VwVG NRW) des unmittelbaren Zwangs erfolgen.
61b)
62Die Zwangsgeldandrohung unter Ziffer 5 der Ordnungsverfügung vom 13. Januar 2025 zur Durchsetzung der erweiterten Gewerbeuntersagung beruht auf § 55 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Nr. 2, § 60 und § 63 VwVG NRW. Sie begegnet im Hinblick auf die Wahl des angedrohten Zwangsmittels und die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Eine Frist brauchte nach § 63 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 VwVG NRW nicht bestimmt werden.
63c)
64Die Versiegelung der Geschäftsräume des Antragstellers in der S.-straße 000, 00000 X. im Wege des Sofortvollzugs war ebenfalls offensichtlich rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 55 Abs. 2, 57 Abs. 1 Nr. 3, 62 VwVG NRW.
65Nach § 55 Abs. 2 VwVG NRW kann der Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn die Anwendung des Verwaltungszwangs zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollzugsbehörde innerhalb ihrer Befugnisse handelt.
66Die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen der Versiegelung im Wege des Sofortvollzugs waren zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anwendung gegeben.
67Die Antragsgegnerin hat innerhalb ihrer Befugnisse gehandelt, da sie zur Untersagung des in den versiegelten Geschäftsräumen ausgeübten Gewerbes des Antragstellers, wie bereits dargestellt, nach § 35 Abs. 1 GewO wegen der Unzuverlässigkeit des Antragstellers ermächtigt war. Die dargestellten Gründe für die Unzuverlässigkeit des Antragstellers zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung am 13. Januar 2025, lagen auch bereits zum Zeitpunkt der Anwendung des unmittelbaren Zwangs im Wege des Sofortvollzugs am 6. Januar 2025 vor.
68Die Antragsgegnerin handelte zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr. Gegenwärtig ist eine Gefahr, bei der ein Schaden bereits eingetreten ist und weiterer droht oder bei der dieser Schaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit umgehend bevorsteht.
69Der Antragsteller hat unbeirrt durch die bereits im Rahmen der Durchsuchung am 30. Oktober 2024 erfolgten Feststellungen der Zollbeamten wegen ihres Volumens nicht zugelassene E-Zigaretten zum Verkauf vorgehalten. Im Rahmen der Durchsuchung am 6. Januar 2025 konnten die Zollbeamten und die anwesenden Mitarbeiter der Antragsgegnerin beobachten und feststellen, dass der Antragsteller die in Deutschland nicht zugelassenen E-Zigaretten an eine Zwölf- und eine Vierzehnjährige verkauft hat. Der Antragsteller hat damit nicht nur gegen die geltenden Vorschriften verstoßen und sich dadurch einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber den gesetzestreuen Gewerbetreibenden verschafft, sondern auch die Gesundheit des zwölfjährigen Kindes (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG) und der vierzehnjährigen Jugendlichen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 JuSchG) erheblich gefährdet. In Gesamtbetrachtung der Unbeirrbarkeit des Antragstellers in seiner Missachtung der Vorschriften und der Beobachtungen und Feststellungen am 6. Januar 2025 bestand die gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit von weiteren Kindern und Jugendlichen, indem davon auszugehen war, dass der Antragsteller weiterhin in Deutschland wegen ihres Volumens nicht zugelassene E-Zigaretten an Kinder und Jugendliche verkaufen würde.
70Infolge der Rechtmäßigkeit der Versiegelung der Geschäftsräume des Antragstellers, kommt auch eine Entfernung der Siegel gem. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO nicht in Betracht.
71Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
72Der festgesetzte Wert entspricht der Bedeutung der Sache (§ 52 Abs. 1 GKG). Der Kläger hat angegeben einen monatlichen Gewinn von 5.000 Euro mit dem Gewerbe zu erzielen (Ziffer 54.2.1 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit). Die erweiterte Gewerbeuntersagung wurde daneben mit weiteren 5.000,00 Euro berücksichtigt (Ziffer 54.2.2 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit). Der Betrag ist wegen der Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die Hälfte reduziert worden (Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit).
73Rechtsmittelbelehrung
74Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung bei dem Verwaltungsgericht Köln (Appellhofplatz, 50667 Köln oder Postfach 10 37 44, 50477 Köln) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist eingeht bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
75Die Beschwerde ist einzulegen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
76Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist nicht selbstständig anfechtbar.
77Gegen die Festsetzung des Streitwerts kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem diese Entscheidung Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln (Appellhofplatz, 50667 Köln oder Postfach 10 37 44, 50477 Köln) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Hierfür besteht kein Vertretungszwang. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.